Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.02.2020, Az. 3 StR 313/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1658

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Gegenstand

Gewerbs- und bandenmäßige Urkundenfälschung: Mittäterschaftliche Herstellung gefälschter Rezepte


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. Oktober 2018 wird

a) die Einziehung des Wertes von Taterträgen hinsichtlich der Angeklagten auf einen Geldbetrag von 12.000 € beschränkt,

b) das Urteil, soweit es sie betrifft, geändert

aa) im Schuldspruch dahin, dass sie des gewerbsmäßigen [X.] in 47 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung, sowie des Diebstahls schuldig ist,

bb) im Strafausspruch dahin, dass

(1) für die Tat II. 2. a. Fall 5 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt wird,

(2) die für die Tat II. 2. a. Fall 49 der Urteilsgründe festgesetzte Strafe entfällt,

[X.]) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin, dass gegen die Angeklagte als Gesamtschuldnerin die Einziehung eines Geldbetrages von 12.000 € angeordnet wird.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßigen [X.] in 47 Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur gewerbs- und bandenmäßigen Urkundenfälschung, sowie wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Weiterhin hat es gegen die Angeklagte als Gesamtschuldnerin mit dem Mitangeklagten [X.]die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 30.500 € angeordnet. Dagegen wendet sie sich mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

I.

2

1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen entwendete die Angeklagte aus einer hausärztlichen Praxis zirka 20 bis 25 von dem Arzt erstellte Blankokassenrezepte (Tat II. 2. a. Fall 1 der Urteilsgründe; fortan: Fall 1). In Umsetzung der [X.], die sie mit dem Mitangeklagten [X.]und dem gesondert Verfolgten [X.]getroffen hatte, bedruckte [X.]die Rezepte mit den Patientendaten des [X.]und der konkreten Bezeichnung von Blutzuckerteststreifen. In acht Fällen löste die Angeklagte gemeinsam mit [X.]jeweils eines dieser gefälschten Rezepte kostenfrei in Apotheken ein ([entsprechend] Fälle 2 bis 9). Sodann beschaffte sich [X.]über das [X.] auf den Namen einer Ärztin ausgestellte Rezeptvordrucke. Er bedruckte sie ebenfalls mit [X.] sowie der Präparatsbezeichnung von Blutzuckerteststreifen und fälschte die Unterschrift der Ärztin. In 39 Fällen löste die Angeklagte gemeinsam mit [X.]je eines dieser manipulierten Rezepte kostenfrei in Apotheken ein ([entsprechend] Fälle 10 bis 48). [X.] Absicht entsprechend veräußerte [X.]sämtliche Blutzuckerteststreifen über das [X.]; von dem Veräußerungserlös erhielt die Angeklagte stets einen Anteil.

3

2. Das [X.] hat den Fall 1 als Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) und die Fälle 2 bis 48 jeweils als gewerbsmäßigen Bandenbetrug (§ 263 Abs. 1 und 5, § 25 Abs. 2 StGB) gewertet. Des Weiteren hat es angenommen, dass die Angeklagte in den Fällen 2 bis 9 tateinheitlich eine Beihilfe zur gewerbs- und bandenmäßigen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 und 4, § 27 Abs. 1 StGB) begangen habe, indem sie die in der hausärztlichen Praxis entwendeten Blankokassenrezepte an [X.]weitergegeben habe.

II.

4

1. Hinsichtlich der Fälle 5 sowie 10 bis 48 besteht kein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis infolge einer gerichtlichen Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Januar 2018 - 3 [X.], NStZ-RR 2018, 116, 117; [X.], [X.], 27. Aufl., § 154 Rn. 57 mwN).

5

Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, ist das [X.] dahin auszulegen, dass die [X.] im Termin vom 12. Oktober 2018 einen Beschluss verkündet hat, wonach sie in den benannten Fällen keine Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 [X.] vorgenommen, sondern lediglich gemäß § 154a Abs. 2 [X.] den Vorwurf der (gewerbs- und bandenmäßigen) Urkundenfälschung von der Verfolgung ausgenommen und diese auf den Vorwurf des (gewerbsmäßigen [X.] beschränkt hat. Der Inhalt der - ursprünglichen - Sitzungsniederschrift ist nicht eindeutig. Insbesondere aus den dem Beschluss zugrundeliegenden Anträgen der Staatsanwaltschaft, aber auch aus den aufgrund der Auslegungsbedürftigkeit des Protokolls ergänzend heranzuziehenden Erkenntnisquellen (s. LR/Stuckenberg, [X.], 26. Aufl., § 274 Rn. 11 mwN) - namentlich der von der Vorsitzenden sowie der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 15. August/5. September 2019 unterzeichneten "Erklärung zum Protokoll vom 12.10.2018 (Berichtigung)" und den Urteilsgründen - geht der wirkliche Wille der [X.] klar hervor.

