Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.01.2018, Az. 10 AZR 392/17

10. Senat | REWIS RS 2018, 14743

ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) VERTRAGSRECHT ARBEITSVERTRAG INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT KÜNDIGUNG WETTBEWERBSVERBOT

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Gegenstand

Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot


Leitsatz

Die Bestimmungen über das gesetzliche Rücktrittsrecht der §§ 323 ff. BGB finden nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die in § 110 GewO, §§ 74 ff. HGB geregelten nachvertraglichen Wettbewerbsverbote Anwendung. § 314 BGB steht dem nicht entgegen.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 24. Mai 2017 - 4 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Karenzentschädigung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Februar 2014 als „Beauftragter technische Leitung“ zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 6.747,20 Euro beschäftigt.

3

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 12. Dezember 2013 lautet auszugsweise:

        

„IX.   

Wettbewerbsverbot

                 

Geltungsbereich

        

(a)     

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für die Dauer von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für kein Unternehmen tätig zu werden, das mit den Firmen der [X.] in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Arbeitnehmer untersagt, während der Dauer dieses Verbotes ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit dem Arbeitgeber verbundenen Unternehmen.

        

…       

        
                 

Karenzentschädigung

        

(a)     

Für die Dauer des Wettbewerbsverbots verpflichtet sich die Firma, dem Arbeitnehmer monatlich für diese Zeit eine Entschädigung in der Höhe von 50 % der monatlich zuletzt bezogenen durchschnittlichen Bezüge zu zahlen.

        

(b)     

Die Karenzentschädigung ist am Schluss des jeweiligen Monats fällig.

        

(c)     

Auf die fällige Entschädigung wird alles angerechnet, was der Arbeitnehmer während der Dauer des Wettbewerbsverbots durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit dieser Verdienst und die Entschädigung zusammengerechnet die bisherigen Bezüge um 10 % übersteigen. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich Arbeitslosenunterstützung erhält.“

4

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund ordentlicher Kündigung des [X.] zum 31. Januar 2016. Der Kläger bezog ab dem 1. Februar 2016 Arbeitslosengeld in Höhe von 82,74 Euro kalendertäglich.

5

Die Beklagte zahlte an den Kläger trotz [X.] keine Karenzentschädigung. Mit E-Mail vom 1. März 2016 forderte der Kläger die Beklagte zur Auszahlung der Karenzentschädigung für den Monat Februar auf. In der E-Mail heißt es in Auszügen (Schreibweise im Original):

        

„Ich bitte Sie höflichste dies aussehende Karenzentschädigung laut Vertrag bis zum spätestens 04. März 2016 auf dass Ihnen bekannte sowie unten nochmals genante Konto zu überweisen.“

6

Unter dem 8. März 2016 schrieb der Kläger an die Beklagte per E-Mail auszugsweise (wörtliche Schreibweise):

        

„Guten Abend Herr M,

        

bezugnehmend auf Ihre E-Mail vom 01.03.16 sowie das Telefonat mit [X.] möchte ich Ihnen mitteilen, dass Ich [X.] ab sofort nicht mehr an da Wettbewerbsverbot gebunden fülle.

        

Der abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 12.12.2013 zwischen der [X.] und meiner Person ist Bestandteil meiner E-mail vom 01.03.2015 und der damit nicht eingehaltenen Karenzentschädigung.“

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Karenzentschädigung für drei Monate zu, weil er sich an die Bestimmungen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gehalten und im maßgeblichen Zeitraum nur Arbeitslosengeld bezogen habe. Bei seiner E-Mail vom 8. März 2016 habe es sich lediglich um eine „Trotzreaktion“ ohne Rechtsbindungswillen gehandelt, die die Beklagte dazu habe bewegen sollen, endlich die Karenzentschädigung auszuzahlen. Er habe nie die Absicht gehabt, vom Wettbewerbsverbot zurückzutreten, und auch in der Folgezeit keinen Wettbewerb ausgeübt. Im Übrigen verstoße die Beklagte gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, wenn sie sich einerseits weigere, die Karenzentschädigung zu zahlen, und sich andererseits auf einen angeblichen Rücktritt berufe.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.120,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in gestaffelter Höhe zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei wirksam vom vereinbarten Wettbewerbsverbot zurückgetreten. Damit entfalle sein Anspruch auf eine Karenzentschädigung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage für den Zeitraum vom 9. März bis zum 30. April 2016 abgewiesen. Mit der vom [X.] nur für den Kläger zugelassenen Revision begehrt dieser die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet.

