Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.04.2022, Az. 30 W (pat) 802/18

30. Senat | REWIS RS 2022, 3248

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Design 40 2013 004 752 – 0002

(hier: [X.] 49/15)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

[X.] Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.] vom 30. November 2017 aufgehoben.

I[X.] Das Design 40 2013 004 752 – 0002 wird für nichtig erklärt.

II[X.] Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

[X.] Der Gegenstandswert wird auf 35.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Das am 30. Oktober 2013 mit folgender einziger Darstellung

Abbildung

2

angemeldete Design wurde am 04. August 2014 für die [X.] und Antragsgegnerin unter der Nr. 40 2013 004 752-0002 in das [X.] eingetragen. Als Erzeugnis ist „Heizkörper“ erfasst.

3

Gegen dieses eingetragene Design hat die Antragstellerin mit einem am 15. Oktober 2015 beim [X.] ([X.]) eingegangenen Schriftsatz einen auf den [X.] der fehlenden Neuheit/Eigenart (§ 2 Abs. 2, 3 [X.]) gestützten Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit gestellt.

4

Zur Begründung ihres [X.] hat sie unter Vorlage verschiedener Unterlagen wie zB E-Mails, Rechnungen und einer Katalogabbildung geltend gemacht, dass die Firma [X.] HEATING SYSTEMS LTD CO. (nachfolgend: Firma [X.]) sowie die [X.] bereits vor dem Anmeldetag unter den Produktbezeichnungen „[X.]“ und „[X.]“ designgemäße Heizkörper an verschiedene Firmen geliefert hätten, so dass das angegriffene Design den Fachkreisen bereits bekannt gewesen sei.

5

Darüber hinaus stimme das angegriffene Design im Gesamteindruck auch mit den an seinem Anmeldetag bereits bekannten Gemeinschaftsgeschmacksmustern 000645288-0020, 000426374-0099 und 000426374-0094 sowie dem [X.]-0022 überein.

6

Auf den ihr durch Übergabeeinschreiben vom 19. Oktober 2015 zugestellten [X.] hat die [X.] mit Schriftsatz vom 10. November 2015, eingegangen per Fax am selben Tag, für die Zukunft auf das Design verzichtet und zugleich dem [X.] für die [X.] vor dem Verzicht widersprochen.

7

Mit Schriftsatz vom 20. November 2015 hat die Antragstellerin mitgeteilt, sie habe ein Interesse an der rückwirkenden Feststellung der Nichtigkeit des angegriffenen Designs. Sie sei nämlich regresspflichtig geworden gegenüber einem ihrer Kunden, der H… GmbH & Co. KG , da diese von der [X.] am 26. Juni 2015 aus dem angegriffenen Design abgemahnt worden sei.

8

Die Designabteilung 3.5 hat nach Durchführung des [X.] mit Beschluss vom 30. November 2017 den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des angegriffenen Designs zurückgewiesen.

9

Zwar habe die [X.] dem sämtliche nach § 34a Abs. 1 [X.] i.V.m. § 21 Abs. 2 [X.] erforderlichen Angaben enthaltenden [X.] rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 34a Abs. 2 [X.] widersprochen. Ferner habe die Antragstellerin aufgrund der gegenüber einem ihrer Kunden mit Schreiben vom 26. Juni 2015 erfolgten Abmahnung aus dem angegriffenen Design gemäß § 33 Abs. 5 [X.] und [X.]. § 256 Abs. 1 ZPO analog ein berechtigtes Interesse daran, die Nichtigkeit des angegriffenen Designs für den vor dem [X.] liegenden [X.]raum feststellen zu lassen.

In der Sache sei der [X.] jedoch unbegründet. Das angegriffene Design sei zum [X.]punkt seiner Anmeldung gegenüber den verfahrensgegenständlichen [X.] neu und eigenartig im Sinne von § 33 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 und 3 [X.] gewesen, da die von der Firma [X.] bzw. der [X.] vertriebenen Heizkörper mit den Produktbezeichnungen „[X.]“ und „[X.]“ vor dem Anmeldetag nicht neuheitsschädlich offenbart worden seien und das angegriffene Design gegenüber den entgegengehaltenen Designschutzrechten Eigenart besitze und infolgedessen auch neu sei.

