Bundessozialgericht, Urteil vom 17.03.2016, Az. B 4 AS 32/15 R

4. Senat | REWIS RS 2016, 14316

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - Unionsbürger - Arbeitnehmerfreizügigkeit - Wegfall der Fortwirkung des Arbeitnehmerstatus nach 6 Monaten - Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses - Wirksamkeit der Vorbehaltserklärung der Bundesregierung gem Art 16 EuFürsAbk - Sozialhilfeanspruch - Verfassungsmäßigkeit - notwendige Beiladung des Sozialhilfeträgers)


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 18. Juni 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] für die [X.] vom [X.] bis [X.].

2

Die 1981 geborene Klägerin [X.] Staatsangehörigkeit ist am [X.] in die [X.] eingereist (Freizügigkeitsbescheinigung vom [X.]). Gemeinsam mit einer weiteren Person bewohnte sie seit 1.3.2012 in [X.] eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 73 qm und einer Mietbelastung von insgesamt 750 Euro, von der sie einen Anteil in Höhe von 375 Euro trägt. Anlässlich ihres Antrags auf [X.]-Leistungen vom 10.5.2012 überreichte sie eine Anmeldung ihrer Arbeitgeberin [X.] bei der Minijobzentrale ("[X.]") vom 22.4.2012 zu einer Beschäftigung ab 18.4.2012 mit einem monatlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 400 Euro. Sie reichte Rechnungen vom [X.] für eine 30-stündige Betreuung der Kinder der Arbeitgeberin zu einem Entgelt von 250 Euro, jeweils für die Monate April und Mai 2012, ein. Später teilte die Klägerin mit, sie habe für den Monat Juli 2012 noch ein Entgelt in Höhe von 80 Euro für zehn Stunden Kinderbetreuung erhalten. Die Tätigkeit endete zum 7.7.2012 (Schreiben der Klägerin vom 7.7.2012; Abmeldung zum 7.7.2012).

3

Nachdem die Klägerin zunächst bis Ende November 2012 [X.]-Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erhalten hatte, lehnte der Beklagte ihren [X.]-Antrag vom 26.10.2012 ab (Bescheid vom 7.12.2012; Widerspruchsbescheid vom 12.3.2013). Im sozialgerichtlichen Verfahren erkannte er mit einem von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnis einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die [X.] vom 1.12.2012 bis [X.] an. Sodann hat das [X.] den Bescheid vom 7.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.3.2013 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin auch für die [X.] vom [X.] bis zum [X.] Leistungen in Höhe von 757 Euro monatlich zu erbringen (Urteil vom 7.11.2013).

