Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.02.2013, Az. B 13 R 71/12 B

13. Senat | REWIS RS 2013, 8336

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - beratungsärztlicher Dienst des Rentenversicherungsträgers - zeitgerechte und abschließende Erstellung eines Fragenkatalogs bei Anzweifelung der Einschätzungen eines Sachverständigen - Verfahrensverzögerung


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 11. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

Das [X.] hat im Urteil vom 11.1.2012 die [X.] verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, ausgehend von einem Leistungsfall am 15.11.2010, für den Zeitraum vom 1.6.2011 bis zum [X.] zu gewähren.

2

Die [X.] macht mit ihrer beim [X.]SG erhobenen [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil Verfahrensmängel geltend.

3

Die [X.]eschwerde der [X.]n ist unzulässig. Ihre [X.]eschwerdebegründung vom [X.] genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn sie hat Verfahrensmängel ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

Wird die Zulassung der Revision wegen eines [X.] begehrt, muss in der [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das [X.]erufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnet sein. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4, [X.] Rd[X.] 4 - jeweils mwN). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen [X.]eweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende [X.]egründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 SGG).

5

Die [X.] rügt eine Verletzung ihres [X.] (§ 116 [X.] und § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402 und 411 Abs 4 ZPO iVm § 62 SGG und Art 103 Abs 1 GG). Darüber hinaus rügt sie eine Verletzung von § 128 Abs 2 SGG.

6

1. Zur Verletzung ihres [X.] (§ 116 [X.] SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO) trägt die [X.] in ihrer [X.]eschwerdebegründung Folgendes vor:

7

Nachdem zunächst der von Amts wegen im [X.]erufungsverfahren beauftragte Arzt für Innere Medizin, Neurologie und Psychiatrie, der Sachverständige Dr. S., in seinem Gutachten vom 26.3.2010 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Klägerin trotz diverser qualitativer Leistungseinschränkungen noch täglich mehr als sechs Stunden erwerbstätig sein könne, habe das [X.] die Fachärztin für Anästhesiologie Dr. J. von Amts wegen mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 17.11.2010 habe die Sachverständige der Klägerin nach Untersuchung am 15.11.2010 Diagnosen auf algesiologischem Fachgebiet gestellt (Chronifiziertes Schmerzsyndrom , chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, chronische Kniegelenksschmerzen beidseits bei Zustand nach [X.] beidseits 1993, Zustand nach [X.] links <2000> und [X.] <07/2005>, radiologisch nachgewiesene Gonarthrose beidseits, chronisches rezidivierendes pseudoradikuläres LWS-Syndrom mit Lumboischialgie beidseits, Wirbelsäulenfehlstatik, Fehlhaltung, muskuläre Dysbalance, Spannungskopfschmerzen, Zustand nach [X.] links <07/2005> ohne funktionelles Defizit, rezidivierende Gelenksbeschwerden wechselnder Lokalisation unklarer Genese , Depression). Auch Diagnosen auf anderen Fachgebieten habe sie genannt (Multiple Sklerose, Asthma bronchiale, Nikotinabusus, Lymphknotenschwellung submandibulär im Rahmen eines Infekts, Zustand nach Zahnextraktion im Unterkiefer mit noch nicht sauberen [X.]). Die Sachverständige habe die Klägerin noch für fähig gehalten, leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel der Körperhaltungen zu verrichten. Tätigkeiten mit Zwangshaltungen, kniende und hockende Arbeiten, das [X.]esteigen von Leitern und Gerüsten, häufiges Drehen, Überkopfarbeiten, Tätigkeiten mit Erschütterungen oder ungünstigen Witterungsverhältnissen (Zugluft, Kälte) und Fließband- und Akkordarbeiten seien zu vermeiden. Die Anforderungen an das Reaktions- und Konzentrationsvermögen sollten das durchschnittliche Maß nicht übersteigen. Unter [X.]erücksichtigung der genannten Einschränkungen könnten die Tätigkeiten an fünf Tagen die Woche halbschichtig verrichtet werden. Die [X.] sei nicht eingeschränkt. Die Veränderungen an beiden Kniegelenken seien sehr wahrscheinlich im Verlauf fortschreitend. Für alle anderen ihr Fachgebiet betreffenden [X.]eschwerden sei davon auszugehen, dass durch ein multimodales Therapiekonzept durchaus eine Stabilisierung bis Verbesserung der Gesamtsituation erreicht werden könne. Das aktuell ausschließlich medikamentös ausgerichtete [X.]ehandlungskonzept sei nach ihrer Einschätzung durch physiotherapeutische und psychosomatisch/psychotherapeutische Interventionen und Akupunktur zu ergänzen ([X.] und 3 [X.]eschwerdebegründung).

