Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.03.2017, Az. 10 AZR 448/15

10. Senat | REWIS RS 2017, 13613

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) ARBEITSVERTRAG INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT UNTERNEHMEN REVISION (ZIVILRECHT)

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Gegenstand

Wettbewerbsverbot - salvatorische Klausel


Leitsatz

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung enthält, ist kraft Gesetzes nichtig. Eine salvatorische Klausel ist nicht geeignet, diese Folge zu beseitigen oder zu heilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. Juni 2015 - 10 [X.]/15 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. November 2014 - 4 [X.] 1218/14 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Karenzentschädigung für die [X.] von Januar 2014 bis Dezember 2015.

2

Die Beklagte ist ein international tätiges Unternehmen der Kühl- und [X.]. An ihrem Betriebssitz in [X.] beschäftigt die Beklagte ca. 15 Mitarbeiter.

3

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 26. Mai 2008 als Industriekauffrau tätig, zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung von 1.209,38 [X.]uro. Der Anstellungsvertrag vom 20. Mai 2008 lautet auszugsweise:

        

„§ 3   

        

Aufgabengebiet und Arbeitsort

        

(1)     

Das Aufgabengebiet der Mitarbeiterin umfasst die [X.], sowohl im [X.] als auch im Betrieb.

        

…       

        
        

§ 10   

        

Wettbewerbsverbot

        

(1)     

Der Mitarbeiterin ist es untersagt, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Vertrages in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es der Mitarbeiterin untersagt, während der Dauer dieses Verbotes ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten von mit der Firma verbundenen Unternehmen.

        

(2)     

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot hat die Mitarbeiterin eine Vertragsstrafe in Höhe von € 10.000,00 zu zahlen. Im Fall eines Dauerverstoßes wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat neu verwirkt. Die Geltendmachung eines darüber hinausgehenden Schadens bleibt vorbehalten.

        

(3)     

Das Wettbewerbsverbot gilt auch mit einem Rechtsnachfolger des Betriebes, insbesondere geht es bei einer Veräußerung auf den [X.]rwerber über. Der Arbeitnehmer ist mit dem Übergang der Rechte aus dieser Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger einverstanden.

        

(4)     

Das Wettbewerbsverbot tritt nicht in [X.], wenn die Mitarbeiterin bei ihrem Ausscheiden das 65. Lebensjahr vollendet oder das Arbeitsverhältnis weniger als ein Jahr bestanden hat.

        

(5)     

Die Mitarbeiterin hat von der [X.] eine vollständige Abschrift dieser Vereinbarung erhalten.

        

§ 11   

        

Geheimhaltung

        

Die Mitarbeiterin ist verpflichtet, gegenüber [X.] über alle Angelegenheiten der [X.] und ihren Beteiligungsgesellschaften strengstes Stillschweigen zu bewahren. Diese Verpflichtung besteht auch nach dem Ausscheiden aus den Diensten der [X.]. Sollte die Mitarbeiterin gegen seine Geheimhaltungspflicht verstoßen, hat die [X.] gegen den Mitarbeiterin auf [X.]rsatz des dadurch entstehenden Schadens.

        

…       

        

§ 14   

        

Nebenbestimmungen

        

(1)     

Änderungen oder [X.]rgänzungen dieses Vertrages einschließlich dieser Bestimmung selbst sind nur wirksam, wenn sie schriftlich abgeschlossen oder schriftlich wechselseitig bestätigt worden sind.

        

(2)     

Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages nichtig oder unwirksam sein, so soll dadurch der Vertrag im Übrigen in seinem rechtlichen Bestand nicht berührt werden. Anstelle der nichtigen oder unwirksamen Bestimmung soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck dieses Vertrages gewollt hätten, sofern sie bei Abschluss dieses Vertrages die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit bedacht hätten.“

4

In einer „Vereinbarung über die [X.] ab dem 01.01.2012“ vom 12. August 2011, in der die Parteien eine Teilzeitbeschäftigung der Klägerin vereinbarten, heißt es auszugsweise:

        

„Der Hauptaufgabenbereich wird sich voraussichtlich auf die telefonische Akquise (ca. 50 %), Telefondienst und Logistik verlagern.

