Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.06.2015, Az. V ZR 168/14

5. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9865

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Gegenstand

Nachbarschutz in Rheinland-Pfalz: Unterlassungsanspruch gegen den unterirdischen Zufluss von Sickerwasser


Leitsatz

Ein „Übertritt“ von Niederschlagswasser im Sinne des § 37 Abs. 1 LNRG Rheinland-Pfalz setzt keinen oberirdischen Zufluss voraus. Dem Eigentümer eines Grundstücks steht auch dann ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 37 Abs. 1 LNRG Rheinland-Pfalz zu, wenn infolge baulicher Anlagen auf dem Nachbargrundstück (unterirdisch) vermehrt Sickerwasser auf sein Grundstück gelangt.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 12. Juni 2014 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils der 3. Zivilkammer des [X.] vom 26. Oktober 2012 berichtigend und klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

Der Beklagte wird verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, durch die verhindert wird, dass aufgrund der baulichen Gestaltung seines Grundstücks in [X.](eingetragen im Grundbuch für [X.], [X.] 76/1) vermehrt Sickerwasser von diesem Grundstück in das angrenzende Gartengrundstück des [X.] ([X.]straße 4 in [X.], eingetragen im Grundbuch für [X.], [X.] 662/74) einsickert, dort den Grundwasserstand erhöht und die Nutzbarkeit des Grundstücks beeinträchtigt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Der Beklagte, der eine Kfz-Werkstatt betreibt, hat auf seinem Grundstück einen Kfz-Abstellplatz mit [X.] errichtet. Das [X.]ngelände ist u.a. durch [X.] teilweise versiegelt. Ein [X.] an die öffentliche Kanalisation ist nicht vorhanden. Es existiert eine Versickerungsanlage, um deren Wirksamkeit die Parteien streiten, sowie eine „Aufkantung“, die das Grundstück des Beklagten zu dem Grundstück des [X.] abgrenzt. Der Kläger behauptet, das benachbarte Grundstück sei baulich so gestaltet, dass Sickerwasser auf sein Grundstück gelange; durch den dadurch erhöhten Grundwasserspiegel werde dessen gärtnerische bzw. landwirtschaftliche Nutzung wesentlich beeinträchtigt.

2

Das [X.] hat den Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - antragsgemäß verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, durch die verhindert wird, dass Sickerwasser in das angrenzende Grundstück des [X.] einsickert, dort den Grundwasserstand erhöht und zu Schäden sowie einer eingeschränkten - auch landwirtschaftlichen - Nutzbarkeit des [X.] führt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das [X.]erufungsgericht nimmt aufgrund der erstinstanzlichen [X.]eweisaufnahme an, dass das Grundstück des [X.] durch Zufluss von Niederschlagswasser von dem benachbarten Grundstück beeinträchtigt werde. Hierfür sei der [X.]eklagte aufgrund der baulichen Gestaltung seines Grundstücks (Auffüllung, [X.]ebauung, [X.], [X.]) als Störer verantwortlich. Der Kläger sei nicht zur Duldung dieser [X.]eeinträchtigung gemäß § 1004 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 37 [X.] [X.] (im Folgenden: [X.]) verpflichtet. Dem stehe nicht entgegen, dass nach den Ausführungen der Sachverständigen das Wasser nicht oberirdisch, sondern durch Versickerung in den angrenzenden Garten des [X.] gelange. [X.]ei dem „Übertritt“ von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück im Sinne des Gesetzes handele es sich um einen weit gefassten [X.]egriff, der als Auffangtatbestand alle Formen einer dem Nachbarn zuzurechnenden Zuführung umfasse. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz Verhaltensweisen, wie sie hier bezüglich des [X.]eklagten festgestellt worden seien, habe gestatten wollen. Eine nur unwesentliche [X.]eeinträchtigung des klägerischen Gartens liege nicht vor. Mangels näheren Vortrags des [X.]eklagten könne auch nicht von einer Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 Abs. 2 [X.] ausgegangen werden.

II.

4

Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.

