Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.02.2022, Az. AnwZ (Brfg) 22/21

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2022, 3996

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Gegenstand

Verwaltungsrechtliche Anwaltssache: Anfechtung eines Kammerbeitragsbescheids


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das am 19. Februar 2021 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 348 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen eine "Beitragsabrechnung 2020" der [X.] vom 24. Januar 2020, mit der er gebeten wurde, den zum 1. März 2020 fälligen [X.] in Höhe von 348 € zu überweisen, sowie eine diesbezügliche Zahlungsaufforderung vom 3. Juli 2020, die mit einer vom Schatzmeister der [X.] unterzeichneten Vollstreckbarkeitsbescheinigung versehen war. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielten die beiden Schreiben nicht.

2

Der Kläger ist der Auffassung, es handele sich bei dem Beitragsbescheid um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, weil die zugrundeliegende Beitragsordnung der [X.] schon mangels des Bestehens von Regelungen betreffend "das vollständige Entfallen des [X.]s" rechtswidrig sei. Zudem beansprucht er hilfsweise aufgrund "der so genannten [X.]" den Erlass des [X.]s für das [X.] und höchst hilfsweise "Ratenzahlung respektive Stundung".

3

Der [X.] hat das Vorbringen des [X.] in Ermangelung ausdrücklich formulierter Klageanträge dahingehend ausgelegt, dass die Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsordnung, die Verpflichtung zur Verbescheidung des Erlassantrages nebst hilfsweise gestelltem Stundungsantrag sowie die Aufhebung der Zahlungsaufforderung begehrt werden, und die Klage insgesamt abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

4

Der Antrag des [X.] ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO) liegen sämtlich nicht vor.

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 28. Oktober 2011 - [X.] ([X.]) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es hier.

6

a) Zu Recht hat der [X.] den Antrag des [X.] auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsordnung in der Fassung vom 17. November 2015 wegen Versäumung der Monatsfrist des § 112f Abs. 3 [X.] als unzulässig verworfen. Entgegen der Auffassung des [X.] ist es unschädlich, dass der [X.] keine Feststellungen zum Zeitpunkt des Beginns seiner Kammermitgliedschaft getroffen hat, denn die genannte Frist ist auch dann einzuhalten, wenn Beschlüsse durch solche Mitglieder angefochten werden, die erst nach der Beschlussfassung zur Anwaltschaft zugelassen worden sind oder einen Kammerwechsel vorgenommen haben ([X.]/Wolf/Göcken/Schmidt-Räntsch, [X.], 3. Aufl., § 112f Rn. 21; [X.]/Kilimann, [X.], 10. Aufl., § 112f Rn. 45; jeweils mwN).

7

b) Die Beklagte hat gegen den Kläger Anspruch auf Zahlung des [X.]s für das [X.] in Höhe von 348 €.