In Bezug auf die entgegengehaltenen Designschutzrechte hat die Designabteilung ausgeführt, dass der informierte Benutzer als Hersteller, Händler oder Endverbraucher wisse, dass es flächenförmige und röhrenförmige Heizkörper gebe und dass letztere vor allem auch hinsichtlich der Heizrohre in den unterschiedlichsten Ausgestaltungen auf dem Markt seien. Der informierte Benutzer wisse insbesondere auch, dass Heizkörper gern zum Ablegen und Trocknen von Handtüchern benutzt würden.

Bei einem Röhrenheizkörper sei nicht nur ein Zu- und ein Abflussrohr technisch vorgegeben, sondern auch, dass die Heizrohre waagerecht verliefen. Die Musterdichte sei zum Anmeldetag des angegriffenen Designs eher groß gewesen, weil bereits zahlreiche Heizkörper bekannt gewesen seien, deren Heizrohre in Gruppen angeordnet und unterschiedlich lang seien und auf die ein Handtuch aufgeschoben werden könne. Insgesamt liege daher die Gestaltungsfreiheit des [X.] vorliegend im normalen bis eher niedrigen Bereich.

Das angegriffene Design verfüge über folgende Merkmale:

1. Es bestehe

1.1. aus einem Zuflussrohr,

1.2. einem Abflussrohr und

1.3. mehreren Heizrohren,

1.4. jeweils in weißer Farbe.

2. [X.] und Abflussrohr verliefen

2.1. senkrecht und

2.2. auf ein- und derselben Seite des Heizkörpers.

3. Die Heizrohre

3.1. verliefen waagrecht,

3.2. reichten links nicht über das äußerste Zu- oder Abflussrohr hinaus,

3.3. seien in [X.] angeordnet,

3.4. stiegen innerhalb jeder Vierergruppe in ihrer Länge gleichmäßig und in einem Winkel von ca. 45° zur Senkrechten von oben nach unten an,

3.5. hätten innerhalb jeder Vierergruppe einen gleichmäßigen, etwa rohrbreiten Heizrohrabstand,

3.6. hätten zwischen den [X.] einen rohrfreien Raum, der bei entsprechend gleichmäßigem [X.] bieten würde für etwa zwei Heizrohre.

Besonders prägend sei, dass sich das [X.] und das Abflussrohr auf ein- und derselben Heizkörperseite befänden (Merkmal 2.2.). Durch dieses Merkmal werde der Heizkörper nämlich auf einer Seite offen für das Aufschieben eines Handtuchs, was der informierte Benutzer als besonders praktisch bemerken werde. Gleichfalls besonders prägend sei, dass die Heizrohre in [X.] gruppiert seien (Merkmal 3.3.) und dass die Länge der Heizrohre in jeder Gruppe von unten nach oben gleichmäßig abnehme (Merkmal 3.4.), da diese Merkmale die äußere Kontur des Heizkörpers beträfen und daher besonders ins Auge fielen. Dass der Abstand zwischen den Gruppen etwa halb so hoch sei wie eine Gruppe (Merkmal 3.6.) und damit relativ groß sei, präge das Design ebenfalls.

Insgesamt erwecke das angegriffene Design den Gesamteindruck eines offenen, stufigen und sehr luftigen Heizkörpers.