8

Da die [X.] die von der Sachverständigen erhobenen [X.]efunde und das daraus abgeleitete halbschichtige Leistungsvermögen der Klägerin für nicht nachvollziehbar gehalten habe, habe sie mit beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 17.12.2010 (1) und vom 1[X.] (2) mitgeteilt, dass sie die Auffassung der Sachverständigen nicht teile. Hierauf habe die Sachverständige mit Stellungnahmen vom [X.] (1) und vom [X.] (2) erwidert und an den Ergebnissen ihres Gutachtens vom 17.11.2010 festgehalten. Mit Schriftsatz vom 16.5.2011 habe die [X.] eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme vom 13.5.2011 (3) auf die Stellungnahme der Sachverständigen Dr. J. vom [X.] vorgelegt und unter Ankündigung von drei formulierten Fragen das persönliche Erscheinen der Sachverständigen zum Termin zur mündlichen Verhandlung beantragt. Nachdem die [X.] in der mündlichen Verhandlung vom [X.] an den im Schriftsatz vom 16.5.2011 angekündigten Fragen festgehalten habe, habe das [X.] den Rechtsstreit vertagt. Die Sachverständige habe in ihrer Stellungnahme vom 13.6.2011 (3) die im Schriftsatz der [X.]n vom 16.5.2011 gestellten drei Fragen beantwortet. In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom [X.] (4) seien die Antworten und die Einschätzung der Sachverständigen zum Leistungsvermögen der Klägerin bezweifelt worden.

9

Im Schriftsatz der [X.]n vom 22.8.2011 habe diese beantragt, drei weitere formulierte Fragen an die Sachverständige unter [X.]ezugnahme auf die beratungsärztliche Stellungnahme vom [X.] zu richten (5). Diese habe die Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 5.9.2011 (4) beantwortet. Hierauf habe die [X.] mit beratungsärztlicher Stellungnahme vom 12.9.2011 (6) erwidert. Nachdem die [X.] im Schriftsatz vom 17.10.2011 fünf weitere Fragen an die Sachverständige formuliert und angekündigt habe, das persönliche Erscheinen der Sachverständigen Dr. J. zur Erläuterung ihres schriftlichen Gutachtens in der mündlichen Verhandlung zu beantragen, habe die Sachverständige mit Stellungnahme vom 12.12.2011 (5) die Fragen aus dem Schriftsatz vom 17.10.2011 beantwortet. Diese Stellungnahme sei der [X.]n mit Schreiben des Gerichts am 19.12.2011 bekannt gegeben worden. Am 20.12.2011 habe die [X.] die Terminsmitteilung zur mündlichen Verhandlung am 11.1.2012 erhalten. Mit Schriftsatz vom [X.], der am selben Tag dem [X.] per Fax übermittelt worden sei, habe die [X.] mitgeteilt, dass weiterhin Zweifel an der Einschätzung der Sachverständigen Dr. J. zum Leistungsvermögen der Klägerin verblieben seien. Der wiederholt gestellte Antrag auf Anordnung des persönlichen Erscheinens der Sachverständigen zur Erläuterung ihres schriftlichen Gutachtens bleibe daher aufrechterhalten. Es sei daher beabsichtigt, ihr ua noch folgende Fragen zu stellen:

