Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.04.2012, Az. IX B 154/10

9. Senat | REWIS RS 2012, 7012

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Gegenstand

(Erwerbsaufwendungen für verfallene Termingeschäfte ohne steuerrechtliche Bedeutung - Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG - Rechtskontinuität - Keine Übernahme der entwickelten Maßstäbe auf Einkünfteermittlung nach Einführung der Abgeltungssteuer)


Leitsatz

Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Knock-Out-Zertifikats sind steuerrechtlich ohne Bedeutung, wenn der Erwerber das darin verbriefte Recht auf Differenzausgleich nicht innerhalb eines Jahres ausübt oder veräußert, sondern es --aus welchen Gründen auch immer-- verfallen lässt.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Verfall eines Knock-out-Terminkontrakts als privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.[X.] (2006) steuerbar ist.

2

Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Antragsteller ist [X.] tätig und betreibt ferner in geringem Umfang den Verkauf von Motorgeräten und Zubehör. Er erwarb von der [X.] am 12. Mai des [X.], sog. "[X.]" auf den Goldpreis in US-$ (hier 690 $) zum [X.] von 3,14 €, also zu einem Gesamtpreis von 835.702 € einschließlich Gebühren. Die Zertifikate berechtigten den Antragsteller, von der [X.] zu bestimmten Einlöseterminen die Zahlung eines [X.]s zu verlangen, der dem mit dem Bezugsverhältnis multiplizierten und in [X.] umgerechneten Betrag entspricht, um den der [X.] des dem Zertifikat zugrunde liegenden Edelmetalls am Bewertungstag den in den Zertifikatsbedingungen festgelegten Basiskurs überschreitet (Endgültige Bedingungen Nr. 494 vom 11. Mai 2006 der [X.], zit.: Endgültige Bedingungen, Nr. 1). Nach den Vertragsbedingungen (Endgültige Bedingungen, Nr. 4) sollte der verbriefte [X.] während der Laufzeit des Zertifikats nicht automatisch ausgezahlt werden, sondern erst, nachdem das betreffende Zertifikat vorher entweder vom Inhaber eingelöst oder von der Bank (zugleich die Emittentin) gekündigt worden ist. Der Anleger verliert sein Recht aus dem --jederzeit veräußerlichen-- Zertifikat, wenn ein sog. [X.] eintritt und der Goldpreis einen bestimmten Schwellenwert erreicht oder unterschreitet. Die Verpflichtung der Emittentin zur Zahlung des [X.]es wird dann durch die Verpflichtung ersetzt, die Zertifikate vom Inhaber anzukaufen, wenn dieser die Zertifikate innerhalb einer Frist von fünf Bankarbeitstagen nach Eintritt des [X.] der Emittentin zum Ankauf anbietet (Endgültige Bedingungen, Nr. 3).

3

Nachdem bereits am 15. Mai des Streitjahres das [X.] eingetreten war, machte der Antragsteller von seinen Rechten keinen Gebrauch und ließ sie verfallen; die Zertifikate wurden als wertlos aus dem Depot ausgebucht.

4

Die Antragsteller erklärten im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer für das Streitjahr einen Verlust in Höhe von 835.702 € neben positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften von 473.712 €. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) ließ den Verlust unberücksichtigt.