Ausgehend von diesem Gesamteindruck weise das angegriffene Design zu allen entgegengehaltenen Designschutzrechten aus den im angefochtenen Beschluss näher dargelegten Gründen unter Berücksichtigung eines normalen bis eher niedrigen Gestaltungsspielraums einen zur Begründung der Eigenart i.S. von § 2 Abs. 3 [X.] hinreichenden Abstand auf, welcher gleichzeitig auch die Neuheit des Designs iS von § 2 Abs. 2 [X.] impliziere.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 17. Dezember 2020 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung des Senats hat die Antragstellerin die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Verletzung rechtlichen Gehörs erhoben. Der [X.] hat mit Beschluss vom 23. September 2021 ([X.].: [X.]) der Rechtsbeschwerde stattgegeben, den Beschluss des Senats aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren macht die Antragstellerin unter Vorlage weiterer Unterlagen wie insbesondere des Verkaufskatalogs der [X.] aus dem Jahr 2010 (Anlage [X.] 3) geltend, dass es dem angegriffenen Design insbesondere gegenüber dem auf Seite 4 des Katalogs (Anlage [X.] 4)

Abbildung

angebotenen und nachfolgend noch einmal vergrößert dargestellten Badheizkörper „[X.]“

Abbildung

an Neuheit und Eigenart fehle.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.]s vom 30. November 2017 aufzuheben und die Nichtigkeit des [X.] 2013 004 752-0002 festzustellen.

Die Inhaberin des angegriffenen Designs beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass sowohl die seitens der Antragstellerin vor der Designabteilung als auch die im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen Neuheit und Eigenart des angegriffenen Designs nicht in Frage stellen könnten, was insbesondere für die Abbildung des Produkts „[X.]“ auf Seite 4 des als Anlage [X.] 3 eingereichten Verkaufskatalogs gelte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Denn der auf die absoluten Nichtigkeitsgründe der fehlenden Neuheit bzw. Eigenart (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2, 3 [X.]) gestützte [X.] ist zulässig und begründet.

A. Der als Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit auszulegende Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit ist zulässig; zutreffend hat die Designabteilung ausgeführt, dass der Antrag beim [X.] schriftlich eingereicht worden ist und sämtliche nach § 34a Abs. 1 [X.] iVm § 21 Abs. 2 [X.] erforderlichen Angaben enthält.

Daran ändert auch der seitens der Inhaberin des angegriffenen Designs im Verfahren vor der Designabteilung mit Schriftsatz vom 10. November 2015 erklärte Verzicht nichts. Nach § 33 Abs. 5 [X.] kann die Nichtigkeit eines eingetragenen Designs auch nach einem – nur für die Zukunft wirkenden, damit Ansprüche für die Vergangenheit unberührt lassenden - Verzicht festgestellt oder erklärt werden mit der Folge, dass die Schutzwirkungen der Eintragung des angegriffenen Designs ab Unanfechtbarkeit des Beschlusses, als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 33 Abs. 4 [X.]).

Da das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung eines zu Unrecht erteilten, nicht schutzfähigen Designs jedoch nur solange besteht, als das Recht noch wirksam und in [X.] ist, bedarf es eines [X.] der Antragstellerin entsprechend § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Meiser, Designgesetz, 6. Aufl., § 33 [X.]. 34).

Die Frage, ob ein eigenes Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin vorliegt, darf jedoch nicht nach allzu strengen Maßstäben beurteilt werden. Hinreichender Anlass, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, besteht danach schon dann, wenn der Antragsteller Anlass zu der Besorgnis hat, er könne auch nach Ablauf der Schutzdauer noch Ansprüchen wegen zurückliegender Handlungen ausgesetzt sein. Ein Rechtsschutzinteresse darf in solchen Fällen nur dann verneint werden, wenn eine solche Inanspruchnahme ernstlich nicht mehr in Betracht kommt (vgl. [X.] v. 13.7.2020 – [X.], [X.] 2020, 20329 –„Signalübertragungssystem“ betreffend das Rechtsschutzinteresse des [X.] in einer Patentnichtigkeitsklage nach Erlöschen des Streitpatents). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Zwar hat die [X.] auf die mit Schreiben vom 26. Juni 2015 gegenüber einem Kunden der Antragstellerin geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Vernichtung rechtswidrig hergestellter Erzeugnisse ausweislich des von der Antragstellerin als Anlage [X.] zum Schriftsatz vom 13. Oktober 2017 eingereichten Schreibens der [X.] vom 10. November 2015 verzichtet, so dass jedenfalls insoweit auch eine Regresspflicht der Antragstellerin gegenüber ihrem Kunden nicht mehr in Betracht kommt.