I. Die Klage ist, soweit sie in die Revision gelangt ist, unbegründet. Der Kläger hat für den [X.]raum vom 9. März bis zum 30. April 2016 keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Karenzentschädigung aus Ziff. [X.] seines Arbeitsvertrags iVm. § 110 Satz 2 [X.], § 74b Abs. 1 [X.]. Er ist durch Erklärung vom 8. März 2016 wirksam nach § 323 Abs. 1, § 349 [X.] vom nachvertraglichen [X.]verbot zurückgetreten. Hiervon geht das [X.] ohne Rechtsfehler aus.

1. Die [X.]en haben gemäß § 110 [X.], §§ 74 ff. [X.] durch Ziff. [X.] des Arbeitsvertrags eine Vereinbarung über ein nachvertragliches [X.]verbot getroffen. Diese ist jedenfalls nicht nichtig (vgl. dazu [X.] 22. März 2017 - 10 [X.] - Rn. 22 f., [X.]E 158, 329 ), weil das gesetzliche Schriftformerfordernis eingehalten wurde (§ 74 Abs. 1 [X.]) und die Zahlung einer Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 [X.] vorgesehen ist. Der [X.] braucht nicht darüber zu befinden, ob das [X.]verbot anfänglich verbindlich war. Das ist zweifelhaft. Die in Ziff. [X.] Abschnitt Karenzentschädigung [X.]. c Satz 2 des Arbeitsvertrags vorgesehene Anrechnung von Arbeitslosengeld verstößt möglicherweise gegen § 74c Abs. 1 Satz 1 [X.]. Die Karenzentschädigung könnte unter bestimmten Umständen nicht die gesetzlich vorgesehene Höhe erreichen. Der [X.] hat diese Frage bisher offengelassen ([X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 14 ff.). Sie muss auch hier nicht beantwortet werden. Der Kläger hat sich dazu entschieden, das [X.]verbot einzuhalten. Es ist jedenfalls dadurch verbindlich geworden (st. Rspr., zuletzt [X.] 22. März 2017 - 10 [X.] - Rn. 24 mwN, aaO).

2. Der Kläger ist jedoch durch Erklärung vom 8. März 2016 nach § 323 Abs. 1 iVm. Abs. 2, § 349 [X.] wirksam vom nachvertraglichen [X.]verbot zurückgetreten.

a) Voraussetzungen für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 [X.] sind, dass der Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Die Fristsetzung ist nach § 323 Abs. 2 [X.] unter bestimmten Voraussetzungen entbehrlich.

b) Die Bestimmungen über gesetzliche Rücktrittsrechte der §§ 323 ff. [X.] sind nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf verbindliche nachvertragliche [X.]verbote anwendbar.

aa) Bei einem nachvertraglichen [X.]verbot nach § 110 [X.], §§ 74 ff. [X.] handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag iSd. §§ 320 ff. [X.]. Im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen die vom Arbeitnehmer geschuldete Unterlassung des [X.] und die vom Arbeitgeber geschuldete Zahlung der Karenzentschädigung zum Ausgleich des Nachteils, der dem Arbeitnehmer durch die Einschränkung seines Erwerbslebens entsteht (st. Rspr., zuletzt [X.] 22. März 2017 - 10 [X.] - Rn. 17, [X.]E 158, 329; 7. Juli 2015 - 10 [X.] - Rn. 29, [X.]E 152, 99 ). Dies gilt unabhängig davon, ob die Vereinbarung über das [X.]verbot unmittelbar Bestandteil des Arbeitsvertrags ist oder in einer gesonderten Vereinbarung getroffen wird; das Pflichtengefüge ändert sich dadurch nicht.