8

Die Kammerversammlung hat gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 [X.] die ihr durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Nach § 89 Abs. 2 Nr. 2 [X.] obliegt es ihr insbesondere, die Höhe und die Fälligkeit des Beitrags, der Umlagen, Gebühren und Auslagen zu bestimmen. Solche Mitgliedsbeiträge zu berufsständischen Kammern sind Beiträge im rechtlichen Sinne, bei deren Bemessung das Äquivalenzprinzip, der Gleichheitsgrundsatz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten sind (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2015 - [X.] ([X.]) 82/13, juris Rn. 11; [X.], [X.], 5. Aufl., § 89 Rn. 15; [X.], [X.], 10. Aufl., § 89 Rn. 15g; jeweils mwN). Allerdings ist es nicht zu beanstanden, alle Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer in gleicher Höhe zu dem allgemeinen [X.] heranzuziehen, ohne auf die Einkommenssituation des einzelnen Rechtsanwalts abzustellen ([X.]/Wolf/Göcken/[X.], [X.], 3. Aufl., § 89 Rn. 27; [X.], [X.], 10. Aufl., § 89 Rn. 15g mwN). Dafür, dass hierbei formale oder materiell-rechtliche Fehler aufgetreten sind, trägt der klagende Anwalt die Darlegungslast (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. Mai 2019 - [X.] ([X.]) 15/19, NJW-RR 2019, 1391 Rn. 9; vom 25. Juni 2018 - [X.] ([X.]) 23/18, NJW 2018, 2644 Rn. 11 und vom 12. März 2015 - [X.] ([X.]) 82/13, juris Rn. 11). Solche Fehler sind zwar auch nach Ablauf der Monatsfrist des § 112f Abs. 3 [X.] im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen die Zahlungsaufforderung beachtlich und inzident zu prüfen (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 1971 - I ZR 118/69, [X.]Z 55, 255, 257; [X.]/Deckenbrock, [X.], 5. Aufl., § 112f Rn. 25; [X.]/Kilimann, [X.], 10. Aufl., § 112f Rn. 45; jeweils mwN), konkrete Anhaltspunkte insoweit hat der Kläger gegen das Bestehen des Zahlungsanspruchs indessen weder dem Grunde noch der Höhe nach vorgebracht. Unter Berücksichtigung der dargelegten Maßstäbe sind derartige Fehler für den Senat auch sonst nicht ersichtlich; es handelt sich bei dem [X.] von 348 € um keinen auffallend hohen Betrag.

9

c) Anhaltspunkte dafür, dass die mit einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung gemäß § 84 [X.] versehene Zahlungsaufforderung vom 3. Juli 2020 den Kläger in seinen Rechten verletzt, haben sich - mit Blick auf das Bestehen der Zahlungsverpflichtung hinsichtlich des [X.]es - ebenfalls nicht ergeben; insbesondere befand sich der Kläger mit der Begleichung des am 1. März 2020 fällig gewesenen [X.]es für das [X.] in Rückstand. Konkrete Umstände, aus denen sich ein Zustandekommen der - als Verwaltungsakt zu qualifizierenden ([X.], Urteil vom 5. Februar 1971 - I ZR 118/69, [X.]Z 55, 255, 256; [X.], [X.], 5. Aufl., § 84 Rn. 6 mwN) - Vollstreckbarkeitsbescheinigung in formell- oder materiell-rechtlich fehlerhafter Weise ergeben könnte, zeigt auch die Antragsbegründung des [X.] nicht auf.

d) Schließlich hat der Antrag des [X.] auf Verpflichtung zur Verbescheidung seines Erlassantrages nebst hilfsweise gestelltem Stundungsantrag aus den in der Entscheidung des [X.]s dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

2. Dem [X.] ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf welchem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

a) Die erhobenen [X.] der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO greifen nicht durch. Hinsichtlich keiner von beiden hat der Beschwerdeführer die in Betracht kommenden Zulassungsgründe hinreichend erläutert und zudem die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten [X.] schlüssig und substantiiert dargelegt (vgl. [X.]/Kilimann, [X.], 10. Aufl., § 112e Rn. 110; [X.]/Deckenbrock, [X.], 5. Aufl., § 112e Rn. 25; jeweils mwN). Im Einzelnen:

aa) Das Rügevorbringen des [X.], der [X.] habe ihm keine Akteneinsicht durch Überlassung der Verwaltungs- und Verfahrensakte gewährt, ist nicht hinreichend ausgeführt. Es fehlt bereits die Mitteilung des in Bezug genommenen, indessen nicht bei den Gerichtsakten befindlichen Akteneinsichtsgesuchs vom 30. November 2020. Dass eine nähere Darstellung hierzu erforderlich war, ergibt sich bereits aus der Wiedergabe des Vorbringens der Beteiligten im Urteil des [X.]s. Demnach habe der Kläger mit Schriftsatz vom 23. Januar 2021 darauf verwiesen, dass ihm eine weitergehende Konkretisierung seiner Anträge nicht möglich sei, weil seinem Akteneinsichtsgesuch nicht entsprochen worden sei. Die Beklagte habe mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021 ausgeführt, die Rüge der nicht gewährten Akteneinsicht sei unverständlich, da ihr ein Akteneinsichtsersuchen des [X.] nicht bekannt sei. Ein Schriftsatz vom 30. November 2020 wird nicht erwähnt. Dadurch wird deutlich, dass der [X.] nicht von einem an ihn gerichteten Gesuch auf Akteneinsicht ausging. Da der Kläger ein Akteneinsichtsgesuch im Zusammenhang mit einer ihm nicht möglichen Konkretisierung seiner Anträge erwähnte, war anzunehmen, dass er die Einsicht auf bei der [X.] geführte Verwaltungsvorgänge und nicht auf die Gerichtsakte bezog.

