Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2020, Az. I ZB 80/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 958

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Gegenstand

Markenrechtsschutz: Beurteilung der Verwechslungsgefahr von sich gegenüberstehenden, zu einem Wort zusammengesetzten Zeichen - YOOFOOD/YO


Leitsatz

YOOFOOD/YO

Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr von sich gegenüberstehenden Kennzeichen sind beschreibende Bestandteile nicht von vornherein und generell von der Beurteilung der Ähnlichkeit ausgenommen. Das schließt es allerdings nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können. Von diesem Maßstab ist auch auszugehen, wenn es um die Beurteilung eines aus mehreren Bestandteilen zu einem Wort zusammengesetzten Zeichens geht.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der am 10. August 2019 an [X.] Statt zugestellte Beschluss des 28. Senats ([X.]) des [X.] aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Markeninhaberin hat am 8. April 2015 die Wortmarke "[X.]" angemeldet, die am 29. Mai 2015 unter der Nummer [X.] 2015 204 497 für folgende Waren der Klassen 29, 30, 31 und 32 in das Markenregister beim [X.] eingetragen worden ist:

Klasse 29:

Gallerten und Gelees, Konfitüren, Kompotte, Frucht- und Gemüseaufstriche; Konfitüren; Marmeladen; Nahrungsmittel aus Fisch; Speiseöle; verarbeitete Nüsse; verarbeitetes Obst und Gemüse [einschließlich Nüsse, Hülsenfrüchte] sowie verarbeitete Pilze; Wurstwaren;

Klasse 30:

Aromastoffe für Nahrungsmittel [nicht ätherische Öle]; Brot; essfertige Nahrungsmittelriegel auf Schokoladenbasis; Essig; Gebäck; Gebäck, Kuchen, Torten und Kekse; Gemüsemark [Nahrungsmittelsaucen]; Gewürze; Hauptsächlich aus Kakao bestehende Nahrungsmittel; Honig; Kaffee; Nahrungsmittel auf Getreidebasis für die menschliche Ernährung; Nahrungsmittel auf Haferbasis für die menschliche Ernährung; Nahrungsmittel aus Getreide; Nahrungsmittel aus Hafer; Nahrungsmittel aus Mais; Nahrungsmittel aus [X.]; Nahrungsmittel aus Teig; Nudeln; Pralinen; [X.]; Salz; Schokolade; Schokolade [Hauptbestandteil] enthaltende Nahrungsmittel; Soßen für Nahrungsmittel; Tee; Trüffel [Konditorwaren]; Waffeln [Nahrungsmittel]; [X.] für Nahrungsmittel;

Klasse 31:

Kartoffeln; Nüsse; Trüffel [frisch];

Klasse 32:

Säfte.

2

Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Widersprechende aus der am 25. September 2014 angemeldeten und am 24. November 2014 unter der Nummer [X.] 2014 061 105 für die nachfolgenden Waren eingetragenen Wortmarke "[X.]" Widerspruch erhoben:

Klasse 29:

Fleisch; Fisch; Geflügel; Wild; Fleischextrakte; tiefgefrorenes, konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten [Gelees]; Konfitüren; Fruchtmus; Eier; Milch; Milchprodukte; Speiseöle; Speisefette;

Klasse 30:

[X.]; [X.]; Sago; Mehle; Getreidepräparate einschließlich Cerealienriegel; Brot; feine Backwaren; feine Konditorwaren; Pralinen mit und ohne Füllung; Schokoladenwaren [soweit in Klasse 30 enthalten]; Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi [ausgenommen für medizinische Zwecke] und andere Zuckerwaren; Speiseeis; Zucker; Honig; Melassesirup; Hefe; Backpulver; Salz; Senf; Essig; Saucen [Würzmittel]; Gewürze; [X.];

Klasse 32:

Biere; Mineralwässer; kohlensäurehaltige Wässer; alkoholfreie Getränke; Limonaden; [X.]; Fruchtsäfte; Getränke, die unter Verwendung von Tee, Früchtetee und/oder Kräutertee hergestellt sind; Sirup für die Zubereitung von Getränken; Präparate für die Zubereitung von Getränken.

3

Das [X.] hat den Widerspruch mit Beschluss vom 28. Juli 2017 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden ist ohne Erfolg geblieben ([X.], [X.], 194).