        

Alle übrigen schriftlichen Vereinbarungen und Bestimmungen (wie z.B. aus dem Arbeitsvertrag vom 10.05.2008) bleiben erhalten.“

5

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund ordentlicher Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 31. Dezember 2013.

6

Im [X.]raum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Mai 2014 bezog die Klägerin ein monatliches Arbeitslosengeld iHv. 611,70 [X.]uro. Ab dem 1. Juni 2014 erzielte die Klägerin [X.]inkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die die Grenze von 110 % der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Vergütung nicht erreichten. [X.] nahm die Klägerin nicht vor.

7

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigen vom 25. März 2014 verlangte die Klägerin die Zahlung einer Karenzentschädigung für die Dauer von zwei Jahren iHv. 604,69 [X.]uro brutto, beginnend ab 1. Januar 2014. Der Bevollmächtigte der Beklagten wies die Forderung unter Hinweis auf die Nichtigkeit des vereinbarten Wettbewerbsverbots mit Schreiben vom 31. März 2014 zurück.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, arbeitsvertraglich sei ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gegen Zahlung einer Karenzentschädigung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe wirksam vereinbart. Zwar enthalte § 10 des Arbeitsvertrags keine ausdrückliche Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Karenzentschädigung; die Bestimmungen des [X.] ließen jedoch gemäß § 305c Abs. 2 BGB eine solche Auslegung zu. Jedenfalls sei § 10 aufgrund der in § 14 des Arbeitsvertrags enthaltenen salvatorischen Klausel um eine Regelung über die Karenzentschädigung zu ergänzen. Das Schriftformerfordernis des § 74 Abs. 1 HGB werde mit dem von beiden Parteien unterschriebenen und der Klägerin im Original ausgehändigten Arbeitsvertrag erfüllt.

9

Die Klägerin hat zuletzt - zusammengefasst - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Monate Januar bis September 2014 eine Karenzentschädigung iHv. monatlich 604,69 [X.]uro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach zeitlich bestimmter Staffelung zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine zukünftige Karenzentschädigung monatlich wiederkehrend ab dem 31. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2015 iHv. 604,69 [X.]uro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zum jeweils Monatsletzten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das vereinbarte Wettbewerbsverbot sei nichtig.

Arbeitsgericht und [X.] haben der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Die Klägerin hat mangels wirksamer Vereinbarung eines nachvertraglichen [X.]verbots keinen Anspruch auf eine Karenzentschädigung. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung des [X.]s (§ 562 Abs. 1 ZPO), zur Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts und zur Abweisung der Klage (§ 563 Abs. 3 ZPO).

I. Die Klage ist nur teilweise, nämlich hinsichtlich der Karenzentschädigung für die Monate Jan[X.]r 2014 bis Mai 2015, zulässig. Der Antrag auf zukünftige Leistung für den [X.]raum von Juni bis Dezember 2015 ist hingegen unzulässig.

1. Die zu 1. zusammengefassten [X.], die sich auf die Monate Jan[X.]r bis September 2014 beziehen, sind zulässig. Darüber hinaus war der Antrag zu 2. zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 5. Juni 2015 aufgrund Eintritts der Fälligkeit nach § 74b Abs. 1 HGB hinsichtlich der Monate Oktober 2014 bis einschließlich Mai 2015 nicht mehr auf eine künftige Leistung gerichtet und insoweit ebenfalls zulässig. Ohne Antragsänderung hätte ein unbedingtes Urteil ergehen können (vgl. [X.] 22. Oktober 2014 - 5 [X.] 731/12 - Rn. 15, [X.]E 149, 343).