5

Über den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das [X.] ab. Vor dem Finanzgericht ([X.]) hatte der Antrag Erfolg. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 448 veröffentlichten Beschluss vertrat es die Auffassung, die Anschaffungskosten der Zertifikate seien als vergebliche Werbungskosten als Verlust bei einem Termingeschäft zu berücksichtigen. Es komme nicht darauf an, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 oder Satz 2 EStG erfüllt worden sei; denn Satz 2 erscheine angesichts des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks überflüssig. Die Zertifikate, um die es hier gehe, würden jedenfalls von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG erfasst. Die Steuerbarkeit sei entgegen der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) nicht erst erfüllt, wenn der Inhaber tatsächlich einen [X.] erlange und das Basisgeschäft durchführe. Das System des Einkommensteuerrechts gebiete, dass dort, wo aus einer Tätigkeit Gewinne besteuert werden dürften, auch Verluste steuerliche Anerkennung finden müssten. Deshalb sei die strikte Trennung des [X.] in Eröffnungs- und Basisgeschäft zu formal und lasse außer [X.], dass ein Eröffnungsgeschäft stets wegen des Basisgeschäfts und des dadurch vermittelten Vorteils abgeschlossen werde.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des [X.], mit der es geltend macht, der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG sei erst erfüllt, wenn der Zertifikatinhaber durch die Beendigung des erworbenen Rechts tatsächlich einen [X.] erlange. Im Streitfall sei das mögliche Basisgeschäft aber nicht durchgeführt worden. Der Beschluss des [X.] weiche deshalb von der Rechtsprechung des [X.] in seinen Urteilen vom 19. Dezember 2007 [X.] ([X.]E 219, 574, [X.], 519); vom 9. Oktober 2008 [X.] ([X.]/NV 2009, 152) und seinem Beschluss vom 13. Januar 2010 IX [X.]/09 ([X.]/NV 2010, 869) ab.

7

Das [X.] beantragt,

den Aussetzungsbeschluss aufzuheben und den Antrag auf AdV des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 abzuweisen.

8

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

9

Der Antragsteller trägt vor, es handele sich im Streitfall nicht um Optionen, sondern um Zertifikate, so dass zur Erfüllung des Steuertatbestandes keine gesonderte Handlung erforderlich sei. Hilfsweise seien die Anschaffungskosten jedenfalls mit dem [X.] als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Zu Unrecht hat das [X.] ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides des Streitjahres bejaht, indem es erwogen hat, den Verlust aus dem Verfall des [X.] als Termingeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG der Besteuerung zu unterwerfen.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 und Satz 7 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aufgehoben werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Das ist nach ständiger [X.]-Rechtsprechung der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. z.B. [X.] vom 27. Oktober 2009 [X.], [X.], 409, m.w.N.).

2. Derartige ernstliche Zweifel bestehen im Streitfall nicht.

a) Die Steuerbarkeit des Verlusts ergibt sich nicht schon aus § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Danach   gelten Zertifikate, die Aktien vertreten, und Optionsscheine als Termingeschäfte im Sinne des Satzes 1.

Diese gegenüber § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG vorrangige, da speziellere Vorschrift, ist hier nicht anwendbar. Zwar ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entgegen der Auffassung des [X.] nicht überflüssig. Die Norm erfasst Zertifikate, und zwar unabhängig davon, ob sie die Voraussetzungen eines Termingeschäfts erfüllen. Die Vorschrift betrifft aber keine Zertifikate auf einen Index (z.B. --wie hier-- auf den Goldpreis), sondern entsprechend ihres Wortlauts nur solche, die Aktien vertreten. Damit nimmt das Einkommensteuergesetz eine Formulierung auf, die das Wertpapierhandelsgesetz ([X.]) in § 2 Abs. 1 verwendet. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] i.d.[X.] definiert --wie auch neuere Fassungen des [X.] als Wertpapiere u.a. Zertifikate, die Aktien vertreten. Darunter versteht man Finanzinstrumente, die wirtschaftlich an die Stelle der unmittelbaren Beteiligung am Grundkapital der Aktiengesellschaft treten, z.B. sog. [X.], ADRs (vgl. dazu [X.] in: [X.]/[X.] (Hrsg.), [X.], 6. Aufl., § 2 [X.] 19; Verstegen in [X.] Kommentar zum [X.], § 2 [X.] 21; [X.], [X.], § 2 [X.] 25; s. auch Kumpan in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., [X.] § 2 [X.] 29, der zutreffend [X.] als Schuldtitel einordnet).

