Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.05.2020, Az. IX R 1/20 (IX R 39/15), IX R 1/20, IX R 39/15

9. Senat | REWIS RS 2020, 3542

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Gegenstand

Verfall von Knock-out-Optionen


Leitsatz

NV: Verfällt eine Option automatisch mit dem Überschreiten einer bestimmten Kursschwelle durch den zugrunde liegenden Basiswert, ist der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht erfüllt (Bestätigung von BFH-Urteil vom 10.11.2015 - IX R 20/14, BFHE 251, 381, BStBl II 2016, 159).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 25.02.2015 - 15 K 4038/13 E,F aufgehoben, soweit es die gesonderte Feststellung des verbleibenden [X.] zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 und auf den 31.12.2007 betrifft.

Der Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden [X.] zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 vom 11.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2013 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Verlust um 162 € erhöht wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berechnung des festzustellenden Betrags wird dem Beklagten übertragen.

Die Kläger tragen die Kosten des gesamten Verfahrens.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob der Verfall von [X.] den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 2006 und 2007 gültigen Fassung (EStG) erfüllt.

2

Die Kläger und [X.] (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

3

Der Kläger erzielte in den Streitjahren u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen (Zinsen und Dividenden). Dazu gehörten im Streitjahr 2006 auch sog. (inländische) [X.] in Höhe von 514 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das [X.] deklarierten die Kläger Kapitalerträge im Zusammenhang mit Wertpapieren, minderten diese aber in einer der Anlage [X.] (Kläger) beigefügten Tabelle um die inländischen [X.] in Höhe von 514 €. Zugleich erhöhten die Kläger in einer der Anlage [X.] (Kläger) beigefügten Tabelle die Gewinne des [X.] aus Derivaten um den nämlichen Betrag.

4

Bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2006 und in den betreffenden Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 --verbleibender Verlustvortrag des [X.] nach § 10d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten [X.], zuletzt vom 11.12.2008, behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die Zinsen aus [X.] als Einkünfte des [X.] aus Kapitalvermögen, nicht als Einkünfte aus Termingeschäften. Ausweislich eines internen Vermerks des [X.] könne ohne detaillierte Nachweise nicht angenommen werden, dass die Erträge aus [X.], die von der Bank als Kapitalerträge ausgewiesen worden waren, in den erklärten Einkünften aus Termin- bzw. Veräußerungsgeschäften enthalten seien.

5

Des Weiteren tätigte der Kläger in den Streitjahren Optionsgeschäfte mit [X.]. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass bei Eintritt einer Bedingung die Option auch ohne Entscheidung des Käufers verfällt. In den Jahren 2006 und 2007 erlitt der Kläger Verluste aus dem Verfall von [X.] in Höhe von insgesamt 2.376,50 € (2006) bzw. 609 € (2007). Hierbei handelte es sich um die Anschaffungskosten der [X.]e, die die Bank in den betreffenden [X.] bei den "privaten Veräußerungsgeschäften" unter der Spalte "Zeitpunkt der Veräußerung (Datum)" mit dem Zusatz "Depotausg." gekennzeichnet hatte; [X.] wurden nicht aufgeführt. Die Kläger machten diese Verluste in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre geltend.

6

Das [X.] erkannte die Verluste aus dem Verfall von [X.] im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 --verbleibender Verlustvortrag des [X.] nach § 10d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten [X.] vom 11.12.2008 (versehentlich) teilweise (239,97 €) an. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007, zuletzt vom 01.03.2012, blieben sie hingegen unberücksichtigt.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2013 wies das [X.] die Einsprüche der Kläger gegen die angefochtenen Bescheide für das Streitjahr 2006 als unbegründet zurück. Soweit die Kläger Einsprüche gegen bereits angefochtene Bescheide ersetzende [X.] eingelegt hatten, verwarf es diese als unzulässig. Zudem wies das [X.] den gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 gerichteten Einspruch ebenfalls als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies es darauf, dass die Jahresbescheinigung der Bank den Betrag von 514 € ausdrücklich als Einnahmen aus Kapitalvermögen (Zinsen, einzutragen in Zeile 6 der Anlage [X.]) ausweise, ihn hingegen nicht auf ein privates Veräußerungsgeschäft beziehe. Die Verluste aus den ungeklärten Depotausgängen seien unbeachtlich; das Verfallenlassen einer [X.] sei steuerlich nicht relevant.