bb) Die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über den Rücktritt ist nicht durch speziellere Vorschriften des [X.] ausgeschlossen. Die von §§ 75, 75a [X.] vorgesehenen einseitigen Lösungsmöglichkeiten vom nachvertraglichen [X.]verbot betreffen keine Fallgestaltungen, in denen eine [X.] nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Pflichten aus einem verbindlichen [X.]verbot verletzt (vgl. zu § 75 [X.] zB [X.] 15. Januar 2014 - 10 [X.] - Rn. 27 f., [X.]E 147, 128).

cc) Bereits zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer ([X.] 5. Oktober 1982 - 3 [X.] - zu II 2 b der Gründe; 2. August 1968 - 3 [X.] - zu IV 3 der Gründe) oder der Arbeitgeber ([X.] 10. September 1985 - 3 [X.] - zu II 3 b der Gründe) von einem nachvertraglichen [X.]verbot nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen zurücktreten konnte, wenn die andere Vertragspartei ihre Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung bzw. zur [X.]enthaltung verletzt hatte. Von einem solchen Rücktrittsrecht geht das Schrifttum übereinstimmend auch für die Rechtslage nach der Schuldrechtsreform aus (vgl. zB [X.]/Diller NJW 2002, 1609, 1612; [X.]/[X.] 18. Aufl. § 74 [X.] Rn. 21, 23; [X.] in [X.]/Zwanziger/[X.]/[X.] 9. Aufl. § 91 Rn. 41, 75; MüKo[X.]/von [X.] 4. Aufl. § 74 Rn. 61, 67; [X.]/[X.] [X.] 5. Aufl. § 74 Rn. 31 f.; [X.] ArbR-HdB/[X.] 17. Aufl. § 55 Rn. 31 f.). Dem schließt sich der [X.] an.

dd) § 314 [X.] steht der Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den Rücktritt nicht entgegen.

(1) Nach § 314 Abs. 1 [X.] kann jeder Vertragsteil bei Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund kündigen. Dieser Bestimmung kommt insbesondere wegen der Schwierigkeiten einer Rückabwicklung bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen regelmäßig - aber nicht ausnahmslos - ein Anwendungsvorrang gegenüber den [X.] zu ( [X.]/[X.] [X.] 15. Aufl. § 314 Rn. 18 ; MüKo[X.]/[X.] 7. Aufl. § 314 Rn. 3). So scheidet ein Rücktritt vom Arbeitsverhältnis generell aus [X.]/Fischermeier 11. Aufl. § 626 [X.] Rn. 41 mwN; vgl. auch [X.] 11. Dezember 2003 - 2 [X.] - zu [X.] 2 c, d der Gründe, [X.]E 109, 87 zur alten Rechtslage).