4

Das L[X.] hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.6.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin sei nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] von [X.]-Leistungen ausgeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im maßgeblichen [X.]raum allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben habe. Der Leistungsausschluss erfasse auch Unionsbürger nach Verlust des fortwirkenden Status als Arbeitnehmer. Jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung sei der Senat von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] nicht überzeugt. Da die Klägerin nach dem Verlust der lediglich knapp drei Monate ausgeübten geringfügigen Tätigkeit im weiteren Verlauf erfolglos nach Arbeit gesucht habe, liege eine Verbindung mit dem Arbeitsmarkt in [X.] nicht mehr vor. Auch sonstige Gründe, die nach Prüfung des vorliegenden Einzelfalls eine Leistung nach dem [X.] (zB wegen familiärer Kontakte) ausnahmsweise notwendig gemacht hätten, seien nicht gegeben. Aus dem [X.] ([X.]) ergebe sich kein Anspruch. Einer Beiladung des Sozialhilfeträgers habe es nicht bedurft. Die Leistungssysteme des [X.] und des [X.] XII ständen nicht in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis, sondern schlössen sich gegenseitig aus.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.]. Durch die Entscheidung des [X.] vom 15.9.2015 sei die Frage der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] nicht abschließend entschieden. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] sei einer einschränkenden Auslegung insofern zugänglich, als sie jedenfalls Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nicht erfasse, die bereits eine Verbindung zum [X.] Arbeitsmarkt aufgebaut hätten. Dies treffe auf sie zu, weil sie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung erfülle. Zudem sei die - hier ab [X.] - eingreifende, fixe Sechsmonatsgrenze des § 7 Abs 1 S 2 [X.] iVm § 2 Abs 3 S 2 [X.]/[X.] in Art 7 Abs 3 lit c der [X.] nicht angelegt. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der nicht nur im Europarecht verankert sei, sondern auch aus dem Grundgesetz folge, müsse geprüft werden, ob die Begrenzung auf maximal sechs Monate verhältnismäßig sei. Einer Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses stehe das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 [X.] entgegen. Die Klägerin rügt weiter eine fehlende Beiladung des Sozialhilfeträgers. Da sich der von der Bundesregierung gegen das [X.] erklärte Vorbehalt nur auf [X.]-Leistungen beziehe, seien - in entsprechender Auslegung des innerstaatlichen Rechts - [X.] XII-Leistungen zu erbringen.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.]-Brandenburg vom 18. Juni 2015 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 7. November 2013 zurückzuweisen, hilfsweise den [X.] Sozialhilfeträger zu verpflichten, ihr für den [X.]raum vom 8. Januar 2013 bis 31. Mai 2013 Leistungen nach dem [X.] XII zu erbringen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er vertritt mit Bezug auf das Urteil des [X.] vom 15.9.2015 ([X.] ) die Ansicht, dass die Klägerin von [X.]-Leistungen ausgeschlossen sei und die Berücksichtigung persönlicher Umstände bei einer Fallgestaltung wie derjenigen der Klägerin nicht erforderlich sei.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]G). Zwar ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum vom [X.] bis [X.] keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] hat, weil sie dem Ausschluss hiervon nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] unterliegt. Der [X.] kann aber nicht abschließend entscheiden, weil als anderer leistungspflichtiger Träger nach § 75 Abs 2 Alt 2 [X.]G der zuständige Sozialhilfeträger in Betracht kommt, dessen Beiladung das [X.] nach der nunmehr im Revisionsverfahren erfolgten Rüge der Klägerin nachzuholen hat.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des [X.] vom 18.6.2015, das Urteil des [X.] vom 7.11.2013 sowie der [X.]-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ablehnende Bescheid des Beklagten vom 7.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.3.2013. In zeitlicher Hinsicht hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf den Zeitraum vom [X.] bis [X.] beschränkt.

2. a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] gegen den Beklagten. Zwar lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] entnehmen, dass sie die im [X.] normierten Anspruchsvoraussetzungen im streitigen Zeitraum erfüllte. Sie ist jedoch von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund von § 7 Abs 1 S 2 [X.] und 2 [X.] (idF vom [X.] durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der [X.] vom 19.8.2007, [X.] 1970, 2008) ausgeschlossen. Danach sind von den benannten Leistungen ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige, die weder in der [X.] noch aufgrund des § 2 Abs 3 [X.]/[X.] freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts und 2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Der Ausschlussgrund des § 7 Abs 1 S 2 [X.] [X.] kommt wegen des durchgehenden Aufenthalts der Klägerin im [X.] seit Februar 2012 von vornherein nicht in Betracht.

b) Die Klägerin unterfällt jedoch dem Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.]. In dem streitigen Zeitraum kann sie sich weder auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.], die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem [X.] berufen, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine etwaige - zuvor durch die Tätigkeiten der Klägerin im [X.] erworbene - Erwerbstätigeneigenschaft im streitigen Zeitraum jedenfalls nicht mehr erhalten geblieben ist und andere Aufenthaltsrechte nicht vorliegen.