Dennoch verbleibt für die Antragstellerin insoweit ein gewisses Maß an Unsicherheit, als zum einen der seitens der [X.] erklärte Verzicht gegenüber dem Kunden sich nur auf die geltend gemachten Unterlassungs- und Auskunftsansprüche beschränkte, nicht jedoch Schadensersatzansprüche umfasste, und zum anderen seitens der [X.] entsprechende Verzichts- und/oder Freistellungserklärungen gegenüber der Antragstellerin nicht abgegeben worden sind, so dass der [X.] weiter vorbehalten bleibt, ihr innerhalb der zehnjährigen absoluten Verjährungsfrist des § 49 Satz 1 [X.] i.V.m. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB zur Kenntnis gelangende Verletzungshandlungen aus der [X.] bis zum Erlöschen des Designs gegenüber der Antragstellerin oder deren Kunden geltend zu machen. Zudem hat die [X.] in dem vorgenannten Schreiben vom 10. November 2015 gegenüber dem Kunden der Antragstellerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihrer Auffassung nach das angegriffene Design bis zum Verzicht rechtswirksam gewesen sei und die Ansprüche daher grundsätzlich bestanden hätten, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie von einer Geltendmachung von Ansprüchen aus dem angegriffenen Design für die [X.] bis zu dessen Erlöschen endgültig Abstand genommen hat. Angesichts der sich daraus ergebenden Unsicherheit besteht dann aber ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin daran, das im [X.]punkt des Erlöschens des Designs anhängige [X.] weiterzuführen.

B. Über die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der fehlenden Neuheit/Eigenart gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 [X.] ist in der Sache zu befinden, nachdem die Antragsgegnerin dem zulässigen [X.] innerhalb der Monatsfrist des § 34a Abs. 2 [X.] widersprochen hat.

C. In der Sache hat der Antrag auch Erfolg, da es dem angegriffenen Design jedenfalls an Eigenart gemäß § 2 Abs. 3 [X.] fehlt.

Gemäß § 2 Abs. 3 [X.] hat ein Design Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Design bei diesem Benutzer hervorruft, das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist. Bei der Beurteilung der Eigenart wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des [X.] bei der Entwicklung des Designs berücksichtigt.

1. Maßgebliches Kriterium im Rahmen der Bestimmung der Eigenart ist die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Gesamteindrücke ([X.] GRUR 2010, 718 – verlängerte Limousinen; [X.]/Kur, Designrecht, 2. Aufl., [X.]. 68). Ob sich der Gesamteindruck des eingetragenen Designs von dem durch ein vorbekanntes Design erzeugten Gesamteindruck unterscheidet, ist im Wege eines Einzelvergleichs zu ermitteln, wobei die Designs sowohl hinsichtlich ihrer Merkmale im Einzelnen als auch nach der Bedeutung der Merkmale für den Gesamteindruck zu vergleichen sind (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Meiser, Designgesetz, 6. Aufl., § 2 [X.]. 30).

a. Maßgeblich für die Beurteilung der Eigenart sind die Vorstellungen des informierten Benutzers. Als „informiert“ wird ein Benutzer bezeichnet, der verschiedene Designs kennt, die es in dem betreffenden Wirtschaftsbereich gibt, gewisse Kenntnisse über die Elemente besitzt, die die Geschmacksmuster bzw. Designs regelmäßig aufweisen, und die Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit verwendet. Seine Kenntnisse und der Grad der Aufmerksamkeit sind zwischen denen eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers und denen eines Fachmanns anzusiedeln (zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster vgl. [X.] GRUR 2012, 506 Rn. 53 und 59 – [X.]; [X.], 425 Rn. 47 – [X.] und [X.]; [X.] GRUR 2013, 285 Rn. 55 – Kinderwagen II).