In Ihrem Gutachten vom 17.11.2010, auf das Sie in Ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 12.12.2011 nochmals verweisen, gehen Sie davon aus, dass die von der Klägerin beschriebenen Symptome einer nachlassenden Sehkraft, von Gedächtnisstörungen und eines unkontrollierten [X.]s nachvollziehbar wesentlich für deren Gesamtbefinden seien. Welchen Stellenwert haben diese Symptome für die von Ihnen vorgenommene Einschätzung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin? Ist Ihr Gutachten dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin möglicherweise über ein sechsstündiges Leistungsvermögen verfügen würde, wenn diese Symptome nicht vorliegen würden? Haben Sie bei der Untersuchung der Klägerin auf Anzeichen der genannten Symptome geachtet? Haben Sie hierbei irgendwelche Anzeichen für das Vorliegen dieser Symptome beobachten können? Haben Sie in Erwägung gezogen, dass die genannten Symptome nicht durch die bei der Klägerin diagnostizierte Multiple Sklerose, sondern auch durch andere Erkrankungen verursacht worden sein könnten, bei denen nach ärztlicher Kenntnis und Erfahrung mit einer kurzfristigen Heilung oder [X.]esserung gerechnet werden kann?

"1.     

2.    

Ihre Einschätzung, dass das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin auf weniger als sechs Stunden täglich herabgesunken sei, wird von Ihnen u.a. mit dem Vorliegen von Tagesmüdigkeit begründet. [X.]eruht Ihre Annahme, dass die Klägerin unter Tagesmüdigkeit leide, ausschließlich auf deren eigener [X.]eschwerdeschilderung oder gibt es hierfür auch objektive Anhaltspunkte? Haben Sie bei der Untersuchung der Klägerin auf Anzeichen von Tagesmüdigkeit geachtet? Haben Sie hierbei irgendwelche Anzeichen von Tagesmüdigkeit beobachten können?

3.    

In Ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 12.12.2011 gehen Sie davon aus, dass der Nachtschlaf der Klägerin sowohl durch Schmerzen als auch durch gehäuftes Wasserlassen gestört sei und sie an Ein- und Durchschlafstörungen leide. Haben Sie hierbei berücksichtigt, dass die Klägerin am 10.03.2010 gegenüber [X.] (siehe S. 18 seines Gutachtens vom 26.03.2010) noch angegeben hat, dass ihr Nachtschlaf meistens erholsam sei? Halten Sie die Ihnen gegenüber gemachten Angaben der Klägerin über ihre Schlafstörungen gleichwohl auch weiterhin für glaubhaft? Haben Sie in Erwägung gezogen, dass das für die Schlafstörungen der Klägerin mitursächliche gehäufte Wasserlassen durch eine Erkrankung verursacht worden sein könnte, bei der nach ärztlicher Kenntnis und Erfahrung mit einer kurzfristigen Heilung oder [X.]esserung gerechnet werden kann?

4.    

Ist Ihre ergänzende Stellungnahme vom 12.12.2011 dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin nach Ihrer Einschätzung über ein sechsstündiges Leistungsvermögen verfügen würde, wenn sie die Möglichkeit hätte, während der Arbeitsschicht wiederholt Pausen einzulegen und hierbei die [X.]eine hochzulagern? Wie viele derartige Pausen wären im Verlauf einer sechsstündigen Arbeitsschicht erforderlich und wie lange müssten diese Pausen jeweils dauern?

5.    

In Ihrem Gutachten vom 17.11.2010 hatten Sie der Klägerin eine physiotherapeutische und psychosomatisch/psychotherapeutische Intervention sowie einen [X.]ehandlungsversuch mit Akupunktur anempfohlen. Wie sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des 2. Senats des [X.] vom 23.05.2011 ergibt, hatte die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt keine dieser Empfehlungen aufgegriffen. Wäre von einem unter erheblichen Schmerzen leidenden und hierdurch in seiner Lebensgestaltung eingeschränkten Patienten nach ärztlicher Erfahrung nicht zu erwarten, dass er Therapiemöglichkeiten, von denen er sich zumindest eine Linderung seiner [X.]eschwerden erhoffen kann, auch wahrnimmt? Kann aus dem Umstand, dass die Klägerin derartige Therapiemöglichkeiten nicht wahrgenommen hat, die Schlussfolgerung gezogen werden, dass ihre Schmerzen und die hieraus resultierende Einschränkung ihrer Lebensgestaltung sich möglicherweise nicht so schwerwiegend darstellen, wie dies in Ihrem Gutachten angenommen wird, oder dass auch ohne derartige Therapiemaßnahmen eine [X.]esserung eingetreten sein könnte?

6.    