(2) Auch wenn es sich beim nachvertraglichen [X.]verbot um ein Dauerschuldverhältnis handelt ([X.]/[X.] [X.] § 314 Rn. 3b; [X.] ArbR/[X.] 4. Aufl. § 32 Rn. 166 ), ist hierfür kein solcher Vorrang anzunehmen. Eine ausdrückliche gesetzliche Konkurrenzregelung fehlt (MüKo[X.]/[X.] § 323 Rn. 35 f.). Im Hinblick auf das enge, durch die §§ 74 ff. [X.] vorgegebene Pflichtengefüge (vgl. [X.]/[X.] 77. Aufl. § 314 Rn. 4), die zeitliche Begrenztheit der Wirkung des [X.]verbots, die Bedeutung für die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers einerseits (vgl. [X.] 22. März 2017 - 10 [X.] - Rn. 19, [X.]E 158, 329) und die ggf. weitreichende wirtschaftliche Bedeutung für den Arbeitgeber andererseits gibt es keinen Grund dafür, das Lösungsrecht einer [X.] bei einer Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei davon abhängig zu machen, dass ein wichtiger Grund besteht (im Ergebnis [X.]/Diller NJW 2002, 1609, 1610 ff.; Boecken in [X.]/Boujong/[X.]/[X.] 3. Aufl. [X.] § 74 Rn. 58, 60; [X.] in [X.]/Zwanziger/[X.]/[X.] § 91 Rn. 41, 75; MüKo[X.]/von [X.] § 74 Rn. 61, 67; [X.]/[X.] [X.] § 74 Rn. 31 f. ; [X.]/[X.] § 74 [X.] Rn. 21, 23; [X.] ArbR-HdB/[X.] § 55 Rn. 31 f. ; aA zur früheren Rechtslage Grunsky [X.] für [X.] S. 41, 44 : Vorrang der Kündigung; offengelassen von Wagner in [X.]/Graf v. Westphalen/[X.] [X.] 4. Aufl. § 74b Rn. 7 ). §§ 74 ff. [X.] enthalten ein in sich geschlossenes Regelungssystem für nachvertragliche [X.]verbote, das § 314 [X.] grundsätzlich vorgeht.

(3) Der [X.] braucht hier nicht darüber zu entscheiden, ob die außerordentliche Kündigung des nachvertraglichen [X.]verbots und der Rücktritt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichrangig in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen des § 314 [X.] erfüllt sind (so zB [X.]/Diller [X.]verbote 7. Aufl. Rn. 920; [X.]/[X.] [X.] § 314 Rn. 15; [X.]/[X.] § 32 Rn. 166; Preis/[X.] [X.]. II W 10 Rn. 97).

ee) Es liegt nahe, die Vereinbarung über das nachvertragliche [X.]verbot auch dann als eigenständigen gegenseitigen Vertrag iSd. gesetzlichen Vorschriften über den Rücktritt anzusehen, wenn diese unmittelbar im Arbeitsvertrag in einer Vertragsurkunde enthalten ist ([X.]/Diller [X.]verbote Rn. 51: „[X.]“). Zwar besteht ein enger Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis; ohne dieses ist das nachvertragliche [X.]verbot ohne Bedeutung. Auch beruhen etwaige Ansprüche aus dem [X.]verbot auf dem Arbeitsverhältnis ([X.] 24. Juni 2009 - 10 [X.] (F) - Rn. 26; 22. Juni 2005 - 10 [X.] - zu II 1 d der Gründe). Die für die Anwendbarkeit der §§ 320 ff. [X.] maßgeblichen gegenseitigen Pflichten entstehen aber erst mit dessen Beendigung (Grunsky [X.] für [X.] S. 41, 43). Während des laufenden Arbeitsverhältnisses gibt es hingegen noch vertragliche oder gesetzliche Möglichkeiten, sich hiervon zu lösen und damit das [X.]verbot nicht entstehen zu lassen ([X.]/Diller NJW 2002, 1609). Handelte es sich um einen eigenständigen gegenseitigen Vertrag, läge bezogen auf diesen ein vollständiger Rücktritt vor, der die übrigen (nachvertraglichen) Pflichten aus dem Arbeitsvertrag von vornherein unberührt ließe.

Wäre das nachvertragliche [X.]verbot in den Fällen der Vereinbarung in einer Vertragsurkunde lediglich als ein Teil des arbeitsvertraglichen Pflichtengefüges zu verstehen, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Es ist anerkannt, dass ein Teilrücktritt von einem Vertrag in Betracht kommt, wenn sowohl Leistung als auch Gegenleistung teilbar sind ([X.] 24. September 2015 - 2 [X.] - Rn. 39, [X.]E 153, 20; [X.] 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08 - Rn. 17; MüKo[X.]/[X.] § 323 Rn. 201 ff.). Eine solche Situation ist im Verhältnis zwischen den Pflichten aus dem Arbeitsvertrag einerseits und dem nachvertraglichen [X.]verbot andererseits gegeben. Diese bilden keine unauflösliche Einheit. Während des Bestands des Arbeitsverhältnisses hat das nachvertragliche [X.]verbot keine Bedeutung. Es lebt erst auf, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist; auch ab diesem [X.]punkt steht es aber neben anderen fortbestehenden oder nachvertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Die jeweiligen Leistungen sind nicht an andere Leistungen aus dem Arbeitsvertrag gebunden. Deshalb kann die Beantwortung der Frage offenbleiben, ob es sich beim Rücktritt vom nachvertraglichen [X.]verbot unter bestimmten Umständen nur um einen Teilrücktritt handelt.