Zeitliche Grenzen der Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft ergeben sich aus § 2 Abs 3 S 2 [X.]/[X.]. Hiernach bleibt ein entsprechender Status als Arbeitnehmerin (oder Selbstständige) "bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung … während der Dauer von sechs Monaten unberührt". Im Falle der Klägerin war dieser Zeitraum am [X.] abgelaufen. Auf [X.] bestimmt Art 7 Abs 3 Buchst c [X.] 2004/38/[X.], dass einem Erwerbstätigen, wenn er sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt, seine Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten bleibt. Während dieses Zeitraums behält der betreffende Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat sein Aufenthaltsrecht nach Art 7 der Richtlinie und kann sich auf das in Art 24 Abs 1 [X.] 2004/38/[X.] verankerte Gleichbehandlungsgebot berufen.

Soweit die Klägerin meint, die Richtlinie gebe die Möglichkeit einer weiteren Abstufung vor, wenn der Zeitraum von sechs Monaten unzureichend sei, um die Rechte und Pflichten eindeutig zu erfassen, folgt hieraus kein über die Umsetzung in § 2 Abs 3 S 2 [X.]/[X.] hinausgehender Gestaltungsauftrag an den nationalen Gesetzgeber. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelung. Die erweiterte Regelung des Art 8 Abs VII c des [X.] zur Unionsbürger[X.] (vgl [X.] <2001>257 endg: "c) er sich bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit infolge des Ablaufs seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten; hat er Anspruch auf eine [X.], bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten, bis der Anspruch erlischt") (vgl [X.] <2001>257 endg: "c) er sich bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit infolge des Ablaufs seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten; hat er Anspruch auf eine [X.], bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten, bis der Anspruch erlischt") ist nicht in die Endfassung der [X.] übernommen worden (vgl [X.] in [X.]/ [X.], 11. Aufl 2016, § 2 [X.]/[X.] Rd[X.]07 ff, 112 f). Entsprechend hat der [X.] sowohl in seinem Urteil vom [X.] ([X.]/08/[X.]/08 juris RdNr 32) als auch in seinem Urteil vom 15.9.2015 ([X.]/14 <[X.]> juris RdNr 61) betont, dass "ein Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit, in dem der Anspruch auf Sozialhilfe aufrechterhalten" bleibe, eine "Rechtssicherheit und Transparenz" gewährleistende Regelung sei, die "zugleich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" stehe. Ausdrücklich wird betont, dass "§ 7 Abs 1 [X.] in Verbindung mit § 2 Abs 3 [X.]/[X.] als auch Art 7 Abs 3 Buchst c der Richtlinie 2004/38" auf einen Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit abstelle (Urteil vom 15.9.2015 - [X.]/14 <[X.]> juris RdNr 61).

c) Soweit die Klägerin - entsprechend den Feststellungen des [X.], dass sich für sie ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe - ab [X.] weiterhin über eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitsuchende verfügt hat, wäre sie ebenso wie für den Fall, dass keine Freizügigkeitsberechtigung mehr gegeben sein sollte, nicht leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.]. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen [X.]e des B[X.] sind - über den Wortlaut der genannten Regelung hinaus - auch diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ausgenommen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen. Die Vorschrift des § 7 Abs 1 S 2 [X.] ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, weil sie einen Leistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine solche materielle Freizügigkeitsberechtigung iS des [X.]/[X.] berufen können (vgl ausführlich Urteil des [X.]s vom 3.12.2015 - [X.] AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] 4-4200 § 7 [X.] vorgesehen - Rd[X.]9 ff; B[X.] Urteil vom 16.12.2015 - [X.] [X.]/14 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen - RdNr 20; B[X.] Urteil vom 20.1.2016 - [X.] [X.]/15 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen - RdNr 24, auch zur Abgrenzung einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung von der generellen Freizügigkeitsvermutung).