Sind die Ausführungen auf S. 45 f. Ihres Gutachtens dahingehend zu verstehen, dass aus Ihrer Sicht für die Zeit vor der von Ihnen vorgenommenen Untersuchung der Klägerin nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass deren quantitatives Leistungsvermögen auf weniger als sechs Stunden herabgesunken war?

7.    

Ihre Untersuchung der Klägerin liegt mehr als ein Jahr zurück. Können Sie - gerade vor dem Hintergrund der von Ihnen angenommenen multikausalen Verursachung der quantitativen Leistungseinschränkung der Klägerin - ausschließen, dass diese zwischenzeitlich wieder über ein sechsstündiges Leistungsvermögen verfügen könnte?"

In der mündlichen Verhandlung am 11.1.2012 habe die [X.] ausweislich der Niederschrift beantragt, hilfsweise die Sachverständige Dr. J. persönlich anzuhören, um die ihr im Schriftsatz vom [X.] formulierten Fragen zu stellen, weiter hilfsweise der Sachverständigen die schriftliche [X.]eantwortung dieser Fragen aufzugeben. Das [X.] habe unter Übergehung ihres [X.] die [X.] verurteilt, der Klägerin Erwerbsminderungsrente zu gewähren nach den Ergebnissen des Gutachtens der Sachverständigen Dr. J. und ihren ergänzenden Stellungnahmen. In dem entsprechenden Vortrag ([X.] bis 11 [X.]eschwerdebegründung) nimmt die [X.] teilweise auf die Ausführungen [X.]ezug, mit denen das [X.] die Ablehnung des [X.] begründet hat.

2. Mit diesem Vortrag ist eine Verletzung des [X.] nicht hinreichend bezeichnet. Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung des [X.]SG, dass unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, jedem [X.]eteiligten gemäß § 116 [X.], § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zusteht, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (vgl [X.]-1500 § 116 [X.], 2; zuletzt Senatsbeschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 355/11 [X.] -; [X.]VerfG vom 3.2.1998 - 1 [X.]vR 909/94 - NJW 1998, 2273 - Juris Rd[X.]1).

Sachdienlichkeit iS von § 116 [X.] SGG ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des [X.]eweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind. Abgelehnt werden kann ein solcher Antrag prozessordnungsgemäß dann, wenn er rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird, wenn die an den Sachverständigen zu richtenden Fragen nicht hinreichend genau benannt oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl [X.]VerfG vom 29.8.1995 - 2 [X.]vR 175/95 - NJW-RR 1996, 183 - Juris Rd[X.] 29 mwN).

Da die Rüge der Verletzung des Rechts auf [X.]efragung eines Sachverständigen letztendlich eine Gehörsrüge (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) darstellt, müssen zudem deren Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss der [X.]eschwerdeführer alles getan haben, um eine Anhörung des Sachverständigen zu erreichen (vgl allgemein zu dieser Voraussetzung: [X.]SG [X.] 3-1500 § 160 [X.] 22; vgl auch [X.]SGE 68, 205, 210 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 6). Dieser Obliegenheit ist ein [X.]eteiligter jedenfalls dann nachgekommen, wenn er rechtzeitig den Antrag gestellt hat, einen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuhören, und er schriftlich sachdienliche Fragen im oben dargelegten Sinne angekündigt hat; liegen die Voraussetzungen vor, muss das Gericht dem Antrag folgen, soweit er aufrechterhalten bleibt (vgl [X.]-1500 § 62 [X.] 4 Rd[X.] 5). Dies gilt selbst dann, wenn das Gutachten nach Auffassung des Gerichts ausreichend und überzeugend ist und keiner Erläuterung bedarf (vgl [X.]VerfG vom 3.2.1998 - 1 [X.]vR 909/94 - NJW 1998, 2273 - Juris Rd[X.]1).

Den aufgezeigten Anforderungen genügt die [X.]eschwerdebegründung nicht.