5

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die von dem [X.]erufungsgericht aufrechterhaltene Verurteilung des [X.]eklagten nicht deshalb auf eine unmögliche Handlung gerichtet, weil es sich bei dem im Urteil des [X.] aufgeführten Flurstücken Nr. 76 und 357/77 nicht um die an das Grundstück des [X.] angrenzende Grundstücke handelt. [X.]ei der [X.]ezeichnung der Flurstücke ist dem [X.] eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO unterlaufen, zu deren [X.]erichtigung der Senat als mit der Sache befasstes Rechtsmittelgericht befugt ist ([X.], Urteil vom 10. Juli 1991- IV ZR 155/90, NJW-RR 1991, 1278). Auf der Grundlage des sowohl von dem [X.] als auch von dem [X.]erufungsgericht in [X.]ezug genommen [X.], gegen dessen Richtigkeit der [X.]eklagte keine Einwendungen erhebt, ergibt sich zweifelsfrei, dass sich seine Verurteilung auf das Grundstück mit der [X.] beziehen soll. Dahingehend ist der Tenor des Urteils des [X.] zu berichtigen.

6

2. Zutreffend nimmt das [X.]erufungsgericht an, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 37 Abs. 1 [X.] zusteht.

7

a) Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich grundsätzlich gegen die von einem Nachbargrundstück ausgehenden Einwirkungen, die sein Eigentum beeinträchtigen, zur Wehr setzen (§ 1004 [X.]). Inhalt und Umfang des Anspruchs aus § 1004 [X.] im Einzelnen ergeben sich bei derartigen [X.]eeinträchtigungen aus der gesetzlichen Regelung des Nachbarrechts, das durch einen Ausgleich der einander widerstreitenden Interessen der Nachbarn gekennzeichnet ist und sich nicht nur als [X.]undesrecht im [X.]ürgerlichen Gesetzbuch befindet (§§ 906 ff. [X.]), sondern auch in den die allgemeinen nachbarrechtlichen [X.]estimmungen ändernden und ergänzenden Vorschriften des [X.]undesrechts (z.[X.]. § 37 [X.]) sowie in den Vorschriften des Landesrechts enthalten ist, die nach Art. 1 Abs. 2 und Art. 124 Satz 1 EG[X.] dem Landesgesetzgeber vorbehalten sind. Nur in dem hiernach gegebenen Rahmen kann der Eigentümer [X.]eeinträchtigungen abwehren (vgl. Senat, Urteil vom 12. November 1999- [X.], [X.], 537, 538).

8

b) Inwieweit der Kläger den Zufluss vermehrten [X.] auf sein Grundstück verhindern kann, richtet sich nach § 37 Abs. 1 [X.]. Hiernach müssen der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks ihre baulichen Anlagen so einrichten, dass Niederschlagswasser nicht auf das Nachbargrundstück [X.], auf diese abgeleitet wird oder übertritt. Demgegenüber ist weder die Vorschrift des § 906 Abs. 1 und 2 Satz 1 [X.] anwendbar noch kann auf die wasserrechtlichen Vorschriften des § 82 Landeswassergesetz [X.] (im Folgenden: [X.]) bzw. - mit Inkrafttreten ab dem 1. März 2010 - des § 37 [X.] abgestellt werden.

9

[X.]) Als sog. Grobimmission zählt der Wasserzufluss als solcher nicht zu den Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 1 [X.] (Senat, Urteil vom 2. März 1984 - [X.], [X.]Z 90, 255, 258). Etwas anderes gilt nur, wenn eine unwägbare Substanz im Sinne der Vorschrift in abfließendes Regenwasser gerät und auf diese Weise dem Nachbargrundstück zugeführt wird (Senat, Urteil vom 2. März 1984 - [X.], [X.]Z 90, 255, 259). Daher ist § 906 [X.] bei der [X.]eurteilung, ob ein Eigentümer einen von einem Nachbargrundstück herrührenden Wasserzufluss dulden muss, grundsätzlich nicht heranzuziehen. Anders als das [X.]erufungsgericht meint, kommt es deshalb für das [X.]estehen eines Unterlassungsanspruchs des [X.] gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht darauf an, ob der Wasserzufluss ortsüblich im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist. Dem steht nicht entgegen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 [X.] auch bei Störungen durch Grobimmissionen wie Wasser in [X.]etracht kommt (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - [X.], [X.]Z 157, 188, 190; Senat, Urteil vom 25. Oktober 2013 - [X.], [X.]Z 198, 327 Rn. 7). Um einen solchen Anspruch geht es hier nämlich nicht.