Ausgehend davon ist informierter Benutzer vorliegend - wie die Designabteilung zutreffend festgestellt hat - eine Person, die als Hersteller, Händler oder Endverbraucher weiß, dass es flächenförmige und röhrenförmige Heizkörper gibt und dass letztere hinsichtlich der Heizrohre in den unterschiedlichsten Ausgestaltungen auf dem Markt anzutreffen sind. Dem informierten Benutzer ist dabei auch bekannt, dass Heizkörper gern zum Ablegen und Trocknen von Handtüchern benutzt werden.

b. Hinsichtlich des nach § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.] bei Beurteilung der Eigenart zu berücksichtigenden Grades der Gestaltungsfreiheit des [X.] bei der Entwicklung des Designs ist mit der Designabteilung davon auszugehen, dass die Gestaltungsmöglichkeiten durch technisch-funktionale Zwänge zwar insoweit eingeschränkt sind, als bei einem Röhrenheizkörper funktionsbedingt sowohl ein

Zu- und ein Abflussrohr als auch der waagerechte Verlauf der Heizrohre zum Aufschieben zB von Handtüchern technisch vorgegeben sind.

Soweit die Designabteilung dabei eine den Gestaltungsspielraum einschränkende „Musterdichte“ iS eines größeren vorbekannten [X.]es angenommen hat, ist jedoch anzumerken, dass die Gestaltungsfreiheit eines [X.] durch einen größeren vorbekannten [X.] nur dann eingeschränkt werden kann, wenn er nicht lediglich Ausdruck des Vorhandenseins von Gestaltungsalternativen i. S. einer „quantitativen“ Designvielfalt ist, sondern zu einer die Gestaltungsmöglichkeiten eines [X.] einschränkenden „qualitativen“ Designdichte, bei der die vorbekannten Designs untereinander nur noch einen geringen Abstand einhalten, geführt hat.

Vorliegend lässt sich anhand der [X.] und des seitens der Antragstellerin als Anlage [X.]-3 vorgelegten Verkaufskatalogs der [X.] zwar feststellen, dass auch bereits zum [X.]punkt der Anmeldung im Bereich der Badheizkörper mit waagerechten [X.]n eine große Modellvielfalt vorhanden war. Diese weichen aber sowohl in ihrer Grundform als auch hinsichtlich der Anzahl und Anordnung der [X.] sowie deren Länge und Breite deutlich voneinander ab und weisen daher einen erheblichen Abstand zueinander auf. Für eine die Gestaltungsmöglichkeiten eines [X.] einschränkende „qualitative“ Designdichte, bei der die vorbekannten Designs untereinander nur noch einen geringen Abstand einhalten, ist daher nichts ersichtlich.

Allein die gebrauchsbedingten [X.] führen nicht zu einer nachhaltigen Einschränkung der Gestaltungsfreiheit, da bei [X.] auch unter Beachtung ihres [X.] die Anordnung, Anzahl, Länge und Breite der waagerecht angeordneten Heizrohre sowohl für sich gesehen als auch in ihrer gruppenweisen Anordnung nahezu freivariierbar ist, wie nicht zuletzt die am Markt vorhandene „quantitative“ Vielfalt der Gestaltungen von [X.] bestätigt. Insgesamt ist daher von einem jedenfalls größeren, durchschnittlichen Gestaltungsspielraum eines [X.] auszugehen, welcher dazu führen kann, dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erwecken (vgl. [X.] GRUR 2011, 1112 Nr. 32 – Schreibgeräte).