Wenn im Schrifttum erwogen wird, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ganz allgemein auch auf [X.] anzuwenden (z.B. [X.]/[X.] in Betriebs-Berater --[X.]-- 2011, 2718 ff.; möglicherweise auch [X.]/[X.], § 23 EStG [X.]), so lässt sich dies vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts der Norm nicht rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat sich explizit am begrifflichen Verständnis des Wertpapierhandelsgesetzes orientiert (so BTDrucks 14/443, [X.] zu Nr. 31 --§ 23--). Eine abweichende Interpretation ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des [X.] ([X.]) vom 27. November 2001 [X.] [X.] 2256- 265/01 ([X.], 986, unter 5., [X.]). Wenn dort der Ausdruck "Index" verwendet wird, so lediglich im Kontext mit Wert einer oder mehrerer Aktien.

b) Der Verlust, um den es hier geht, ist auch nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG steuerbar. Mit dem Termingeschäft erfasst diese Vorschrift einen "[X.] oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil ..., sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen [X.], Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt". Auch hier orientiert sich das [X.], indem es den dort definierten Begriff des Termingeschäfts verwendet (so BTDrucks 14/443, [X.], 29, wonach der bisherige Begriff des Differenzgeschäfts "durch den in § 2 [X.] ... definierten Begriff des Termingeschäfts ersetzt wird"; vgl. zur Entstehungsgeschichte auch [X.]-Urteil vom 17. April 2007 [X.], [X.], 566, [X.], 608).

aa) Es ist schon zweifelhaft, ob die [X.]Zertifikate überhaupt als Termingeschäfte nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG steuerbar sind.

(1) Orientiert man sich --wie das [X.] am Zivilrecht, handelt es sich bei dem Zertifikat nicht um ein typisches Termingeschäft, sondern um ein sog. Kassageschäft, bei dem der Anleger sofort Barvermögen oder einen Kreditbetrag einsetzen muss. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) sind [X.] standarisierte Verträge, die von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen sind und einen Bezug zum Terminmarkt haben. [X.] sind regelmäßig keine [X.]; sie sind strukturierte Finanzprodukte in der Form einer Inhaberschuldverschreibung, die den Anspruch des Inhabers gegen den Emittenten auf Zahlung eines Geldbetrages verbriefen, dessen Höhe vom Stand der zugrunde gelegten Basiswerte (sog. Underlyings) abhängt (s. [X.]-Urteile vom 13. Juli 2004 [X.], [X.]Z 160, 58 ff., und vom 27. September 2011 [X.], Neue Juristische Wochenschrift 2012, 66 ff., jeweils m.w.N.).

(2) Indes wird bei sog. [X.]en, wie sie Hebel-, [X.] oder [X.] darstellen, im Schrifttum eine differenzierende Auffassung vertreten. [X.] sind spezielle Terminkontrakte, die mit begrenzter oder unbegrenzter Laufzeit angeboten werden. Der Anleger kann sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse (hier z.B. auf Gold) setzen. Wegen der ausgeprägten Hebelwirkung von [X.] kann der Anleger überproportional an der Entwicklung des Basiswertes partizipieren; die Hebelwirkung ergibt sich daraus, dass das [X.] wesentlich weniger kostet als der Basiswert. Wird ein solches [X.] vorzeitig fällig, weil [X.] des Basiswertes die jeweilige Knock-out[X.]chwelle berührt oder unter- bzw. überschreitet, verfällt das Wertpapier als wertlos (so [X.] in [X.], 869). Die Position des Inhabers eines solchen Zertifikats wird im Schrifttum mit derjenigen aus einem Finanztermingeschäft als vergleichbar gewürdigt: Beide haben nur die Chance, einen endgültigen Anspruch zu erlangen. Allein die Tatsache, dass die Option aufschiebend bedingt und die Schuldverschreibung auflösend bedingt ist, vermag nach dieser Auffassung eine unterschiedliche Bewertung nicht zu rechtfertigen, so dass auch derartige auflösend bedingte Schuldverschreibungen bei der notwendigen Gesamtbetrachtung als [X.] zu qualifizieren seien (vgl. eingehend dazu [X.] in [X.] Kommentar zum [X.], § 2 [X.] 86, m.w.N.).

bb) Der [X.] kann unerörtert lassen, ob er [X.]Zertifikate, wie sie im Streitfall als [X.] vorliegen, unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG subsumiert (a.A. z.B. [X.]/[X.], [X.] 2011, 2718 ff., m.w.N., die aber § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für einschlägig halten). Denn jedenfalls hat der Antragsteller durch das bloße Verfallenlassen, bei dem es nicht zu einer weiteren Zahlung gekommen ist, den Tatbestand des Termingeschäfts nicht erfüllt.