4

Der Widerspruch sowie die Beschwerde sind von einem Prokuristen und einer weiteren Beschäftigten der Widersprechenden erhoben worden. Ausweislich des Handelsregisters ist den Prokuristen Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem anderen Prokuristen erteilt. Auf Hinweis des [X.] ist für die [X.] eine von zwei Prokuristen unterschriebene Vollmacht eingereicht worden, die sowohl auf das Widerspruchs- als auch das Beschwerdeverfahren Bezug nimmt. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] hat die Vertreterin der Widersprechenden die Einlegung sowohl der Beschwerde als auch des Widerspruchs genehmigt.

5

Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Widersprechende ihr Löschungsbegehren weiter.

6

II. Das [X.] hat angenommen, die Beschwerde sei zulässig, insbesondere sei sie wirksam erhoben. Die [X.] habe auf Grundlage der ihr erteilten Vollmacht die Beschwerdeerklärung sowie das Beschwerdeverfahren rückwirkend genehmigt. Da sich die Vollmacht auch auf das Widerspruchsverfahren beziehe, habe auch die Widerspruchserklärung und damit das Widerspruchsverfahren wirksam genehmigt werden können.

7

Das [X.] habe den Widerspruch aus der Wortmarke "[X.]" jedoch zu Recht zurückgewiesen. Die eingetragenen Waren der angegriffenen und der älteren Marke seien identisch oder zumindest hochgradig ähnlich. Die Widerspruchsmarke "[X.]" verfüge über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Eine unmittelbare [X.] sei zu verneinen. Die jüngere Marke "[X.]" unterscheide sich als Gesamtzeichen in jeder Wahrnehmungsrichtung deutlich von der Widerspruchsmarke. Es bestünden auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Publikum die Wortsilbe "[X.]O" der angegriffenen Marke wegen des beschreibenden Gehalts der weiteren Silbe "[X.]" als trennbaren Bestandteil ansehe, der den Gesamteindruck präge. Eine [X.] unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens der Vergleichsmarken bestehe ebenfalls nicht.

8

III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg. Das [X.] hat eine unmittelbare [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zwischen der Widerspruchsmarke "[X.]" und der jüngeren Marke "[X.]" rechtsfehlerhaft verneint.

9

1. Die Widersprechende hat den Widerspruch sowie die Beschwerde rechtswirksam erhoben.

a) Die Rechtswirksamkeit des Widerspruchs und der Beschwerde sind Verfahrensvoraussetzungen, die in jedem Verfahrensstadium und folglich auch im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind (zum Widerspruch vgl. [X.], Beschluss vom 14. Januar 2016 - [X.], [X.], 382 Rn. 10 = [X.], 336 - BioGourmet).

b) Widerspruch und Beschwerde sind trotz Fehlens einer ordnungsgemäßen Vollmacht im Zeitpunkt ihrer Einlegung wirksam erhoben. Der Mangel der Vollmacht bei Einlegung der Rechtsbehelfe konnte nach § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 89 Abs. 2 Fall 2 ZPO durch Genehmigung der Widersprechenden mit [X.] geheilt werden, weil noch keine das Rechtsmittel als unzulässig verwerfende Entscheidung vorlag (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], Beschluss vom 17. April 1984 - GmS-OGB 2/83, [X.]Z 91, 111, 114 [juris Rn. 11]). Wegen ihrer Rückwirkung brauchte die Genehmigung nicht in dem [X.] oder innerhalb der Frist erklärt zu werden, die für die genehmigte Verfahrenshandlung gilt (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Januar 1995 - [X.], [X.]Z 128, 280, 283 [juris Rn. 12]; Beschluss vom 16. Mai 2013 - [X.], [X.], 1223 Rn. 16); sie war vielmehr bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz möglich (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Dezember 2017 - [X.]/17, juris Rn. 8 [X.]).

2. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass diese auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfragen beschränkt ist ([X.], Beschluss vom 14. Februar 2019 - [X.], [X.], 1058 Rn. 10 = [X.], 1316 - KNEIPP, [X.]).

3. Während des Beschwerdeverfahrens ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie ([X.]) 2015/2436 des [X.] und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ([X.] I 2018, [X.]) mit Wirkung vom 14. Januar 2019 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht.

a) Da die Anmeldung der angegriffenen Marke am 8. April 2015 und damit zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen die Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 [X.] in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung ([X.] nF) weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 [X.] in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung ([X.] aF) anzuwenden.

Nach § 42 Abs. 1 [X.] aF kann innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem [X.] der Eintragung der Marke gemäß § 41 Abs. 2 [X.] von dem Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung mit älterem Zeitrang gegen die Eintragung der Marke Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch kann nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aF darauf gestützt werden, dass die Marke wegen einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang nach § 9 [X.] gelöscht werden kann.