d) In dieser Auslegung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] ist die Ausschlussregelung nach den Ent-scheidungen des [X.] in der Rechtssache [X.] (Urteil vom 11.11.2014 - [X.]/13 NZS 2015, 20 ff) und in der Rechtssache [X.] (Urteil vom 15.9.2015 - [X.]/14 <[X.]> - [X.]b 2015, 638 ff) europarechtskonform (vgl auch Urteil des [X.]s vom 3.12.2015 - [X.] AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] 4-4200 § 7 [X.] vorgesehen - RdNr 35; B[X.] Urteil vom 16.12.2015 - [X.] [X.]/14 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen - RdNr 35; B[X.] Urteil vom 20.1.2016 - [X.] [X.]/15 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen - RdNr 31). Weiter ist als geklärt anzusehen, dass der nach dem Wortlaut des § 7 Abs 1 S 2 [X.] normierte, ausnahmslose Ausschluss der [X.] von [X.]-Leistungen auch bereits im [X.] beschäftigt gewesene Unionsbürgerinnen und Unionsbürger erfasst, die weniger als ein Jahr gearbeitet haben. Haben diese - wie hier die Klägerin nach den für den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) - nach Ablauf der Aufrechterhaltung ihrer Erwerbstätigeneigenschaft für den Zeitraum von sechs Monaten erneut ein Aufenthaltsrecht nur (noch) zur Arbeitsuche, steht der nachfolgende ausnahmslose Ausschluss von [X.]-Leistungen (vgl Frage 2 des Vorlagebeschlusses des [X.]s vom 12.12.2013 - [X.] [X.]/13 R) unabhängig von der Dauer des rein tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalts der (wieder) [X.] im [X.] sowie deren familiärer Umstände nach dieser Entscheidung des [X.] im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben des Art 4 der [X.] ([X.]) [X.] und Art 24 Abs 2 [X.] 2004/38/[X.]. Der Hinweis der Klägerin, dass der Beklagte sie durch Abschluss der Eingliederungsvereinbarung im Mai 2012 verpflichtet habe, an einem durch das [X.] geförderten und im Juni 2013 erfolgreich beendeten Integrationskurs in Vollzeit teilzunehmen, kann daher - unbesehen des Umstandes, ob dies neuer und damit nicht zu berücksichtigender Vortrag im Revisionsverfahren ist - keine Berücksichtigung finden.

e) Zudem hat der [X.] in seinem Urteil vom 15.9.2015 zugrunde gelegt, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] nicht (gleichzeitig) als finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen, eingestuft werden können, sondern ausschließlich als "Sozialhilfe" iS von Art 24 Abs 2 [X.] 2004/38/[X.] anzusehen sind ([X.]/14 <[X.]> [X.]b 2015, 638 ff; bestätigt durch [X.] Urteil vom 25.2.2016 - [X.]/14 - juris RdNr 37). Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen [X.]e des B[X.] haben sich dem angeschlossen, weshalb - anders als die Klägerin es sieht - ein Verstoß gegen das in Art 45, 18 A[X.]V enthaltene Diskriminierungsverbot bei finanziellen Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen, nicht diskutiert wird. Entgegen ihrer Ansicht ist der Leistungsausschluss auch nicht aufgrund einer Ungleichbehandlung als [X.] Staatsangehörige gegenüber denjenigen [X.], die nach Art 2 Abs 1 des Abkommens zwischen der [X.] und der [X.] über Fürsorge- und Jugendwohlfahrtspflege vom 17.1.1966 Anspruch auf Fürsorgeleistungen ohne Vorbehaltserklärung hätten, unanwendbar. Insofern hat der 14. [X.] des B[X.] zu Recht darauf verwiesen, dass durchgreifende Gründe dafür, ein anspruchsbegründendes völkerrechtliches Abkommen zwischen bestimmten [X.], die zwar (mittlerweile) größtenteils zur [X.] gehören, auf die Staatsangehörigen auch anderer Mitgliedstaaten der [X.] auszudehnen, nicht zu erkennen sind (vgl B[X.] Urteil vom 16.12.2015 - [X.] [X.]/14 R - RdNr 33 f zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen). Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist ein typisches Merkmal völkerrechtlicher Verträge, ohne dass alle völkerrechtlichen Verträge, die [X.] geschlossen hat, automatisch anspruchsbegründend auch für alle in [X.] lebenden [X.]-Ausländer gelten (B[X.] aaO).