ff) Der Rücktritt vom nachvertraglichen [X.]verbot entfaltet Wirkung für die [X.] nach Zugang der Rücktrittserklärung (ex nunc), ab diesem [X.]punkt entfallen die wechselseitigen Rechte und Pflichten. Die Rechtsfolge des ausgeübten Rücktrittsrechts ergibt sich aus §§ 346 ff. [X.]. Grundsätzlich ist das Vertragsverhältnis nach § 346 Abs. 1 [X.] rückabzuwickeln, beim Teilrücktritt hinsichtlich des vom Rücktritt erfassten Teils. Da ein Rücktritt nach den oben genannten Grundsätzen erst in Betracht kommt, wenn das [X.]verbot bereits in Vollzug gesetzt wurde und die Unterlassung von Wettbewerb durch den Arbeitnehmer nicht rückabgewickelt werden kann, wirkt der Rücktritt ausnahmsweise nur ex nunc (vgl. zB [X.]/Diller NJW 2002, 1609, 1611 f.; MüKo[X.]/von [X.] § 74 Rn. 67; [X.]/[X.] [X.] § 74 Rn. 31 f.; [X.]/[X.] § 74 [X.] Rn. 23; [X.] ArbR-HdB/[X.] § 55 Rn. 31; aA wohl [X.] in Großkomm. [X.] 5. Aufl. § 74 Rn. 62, 66; vgl. zur früheren Rechtslage [X.] 5. Oktober 1982 - 3 [X.] - zu III 2 b der Gründe).

c) Das [X.] ist nach diesen Grundsätzen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom nachvertraglichen [X.]verbot nach § 323 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorlagen und der Kläger mit seiner E-Mail vom 8. März 2016 den Rücktritt erklärt hat (§ 349 [X.]).

aa) Der Kläger hat sich nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß seiner aus Ziff. [X.] des Arbeitsvertrags resultierenden Pflicht des [X.] enthalten. Weitere Erklärungen musste er dazu gegenüber der [X.] nicht abgeben. Dies gilt auch, wenn davon ausgegangen wird, dass das [X.]verbot zunächst unverbindlich war und erst durch die Entscheidung des [X.] dafür, es einzuhalten, verbindlich wurde ([X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 22, [X.]E 135, 116). Die Beklagte schuldete dem Kläger dementsprechend nach Ziff. [X.] des Arbeitsvertrags eine Karenzentschädigung für den Monat Februar 2016 in Höhe von 3.373,60 Euro, die zum Ende dieses Monats fällig war (§ 74b Abs. 1 [X.]). Diese Karenzentschädigung hat die Beklagte zum Fälligkeitszeitpunkt nicht gezahlt.