Das nach § 42 Abs. 2 [X.] aF auf Löschung der angegriffenen Marke gerichtete Widerspruchsverfahren hat das Ziel, einen bestehenden Störungszustand zu beseitigen. Der [X.] muss daher sowohl im Kollisionszeitpunkt, das heißt zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen jüngeren Marke, als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch vorliegen ([X.], [X.], 1058 Rn. 14 - KNEIPP).

b) Die mit Wirkung vom 14. Januar 2019 in [X.] getretenen Änderungen des § 9 [X.] sind für die Entscheidung im Streitfall ohne Bedeutung. Die neu eingeführte Regelung in § 9 Abs. 3 [X.] nF dient der Umsetzung von Art. 39 Abs. 7 der Richtlinie ([X.]) 2015/2436. Danach werden Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse der [X.] erscheinen. Andererseits werden Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als verschieden angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der [X.] erscheinen. Dass [X.] keine unmittelbare Bedeutung für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen zukommt, entspricht bereits der [X.] Rechtspraxis (vgl. [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 14 [X.] Rn. 221; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 100 [X.]).

4. Die Beurteilung des [X.], zwischen der Wortmarke "[X.]", auf die der Widerspruch gestützt wird, und der angegriffenen Marke "[X.]" bestehe keine [X.] gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.], hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Frage, ob [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt, ist - ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] - unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 12. Juni 2019 - [X.]/17, [X.], 52 Rn. 41 bis 43 = [X.], 1563 - [X.] [Roslagspunsch/[X.]]; [X.], [X.], 1058 Rn. 17 - KNEIPP). Bei dieser umfassenden Beurteilung der [X.] ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind ([X.], Beschluss vom 6. Februar 2020 - [X.], [X.], 870 Rn. 25 = [X.], 1025 - [X.]/[X.], [X.]).

b) Das [X.] ist davon ausgegangen, dass die eingetragenen Waren der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke identisch oder zumindest hochgradig ähnlich sind. Beide Marken seien - bis auf [X.] auf Seiten der Widerspruchsmarke - jeweils für Nahrungsmittel für den menschlichen Verzehr eingetragen. Das wird von der Rechtsbeschwerde als ihr günstig nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

c) Die Annahme des [X.], die Widerspruchsmarke verfüge über durchschnittliche Kennzeichnungskraft, wird von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen und lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

d) Die Rechtsbeschwerde wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des [X.], zwischen der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke bestehe keine hinreichende Zeichenähnlichkeit, die unter Berücksichtigung der Wechselwirkung mit der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke eine unmittelbare [X.] begründen könnte.

aa) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist grundsätzlich in Ansehung ihres Gesamteindrucks nach deren Ähnlichkeit im Klang, im ([X.] und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Zeichen auf die angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit genügt dabei regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.]. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind ([X.], Urteil vom 12. Juni 2007 - [X.]/05, [X.]. 2007, [X.] = [X.], 700 Rn. 35 - [X.]/Shaker [Limoncello/[X.]]; [X.], [X.], 52 Rn. 48 - [X.] [Roslagspunsch/[X.]]; [X.], [X.], 870 Rn. 58 - [X.]/[X.], [X.]).