(1) Wer ein [X.]Zertifikat erwirbt, erwirbt zwar ein Recht auf einen [X.], Geldbetrag oder Vorteil i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG. Er kann von der Emittentin (hier der C-Bank) zu bestimmten Einlöseterminen die Zahlung eines Einlösebetrags verlangen, der sich durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmt (s. dazu auch die Gesetzesbegründung in BTDrucks 14/443, S. 29).

Den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfüllt indes nur, wer durch die Beendigung des erworbenen Rechts auf [X.] tatsächlich einen [X.] erlangt; denn die Vorschrift erfasst nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen (grundlegend [X.]-Urteil in [X.], 566, [X.], 608, m.w.N.). Hieran fehlt es, wenn der Anleger von seinem Recht auf [X.] keinen Gebrauch macht und es verfallen lässt (grundlegend [X.]-Urteil vom 17. April 2007 [X.], [X.], 566, [X.], 608; gl.A. [X.][X.]chreiben in [X.], 986, [X.] 18 und 23; vgl. dazu auch [X.]/[X.], § 23 EStG [X.], m.w.N. auf das abweichende Schrifttum). Das bloße Verfallenlassen, bei dem es nicht zu einer weiteren Zahlung kommt, es also bei den Anschaffungskosten der Berechtigten verbleibt, stellt kein Termingeschäft dar (so zutreffend [X.], in: [X.][X.], EStG, § 23 [X.] [X.]).

(2) Der Antragsteller kann seinen Aufwand auch nicht als vorab entstandene Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG geltend machen. Zwar können Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie anfallen, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden. Es bestehen aber keinerlei rechtliche Zweifel, dass es an dem hierzu notwendigen ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Aufwendungen zum Erwerb des Zertifikats und der Einkunftsart der privaten Veräußerungsgeschäfte fehlt, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (vgl. zu den Voraussetzungen vorab entstandener Werbungskosten die ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Großen [X.]s des [X.] vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, [X.]E 160, 466, [X.] 1990, 830).

Zwar handelt es sich bei § 23 Abs. 1 EStG um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichen mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt ([X.] vom 16. Dezember 2003 [X.], [X.]E 204, 228, [X.] 2004, 284, unter [X.], m.w.N.), so dass Aufwendungen, die während des maßgebenden Zeitraums angefallen sind, grundsätzlich Werbungskosten sein können (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteil vom 16. Juni 2004 [X.]/00, [X.]E 206, 406, [X.] 2005, 91). Daraus folgt aber nicht, dass die Anschaffungskosten als Werbungskosten abziehbar wären, wenn es nicht zu einem --die Steuerbarkeit konstituierenden-- Veräußerungsgeschäft kommt, der Steuertatbestand mithin nicht verwirklicht wird. Der wirtschaftliche Zusammenhang wird nicht durch die Einkünfteerzielungsabsicht hergestellt (vgl. zu deren Bedeutung bei vorab entstandenen Werbungskosten [X.]-Urteil vom 11. Januar 2005 [X.], [X.]E 209, 77, [X.] 2005, 477). Das alle Einkunftsarten kennzeichnende Merkmal der Einkünfteerzielungsabsicht wird für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften --bezogen auf das jeweilige einzelne Termingeschäft-- durch die verhältnismäßig kurzen maßgebenden Zeiträume in typisierender Weise objektiviert (vgl. [X.]-Urteile vom 1. Juni 2004 [X.], [X.]E 206, 273, [X.] 2005, 26, unter [X.] bb (1), und vom 17. April 2007 [X.], [X.], 562, [X.], 606, unter II.3.; so auch [X.], in: [X.][X.], EStG, § 23 [X.] [X.] a.E.).