bb) Die wasserrechtlichen Vorschriften der §§ 82 [X.], 37 [X.] finden nur auf wild abfließendes Wasser Anwendung, also auf Wasser, das unmittelbar auf den unversiegelten [X.]oden fällt. Hiervon zu unterscheiden ist sog. [X.]aulichkeitswasser, das von einem auf dem Nachbargrundstück stehenden Gebäude bzw. einer baulichen Anlage auf das bebaute Grundstück abgelaufen und von dort auf das Nachbargrundstück gelangt ist. Auf dieses ist die Vorschrift des § 37 [X.] anzuwenden (vgl. hierzu [X.]/[X.]/Schlick, Nachbarrecht für [X.] und das [X.], 6. Aufl., Einführung §§ 37-38, Rn. 6 sowie § 37 Rn. 3; siehe auch [X.], Urteil vom 25. März 1982- [X.] ZR 202/80, [X.] 1982, 827 zu § 27 Abs. 1 Nachbargesetz NW). Der Vorrang des Nachbarrechts gegenüber dem Wasserrecht gilt auch dann, wenn Niederschlagswasser von einer baulichen Anlage zunächst auf das eigene Grundstück abfließt und anschließend auf das Nachbargrundstück übertritt (vgl. [X.] [X.]O).

c) Ohne Rechtsfehler nimmt das [X.]erufungsgericht an, dass der [X.]eklagte gegen die Vorschrift des § 37 Abs. 1 [X.] verstößt.

[X.]) Allerdings entspricht es - soweit ersichtlich - nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass ein „Übertreten“ von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück nur gegeben ist, wenn es sich um einen oberirdischen Zufluss von einem Grundstück auf das Nachbargrundstück handelt. Demgegenüber sollen die nachbarrechtlichen Vorschriften keinen [X.]eseitigungsanspruch begründen, wenn das Wasser auf dem Grundstück, auf dem es als Niederschlag auftrifft, einsickert und dabei den [X.]oden des Nachbargrundstücks unterirdisch durchfeuchtet (vgl. [X.], [X.], 338 zu § 26 Abs. 1 HessNRG; [X.], Urteil vom 14. Mai 2010- 19 U 120/09, juris und [X.], 911, jeweils zu § 27 Abs. 1 NachbG NRW; [X.], Nachbarrecht, 7. Aufl., [X.] § 26 [X.] c); [X.]/[X.]/Schlick, Nachbarrecht für [X.] und das [X.], 6. Aufl., § 37 Rn. 3; [X.]/Fink-Jamann/[X.], Nachbarrechtsgesetz für [X.], 16. Aufl., § 27 Rn. 5 zu § 27 NachbG NRW; a. [X.], Kommentar zum [X.] Nachbarrechtsgesetz und zum Nachbarrecht des [X.], 3. Aufl., § 45 Rn. 6 zu § 45 NachbG Niedersachsen). Zur [X.]egründung wird im Wesentlichen auf den Wortlaut der nachbarrechtlichen Vorschriften verwiesen. [X.]ei einem Einsickern in den [X.]oden könne man nicht davon sprechen, dass Niederschlagswasser „übertrete" ([X.], Nachbarrecht, 7. Aufl., [X.] § 26 [X.] c).

bb) Der Senat hat sich zum [X.]egriff des „Übertretens“ bislang nicht geäußert. Soweit er in dem Urteil vom 12. November 1999 ([X.], [X.], 537) die Auslegung der gleichlautenden Vorschrift des § 26 Abs. 1 HessNRG durch das [X.] ([X.], 338) nicht beanstandet hat, beruhte dies auf der nach dem damaligen Revisionsrecht (§ 549 Abs. 1 ZPO a.F.) fehlenden Revisibilität des [X.] [X.].