2. Hinsichtlich der Monate Juni bis Dezember 2015 ist die Klage hingegen bereits deshalb unzulässig, da die für die begehrte Karenzentschädigung maßgebenden Bedingungen nicht im Antrag aufgenommen sind.

a) Nach § 259 ZPO kann Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen. § 259 ZPO lässt grundsätzlich auch die Verurteilung zu künftigen Leistungen zu, die von einer im Urteil anzugebenden Gegenleistung abhängig sind (vgl. [X.] 22. Oktober 2014 - 5 [X.] 731/12 - Rn. 40, [X.]E 149, 343; 28. Jan[X.]r 2009 - 4 [X.] 904/07 - Rn. 42).

b) Die Karenzentschädigung ist Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit(vgl. [X.] 7. Juli 2015 - 10 [X.] 260/14 - Rn. 29, [X.]E 152, 99). Ob Ansprüche auf Karenzentschädigung im Wege der Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 ZPO geltend gemacht werden können, kann vorliegend dahinstehen (ablehnend für künftige Vergütungsansprüche [X.] 22. Oktober 2014 - 5 [X.] 731/12 - Rn. 40, [X.]E 149, 343). Jedenfalls wären die für die Leistung maßgebenden Bedingungen in den Antrag aufzunehmen gewesen, wobei nur das Unerwartete hätte unberücksichtigt bleiben können. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung wäre dann gemäß § 726 Abs. 1 ZPO vor Erteilung der Vollstreckungsklausel zu prüfen, ob die für die künftigen Vergütungsansprüche maßgeblichen Bedingungen vorliegen (vgl. [X.] 9. April 2008 - 4 [X.] 104/07 - Rn. 28; 13. März 2002 - 5 [X.] 755/00 - zu I 1 der Gründe). Bei einer Klage auf künftige Leistung von Karenzentschädigung müssten deshalb insbesondere die Einhaltung des [X.]verbots sowie das Fehlen eines die Anrechnungsgrenzen übersteigenden anderweitigen Erwerbs im Antrag Niederschlag finden [X.]/[X.] [X.]verbote 7. Aufl. Rn. 757; [X.]. deswegen eine Feststellungsklage für zulässig haltend [X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] 291/09 - Rn. 39, [X.]E 135, 116). In dem Klageantrag zu 2. sind diese Bedingungen nicht enthalten. Eines Hinweises durch den Senat nach § 139 Abs. 2 ZPO bedurfte es trotz der fehlenden Erörterung dieser Frage in den Vorinstanzen nicht, da der Anspruch auch materiell-rechtlich nicht besteht.

II. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Das nachvertragliche [X.]verbot ist mangels Zusage einer Karenzentschädigung wegen Verstoßes gegen § 74 Abs. 2 HGB nichtig und kann einen Anspruch auf Karenzentschädigung nicht begründen. Die salvatorische Klausel in § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags führt zu keinem anderen Ergebnis.

1. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer grundsätzlich frei, mit seinem ehemaligen Arbeitgeber in Wettbewerb zu treten oder für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden. Dieses durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitnehmers, über sein berufliches Fortkommen selbst zu bestimmen, sieht das Gesetz dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers, sich vor Nachteilen einer Konkurrenztätigkeit zu schützen, als übergeordnet an ([X.] 15. Juni 1993 - 9 [X.] 558/91 - zu I 2 b aa der Gründe, [X.]E 73, 229).

2. Gemäß § 110 [X.]tz 1 [X.] können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die [X.] nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses allerdings durch Vereinbarung beschränken ([X.]verbot). Die §§ 74 bis 75f HGB sind entsprechend anzuwenden (§ 110 [X.]tz 2 [X.]).