2. Ausgehend davon weist das angegriffene Design keinen zur Begründung der Eigenart i.S. von § 2 Abs. 3 [X.] hinreichenden Abstand zum vorbekannten [X.] auf.

a. Um festzustellen, ob sich der Gesamteindruck des eingetragenen Designs von dem durch ein vorbekanntes Design erzeugten Gesamteindruck unterscheidet, bedarf es zunächst der Ermittlung der den Gesamteindruck des angegriffenen Designs bestimmenden Gestaltungsmerkmale.

aa. Hinsichtlich der Merkmale des angegriffenen Designs

Abbildung

kann dabei auf die von der Designabteilung zugrunde gelegte und seitens der [X.] auch nicht angegriffene Merkmalsanalyse zurückgegriffen werden, wonach das angegriffene Design über folgende Merkmale verfügt:

1. Es besteht

1.1. aus einem Zuflussrohr,

1.2. einem Abflussrohr und

1.3. mehreren Heizrohren,

1.4. jeweils in weißer Farbe.

2. [X.] und Abflussrohr verlaufen

2.1. senkrecht und

2.2. am linken Rand des Heizkörpers

2.3. wobei der Abstand zwischen den beiden Rohren etwa eine Rohrbreite beträgt.

3. Die Heizrohre

3.1. verlaufen waagrecht,

3.2. reichen links nicht über das äußere Zu- oder Abflussrohr hinaus,

3.3. sind in sechs Gruppen mit je vier Rohren ([X.]) angeordnet,

3.4. steigen innerhalb jeder Vierergruppe in ihrer Länge gleichmäßig und in einem Winkel von ca. 45° zur Senkrechten von oben nach unten an,

3.5. haben innerhalb jeder Vierergruppe einen gleichmäßigen, etwa rohrbreiten Heizrohrabstand,

3.6. haben zwischen den [X.] einen rohrfreien Raum, der bei entsprechend gleichmäßigem [X.] bieten würde für etwa zwei Heizrohre.

bb. Zur Ermittlung des Gesamteindrucks ist über die Beschreibung der Merkmale hinaus erforderlich, diese in Bezug auf ihre Maßgeblichkeit für den Gesamteindruck zu bewerten und zu gewichten (vgl. [X.] GRUR 2001, 503, 504 – Sitz-Liegemöbel; [X.], 1023 – [X.] Nachw.).

Danach kommt zunächst der Anordnung des Zu- und [X.] am linken Rand des Heizkörpers (Merkmal 2.2.) ein gewisses Gewicht für den Gesamteindruck zu, wenngleich diese Anordnung dem Zweck dient, ein seitliches Aufschieben von Handtüchern zu ermöglichen. Allerdings kann eine solche Öffnung des Heizkörpers auch durch andere Gestaltungen erreicht werden wie zB einer mittigen Anordnung des Zu- und [X.] mit nach beiden Seiten offenen Heizrohren, so dass diesem Merkmal anders als zB der durch gebrauchsbedingte Notwendigkeiten vorgegebenen senkrechten bzw. waagerechten Anordnung von Zu- und Abflussrohr bzw. Heizrohren (Merkmale 2.1. und 3.1.) eine den Gesamteindruck mitbestimmende Bedeutung nicht abgesprochen werden kann.

Zur charakteristischen Gestaltung des angegriffenen Designs tragen jedoch in erster Linie die Anordnung der Heizrohre in [X.] (Merkmal 3.3.) und dabei vor allem die funktional nicht vorgegebene und daher im Wesentlichen von gestalterischen Überlegungen getragene Ausgestaltung der jeweiligen [X.] mit der von unten nach oben gleichmäßig in einem Winkel von ca. 45° zur Senkrechten abnehmenden Länge der Heizrohre (Merkmal 3.4.) sowie weiterhin der deutliche Abstand zwischen den einzelnen Gruppen (Merkmal 3.6.) bei, so dass diesen Merkmalen gegenüber den übrigen Merkmalen ein deutlich höheres Gewicht im Gesamteindruck des angegriffenen Designs beizumessen ist.