bb) Das [X.] hat angenommen, das inländische Publikum werde die Wortsilbe "[X.]O" der angegriffenen Marke in erster Linie wie "[X.]" aussprechen, so dass von einer phonetischen Annäherung auszugehen sei. Die zusätzliche Silbe "[X.]" grenze die angegriffene Marke aber deutlich gegenüber dem Kurzwort "[X.]" ab. [X.] oder begriffliche Ähnlichkeit bestehe nicht. Es bestünden auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Publikum die Wortsilbe "[X.]O" wegen des beschreibenden Gehalts der weiteren Silbe "[X.]" als - jedenfalls gedanklich - trennbaren Bestandteil ansehe, der ihren Gesamteindruck präge. Die Grundsätze der Prägung setzten voraus, dass der Verkehr aufgrund besonderer Umstände Veranlassung habe, innerhalb eines [X.]s eigenständige Wortteile zu erkennen, die nicht lediglich als Element zur Bildung einer Gesamtkennzeichnung aufgefasst würden. Im Regelfall sei davon auszugehen, dass die äußerliche Einheit eines [X.]s eine erhebliche Klammerwirkung entfalte. Ein besonderer Umstand könne jedenfalls im Streitfall nicht darin gesehen werden, dass der Wortsilbe "[X.]" lediglich beschreibende Bedeutung zukomme. Die Wortsilbe "[X.]" erscheine aufgrund ihrer konkreten Einbindung in die angegriffene Marke als unselbständiger Teil eines Gesamtbegriffs. Eigenständigkeit innerhalb einer Einwortmarke werde vornehmlich solchen beschreibenden Ausdrücken zukommen, die lediglich einen ohnehin evidenten Umstand zum Ausdruck brächten, beispielsweise das mit der Marke gekennzeichnete Produkt konkret benennen (etwa "[X.]" oder "[X.]", "Saft" oder "juice"). Bei einem Warenoberbegriff wie dem Ausdruck "[X.]" liege eine gedankliche Aufspaltung jedoch ferner. Gegen ein getrenntes Herausgreifen der beiden Wortsilben "[X.]O" und "[X.]" spreche auch die konkrete Gestaltung der Marke. Sie weise aufgrund der Vokalpaare "[X.]" einen symmetrischen Aufbau auf, der selbst bei Kleinschreibung erhalten bleibe. Diese grafisch ausgewogene Wortstruktur führe maßgeblich von der mehrgliedrigen Wahrnehmung und Einprägung der angegriffenen Marke weg. Eine noch stärkere Binnenverschränkung wiesen die Silben dann auf, wenn auch der Markenanfang "[X.]O" als ein englischsprachiges Wort angesehen und wie "U" ausgesprochen und damit als das [X.] Personalpronomen "[X.]U" verstanden werde.

cc) Die Annahme des [X.], die erste Wortsilbe "[X.]O" präge den Gesamteindruck der angegriffenen Marke nicht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

(1) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Beschreibende Bestandteile sind dabei nicht von vornherein und generell von der Beurteilung der Ähnlichkeit ausgenommen ([X.], [X.], 52 Rn. 49 - [X.] [Roslagspunsch/[X.]]). Das schließt es allerdings nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorruft (vgl. [X.], [X.], 700 Rn. 41 - [X.]/Shaker [Limoncello/[X.]]; [X.], Beschluss vom 29. Mai 2008 - [X.], [X.], 905 Rn. 26 = [X.], 1349 - [X.]; [X.], [X.], 1058 Rn. 34 - KNEIPP, [X.]). Von diesen Maßstäben ist auch auszugehen, wenn es um die Beurteilung eines aus mehreren Bestandteilen zu einem Wort zusammengesetzten Zeichens geht (vgl. [X.], [X.], 905 Rn. 26 - [X.]). Die Beurteilung des Gesamteindrucks liegt dabei weitgehend auf tatsächlichem Gebiet und kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob ihr ein unzutreffender Rechtsbegriff zugrunde liegt, sie gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2017 - [X.]/16, [X.], 79 Rn. 38 = [X.], 82 - [X.]/[X.], [X.]). Solche Rechtsfehler sind dem [X.] unterlaufen.

(2) Das [X.] ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei [X.] Voraussetzung für die Prägung des Gesamteindrucks durch einen Bestandteil des Kennzeichens ist, ob der Verkehr die Marke allein in ihrer Gesamtheit erfasst oder die einzelnen Bestandteile auch gesondert wahrnimmt (vgl. BeckOK.UMV/Büscher/Kochendörfer, 16. Edition [Stand 15. Februar 2020], Art. 8 Rn. 194). Danach hat es weiter zu Recht angenommen, dass ein klar (waren)beschreibendes Element einer Wortkombination als eigenständig und nicht als Komponente einer Kennzeichnung verstanden werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2013 - [X.], [X.], 631 Rn. 33 = [X.], 778 - [X.]/Marulablu; [X.]/[X.], 21. Edition [Stand 1. Mai 2020], § 14 Rn. 448). [X.] hat es eine Prägung der angegriffenen Marke durch die erste Silbe "[X.]O" dennoch abgelehnt, weil es angenommen hat, die Wortsilbe "[X.]" sei aufgrund ihrer konkreten Einbindung in der angegriffenen Marke ein unselbständiger Teil des Gesamtbegriffs. Für die dafür herangezogene Begründung, Eigenständigkeit innerhalb einer Einwortmarke komme vornehmlich solchen beschreibenden Ausdrücken zu, die lediglich einen ohnehin evidenten Umstand zum Ausdruck bringen, was bei dem Warenoberbegriff "[X.]" fernliege, fehlt es an Feststellungen. Es erscheint vielmehr nicht ausgeschlossen, dass bei dem aus einem unterscheidungskräftigen ("[X.]O") und einem glatt beschreibenden ("[X.]") [X.] zusammengesetzten [X.], das keinen Gesamtbegriff mit erkennbarem (neuem) Bedeutungsgehalt bildet (vgl. dazu [X.], Urteil vom 5. Februar 2009 - I ZR 167/06, [X.], 484 Rn. 34 = [X.], 616 - [X.]), das unterscheidungskräftige [X.] das Zeichen prägt, weil der andere [X.] im konkreten Fall als bloßer Sachhinweis vernachlässigt werden kann (vgl. [X.], [X.], 52 Rn. 53 f. - [X.] [Roslagspunsch/[X.]]; [X.], [X.], 1058 Rn. 45 - KNEIPP; [X.], 870 Rn. 72 - [X.]/[X.]; [X.]/[X.] aaO § 14 Rn. 449.1). Beschreibende, nicht unterscheidungskräftige Bestandteile einer zusammengesetzten Marke haben, auch wenn sie bei der Beurteilung nicht von vornherein außer Betracht bleiben, im Allgemeinen ein geringeres Gewicht bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit als Bestandteile mit einer größeren Unterscheidungskraft, die auch den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck eher dominieren können (vgl. [X.], [X.], 52 Rn. 53 f. - [X.] [Roslagspunsch/[X.]]).