Sachlich überzeugt die Differenzierung zwischen einem oberirdischen und einem unterirdischen Wasserzufluss nicht. § 37 Abs. 1 [X.] findet auch dann Anwendung, wenn die baulichen Anlagen auf einem Grundstück die Ursache dafür sind, dass mehr [X.] auf das Nachbargrundstück gelangt als dies ohne die baulichen Anlagen der Fall wäre.

(1) Der Wortlaut der Vorschrift steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Ebenso wie bei den anderen Alternativen des § 37 Abs. 1 [X.], nämlich dem Tropfen und dem Ableiten von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück, wird auch mit dem „Übertreten“ eine Modalität der Ortsveränderung des Wassers von dem einen Grundstück auf das andere beschrieben. [X.]egrifflich ist diese Modalität nicht auf einen oberirdischen Zufluss beschränkt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Ausdruck „übertreten“ unter anderem im Sinne von „irgendwohin gelangen“ (vgl. [X.], [X.], 3. Aufl., [X.]and 9, Stichwort „übertreten“) oder aber auch im Sinne von „etwas gelangt in etwas hinein“ (vgl. [X.]rockhaus/[X.], [X.], Sechster [X.]and 1981, Stichwort „übertreten“) verstanden.

(2) Für die Anwendung der Vorschrift auf durch die [X.]ebauung des Nachbargrundstücks bedingtes vermehrt eindringendes [X.] spricht vor allem ihr Zweck.

(a) Eine grundsätzliche Pflicht des Eigentümers eines Grundstücks, den Ablauf des Niederschlagwassers auf das Nachbargrundstück zu verhindern, gibt es allerdings nicht. Soweit die natürliche Gestaltung des [X.]odens einen solchen Abfluss bewirkt, muss der Grundstückseigentümer deshalb keine besonderen Maßnahmen ergreifen, um dem entgegen zu wirken ([X.], Nachbarrecht, 7. Aufl., [X.] § 26 [X.] b). So liegt der Fall, wenn das Wasser im Untergrund auf eine - naturgegebene - wasserundurchlässige Schicht trifft und seinem natürlichen Fluss folgend auf das Nachbargrundstück gelangt (vgl. hierzu [X.]/[X.]/Schlick, Nachbarrecht für [X.] und das [X.], 6. Aufl., § 37 Rn. 3). Dann obliegt es dem Eigentümer des Nachbargrundstücks, sich um den Schutz seines Grundstücks zu kümmern ([X.], Urteil vom 18. April 1991 - [X.], [X.]Z 114, 183, 188 f; Senat, Urteil vom 17. Oktober 2013 - [X.], [X.], 366 Rn. 10).

(b) Wenn der Eigentümer jedoch auf seinem Grundstück bauliche Anlagen errichtet, die ursächlich dafür sind, dass dem Nachbargrundstück vermehrt Niederschlagswasser zugeführt wird, greift er in den natürlichen Ablauf des Wassers ein. Gegen solche [X.]eeinträchtigungen seines Eigentums soll § 37 Abs. 1 [X.] den Nachbarn schützen (vgl. hierzu [X.], Nachbarrecht, 7. Aufl., § 26 [X.]. 2 b). [X.]auliche Anlagen können aber nicht nur dazu führen, dass Niederschlagswasser, das ohne die Anlagen auf dem Grundstück verblieben wäre, von der Oberfläche des Grundstücks auf die Oberfläche des Nachbargrundstücks fließt. Ebenso können die baulichen Anlagen zur Folge haben, dass das Niederschlagswasser nur teilweise auf dem Grundstück versickert und als [X.] unterirdisch vermehrt auf das Nachbargrundstück übertritt. Der Eigentümer ist in beiden Fällen gleichermaßen schutzwürdig. So liegt es, wenn die baulichen Anlagen dazu führen, dass das Niederschlagswasser gesammelt an einer bestimmten Stelle auf dem Grundstück auftrifft, und diese Konzentration die ansonsten erfolgende weit- und tiefflächige Versickerung verhindert und zu einem vermehrten unterirdischen Zufluss von [X.] auf dem Nachbargrundstück führt. Entsprechendes gilt, wenn das Niederschlagswasser in einer [X.]odenschicht auf einer [X.]etondecke stehen bleibt und wegen der fehlenden Versickerungsmöglichkeit von dort aus unterirdisch auf das Nachbargrundstück gelangt (vgl. den Sachverhalt in der Entscheidung des [X.], [X.], 338).

Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Übertreten“ steht auch im Einklang mit der Auslegung der Alternative des „[X.]“ von Niederschlagswasser i.S.d. § 37 Abs. 1 [X.]. Der Zweck der Vorschrift, den Eigentümer vor einem Eingriff in den natürlichen Ablauf des Wassers zu schützen, gebietet es, unter einem „Ableiten“ sowohl das ober- als auch das unterirdische gezielte oder unbewusste Ableiten zu verstehen (so auch [X.]/Fink-Jamann/[X.], Nachbarrechtsgesetz für [X.], 16. Aufl., § 27 Rn. 5 zu § 27 NachbG NRW). Es kann keinen Unterschied machen, ob ein Grundstückseigentümer, der das auf seinen baulichen Anlagen niedergehende Wasser auffängt und es über ein Rohr auf das benachbarte Grundstück ableitet, das Rohr ober- oder unterirdisch verlegt.

(3) Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass die Vorschrift in dem mit „Dachtraufe“ überschriebenen Abschnitt des [X.] [X.] steht. Zwar mag diese Überschrift Vorschriften erwarten lassen, die sich mit dem Traufwasser befassen, also Niederschlagswasser, das vom Dach ab[X.] oder über Dachrinnen und Fallrohre abgeleitet wird. Hierauf beschränkt sich der Abschnitt jedoch nicht. Er ist deshalb so überschrieben, weil der Gesetzgeber in bewusster Abkehr vom Gemeinen Recht und einigen Landesrechten aus der [X.] vor dem Inkrafttreten des [X.]ürgerlichen Gesetzesbuchs, die ein Traufrecht kannten (ein Recht, Niederschlagswasser vom Dach auf das Nachbargrundstück abtropfen zu lassen), den Grundstückseigentümer verpflichtet, kein Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück abzuleiten ([X.], Nachbarecht, § 26 II und [X.]; siehe auch die [X.]egründung des Entwurfs eines [X.] für [X.], [X.]/1048, S. 33 des Landtags [X.]). Dieser weiter greifenden Zielsetzung entspricht gerade ein Normverständnis, das nicht der ursprünglichen Vorstellung des vom Dach tropfenden Niederschlagswassers verhaftet bleibt, sondern auf die bebauungsbedingte Veränderung des Abflusses des Niederschlagswassers zu Lasten des Nachbarn abstellt. Dann aber kommt es auf den Weg, den das Niederschlagswasser vermehrt zum Nachbarn nimmt, nicht entscheidend an.

(c) Der Hinweis der Revision auf die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 [X.], aus der sich der Vorrang der Versickerung des Niederschlagswassers vor einer Einleitung in die öffentliche Kanalisation ergebe, rechtfertigt ebenfalls keine abweichende [X.]eurteilung. Dieser Vorrang ändert nichts an der aus § 37 Abs. 1 [X.] folgenden Verpflichtung des Grundstückseigentümers, das Übertreten von (vermehrtem) [X.] auf das Nachbargrundstück zu verhindern.