Der Senat kann offen lassen, ob sich nicht bereits nach dem [X.]eschwerdevortrag das Verhalten der [X.]n insgesamt als verfahrensverzögernd und damit rechtsmissbräuchlich darstellt. Es kann nicht außer [X.] gelassen werden, dass die von der [X.]n vorgelegten Stellungnahmen ihres beratungsärztlichen Dienstes und die von ihr formulierten Fragen zum Gutachten der Sachverständigen einen Zeitraum von mehr als einem Jahr eingenommen haben, bis die [X.] schließlich eine Woche vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung dem [X.] einen noch umfangreicheren Fragenkatalog vorgelegt hat. Im Hinblick auf den der [X.]n zur Verfügung stehenden beratungsärztlichen Sachverstand wäre es verfahrensfördernd und sachdienlich gewesen, die aus ihrer Sicht entscheidungsrelevanten Fragen, mit denen im Ergebnis die Einschätzung der Sachverständigen zum Leistungsvermögen der Klägerin in Zweifel gezogen werden sollte, möglichst in einem Fragenkatalog gebündelt und zeitgerecht dem [X.] vorzulegen. Schließlich dürfte es nicht nur im Interesse der Klägerin liegen, eine zeitnahe gerichtliche Entscheidung über ihren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung nach [X.]eiziehung eines Gutachtens unter [X.]erücksichtigung des aktuellen Gesundheitszustandes zu erhalten.

Es ist auch zweifelhaft, ob die [X.] nach eigenem Vortrag alles getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Selbst wenn das [X.] der [X.]n keine Frist (§ 411 Abs 4 ZPO) für die Mitteilung von Einwendungen gesetzt habe, müssen Einwendungen rechtzeitig mitgeteilt werden. Unter [X.]erücksichtigung des beachtlichen Umstandes, dass zwischen den sechs beratungsärztlichen Stellungnahmen bzw Schriftsätzen der [X.]n zu dem Gutachten der Dr. J. und den hierauf ergangenen fünf Erwiderungen der Sachverständigen ein Zeitraum von jeweils deutlich mehr als einer Woche lag, hätte sich die [X.] darüber im Klaren sein müssen, dass eine [X.]eantwortung der erst im Schriftsatz am [X.] formulierten Fragen nicht innerhalb einer Woche bis zum Verhandlungstermin am 11.1.2012 vorliegen würde. Da die letzte Stellungnahme der Sachverständigen der [X.]n bereits seit 19.12.2011 vorgelegen habe, hätte sie auf die ihr am 20.12.2011 zugegangene Terminsmitteilung zum 11.1.2012 früher reagieren und mitteilen können, dass und zu welchen sachdienlichen Fragen eine [X.]efragung der Sachverständigen beabsichtigt gewesen sei. Auch wenn die Ladung der Sachverständigen am [X.] zum Termin am 11.1.2012 nicht schlichtweg unmöglich gewesen wäre, steht es im Ermessen des Gerichts, ob es die Sachverständige persönlich anhört oder zunächst eine schriftliche Stellungnahme einholt (vgl [X.]VerfG vom 17.1.2012 - 1 [X.]vR 2728/10 - NJW 2012, 1346 - Juris Rd[X.]5 mwN).

Im Übrigen ist nicht ansatzweise dargelegt, aus welchem Grund die [X.] die Fragen zu 1., 5. und 6. erst im Schriftsatz vom [X.] formuliert hat, obwohl sich diese Fragen direkt auf das schon am 17.11.2010 erstellte Gutachten der Sachverständigen beziehen und ohne dass aus dem Vortrag der [X.]n deutlich geworden wäre, dass diese Fragen in einem notwendigen Zusammenhang zu den vorangegangenen beratungsärztlichen Stellungnahmen und fünf ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen gestanden hätten. Auch unabhängig von diesen [X.]edenken kann jedoch bereits dem eigenen Vorbringen der [X.]n entnommen werden, dass das [X.] die [X.]eantwortung dieser Fragen durch die Sachverständige im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat:

        

Zu Frage 1: Wie sich aus dem Vortrag der [X.]eschwerdebegründung ([X.], Abs 2) ergibt, habe das [X.] in der [X.]egründung seines Urteils zutreffend darauf hingewiesen, dass die Sachverständige die [X.]eurteilung der Symptome nachlassende Sehkraft, Gedächtnisstörungen und unkontrollierter [X.] bereits in ihrem Gutachten vom 17.11.2010 als außerhalb ihres Fachgebiets liegend bezeichnet habe. Die [X.] kann aber nicht die sachkompetente [X.]eantwortung von Fragen einfordern, die außerhalb des Fachgebiets der Sachverständigen (Fachärztin für Anästhesiologie) und damit außerhalb des [X.]eweisthemas des [X.] liegen. Aus diesem Grund sind auch die in der Frage zu 1. formulierten weiteren Anschlussfragen unerheblich.