(3) Soweit das [X.] eine ausgeprägte Klammerwirkung darin erkennt, dass die angegriffene Marke durch die Vokalpaare "[X.]" einen offensichtlich symmetrischen Aufbau hat, lässt es rechtsfehlerhaft außer [X.], dass diese Klammerwirkung, die eine gesonderte Wahrnehmung der einzelnen [X.]e hindern soll, nur in schriftbildlicher Hinsicht gegeben ist; für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit genügt aber regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der [X.]. Bei akustischer Wahrnehmung sind weder die Vokalpaare der angegriffenen Marke wahrzunehmen noch ist die vom [X.] hervorgehobene Symmetrie des Zeichens für den Verkehr erkennbar. Die Rechtsbeschwerde weist vielmehr zutreffend darauf hin, dass die klangliche Wahrnehmung aufgrund der unterschiedlichen Aussprache der ersten Wortsilbe ("J[X.]") gegenüber der zweiten Wortsilbe ("[X.]") gegen eine die Eigenständigkeit der ersten Wortsilbe innerhalb des [X.]s ausschließende verklammernde Symmetrie spricht. In klanglicher Hinsicht ist auch nicht erkennbar, ob es sich bei der angegriffenen Marke "[X.]" um ein [X.] mit einer daraus resultierenden Klammerwirkung handelt oder aber das Zeichen aus zwei Worten, gegebenenfalls verbunden durch einen Bindestrich, besteht.

(4) Die Annahme des [X.], eine noch stärkere Binnenverschränkung wiesen die beiden Zeichensilben auf, wenn auch der Markenanfang "[X.]O" wie "U" ausgesprochen werde, steht in Widerspruch zu seiner Feststellung, das inländische Publikum werde die erste Wortsilbe in erster Linie wie "[X.]" aussprechen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 6. Juli 2018 - 28 W (pat) 526/17, juris Rn. 50).

(5) Schließlich hat das [X.] bei der Prüfung, ob das [X.] "[X.]O" die angegriffene Marke prägt, den Erfahrungssatz unberücksichtigt gelassen, dass dem Wortanfang ein größeres Gewicht zukommen kann als den nachfolgenden Wortbestandteilen, weil der Verkehr dem Beginn eines Wortzeichens im Allgemeinen größere Aufmerksamkeit schenkt (vgl. [X.], Urteil vom 5. März 2015 - I ZR 161/13, [X.], 1004 Rn. 36 = [X.], 1219 - IPS/ISP, [X.]).

5. Die Entscheidung des [X.] kann danach nicht aufrechterhalten werden. Sie ist aufzuheben und die Sache ist an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 [X.]).

IV. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

1. Das [X.] wird im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren die Frage der unmittelbaren [X.] erneut prüfen und dafür die bislang fehlenden Feststellungen zu der Frage nachholen müssen, ob bei der Beurteilung des Gesamteindrucks in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht das angegriffene Zeichen "[X.]" als einheitlicher Gesamtbegriff wahrgenommen oder der [X.] "[X.]" als bloßer Sachhinweis vom Verkehr vernachlässigt wird.