8

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger, die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 514 € (2006) zu vermindern und die festgestellten Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften um 2.136,53 € (2006) bzw. 609 € (2007) zu erhöhen. Mit dem in [X.] 2016, 1161 veröffentlichten Urteil vom 25.02.2015 gab das [X.] ([X.]) der Klage überwiegend statt und änderte den Einkommensteuerbescheid für 2006 sowie die Bescheide zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 und auf den 31.12.2007 dahingehend, dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften um 401,57 € und 2.136,53 € (2006) bzw. 609 € (2007) gemindert werden. Im Hinblick auf die Kursgewinne in Höhe von 514 € (2006) führte das [X.] aus, das [X.] habe diese zu Unrecht nicht nur § 20 EStG zugeordnet, sondern zusätzlich einen Teilbetrag von 401,57 € als Einkünfte i.S. des § 23 EStG erfasst.

9

Des Weiteren seien die Verluste aus bedingten Termingeschäften (2006 und 2007) in vollem Umfang anzuerkennen. Der Erwerb und der Verfall der den "ungeklärten Depotausgängen" zugrunde liegenden Wertpapiere erfülle den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Mit dem Erwerb der [X.] sei der Kläger ein --bedingtes-- Termingeschäft eingegangen. Er habe durch das Verfallenlassen der Optionsscheine das Termingeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG beendet, auch wenn er tatsächlich keinen [X.] oder sonstigen Vorteil erlangt habe. Dies entspreche der (neueren) Rechtsprechung des [X.] --[X.]-- (Urteile vom 26.09.2012 - [X.] 50/09, [X.], 95, [X.], 231, und [X.] 12/11, [X.], 28), der zufolge das bloße Verfallenlassen einen steuerpflichtigen Beendigungstatbestand darstelle.

Soweit sich das [X.] für seine Auffassung auf den [X.] vom 24.04.2012 - IX B 154/10 ([X.], 557, [X.], 454) berufe, könne dies nicht überzeugen. Zwar betreffe der Beschluss § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr 2006 gültigen Fassung; zudem halte der [X.] dort an der früheren Rechtsprechung fest, wonach Erwerbsaufwendungen für verfallene Termingeschäfte ohne steuerrechtliche Auswirkung seien. Der [X.] habe seine Rechtsprechung jedoch mit den zuvor genannten Urteilen fortentwickelt. Dem schließe sich das [X.] an. Hingegen könne dem Schreiben des [X.] vom 27.03.2013 (BStBl I 2013, 403), demzufolge die Grundsätze des [X.]es in [X.], 557, [X.], 454 trotz des zwischenzeitlich ergangenen [X.]-Urteils in [X.], 95, [X.], 231 jedenfalls im Hinblick auf Aufwendungen für ein [X.] weiter anzuwenden seien, nicht gefolgt werden.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] hat der Senat die Revision mit Beschluss vom 07.09.2015 - IX B 31/15 zugelassen. Das Beschwerdeverfahren ist als Revisionsverfahren unter [X.] 39/15 fortgesetzt worden. Nachdem das Revisionsverfahren durch Beschluss vom 01.06.2016 bis zu einer Entscheidung des [X.] ([X.]) im Verfahren 2 BvR 217/16 ausgesetzt worden ist, das [X.] die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss vom 05.07.2019), wird das wiederaufgenommene Revisionsverfahren unter [X.] 1/20 fortgeführt.

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG.

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften für 2006 um 2.136,53 € und für 2007 um 609 € gemindert worden sind.

Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie verweisen auf das [X.]-Urteil sowie ihr Vorbringen im [X.]. Ergänzend tragen sie vor, dass es sich bei dem Erwerb einer [X.] um ein bedingtes Termingeschäft handele. Der Kläger habe dieses Termingeschäft auch beendet, indem er von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, den bei null liegenden geldwerten Vorteil der Option nicht auszuüben. Hingegen negiere die Auffassung des [X.] seine Dispositionsfreiheit.

Die Argumentation des [X.], der [X.] stehe der Anerkennung von Verlusten entgegen, weil das bedingte Termingeschäft bei Eintritt des [X.] ohne Zutun des [X.] --automatisch-- verfalle, sei vom Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht gedeckt und verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes. Das Gesetz unterscheide in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht zwischen bedingten und unbedingten Termingeschäften, sondern decke beide Arten ab. Zudem verlange § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG --im Unterschied zu den [X.]. 1 bis 3-- keine Veräußerung, sondern eine Beendigung des Rechts. Damit sei der Steuerpflichtige frei, wie er das Recht beende. Auch das Verfallenlassen der Option beende das Termingeschäft, wenngleich der Steuerpflichtige tatsächlich keinen [X.] oder sonstigen Vorteil erlange. In Übereinstimmung mit dem [X.] sei daher ein steuerpflichtiger Beendigungstatbestand gegeben.