bb) Der Kläger hat der [X.] mit E-Mail vom 1. März 2016 nach Fälligkeit der Karenzentschädigung (vgl. zu dieser Voraussetzung [X.] 14. Juni 2012 - [X.] - Rn. 16, [X.]Z 193, 315) eine Zahlungsfrist bis zum 4. März 2016 gesetzt. Für die Beklagte ist damit deutlich geworden, welche Leistung der Kläger von ihr bis zu welchem [X.]punkt erwartete. Da sich die Höhe des Anspruchs aus Ziff. [X.] Abschnitt Karenzentschädigung [X.]. a des Arbeitsvertrags iVm. der der [X.] bekannten Vergütungshöhe des [X.] ergab, bedurfte es keiner Bezifferung der Forderung. Gegen die Annahme des [X.]s, diese (kurze) Frist sei angemessen iSv. § 323 Abs. 1 [X.] gewesen (vgl. zu den Folgen einer gesetzten zu kurzen Frist [X.] 13. Juli 2016 - [X.]/15 - Rn. 31), wendet sich die Revision nicht. Unabhängig hiervon trifft jedenfalls die Annahme des [X.]s zu, dass eine Fristsetzung entbehrlich iSv. § 323 Abs. 2 Nr. 1 [X.] gewesen sei. Die Beklagte verweigerte die Leistung gegenüber dem Kläger ernsthaft und endgültig (vgl. zu den Anforderungen [X.] 21. Dezember 2005 - [X.]/05 - Rn. 25). Die [X.]en haben vor dem [X.] übereinstimmend vorgetragen, der Vertreter der [X.] habe in einem am 1. März 2016 nach der E-Mail des [X.] vom selben Tag geführten Telefonat erklärt, die Beklagte werde keine Karenzentschädigung leisten.

cc) Die Annahme des [X.]s, der Kläger habe mit E-Mail vom 8. März 2016 den Rücktritt vom nachvertraglichen [X.]verbot erklärt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Ob eine rechtsgeschäftliche Erklärung den Sinngehalt einer Rücktrittserklärung nach § 349 [X.] hat, ist nach allgemeinen Kriterien aufgrund einer entsprechenden Auslegung zu entscheiden. Der Rücktritt muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Für eine wirksame Rücktrittserklärung ist insbesondere nicht erforderlich, dass der [X.] die Wörter „Rücktritt“ oder „ich trete zurück“ verwendet. Notwendig, aber auch ausreichend für die Annahme einer Rücktrittserklärung ist, wenn dieser Erklärung des [X.]n gemäß §§ 133, 157 [X.] entnommen werden kann, er wolle die beiderseitigen Leistungspflichten aus dem Vertrag beenden und die bereits ausgetauschten Leistungen wieder rückgängig machen ([X.] 30. Juli 2014 - [X.] U 43/14 - zu [X.] 4 a aa der Gründe mwN). Eine konkludente Rücktrittserklärung kann in einer Kündigungserklärung ([X.] 5. Oktober 1982 - 3 [X.] - zu III 2 b der Gründe) oder der Erklärung liegen, aufgrund bestimmter Umstände nicht mehr an den Vertrag gebunden zu sein ([X.] 28. August 2008 - 5 [X.]/06 - zu II 2 b bb (1) (c) der Gründe).

(2) Bei der E-Mail vom 8. März 2016 handelt es sich um eine nichttypische, individuelle Willenserklärung. Die Auslegung solcher Erklärungen durch die Tatsachengerichte ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (st. Rspr., zB [X.] 2. November 2016 - 10 [X.] - Rn. 16). Einer solchen Überprüfung hält die Entscheidung des [X.]s stand. Die Revision wendet sich im [X.] lediglich gegen das Auslegungsergebnis, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen.

(a) Das [X.] hat die Aussage des [X.], sich nicht mehr an das [X.]verbot „gebunden zu fühlen“, dahin gehend verstanden, dass der Kläger die eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr als für ihn verbindlich betrachtet habe. Er habe rechtlich ungebunden selbst bestimmen wollen, ob er Wettbewerb ausübe oder nicht. Da der Kläger auf die zuvor erklärte verbindliche Leistungsverweigerung der [X.] reagiert habe, könne seine Erklärung weder als eine unverbindliche „Trotzreaktion“ verstanden werden, noch sei sie darauf gerichtet gewesen, den Willensentschluss der [X.] zu korrigieren.

(b) Damit hat das [X.] bei der Auslegung der nichttypischen Erklärung den Sachverhalt vollständig verwertet und ist zu einem vertretbaren Ergebnis gekommen. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Auslegungsergebnis auch nicht widersprüchlich. Die Auffassung des [X.]s, der Kläger habe rechtlich ungebunden selbst bestimmen wollen, ob er Wettbewerb ausübe oder nicht, spricht nicht gegen die Annahme eines Rücktritts. Nach einem Rücktritt steht es dem Arbeitnehmer frei, über seine Arbeitskraft zu verfügen und eine [X.]tätigkeit auszuüben.