Das bedeutet: Macht der Anleger von seinem Recht auf [X.] innerhalb der Frist Gebrauch, ist das Ergebnis steuerbar; subjektive Merkmale sind nicht zu prüfen ([X.]-Urteile vom 22. April 2008 [X.], [X.]E 221, 97, [X.] 2009, 296, und vom 31. August 1994 [X.], [X.]/NV 1995, 391). Kommt es innerhalb dieses Zeitraumes andererseits nicht zu einem Termingeschäft, so fällt umgekehrt die Tätigkeit des Steuerpflichtigen insgesamt in die nicht steuerbare Vermögenssphäre. Mithin sind der Erwerb eines Zertifikats und die damit verbundenen Aufwendungen steuerrechtlich ohne Bedeutung, wenn der Erwerber sein Recht nicht innerhalb eines Jahres ausübt oder veräußert, sondern --aus welchen Gründen auch [X.] verfallen lässt.

(3) Die Besteuerung der Termingeschäfte widerspricht nicht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Vielmehr ist ihr Ergebnis (kein Abzug der Anschaffungskosten eines nicht ausgeübten Termingeschäfts bei Verfall) die folgerichtige Ausprägung der Systematik des § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 EStG. Der [X.] verweist dazu, um Wiederholungen zu vermeiden, auf seine Entscheidungen in [X.]E 219, 574, [X.] 2008, 519, und in [X.], 566, [X.], 608.

cc) Damit hält der [X.] an seiner Rechtsprechung fest, wie dies auch in seinem Beschluss in [X.], 869 zum Ausdruck kam. Hierfür spricht neben den oben angeführten Argumenten auch der Grundsatz der Rechtskontinuität. Der Kontinuität der Rechtsprechung kommt große Bedeutung zu; sie dient der von Art. 20 Abs. 3 GG umfassten Rechtssicherheit und kann nur aus wichtigem Grund aufgegeben werden ([X.]-Urteil vom 31. Juli 2002 [X.], [X.]/NV 2002, 1575, sowie [X.] vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, [X.]E 141, 405, [X.] 1984, 751). Es wäre nicht angemessen, eine jahrelange kontinuierliche Rechtsprechung, die zur Grundlage der ständigen Verwaltungspraxis geworden ist, nach Auslaufen des Rechts wieder in Frage zu stellen. Das würde mit Blick auf viele rechtskräftig abgeschlossene Verfahren zu einer eklatant ungleichen steuerrechtlichen Behandlung führen.

Die vom [X.] entwickelten Maßstäbe gelten für die Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG, nicht aber für die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach Einführung der Abgeltungssteuer durch das [X.] vom 14. August 2007 --BGBl I 2007, 1912-- (vgl. dazu aus dem Schrifttum z.B. [X.], Ermittlung von [X.] - Abgeltungssteuer, in Hey (Hrsg.), [X.], [X.] (2011), [X.] ff., 269 ff., m.w.N.; von [X.] in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 20 [X.] 129 ff., [X.]/[X.], EStG, 30. Aufl., § 20 [X.] 131; [X.]/[X.], § 20 EStG [X.] 367 ff., 370, m.w.N.; s. dazu auch [X.], [X.], 2011, [X.] ff.; [X.], Abgeltungssteuer, 2010, S. 61 ff.).

c) Der auf einer anderen Rechtsauffassung beruhende Beschluss des [X.] wird aufgehoben. Der [X.] entscheidet nicht selbst über den Aussetzungsantrag, sondern verweist die Sache an das [X.] zurück. Eine Zurückverweisung ist auch im Beschwerdeverfahren betreffend die [X.] zulässig. Die Befugnis zur Zurückverweisung der Sache ergibt sich aus den §§ 132, 155 [X.]O i.V.m. § 572 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 14. Juli 2008 [X.], [X.]E 222, 36, [X.] 2009, 117, m.w.N.). Die Zurückverweisung erscheint im Streitfall zweckmäßig, um dem [X.] Gelegenheit zu geben, über das Vorliegen einer unbilligen Härte i.S. des § 69 [X.]O zu entscheiden.

Meta

IX B 154/10

24.04.2012

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 22. Oktober 2010, Az: 8 V 1268/10, Beschluss

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 9 Abs 1 S 2 EStG 2002, § 22 Nr 2 EStG 2002, § 23 Abs 1 S 1 Nr 4 S 1 EStG 2002, § 23 Abs 1 S 1 Nr 4 S 2 EStG 2002, § 20 EStG vom 14.08.2007, § 69 FGO, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.04.2012, Az. IX B 154/10 (REWIS RS 2012, 7012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7012

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