§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG definiere den Verlust mathematisch als Gleichung, die eine stetige Funktion (Gerade) beschreibe und keine Unstetigkeitsstelle kenne. Der Funktionswert könne sich infolge der Abhängigkeit von einer Variablen theoretisch zwischen "minus unendlich" und "plus unendlich" bewegen; dieser mathematische Grundsatz gelte für alle negativen und positiven Werte und decke auch "null" ab. Das [X.] versuche, eine nicht existente Unstetigkeitsschwelle in die stetige Funktion einzubauen. Dies stelle einen Verstoß gegen die Gesetze der Mathematik dar. Es mache keinen Sinn, das mathematische Gesetz "[X.] gleich Differenz" auszuschließen, wenn --wie hier-- die auszuzahlende Differenz bei Beendigung des Rechts gleich null ist.

[X.] als Derivate einer anderen Bezugsgröße würden einen Produktwert, eine [X.] und eine [X.] kennen. Die vertraglich festgelegte [X.] liege in der Praxis oberhalb der [X.] ([X.]) oder genau auf der [X.] ([X.] 2), sie könne aber auch unterhalb der [X.] liegen. Der rechnerische Wert einer Option entspreche dem variablen Produktwert abzüglich der [X.]. Erreicht oder überschreitet der teils hochvariable Produktwert die feste [X.], dann werde das Recht vertragsgemäß automatisch beendet. Zum Zeitpunkt der Beendigung sei der rechnerische Wert der Option beim [X.] positiv, beim [X.] 2 gleich null. Der Anleger habe das Recht auf Auszahlung des [X.]. Der merkantile Wert des [X.] "null" könne --ungeachtet der Frage der [X.] nicht ausgezahlt werden, so dass die [X.] in Übereinstimmung mit § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG als wertlos ausgebucht werde und sich ein Verlust in Höhe des Anschaffungspreises (Anschaffungspreis minus null) ergebe. Negative [X.]e, wie sie sich rechnerisch bei einem Produktwert unterhalb der [X.] ergeben, würden vertraglich bewusst vermieden. Sie, die Kläger, hätten mit beiden [X.]en von [X.] private Veräußerungsgeschäfte getätigt. Die Verluste im Zusammenhang mit dem [X.] seien anerkannt worden, die Verluste im Zusammenhang mit dem [X.] 2 hingegen nur zum Teil. Das Gesetz unterstelle aber, dass bei Termingeschäften positive und negative Differenzen wie auch "Null-Differenzen" möglich seien, wie dies in den [X.] in [X.], 95, [X.], 231 und in [X.], 28 mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz unterstrichen worden sei. Der Steuerpflichtige sei in seiner Leistungsfähigkeit gemindert, wenn er Verluste durch die Beendigung von Optionen infolge eines [X.] erlitten habe.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es die gesonderte Feststellung des verbleibenden [X.] zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 und auf den 31.12.2007 betrifft. Die Klage ist nur teilweise begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] wird verpflichtet, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 dahingehend abzuändern, dass die negativen Einkünfte des [X.] aus privaten Veräußerungsgeschäften um 162 € erhöht werden; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

1. Soweit das [X.] auf S. 5 seines Urteils ausgeführt hat, dass der Kläger für das Streitjahr 2006 in der Anlage [X.] für verschiedene Wertpapiere einen Betrag von zusammen ./. 2.136,53 € erklärt habe, den das [X.] nicht anerkannte habe, erweist sich der Tatbestand als unrichtig [X.] des § 107 Abs. 1 [X.]O und ist zu berichtigen. Tatsächlich erklärten die Kläger einen Betrag von insgesamt ./. 2.376,50 €, wovon das [X.] im Laufe des Veranlagungsverfahrens (versehentlich) einen Teilbetrag von ./. 239,97 € berücksichtigte. Diese (offenbare) Unrichtigkeit (Rechenfehler) ist zwischen den Beteiligten nicht streitig (vgl. Klageerwiderung des [X.] vom 19.03.2014, S. 2; Revisionserwiderung der Kläger vom 24.02.2016, S. 3).

2. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte [X.] von § 22 Nr. 2 EStG auch Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen [X.] oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen [X.], Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 1 und 5 EStG sind bei der Ermittlung des Gewinns oder des Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäften Werbungskosten abzuziehen. Das setzt voraus, dass ein Ergebnis einer nach § 23 Abs. 1 EStG steuerbaren Tätigkeit zu ermitteln ist. Die Abziehbarkeit von Werbungskosten kommt nur in Betracht, wenn es zu einer Ausübung der Option (bei der Ausübung der Option sind die Anschaffungskosten des Optionsrechts abziehbar) oder zu einer Veräußerung (in den Fällen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) oder zu einem anderen steuerrechtlich bedeutsamen Beendigungstatbestand (in den Fällen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG) kommt (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteil in [X.], 95, [X.], 231, m.w.N.). Zu den Termingeschäften [X.] von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zählt auch das Optionsgeschäft als bedingtes Termingeschäft ([X.]surteil vom 10.11.2015 - IX R 20/14, [X.], 381, [X.], 159, Rz 18 und 19).

Das Recht wird beendigt, wenn es zu einem [X.] führt. Den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfüllt nur, wer durch die Beendigung des erworbenen Rechts tatsächlich einen [X.] erlangt; die Vorschrift erfasst grundsätzlich nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen. Dies kann geschehen, indem das Basisgeschäft durchgeführt wird und der aus dem Termingeschäft Verpflichtete die entsprechenden Basiswerte liefert. Kommt es aber --wie bei [X.] üblich-- nicht zu einem Basisgeschäft, wird das Termingeschäft (z.B.) durch einen Barausgleich beendet. Dieser Barausgleich ist der [X.] [X.] des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Das Gesetz erfasst indes --mit dem [X.] nicht nur eine positive Differenz, sondern folgerichtig auch eine negative Differenz als Verlust. Vorteil ist danach auch der Nachteil, soweit er auf dem Basisgeschäft beruht ([X.]-Urteil in [X.], 95, [X.], 231, Rz 16, m.w.N.). So verhält es sich, wenn eine Option wertlos wird, weil der Wert eines Bezugsobjekts oder einer sonstigen Referenzgröße zum Fälligkeitszeitpunkt vom festgelegten Betrag (dem Basiswert) negativ abweicht. Dieser Nachteil (negativer [X.]) beruht ebenso wie der entsprechende Vorteil (positiver [X.]) allein auf den Wertverhältnissen des Basisgeschäfts ([X.]surteil in [X.], 381, [X.], 159, Rz 20).

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG steuerbar ist zunächst der (positive) [X.] oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil als Gewinn. Steuerbar ist folgerichtig aber auch eine negative Differenz oder ein Nachteil, so wie das Gesetz mit "Einnahmen" auch negative Einnahmen oder mit "Gewinn" den Verlust umfasst und, wovon auch § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG ausgeht, wenn er den Verlust aus einem Termingeschäft im Kontext mit einem [X.] ausdrücklich hervorhebt ([X.]surteil in [X.], 381, [X.], 159, Rz 21).

Dabei wird das Recht auf einen [X.], Geldbetrag oder Vorteil auch dann [X.] von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG beendet, wenn ein durch das Basisgeschäft indizierter negativer [X.] durch Nichtausüben der Forderung aus dem Termingeschäft vermieden wird ([X.]-Urteile in [X.], 95, [X.], 231, Rz 26 ff., m.w.N.; in [X.], 381, [X.], 159, Rz 20 ff.).

3. Nach diesen Grundsätzen hat der [X.] Aufwendungen für wertlos gewordene Knock-out-Zertifikate im Urteil in [X.], 381, [X.], 159 nicht als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Termingeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG) und den betreffenden Verlust für nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG steuerbar erachtet. Dabei hat der [X.] unerörtert gelassen, ob er Knock-out-Zertifikate unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG subsumiert (vgl. dazu Beschluss in [X.], 557, [X.], 454, m.w.N.). Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ist jedenfalls nicht erfüllt. Denn die Option verfällt mit dem Überschreiten einer bestimmten Kursschwelle durch den zugrunde liegenden Basiswert, ohne dass der Steuerpflichtige einen Entscheidungsspielraum hat. Es fehlt dann an einem Beendigungstatbestand [X.] von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Zur Begründung wird auf das [X.]-Urteil in [X.], 381, [X.], 159, Rz 24 ff. Bezug genommen.