bb) Soweit geltend gemacht wird, der Kläger habe keine ordnungsgemäße Ladung zum Verhandlungstermin am 19. Februar 2021 erhalten, bleibt bereits unklar, worin konkret die Fehlerhaftigkeit derselben gesehen wird. Ausweislich der Gerichtsakte des [X.]s ist die mit Ladungsverfügung des Vorsitzenden vom 17. November 2020 bestimmte Ladung des [X.] zum Verhandlungstermin mit Postzustellungsurkunde vom 28. November 2020 durch Einlegung in einen zur Wohnung des [X.] gehörigen Briefkasten bewirkt worden.

b) Dass der Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2021 mit dem Aufruf zur Sache begonnen hat, ergibt sich entgegen der klägerischen Antragsbegründung aus dem ordnungsgemäßen Protokoll der öffentlichen Sitzung des [X.]s.

c) Soweit schließlich geltend gemacht wird, es fehle an einem "richterlichen Berichtigungsbeschluss (§ 118 VwGO) oder einem solchen durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 317 ZPO)", kann das Urteil des [X.]s - unabhängig davon, dass vollkommen unklar bleibt, in welcher Hinsicht eine Berichtigung vermisst wird - auf diesem Umstand jedenfalls nicht beruhen.

3. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 26. Juni 2021 die Fehlerhaftigkeit der Sachbehandlung seines mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 an den [X.] gestellten [X.] gerügt hat, ist keine andere Entscheidung veranlasst. Mit Verfügung vom 23. Juni 2021 hat der Vorsitzende mitgeteilt, dass nach § 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1, § 100 Abs. 1 und 3 VwGO Akteneinsicht in Diensträumen zu gewähren sei und ein Termin mit der Geschäftsstelle des [X.] vereinbart werden solle. Damit ist die Akteneinsicht rechtsfehlerfrei bewilligt worden.

Nach § 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1, § 100 Abs. 1 Satz 1 VwGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Die Akteneinsicht ist grundsätzlich bei der Geschäftsstelle des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, zu nehmen (§ 100 Abs. 3 Satz 1 VwGO; vgl. Senat, Beschluss vom 21. Februar 2018 - [X.] ([X.]) 72/17, [X.]. Online 2018, 929 Rn. 18 mwN). Die Akteneinsicht an einem bestimmten anderen Ort hat der Kläger nicht beantragt und folglich auch keine Gründe angegeben, die Grundlage einer Ermessensentscheidung sein könnten. Eine Übersendung der Akten an den Rechtsanwalt zum Beispiel würde im Ermessen des Vorsitzenden beziehungsweise des Berichterstatters liegen; ein Rechtsanspruch besteht nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG (Senat, Beschluss vom 21. Februar 2018, aaO Rn. 19).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GKG.

Grupp     

      

Paul     

      

Ettl   

      

Kau     

      

Merk     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 22/21

25.02.2022

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 19. Februar 2021, Az: 1 AGH 34/20, Urteil

§ 89 Abs 1 S 1 BRAO, § 89 Abs 2 Nr 2 BRAO, § 112e BRAO, § 112f Abs 3 BRAO, § 124 VwGO, § 124a VwGO, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.02.2022, Az. AnwZ (Brfg) 22/21 (REWIS RS 2022, 3996)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3996

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