a) Diese gesetzlichen Bestimmungen konstituieren ein im Grundsatz geschlossenes gesetzliches System, das die Bedingungen und Voraussetzungen für nachvertragliche [X.]verbote - auch in Abgrenzung zu den Regelungen für Handelsvertreter (§ 90a HGB) - festlegt und von dem nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden darf (§ 75d HGB; [X.] 3. Mai 1994 - 9 [X.] 606/92 - zu I 1 b der Gründe). Nur eine diesen Anforderungen genügende Vereinbarung eines nachvertraglichen [X.]verbots ermöglicht es dem Arbeitgeber, dem früheren Mitarbeiter [X.] zu untersagen. Hinsichtlich der Beziehungen von Arbeitgebern untereinander wird die Verwirklichung des Rechts des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG zusätzlich geschützt durch die in § 75f HGB normierte Unverbindlichkeit von Sperrabreden ([X.] 30. April 2014 - I ZR 245/12 - Rn. 25, [X.]Z 201, 205).

b) Danach ist ein nachvertragliches [X.]verbot wirksam und für beide Vertragsparteien verbindlich, wenn es dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient, nach Ort, [X.] und Gegenstand nicht zu weit reicht (§ 74a Abs. 1 HGB) und der Arbeitgeber sich verpflichtet, eine Karenzentschädigung zu zahlen, die mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht (§ 74 Abs. 2 HGB). Darüber hinaus verlangt § 74 Abs. 1 HGB für eine solche [X.]abrede die Einhaltung der Schriftform und die Aushändigung einer vom Arbeitgeber unterzeichneten entsprechenden Urkunde an den Arbeitnehmer. Liegen diese Voraussetzungen vor, sind beide Parteien an die Vereinbarung gebunden. Der Arbeitnehmer hat sich, soweit die Abrede reicht, des [X.] zu enthalten und hat im Gegenzug unter Berücksichtigung gegebenenfalls erzielten anderweitigen Erwerbs (§§ 74b, 74c HGB) Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung (vgl. zum Gegenseitigkeitsverhältnis: [X.] 7. Juli 2015 - 10 [X.] 260/14 - Rn. 29, [X.]E 152, 99; 14. Juli 2010 - 10 [X.] 291/09 - Rn. 22, [X.]E 135, 116).

c) [X.]verbote, die entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen, sind hingegen nach ständiger Rechtsprechung nichtig. Weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber können aus einer solchen Abrede Rechte herleiten (zuletzt zB [X.] 15. Jan[X.]r 2014 - 10 [X.] 243/13 - Rn. 14 mwN, [X.]E 147, 128; [X.]/[X.] [X.]verbote 7. Aufl. Rn. 152; [X.]/[X.] 17. Aufl. § 74 HGB Rn. 18; [X.]/ von [X.] 4. Aufl. § 74 Rn. 49 „praktisch“ nichtig). Auch § 90a HGB kann keine analoge Anwendung finden ([X.] 18. Jan[X.]r 2000 - 9 [X.] 929/98 - zu II c der Gründe). Für eine Wahl des Arbeitnehmers zwischen der Ausübung von Wettbewerb und der [X.]enthaltung gegen Entschädigung bleibt insoweit kein Raum ([X.]/[X.]/[X.] HGB 37. Aufl. § 74 Rn. 22).

d) Unverbindlich sind hingegen [X.]verbote, die zwar schriftlich vereinbart wurden und dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Karenzentschädigung vorsehen, aber zuungunsten des Arbeitnehmers von den gesetzlichen Vorgaben abweichen. Hierzu gehören insbesondere Vereinbarungen, bei denen die Entschädigung nicht (eindeutig) die gesetzliche Mindesthöhe erreicht (vgl. zB [X.] 15. Jan[X.]r 2014 - 10 [X.] 243/13 - [X.]E 147, 128), die zu weit gefasst sind (vgl. zB [X.] 21. April 2010 - 10 [X.] 288/09 - [X.]E 134, 147) und die unter Bedingungen stehen oder dem Arbeitgeber ein Wahlrecht einräumen (vgl. zB [X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] 291/09 - [X.]E 135, 116). In solchen Fällen sehen die §§ 74 ff. HGB nicht die Rechtsfolge der Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung vor. Vielmehr hat der Arbeitnehmer die Wahl, ob er sich an die Vereinbarung hält, also Wettbewerb - zurückgeführt auf das zulässige Maß der Beschränkung - unterlässt, und damit einen Anspruch auf die Karenzentschädigung erwirbt ([X.] 15. Jan[X.]r 2014 - 10 [X.] 243/13 - Rn. 31, [X.]E 147, 128), oder ob er in Wettbewerb zu seinem ehemaligen Arbeitgeber tritt, ohne hierfür wegen der für ihn bestehenden Unverbindlichkeit [X.]nktionen befürchten zu müssen. Diese Entscheidung muss der Arbeitnehmer zu Beginn der Karenzzeit für den gesamten [X.]raum treffen ([X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] 291/09 - Rn. 22, [X.]E 135, 116).