f) Bezogen auf die [X.]-Leistungen kann sich die Klägerin - nach Erklärung des Vorbehalts durch die Bundesregierung am 19.12.2011 - im streitigen Zeitraum auch nicht mehr auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 [X.] berufen (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des [X.]s vom 3.12.2015 - [X.] [X.]/15 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen - Rd[X.]8 ff; vgl auch B[X.] Urteil vom 20.1.2016 - [X.] [X.]/15 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen).

g) Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem Leistungsausschluss der Klägerin nach § 7 Abs 1 S 2 [X.] nicht entgegen, weil für sie - nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung zuständigen [X.]e des B[X.] - existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des [X.]B XII seitens des zuständigen Sozialhilfeträgers (nach so genannter unechter notwendiger Beiladung <§ 75 Abs 2 2. Alt [X.]G>; vgl nur B[X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 242, 245 = [X.] 4-4200 § 20 [X.], Rd[X.]2; B[X.] Urteil vom [X.] [X.] 16/11 R - juris Rd[X.]0) in Betracht kommen (vgl zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt: Urteil des [X.]s vom 3.12.2015 - [X.] AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] 4-4200 § 7 [X.] vorgesehen; B[X.] Urteil vom 20.1.2016 - [X.] [X.]/15 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen).

3. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung zuständigen [X.]e des B[X.] wird das [X.] im wiedereröffneten Berufungsverfahren nach Beiladung des Sozialhilfeträgers (so genannte unechte notwendige Beiladung <§ 75 Abs 2 2. Alt [X.]G>; vgl nur B[X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 242, 247 = [X.] 4-4200 § 20 [X.], Rd[X.]2; B[X.] Urteil vom [X.] [X.] 16/11 R - juris Rd[X.]0) prüfen müssen, ob die Klägerin existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des [X.]B XII beanspruchen kann.

Die Klägerin hat die unterbliebene unechte notwendige Beiladung in der Revisionsinstanz geltend gemacht. Von der nach § 168 S 2 [X.]G eröffneten Möglichkeit, den zuständigen Sozialhilfeträger mit seiner Zustimmung noch im Revisionsverfahren beizuladen, hat der [X.] gleichwohl keinen Gebrauch gemacht. Bei der zu treffenden Entscheidung sind auch rechtliche und nicht geprüfte - einen möglichen Sozialhilfeanspruch betreffende - tatsächliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im bisherigen Klageverfahren noch nicht erörtert werden konnten. Insbesondere fehlen Feststellungen des [X.] zu einer Hilfebedürftigkeit der Klägerin, insbesondere zum Vorhandensein von Einkommen oder Vermögen, nach den Maßstäben des [X.]B XII.

Sind die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erfüllt, wird das Berufungsgericht allerdings davon ausgehen können, dass Sozialhilfeleistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer Gleichstellung mit inländischen Staatsangehörigen weiterhin zu erbringen sind. Bezogen auf diese Leistungen hat die Bundesregierung keinen Vorbehalt zum [X.] erklärt. Die Ausschlussregelung des § 23 Abs 3 S 1 [X.]B XII findet von vornherein keine Anwendung. Die Gleichbehandlung erfordert einen erlaubten Aufenthalt des Staatsangehörigen aus einem Vertragsstaat des [X.]-Angehörigen, der hier jedenfalls bei einem vom [X.] festgestellten Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gegeben ist (vgl hierzu B[X.] Urteil vom 3.12.2015 - [X.] [X.]/13 R - juris RdNr 20 ff).

Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 4 AS 32/15 R

17.03.2016

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 7. November 2013, Az: S 157 AS 8075/13, Urteil

§ 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2, § 21 S 1 SGB 12, § 23 Abs 1 S 3 SGB 12, § 23 Abs 3 S 1 SGB 12, § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU 2004, Art 7 Abs 3 Buchst c EGRL 38/2004, Art 24 Abs 2 EGRL 38/2004, Art 4 EGV 883/2004, Art 1 EuFürsAbk, Art 16 EuFürsAbk, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, § 75 Abs 2 SGG, § 168 S 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.03.2016, Az. B 4 AS 32/15 R (REWIS RS 2016, 14316)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14316

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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