        

Zu Frage 2: Schon nach eigenem Vortrag ([X.] [X.]eschwerdebegründung) habe die Sachverständige Dr. J. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 12.12.2011 die Frage dahingehend beantwortet, dass das Vorliegen von Tagesmüdigkeit auf der von der Klägerin "nachvollziehbar geschilderte(n) Schlafstörung" beruhe; die Klägerin "gebe nicht nur Ein- und Durchschlafstörungen an, sondern auch Tagesmüdigkeit". Die im Schriftsatz der [X.]n vom [X.] sinngemäß aufgeworfene Frage, aus welchem Grund die Sachverständige das Vorliegen von Tagesmüdigkeit diagnostiziert habe, ist damit eindeutig beantwortet.

        

Zu Frage 3: Die [X.] übersieht, dass die Frage schon nach ihrem eigenen Vortrag nicht beweiserheblich ist, weil sie mitteilt, das [X.] habe als wahr unterstellt, dass - wovon auch die [X.] ausgehe - die Nachtschlafqualität der Klägerin bei der vorangegangenen Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. S. noch deutlich besser gewesen sei als im Zeitpunkt der [X.]egutachtung durch die Sachverständige Dr. [X.] zudem nach dem Vortrag der [X.]n das [X.] davon ausgegangen sei, dass die Ursache der [X.]lasenentleerungsstörung und die Frage ihrer kurzfristigen [X.]esserungsfähigkeit nach Ansicht des [X.] durch die vorliegenden medizinischen Unterlagen geklärt sei, hätte die [X.] substantiiert darlegen müssen, aus welchen Gründen die Sachverständige, die auf diesem Gebiet keine Fachkompetenz hatte (s Frage 1), befragt werden sollte.

        

Zu Frage 4: Die von der [X.]n ([X.] [X.]eschwerdebegründung) aufgeworfene Vermutung, dass die Einschätzung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin auf einer Fehlvorstellung der Sachverständigen über die Verhältnisse in der Arbeitswelt beruhe, dass nämlich im Rahmen einer Erwerbstätigkeit generell nicht die Möglichkeit bestehe, wiederholt Pausen einzulegen und die [X.]eine hochzulegen, ist unsubstantiiert und abwegig. Die [X.] verkennt, dass die Sachverständige die Frage, ob die Klägerin nach ihrer Einschätzung über ein sechsstündiges Leistungsvermögen verfügen würde, wenn sie die Möglichkeit hätte, während der Arbeitsschicht wiederholt Pausen einzulegen und hierbei die [X.]eine hoch zu lagern, bereits in ihrer Stellungnahme vom 12.12.2011 eindeutig verneint hat ([X.] [X.]eschwerdebegründung).

        

Zu Frage 5: Die [X.] stellt zusammenfassend die Frage, ob die Klägerin als Schmerzpatientin anempfohlene Therapien (physiotherapeutische und psychosomatisch/psychotherapeutische Intervention sowie einen [X.]ehandlungsversuch mit Akupunktur) nicht schon in Anspruch genommen hätte, wenn sich ihr Leidensdruck als tatsächlich so gravierend darstellte, wie sie ihn gegenüber der Sachverständigen angegeben habe. Damit stellt die [X.] erneut die Frage nach Simulation und Aggravation, die die Sachverständige nach dem [X.]eschwerdevortrag bereits in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom [X.] zum Gutachten dahingehend beantwortet habe, dass sie solche Hinweise bei der [X.]egutachtung nicht gefunden habe ([X.] [X.]eschwerdebegründung). Die Frage wird aber nicht deshalb erneut sachdienlich, weil die [X.] eine bereits eindeutig beantwortete Frage in ein neues Gewand kleidet.