3. Nach diesen Grundsätzen ist das in § 10 des Arbeitsvertrags vereinbarte [X.]verbot mangels Zusage einer Karenzentschädigung nichtig. Die salvatorische Klausel in § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags führt entgegen der Auffassung des [X.]s zu keinem anderen Ergebnis.

a) Die [X.]vereinbarung der Parteien verpflichtet die Beklagte nicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung. Davon ist das [X.] zutreffend ausgegangen.

aa) Der Arbeitsvertrag vom 20. Mai 2008 enthält [X.] iSv. §§ 305 ff. [X.]. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung. [X.] sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die [X.] des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der [X.] verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behe[X.]arer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 [X.] zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 [X.] setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen [X.] mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht ([X.] 3. August 2016 - 10 [X.] 710/14 - Rn. 16 mwN).

[X.]) § 10 des Arbeitsvertrags enthält nach seinem Wortlaut keine ausdrückliche Regelung über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Karenzentschädigung. Es ist darin auch keine Bestimmung enthalten, die - etwa durch Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen - mindestens unter Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 [X.] als Zusage einer Karenzentschädigung verstanden werden könnte (vgl. zu solchen Fallgestaltungen zB: [X.] 28. Juni 2006 - 10 [X.] 407/05 - Rn. 14; 31. Juli 2002 - 10 [X.] 513/01 - zu II 1 der Gründe, [X.]E 102, 103; 14. August 1975 - 3 [X.] 333/74 - zu 1 der Gründe; sehr weitgehend [X.] 28. Mai 2010 - 10 [X.]/10 -; kritisch insb. im Hinblick auf das Schriftformgebot Bauer/[X.] [X.]verbote 7. Aufl. Rn. 199 ff.). Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung lässt sich aus § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags nichts anderes herleiten. Die salvatorische Klausel kann überhaupt nur dann Bedeutung erlangen, wenn eine Bestimmung des Arbeitsvertrags nichtig oder unwirksam ist. Für die Auslegung der in § 10 vereinbarten [X.]abrede hat sie keine Bedeutung.

b) Ein wirksames [X.]verbot ergibt sich nicht unter Heranziehung der salvatorischen Klausel in § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags. Diese kann die fehlende Zusage einer Karenzentschädigung nicht in einer den Anforderungen des § 74 Abs. 2 HGB entsprechenden Weise ersetzen oder heilen.

aa) Nach § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags soll, sollte eine Bestimmung dieses Vertrags nichtig oder unwirksam sein, der [X.] in seinem rechtlichen Bestand nicht berührt werden. Anstelle der nichtigen oder unwirksamen Bestimmung soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck dieses Vertrags gewollt hätten, sofern sie bei Abschluss dieses Vertrags die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit bedacht hätten. Die Regelung enthält damit in [X.]tz 1 eine sog. Erhaltungsklausel, in [X.]tz 2 eine sog. Ersetzungsklausel (zur Differenzierung vgl.: [X.] 25. Juli 2007 - [X.]/05 - Rn. 25 ff.; MüKo[X.]/[X.] 7. Aufl. § 139 Rn. 13).