6

Deshalb kann dahinstehen, ob das [X.] ordnungsgemäß durchgeführt worden ist und es für die Prüfung des [X.] allein auf den geänderten Protokollvermerk ankommt.

7

2. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs und des Strafausspruchs sowie nach Maßgabe des vom [X.] gestellten Antrags nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 [X.] auch zur Änderung des Ausspruchs über die Einziehung des Wertes von Taterträgen.

8

a) Was den Schuldspruch betrifft, so tragen die Feststellungen unter Berücksichtigung der von der [X.] beschlossenen Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 [X.] eine Verurteilung der Angeklagten wegen gewerbsmäßigen [X.] in 47 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit - als Mittäterin begangener - gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung, und wegen Diebstahls. Die Annahme der [X.], in acht der 47 Fälle des gewerbsmäßigen [X.] sei die Angeklagte wegen tateinheitlich geleisteter Beihilfe zur gewerbs- und bandenmäßigen Urkundenfälschung zu belangen, erweist sich damit als rechtsfehlerhaft.

9

aa) Im Fall 5 hat das [X.] die Angeklagte zu Unrecht wegen einer Beteiligung an dem Urkundsdelikt verurteilt. Wie bereits ausgeführt, hat es auch in diesem Fall - nicht nur in den Fällen 10 bis 48 - den Vorwurf der Urkundenfälschung von der Verfolgung ausgenommen und diese auf den Vorwurf des Betruges beschränkt.

bb) In den verbleibenden sieben Fällen 2 bis 4 sowie 6 bis 9 machte sich die Angeklagte wegen - mittäterschaftlich begangener - gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 und 4, § 25 Abs. 2 StGB), nicht wegen Beihilfe hierzu (§ 27 Abs. 1 StGB) strafbar. Sie förderte nicht nur die Herstellung der gefälschten Rezepte als unechter Urkunden, indem sie [X.]die von ihr gestohlenen Blankokassenrezepte aushändigte. Gemeinschaftlich mit [X.]handelnd gebrauchte sie die Urkunden vielmehr auch. Sie legte in den Apotheken entweder selbst das Rezept vor oder erbrachte mit erheblichem Eigeninteresse in Ausführung eines gemeinsamen Tatplans jedenfalls dadurch einen eigenhändigen Beitrag zur Vorlage durch Co.  , dass sie ihr Fahrzeug für die notwendige Fahrt zur Verfügung stellte und zusammen mit ihm zu diesem Zweck die Apotheke aufsuchte (zu den Voraussetzungen der Mittäterschaft vgl. etwa [X.], Beschluss vom 6. August 2019 - 3 StR 189/19, [X.], 22 mwN). Es besteht kein sachlicher Grund, die Beteiligung der Angeklagten an der gewerbs- und bandenmäßigen Urkundenfälschung anders zu behandeln als diejenige am gewerbsmäßigen Bandenbetrug.

Über die Verurteilung der Angeklagten wegen der ihr aufgrund Mittäterschaft zuzurechnenden Urkundsdelikte kann der Senat selbst befinden (§ 354 Abs. 1 [X.] analog). Darauf, ob dem Tatgericht bei der vorzunehmenden Abgrenzung zur Beihilfe ein Beurteilungsspielraum zugestanden wird, der nur einer begrenzten revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 8. Dezember 2015 - 3 [X.], [X.], 648, 649; vom 30. Juni 2016 - 3 [X.], [X.], 296, 297), kommt es insoweit nicht an. Denn ein solcher Spielraum wäre bei Annahme einer bloßen Beihilfe überschritten, auch wenn - was auf der Grundlage der Feststellungen für jede einzelne Tat nicht ausgeschlossen werden kann - [X.]das Rezept vorlegte.

cc) § 265 [X.] hindert den geänderten Schuldspruch nicht, weil bereits die Anklage der Angeklagten eine im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB gemeinschaftliche Tatbegehung auch im Hinblick auf die gewerbs- und bandenmäßige Urkundenfälschung zur Last gelegt hatte. Das gilt umso mehr, als sich die Angeklagte in der Hauptverhandlung geständig eingelassen hat.