(3) Die Rücktrittserklärung konnte formfrei durch E-Mail erfolgen; der Rücktrittsgrund brauchte nicht angegeben zu werden (MüKo[X.]/[X.] § 349 Rn. 2, 5).

(4) Ob es sich bei der Erklärung des [X.] um einen vollständigen Rücktritt vom nachvertraglichen [X.]verbot oder um einen Teilrücktritt von diesem Teil des Arbeitsvertrags handelte, kann aus den genannten Gründen dahinstehen.

d) Der [X.] ist es entgegen der Auffassung der Revision nicht unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Rücktritt des [X.] zu berufen (§ 242 [X.]; vgl. dazu zB [X.] 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 31). Tatbestandsvoraussetzung für den Rücktritt nach § 323 [X.] ist, dass der Schuldner seine Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und sich damit nicht vertragstreu verhält. Ohne eine solche Pflichtverletzung hätte das Rücktrittsrecht des [X.] nicht bestanden. Ein solches vertragswidriges Verhalten kann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, darüber hinaus zu Schadensersatzansprüchen führen (§ 325 [X.]). Die Entscheidung, das Rücktrittsrecht tatsächlich auszuüben, lag beim Kläger, nicht bei der [X.]. Er hatte grundsätzlich selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen Sorge zu tragen ([X.] 15. Dezember 2016 - 6 [X.] - Rn. 16 zur Einhaltung einer Ausschlussfrist). Allein der Umstand, dass es den Kläger reut, sein Rücktrittsrecht ausgeübt zu haben, und er sich möglicherweise über die rechtlichen Folgen seiner Erklärung nicht vollständig im Klaren war, macht es nicht treuwidrig, wenn sich die Beklagte auf den vom Kläger geschaffenen Rechtszustand beruft. Nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten führt stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung ([X.] 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21).

3. Das [X.] hat - ohne dass dies für die Revision noch von Bedeutung wäre - zutreffend angenommen, dass der Rücktritt erst ab dem Tag nach Zugang der Erklärung Wirkung entfaltet, und dem Kläger dementsprechend einen Zahlungsanspruch bis zum 8. März 2016 zugebilligt. Gegen die Berechnung der Höhe der Karenzentschädigung für die [X.] bis zum 8. März 2016 wendet sich der Kläger nicht; Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die vom [X.] vorgenommene taggenaue Berechnung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Karenzentschädigung und der Verzicht auf Wettbewerb im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen und die beiderseitigen Pflichten ab dem 9. März 2016 entfallen waren.

II. Soweit der Kläger seine Forderung in der Revision erstmals auch auf einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte stützt, handelt es sich um einen neuen Streitgegenstand, der im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht eingeführt werden kann (st. Rspr., vgl. zB [X.] 18. November 2014 - 1 [X.] - Rn. 46, [X.]E 150, 50). Feststellungen hierzu hat das [X.] nicht getroffen.

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Gallner    

        

    Brune    

        

    W. [X.]er    

        

        

        

    [X.]    

        

    Merkel    

                 

Meta

10 AZR 392/17

31.01.2018

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Würzburg, 31. Oktober 2016, Az: 6 Ca 498/16, Urteil

§ 323 Abs 1 BGB, § 349 BGB, § 110 S 2 GewO, § 74b Abs 1 HGB, § 314 Abs 1 BGB, § 74 HGB, § 323 Abs 2 Nr 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.01.2018, Az. 10 AZR 392/17 (REWIS RS 2018, 14743)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 681-682 WM2018,1145 REWIS RS 2018, 14743


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 10 AZR 392/17

Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 392/17, 31.01.2018.


Az. 6 Ca 498/16

ArbG Würzburg, 6 Ca 498/16, 31.10.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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