[X.]) Der Umstand, dass salvatorische Klauseln in [X.] regelmäßig einer Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. [X.] nicht standhalten (vgl. zB [X.] 28. Mai 2013 - 3 [X.] 103/12 - Rn. 20; 25. Mai 2005 - 5 [X.] 572/04 - zu IV 8 c der Gründe, [X.]E 115, 19; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.] AGB-Recht 12. Aufl. § 306 [X.] Rn. 39 mwN), stünde ihrer Anwendung allerdings nicht entgegen, da sich die Beklagte als Verwenderin nicht auf die Unwirksamkeit von ihr selbst vorformulierter Vertragsbedingungen berufen kann ([X.] 22. September 2016 - 2 [X.] 509/15 - Rn. 20; [X.] 8. Mai 2007 - [X.] - Rn. 24; [X.] [X.]. Rn. 89).

cc) Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass § 14 Abs. 2 [X.]tz 2 des Arbeitsvertrags dahingehend zu verstehen ist, dass eine „automatische“ Ersetzung der nichtigen Bestimmung durch eine wirksame Bestimmung erfolgt, die den Inhalt des Schuldverhältnisses unmittelbar und mit Wirkung ab Vereinbarung des nachvertraglichen [X.]verbots verändert. Bei einer derartigen Klausel tritt die Ersatzregelung ohne weiteres Tätigwerden an die Stelle der nichtigen Regelung oder der [X.] (vgl. MaSiG/[X.]. [X.] Rn. 26; [X.] [X.] 1998, 7, 8; vgl. zum Fall der Notwendigkeit einer Ersatzvereinbarung durch die Parteien [X.] 11. Oktober 1995 - [X.]/94 - zu II 2 b cc der Gründe).

dd) Auch bei einem solchen Verständnis genügt § 10 iVm. § 14 Abs. 2 [X.]tz 2 des Arbeitsvertrags nicht den Anforderungen des § 74 Abs. 2 HGB (Bauer/[X.] [X.]verbote 7. Aufl. Rn. 199b, 527; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 74 HGB Rn. 93; [X.] [X.]/[X.] 4. Aufl. § 32 Rn. 40; aA: [X.] 18. Febr[X.]r 2014 - 14 [X.] 806/13 - zu II 2 a der Gründe [im Revisionsverfahren verglichen]; [X.]/[X.] [X.]-HdB 16. Aufl. § 55 Rn. 57).

(1) Die gesetzliche Regelung des [X.]verbots in den §§ 74 ff. HGB bezweckt [X.]., den Arbeitnehmer vor schwer durchschaubaren Vertragswerken zu schützen. Der Arbeitnehmer soll bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass er im Unklaren darüber bleibt, ob er einer wirksamen [X.]beschränkung unterliegt oder nicht (vgl. zu sog. „bedingten [X.]verboten“ [X.] 5. September 1995 - 9 [X.] 718/93 - zu [X.] 2 b [X.] der Gründe, [X.]E 80, 380). Nur wenn hierüber Klarheit besteht, kann er entsprechende Dispositionen treffen. Im Fall der wirksamen Abrede muss er Wettbewerb unterlassen und erhält die vereinbarte Entschädigung. Im Fall der unverbindlichen Vereinbarung muss er sich zu Beginn des Karenzzeitraums endgültig entscheiden, ob er Wettbewerb unterlässt und damit Karenzentschädigungsansprüche erwirbt, oder ob er sanktionslos in Wettbewerb zum ehemaligen Arbeitgeber treten will ([X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] 291/09 - Rn. 22, [X.]E 135, 116). Bei der nichtigen Abrede ist er in seiner Betätigung frei, erlangt aber auch dann keinen Anspruch auf Karenzentschädigung gegen seinen früheren Arbeitgeber, wenn er Wettbewerb unterlässt. Deshalb muss die Verpflichtung zur Leistung der Karenzentschädigung Inhalt der schriftlichen [X.]abrede und so eindeutig und klar formuliert sein, dass aus Sicht des Arbeitnehmers kein vernünftiger Zweifel über seinen Entschädigungsanspruch bleibt (Bauer/[X.] [X.]verbote 7. Aufl. Rn. 435; [X.]/Reinhard § 74 HGB Rn. 59). Dabei ist es angesichts der Regelungsdichte der gesetzlichen Vorschriften ausreichend, wenn die Parteien in der vertraglichen [X.]klausel auf die §§ 74 ff. HGB verweisen ([X.] 28. Juni 2006 - 10 [X.] 407/05 - Rn. 14 mwN).