Insgesamt erweckt das angegriffene Design daher – wie die Designabteilung zutreffend festgestellt hat - den Gesamteindruck eines offenen, stufigen und sehr luftigen Heizkörpers.

b. Ausgehend von diesem Gesamteindruck weist das angegriffene Design zu dem entgegengehaltenen und nachfolgend abgebildeten Heizkörper auf Seite 4 des als Anlage GS-LÖ3 eingereichten Verkaufskatalogs mit der Bezeichnung „[X.]“

Abbildung

keinen zur Begründung der Eigenart gemäß § 2 Abs. 3 [X.] hinreichenden Abstand auf.

aa. Da die entgegengehaltene Abbildung Bestandteil des für [X.] wie auch die Öffentlichkeit bestimmten Verkaufskatalogs der [X.] des Jahres 2010 war, dessen Existenz sowie Funktion seitens der [X.] nicht bestritten worden ist, wurde die darin enthaltene Abbildung des Heizkörpers „[X.]“ somit spätestens im Jahre 2010 und damit sowohl vor dem Anmeldetag des angegriffenen Designs [X.]. § 5 [X.] als auch vor Beginn der [X.] des § 6 [X.] der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit offenbart.

bb. Der zur Bestimmung der Eigenart erforderliche (Merkmals-)Vergleich des angegriffenen Designs mit der zu berücksichtigenden Entgegenhaltung „[X.]“ aus dem Verkaufskatalog 2010 der [X.] ergibt, dass die miteinander zu vergleichenden Designs bis auf die Farbgestaltung gemäß Merkmal 1.4. in sämtlichen weiteren Merkmalen vollständig oder zumindest weitgehend übereinstimmen. Dies gilt zunächst für die den grundsätzlichen Aufbau des Heizkörpers betreffenden Merkmale 1.1. bis 1.3. sowie insbesondere für die charakteristische senkrechte Anordnung des Zu- und [X.] am linken Rand des Heizkörpers. Ebenso sind die Merkmale entsprechend der [X.] und dabei insbesondere die für den Gesamteindruck besonders prägenden und daher stärker zu gewichtenden Merkmale 3.3. und 3.4. betreffend die Anordnung der Heizrohre in [X.] (Merkmal 3.3.) sowie die von unten nach oben gleichmäßig in einem Winkel von ca. 45° zur Senkrechten abnehmende Länge der Heizrohre in jeder Gruppe (Merkmal 3.4) identisch in der Entgegenhaltung enthalten. Weitgehend ähnlich gestaltet ist auch der Abstand zwischen den einzelnen [X.] (Merkmal 3.6.).

cc. Unterschiede bestehen bei der Anzahl der jeweiligen [X.] gemäß Merkmal 3.3, nämlich 6 beim angegriffenen Design und 4 bei der Entgegenhaltung „[X.]“. Ferner sind bei der Entgegenhaltung „[X.]“ Zu- und Abflussrohr etwas breiter ausgestaltet als bei dem angegriffenen Design und auch der Abstand zwischen beiden Rohren beträgt bei der Entgegenhaltung nicht nur eine, sondern mehr als zwei Rohrbreiten (Merkmal 2.3.). Weiterhin sind bei der Entgegenhaltung auf Höhe der einzelnen [X.] zwischen Zu- und Abflussrohr kreisrunde Befestigungselemente eingefügt; zudem verfügt der entgegengehaltene Badheizkörper an seinem unteren Ende über eine Regulierungseinrichtung.

dd. Gegenüber den weitreichenden Übereinstimmungen fallen diese Unterschiede jedoch nicht so ins Gewicht, das sie einen gegenüber dem angegriffenen Design abweichenden Gesamteindruck vermitteln.

So handelt es sich bei den in den jeweiligen [X.] der Entgegenhaltung zwischen Zu- und Abflussrohr angeordneten Befestigungselementen sowie der an ihrem unteren Ende angebrachten Regulierungseinrichtung um rein technische Vorrichtungen, die der funktions- und bestimmungsgemäßen Montage und Benutzung eines Badheizkörpers dienen. Solchen Elementen wird der informierte Verbraucher bereits aufgrund ihrer technisch-funktionalen Bedeutung kein besonderes Gewicht hinsichtlich des ästhetischen Gesamteindrucks beimessen; dies vorliegend umso weniger, als die Regulierungsvorrichtung über ihre durch den Verwendungszweck vorgegebene funktionale Ausgestaltung hinaus keinen gestalterischen „Überschuss“ aufweisten.