Soweit in der Änderung des Schuldspruchs zugleich dessen partielle Verböserung liegt, steht dem die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht entgegen (s. [X.], Urteil vom 17. Oktober 2019 - 3 StR 521/18, juris Rn. 53; KK-Gericke, [X.], 8. Aufl., § 358 Rn. 18, jeweils mwN).

b) Die Änderung des Strafausspruchs hat Auswirkungen auf zwei Einzelstrafen.

Infolge der Änderung des Schuldspruchs im Fall 5 ist anstelle der vom [X.] verhängten [X.] von einem Jahr und sechs Monaten entsprechend § 354 Abs. 1 [X.] eine solche von einem Jahr und drei Monaten festzusetzen. Denn auf dieses Strafmaß hat die [X.] für sämtliche Fälle des gewerbsmäßigen [X.] ohne tateinheitliches Hinzutreten eines Urkundsdelikts erkannt.

Die - versehentlich - für den Fall 49 der Urteilsgründe verhängte [X.] von einem Jahr und drei Monaten hat zu entfallen, weil die Angeklagte wegen dieser Tat nicht verurteilt worden ist. Ausweislich der Feststellungen beging [X.]sie allein.

Das Herabsetzen der Einzelstrafe für den Fall 5 und der Wegfall derjenigen für den Fall 49 lassen den [X.] unberührt. In Anbetracht der verbleibenden [X.]n von siebenmal einem Jahr und sechs Monaten sowie 40-mal einem Jahr und drei Monaten ist auszuschließen, dass das [X.] auf eine geringere Gesamtstrafe als zwei Jahre [X.] erkannt hätte.

c) Auf den Antrag des [X.]s hat der Senat gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 [X.] die Einziehung des Wertes von Taterträgen auf einen Geldbetrag von 12.000 € beschränkt. In dem verbleibenden Umfang ist gegen die Anordnung der Wertersatzeinziehung nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB im Ergebnis nichts zu erinnern, wenngleich die von der [X.] vorgenommene Bestimmung des Wertes durch Schätzung rechtlichen Bedenken begegnet. Hierzu hat der [X.] ausgeführt:

"Die Einziehungsentscheidung gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB in Höhe von 12.000 € ([X.]) ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar kommt eine Schätzung nach § 73d Abs. 2 StGB nur in Betracht, wenn die Werte, die für die §§ 73 bis 73d StGB maßgebend sind, nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden können oder ihre Ermittlung einen unverhältnismäßigen Aufwand an [X.] und Kosten erfordert (Senat, NStZ-RR 2019, 142). Eine Schätzung kann demnach nicht erfolgen, soweit die für die Einziehung maßgeblichen Werte in den Urteilsgründen bereits festgestellt sind. Eine Schätzung des [X.] auf 12.000 € ([X.]) kam demnach im vorliegenden Fall wegen der konkreten Feststellungen zum [X.] ([X.]) nicht in Betracht. Eine Addition der Werte der von der Angeklagten bis zur Übergabe an A.    [X.]zumindest in [X.] erlangten Teststreifen ergibt indes unter Berücksichtigung der teils höheren Verkaufspreise in den [X.] der Urteilsgründe einen Tatertrag von 12.020,06 €, sodass die Beschwerdeführerin durch die Einziehung in Höhe von lediglich 12.000 € nicht beschwert ist."

Dem schließt sich der Senat an. Die Angeklagte haftet mit ihren Mittätern entsprechend §§ 421 ff. BGB gesamtschuldnerisch; einer individuellen Benennung der weiteren Gesamtschuldner in der Entscheidungsformel bedarf es nicht (s. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2019 - 3 StR 130/19, juris Rn. 11).

3. Im Übrigen hat die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen der Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 [X.]).

4. Angesichts des geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, die Angeklagte mit den gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 [X.]).

Schäfer     

        

Gericke     

        

     Berg

                          

Ri'in[X.] Dr. Erbguth
befindet sich im Urlaub
und ist deshalb gehindert
zu unterschreiben.

        
        

Anstötz     

        

Schäfer

        

Meta

3 StR 313/19

04.02.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 4. Februar 2020, Az: 3 StR 313/19, Beschluss

§ 25 Abs 2 StGB, § 267 Abs 1 StGB, § 267 Abs 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.02.2020, Az. 3 StR 313/19 (REWIS RS 2020, 1658)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1658


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 313/19

Bundesgerichtshof, 3 StR 313/19, 04.02.2020.

Bundesgerichtshof, 3 StR 313/19, 04.02.2020.


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