(2) Diesen Anforderungen genügt die salvatorische Klausel in § 14 Abs. 2 [X.]tz 2 des Arbeitsvertrags nicht. Diese enthält keine eindeutige rechtsgeschäftliche Zusage einer Karenzentschädigung. Aus der gewählten Vertragskonstruktion - nichtige [X.]abrede in § 10 und ersetzende salvatorische Klausel in § 14 Abs. 2 [X.]tz 2 des Arbeitsvertrags - ist für den Arbeitnehmer weder bei Abschluss der Vereinbarung noch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ersichtlich, ob ein Anspruch auf Karenzentschädigung dem Grunde nach besteht oder nicht. Vielmehr bedarf es noch einer wertenden Entscheidung, ob die Vertragsparteien, wenn sie von der Nichtigkeit der [X.]vereinbarung Kenntnis gehabt hätten, eine wirksame Vereinbarung einschließlich Entschädigungszusage abgeschlossen und welchen Inhalt diese gehabt hätte. Erst danach stünde für den Arbeitnehmer fest, ob eine wirksame, unverbindliche oder nichtige [X.]vereinbarung vorliegt und wie er sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhalten kann oder muss. Die umfangreichen Ausführungen des [X.]s in der angegriffenen Entscheidung machen ebenso wie diejenigen im Urteil des [X.]s Hamm vom 18. Febr[X.]r 2014 (- 14 [X.] 806/13 - zu II 2 a [X.] (2) (c) der Gründe) deutlich, dass der Ausgang einer solchen Wertung völlig offen ist. Dies ist mit § 74 Abs. 2 HGB nicht zu vereinbaren.

c) Ob mit der salvatorischen Klausel das Schriftformgebot des § 74 Abs. 1 HGB erfüllt wäre (so [X.] 18. Febr[X.]r 2014 - 14 [X.] 806/13 - zu II 2 a [X.] (2) (c) ([X.]) (fff) der Gründe; [X.]/[X.] [X.]-HdB 16. Aufl. § 55 Rn. 57; abl.: [X.] NZA 2014, 1184, [X.]/[X.] [X.]verbote 7. Aufl. Rn. 199b), oder ob - wie das [X.] angenommen hat - sich die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 [X.]) auf den Formmangel nicht berufen kann, bedarf aus den genannten Gründen keiner Entscheidung. Ebenso kann dahinstehen, ob die Annahme des [X.]s zutrifft, wonach die Vereinbarung eines wirksamen [X.]verbots dem hypothetischen Willen der Klägerin entsprochen hätte oder ob nicht vielmehr bezogen auf den [X.]punkt des Vertragsschlusses die Freiheit, über ihr berufliches Fortkommen nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ohne jede Beschränkung selbst zu bestimmen (vgl. oben II 1), vorrangig gewesen wäre.

III. Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Linck    

        

    Schlünder    

        

    W. [X.]er    

        

        

        

    Merkel    

        

    Uhamou    

                 

Meta

10 AZR 448/15

22.03.2017

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Rheine, 27. November 2014, Az: 4 Ca 1218/14, Urteil

§ 74 Abs 2 HGB, § 110 S 1 GewO, Art 12 Abs 1 GG, § 74a Abs 1 HGB, § 259 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.03.2017, Az. 10 AZR 448/15 (REWIS RS 2017, 13613)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 2363 REWIS RS 2017, 13613

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