        

Zu Frage 6: Die Frage, ob bei der Klägerin bereits vor dem Tag der Untersuchung durch die Sachverständige (15.11.2010) ein quantitatives Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden vorgelegen habe, ist beweisunerheblich, da die Klägerin nach dem [X.]eschwerdevortrag ([X.]) ihren Klageantrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall am 15.11.2010 für den Zeitraum vom 1.6.2011 bis zum [X.] beschränkt habe. Wenn die [X.] vorträgt, dass die Frage des Eintritt des [X.] bei einer Rente wegen Erwerbsminderung "im Hinblick auf die §§ 59 Abs 2 [X.] und 75 Abs 2 Satz 1 [X.] SG[X.] VI auch für die [X.]erechnung der Rentenhöhe von zentraler [X.]edeutung" sei, so hat sie damit die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht substantiiert dargelegt.

        

Zu Frage 7: Auch diese Frage ist nach dem [X.]eschwerdevortrag eindeutig beantwortet. Denn nach eigenem Vortrag der [X.]n hat die Sachverständige die Frage, ob sie nach einem abgelaufenen Untersuchungszeitraum von mehr als einem Jahr ausschließen könne, dass sie zwischenzeitlich wieder über ein fast sechsstündiges Leistungsvermögen verfügen könnte, bereits in der ergänzenden Stellungnahme vom 12.12.2011 dahingehend beantwortet, dass die Wiedererlangung eines sechsstündigen Leistungsvermögens durch die Klägerin eine deutliche Verbesserung ihrer Gesamtsituation voraussetze, die sie für eher unwahrscheinlich halte ([X.] [X.]eschwerdebegründung).

3. Soweit die [X.] eine Verletzung von § 128 Abs 2 SGG rügt, ist auch dieser Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Hierzu trägt sie vor, zu dem Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung von der persönlich anwesenden Klägerin gewonnen habe, habe das [X.] der [X.]n keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das [X.] habe aufgrund dieses Eindrucks das Verhalten der Klägerin als glaubhaft und nicht zur Verdeutlichung und Aggravation neigend beurteilt. Ein Hinweis auf das vom Senat beobachtete Verhalten der Klägerin sei ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht erfolgt. Damit habe das [X.] eine von ihm wahrgenommene Tatsache zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht, zu der sich die [X.] nicht habe äußern können. Wäre der [X.]n Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, hätte sie vorgetragen, dass die Klägerin während des gerichtlichen Verfahrens die Fähigkeit entwickelt habe, sich in das Verhalten einer Schmerzpatientin einzufühlen und ihr Verhalten dementsprechend auszurichten.

Die [X.] hat auch insoweit keinen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler schlüssig vorgetragen. Ein solcher Verstoß liegt dann vor, wenn das Gericht sich auf Tatsachen und [X.]eweisergebnisse stützt, zu denen sich die [X.]eteiligten nicht äußern konnten. Zur [X.]egründung eines entsprechenden [X.] ist jedoch nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen dadurch ggf verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl [X.]SG [X.] 1500 § 160a [X.]6). Darüber hinaus ist für den Erfolg einer entsprechenden Rüge Voraussetzung, dass der [X.]eschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl [X.]SGE 68, 205, 210 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 6 mwN).

Insoweit fehlt es hier jedenfalls an hinreichendem Vortrag, dass die angefochtene Entscheidung iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Denn allein daraus, dass das [X.] den Eindruck, den die Klägerin während der mündlichen Verhandlung auf den Senat gemacht habe, im [X.]erufungsurteil erwähnt hat, kann nicht auf dessen Entscheidungserheblichkeit geschlossen werden. Dies gilt umso mehr, als bereits bei den von der [X.]n vorgetragenen umfangreichen medizinischen Ermittlungen die Frage nach Simulation und Aggravation von der Sachverständigen aus medizinischer Sicht eindeutig beantwortet worden ist (s oben 2., zur Frage 5).

Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen [X.]eschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 [X.] und 3 SGG durch [X.]eschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

Meta

B 13 R 71/12 B

07.02.2013

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Speyer, 25. Juni 2009, Az: S 8 R 363/07, Urteil

§ 62 SGG, § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 128 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 397 ZPO, § 402 ZPO, § 411 Abs 4 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.02.2013, Az. B 13 R 71/12 B (REWIS RS 2013, 8336)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8336

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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