Ebenso fällt die explizit von der [X.] angesprochene unterschiedliche Anzahl der jeweiligen „[X.]“ bei den waagerecht verlaufenden Heizrohren, nämlich 6 beim angegriffenen Design und 4 bei der Entgegenhaltung „[X.]“, im Rahmen des bei beiden Vergleichsdesigns maßgeblich durch die „[X.]“ bestimmten (ästhetischen) Gesamteindrucks nicht besonders ins Gewicht, da deren Anzahl maßgeblich von äußeren Umständen abhängt wie zB der Größe der jeweiligen Wandfläche, an welcher ein das Design aufnehmender Badheizkörper verwendet werden soll. Auch soweit die Entgegenhaltung „[X.]“ durch den etwas größeren Abstand von Zu- und Abflussrohr sowie deren breitere Ausgestaltung insgesamt weniger „stilisiert“ wirkt als das angegriffene Design, vermögen diese Unterschiede ebenso wie die für die ästhetische Wirkung ohnehin nachrangige abweichende Farbgestaltung (Merkmal 1.4.) keinen abweichenden Gesamteindruck zu vermitteln. Denn die Vergleichsdesigns werden in ihrer ästhetischen Wirkung maßgeblich durch die übereinstimmende charakteristische Anordnung und Ausgestaltung der Heizrohre gemäß der [X.] getragen. In diesen Merkmalen stimmen beide Designs jedoch nahezu vollständig überein, was dazu führt, dass die Entgegenhaltung einen ebenso offenen und stufigen Aufbau aufweist wie es bei dem angegriffenen Design der Fall ist.

Das angegriffene Design ruft daher in seiner Gesamtheit bei Beachtung eines größeren Gestaltungsspielraums eines [X.] keinen anderen Gesamteindruck hervor als die Entgegenhaltung „[X.]“ und hält demnach den gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] für eine Eigenart erforderlichen Abstand zur Entgegenhaltung „[X.]“ nicht ein.

c. Das angegriffene Design ist daher gemäß § 33 Abs. 5 Design unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Designabteilung 3.5 des [X.]s vom 30. November 2017 für nichtig zu erklären, was die Feststellung impliziert, dass das bis zur Erklärung des Verzichts wirksame eingetragene Design von Anfang an nichtig war.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23 Abs. 4 Satz 5 [X.] i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 91 Abs. 1 ZPO. Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf die Antragstellerin entsprechend § 97 Abs. 2 ZPO bestand vor dem Hintergrund, dass die im Beschwerdeverfahren eingereichte Entgegenhaltung „[X.]“ gemäß den Anlagen GS-LÖ 3 bzw. GS-LÖ 4 aus einem Verkaufskatalog der [X.] stammt, diese ihr daher bekannt war, kein Anlass.

E. Der nach freiem Ermessen zu bestimmende Gegenstandswert (§§23Abs.3Satz 2,33Abs.1RVG) ist in Anbetracht der geringen Laufzeit des eingetragenen Designs abweichend von dem im Regelfall angemessenen Wert von 50.000 € (vgl. [X.] I ZB 25/18 v. 28. Mai 2020, veröffentlicht in GRUR 2020, 1016, [X.]. 9, 11) vorliegend mit

35.000 €

zu bemessen.

Meta

30 W (pat) 802/18

07.04.2022

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.04.2022, Az. 30 W (pat) 802/18 (REWIS RS 2022, 3248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3248


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 30 W (pat) 802/18

Bundespatentgericht, 30 W (pat) 802/18, 07.04.2022.

Bundespatentgericht, 30 W (pat) 802/18, 17.09.2020.


Az. I ZB 10/21

Bundesgerichtshof, I ZB 10/21, 23.09.2021.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ZR 90/18

I ZB 25/18

I ZB 10/21

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