4. An dieser Rechtsprechung hält der [X.] --trotz daran geübter Kritik (vgl. nur [X.]/[X.] in Korn, § 20 EStG Rz 467.3; [X.], Der Betrieb 2016, 923; Patzner/Wiese, Betriebs-Berater 2016, 409, 411; [X.], [X.] 2016, 134)-- fest. Insbesondere der Gesichtspunkt der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit rechtfertigt keine andere Beurteilung, da sich die [X.]srechtsprechung --wie [X.] als folgerichtige Ausprägung der Systematik des § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 EStG darstellt. Das [X.] hat die gegen das [X.]surteil in [X.], 381, [X.], 159 gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 05.07.2019 - 2 BvR 217/16). Die Rechtsprechung hat zudem den Aspekt der Rechtskontinuität für sich, indem sie die strenge Linie des [X.] vom 19.12.2007 - IX R 11/06 ([X.], 574, [X.], 519) --s.a. Urteil vom 09.10.2008 - IX R 69/07 ([X.], 152), Beschlüsse vom 13.01.2010 - IX B 110/09 ([X.], 869) und in [X.], 557, [X.], 454-- beibehält ([X.], [X.] [X.]. 2; dieselbe, [X.], 144).

Soweit sich die Kläger ergänzend auf einen Verstoß gegen Gesetzmäßigkeiten der Mathematik berufen, vermag auch dies ihrem Klagebegehren nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Kläger verkennen, dass es bei verfallenen [X.] der hier einschlägigen Art an einem Beendigungstatbestand [X.] des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG fehlt. Dementsprechend handelt es sich um einen nicht steuerbaren Vorgang. Dass der Wert der Optionen null beträgt (und vom Anschaffungspreis abgezogen werden kann, so dass sich rechnerisch ein Verlust ergibt), ist damit ohne rechtliche Bedeutung.

5. Die Rechtsprechung des [X.] zur Besteuerung von [X.] nach Einführung der Abgeltungsteuer steht dem nicht entgegen. Nach dem [X.]-Urteil vom 20.11.2018 - VIII R 37/15 ([X.]E 263, 169, [X.], 507) können die Anschaffungskosten von [X.] --ohne dass es auf die Einordnung als Termingeschäft ankommt-- bei Eintritt des [X.] im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Verlust berücksichtigt werden. Dies betrifft allerdings allein die seit dem 01.01.2009 geltende Rechtslage, der grundlegend veränderte Voraussetzungen zugrunde liegen (s. auch [X.]-Urteil in [X.], 381, [X.], 159, Rz 32; [X.]/[X.], § 20 EStG Rz 370a und § 23 EStG Rz 78; [X.], Entscheidungen der Finanzgerichte 2016, 566).

6. Die Vorinstanz hat ihrer Entscheidung andere Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben.

7. Die Sache ist spruchreif. Der [X.] entscheidet auf der Grundlage der vom [X.] festgestellten Tatsachen in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O).

a) Die Klage ist begründet, soweit das [X.] einen Betrag von 401,57 € bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für die Einkünfte des [X.] aus privaten Veräußerungsgeschäften auf den 31.12.2006 nicht von den erklärten Einkünften nach § 23 EStG abgezogen hat (Doppelerfassung). Da das [X.] indes einen Teilbetrag der streitigen Anschaffungskosten der Knock-out-Produkte in Höhe von 239,97 € versehentlich als Einkünfte nach § 23 EStG berücksichtigt hat, muss eine Saldierung erfolgen. Daher können die negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nur um 162 € erhöht werden. Das [X.] wird verpflichtet, den Bescheid entsprechend zu ändern.

b) Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die negativen Einkünfte des [X.] aus privaten Veräußerungsgeschäften sind nicht um weitere 2.136,53 € (2006) bzw. 609 € (2007) zu erhöhen. Auch im Streitfall verfielen die Optionen mit dem Überschreiten einer bestimmten Kursschwelle durch den zugrunde liegenden Basiswert, ohne dass der Kläger einen Entscheidungsspielraum hatte; der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ist nicht erfüllt.

8. Die Ermittlung der festzustellenden Einkünfte wird in entsprechender Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O (s. dazu Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 100 Rz 42, m.w.N.) dem [X.] übertragen.

9. [X.] beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 [X.]O. Das Unterliegen des [X.] (im Klageverfahren) stellt sich als geringfügig dar.

Meta

IX R 1/20 (IX R 39/15), IX R 1/20, IX R 39/15

26.05.2020

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 25. Februar 2015, Az: 15 K 4038/13 E,F, Urteil

§ 23 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG 2002, § 22 Nr 2 EStG 2002, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.05.2020, Az. IX R 1/20 (IX R 39/15), IX R 1/20, IX R 39/15 (REWIS RS 2020, 3542)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3542

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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