2. Kommt das [X.] zu dem Ergebnis, eine unmittelbare [X.] liege nicht vor, wird es erneut eine [X.] unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens der kollidierenden Zeichen prüfen müssen. Insoweit hält seine Beurteilung rechtlicher Nachprüfung jedoch stand.

a) Das [X.] hat eine [X.] der gegenüberstehenden Zeichen unter dem Aspekt des [X.] zutreffend abgelehnt.

aa) Die [X.] unter dem Aspekt des [X.] hat unter dem Begriff des gedanklichen Inverbindungbringens Eingang in die [X.] und das [X.] gefunden. Diese Art der [X.], die erst zu prüfen ist, wenn die einander gegenüberstehenden Zeichen nach ihrem Gesamteindruck nicht unmittelbar miteinander verwechselbar sind, greift dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet (vgl. [X.], [X.], 905 Rn. 33 - [X.]; [X.], 484 Rn. 38 - [X.], [X.]).

bb) Das [X.] hat angenommen, die Widersprechende habe bereits nicht schlüssig dargetan, dass sie mehrere eigene Zeichen mit einem gemeinsamen Stammbestandteil genutzt hat. Das wird von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

b) Ebenfalls zutreffend hat das [X.]patengericht eine [X.] im weiteren Sinn verneint.

aa) Eine [X.] im weiteren Sinn kann gegeben sein, wenn der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung aber von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den [X.] ausgeht. Eine solche [X.] kann grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden. Der Umstand, dass ein Zeichen geeignet ist, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen, reicht nicht aus (vgl. [X.], Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 231/06, [X.], 1055 Rn. 37 = [X.], 1533 - airdsl, [X.]; Urteil vom 11. April 2013 - [X.], [X.], 1239 Rn. 45 = [X.], 1601 - [X.]/Volks.Inspektion). Besondere Umstände für die Annahme wirtschaftlicher oder organisatorischer Zusammenhänge liegen regelmäßig vor, wenn eine Marke in ein zusammengesetztes Kennzeichen übernommen wird, in der sie neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung beibehält (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 2005 - [X.]/04, [X.]. 2005, [X.] = [X.], 1042 Rn. 28 f. - [X.] [LIFE/[X.] LIFE]; [X.], Urteil vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 1201 Rn. 102 = [X.], 1487 - [X.]/[X.], [X.]).

bb) Solche besonderen Umstände hat das [X.] zutreffend verneint.

(1) Das [X.] hat angenommen, der Wortsilbe "[X.]O" komme innerhalb der jüngeren Marke keine selbständig kennzeichnende Stellung zu, weil es sich bei dem Bestandteil "[X.]" der jüngeren Marke weder um ein Serien- oder um ein Firmenkennzeichen noch um eine bekannte Marke der Markeninhaberin, sondern um eine Beschaffenheitsangabe handele. Diese Beurteilung, der die Rechtsbeschwerde nicht entgegengetreten ist, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Soweit das [X.] darüber hinaus auf die symmetrische Anordnung der Vokalpaare in der angegriffenen Marke abgestellt hat und daraus eine weitere Verklammerung der Einzelbestandteile herleitet, trägt diese - aus den oben dargelegten Gründen rechtsfehlerhafte - Begründung die Entscheidung nicht.

(2) Im Ergebnis ebenfalls zutreffend hat das [X.]patengericht ein gedankliches Inverbindungbringen aus anderen Gründen abgelehnt. Zwar kann aus den oben dargelegten Gründen auch in diesem Zusammenhang entgegen der Auffassung des [X.] nicht (allein) auf das Schriftbild abgestellt werden. Es fehlt jedoch an besonderen Umständen, die eine [X.] im weiteren Sinn begründen könnten; solche Umstände legt auch die Rechtsbeschwerde nicht dar. Dass ein Zeichen möglicherweise Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorruft, reicht hierzu gerade nicht.

Koch     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Feddersen     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZB 80/19

09.07.2020

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 3. April 2019, Az: 28 W (pat) 591/17

§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG vom 04.04.2016, § 158 Abs 3 MarkenG, § 286 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2020, Az. I ZB 80/19 (REWIS RS 2020, 958)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 1519-1520 REWIS RS 2020, 958


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 80/19

Bundesgerichtshof, I ZB 80/19, 09.07.2020.


Az. 28 W (pat) 591/17

Bundespatentgericht, 28 W (pat) 591/17, 10.08.2019.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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