(d) Unerheblich ist ferner der Einwand der Revision, der Grundstückseigentümer sei mit der Zuleitung des [X.] zum Grundwasser seiner eigentümerrechtlichen Verantwortung entzogen, weil das Grundwasser nicht in seinem Eigentum stehe. Die in § 37 Abs. 1 [X.] normierte Pflicht knüpft an die Gestaltung der baulichen Anlagen an, die sich auf dem Grundstück befinden und die die Ursache für den vermehrten Zufluss von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück darstellen. Auf die Eigentumsverhältnisse an dem Wasser kommt es hierfür nicht an.

cc) § 37 Abs. 1 [X.] bedarf allerdings insoweit einer Einschränkung, als nicht jeder vermehrte, d. h. über die natürlichen Gegebenheiten hinausgehender Zufluss relevant ist. Er muss vielmehr zu einer [X.]eeinträchtigung des Nachbargrundstücks führen (vgl. in diesem Sinne auch [X.]/Fink-Jamann/[X.], Nachbarrechtsgesetz für [X.], 16. Aufl., § 27 Rn. 2 zu § 27 NachbG NRW). Dies ist hier der Fall.

Nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts hat der vermehrte Übertritt von [X.] von dem Grundstück des [X.]eklagten auf das Grundstück des [X.] seinen Grund in den von dem [X.]eklagten auf seinem Grundstück errichteten baulichen Anlagen. Diese verhindern eine vollständige Versickerung des Niederschlagswassers auf dem Grundstück des [X.]eklagten. Die hieraus folgenden [X.]eeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks sind nicht unwesentlich, wie das [X.]erufungsgericht ebenfalls festgestellt hat. Dass diese Feststellung im Rahmen der - systematisch verfehlten (siehe oben [X.]) [X.])) - Prüfung des § 906 [X.] erfolgt ist, wirkt sich im Ergebnis nicht aus. Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft, sie aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

d) An der Pflicht des [X.]eklagten, durch geeignete Maßnahmen auf seinem Grundstück das - durch die bauliche Gestaltung bedingte - vermehrte Eindringen von [X.] auf das klägerische Grundstück zu verhindern, änderte sich nichts, wenn der Kläger selbst durch eine [X.]etonierung des eigenen Hofs zu einer Erhöhung des Grundwasserspiegels auf seinem Grundstück beigetragen haben sollte. Diesem Vorbringen des [X.]eklagten musste das [X.]erufungsgericht mangels Erheblichkeit nicht nachgehen. Die von dem [X.]eklagten insoweit erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet.

e) Auch die weitere Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 [X.], dass nämlich weitere [X.]eeinträchtigungen zu besorgen sind, ist erfüllt. Da nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts der [X.]eklagte das Eigentum des [X.] bereits beeinträchtigt hat, spricht für das Vorliegen der erforderlichen Wiederholungsgefahr eine tatsächliche Vermutung (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - [X.], [X.], 1035, 1036).

f) Die Verurteilung des [X.]eklagten zu [X.], nämlich zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen, durch die verhindert wird, dass [X.] von seinem Grundstück auf das Grundstück des [X.] einsickert, ändert nichts an dem [X.]estehen einer Unterlassungsverpflichtung. Es geht dem Kläger darum, künftige Störungen seines Eigentums zu verhindern. Lässt sich - wie hier - die drohende [X.]eeinträchtigung nur durch aktives Eingreifen verhindern, schuldet der zur Unterlassung Verpflichtete [X.] (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - [X.], [X.], 1035, 1037).

3. Keinen Erfolg hat der [X.]eklagte schließlich mit seiner auf § 547 Nr. 6 ZPO gestützten Rüge, das [X.]erufungsgericht habe die von ihm erhobene Einrede der Verjährung nicht geprüft.

a) Zwar ist eine Entscheidung auch dann nicht mit Gründen im Sinne des § 547 Nr. 6 ZPO versehen, wenn sie - wie hier - auf selbständige Verteidigungsmittel wie die Einrede der Verjährung nicht eingeht ([X.], [X.]eschluss vom 21. Dezember 1962 - I Z[X.] 27/62, [X.]Z 39, 333, 337; [X.], Urteil vom 24. Oktober 1990 - [X.], NJW-RR 1991, 194, 195). Eine Aufhebung und Zurückverweisung ist gleichwohl nicht veranlasst, wenn das übergangene Verteidigungsmittel rechtlich unerheblich ist und deshalb nicht zu dem von der Revision angestrebten Erfolg führen kann ([X.], [X.]eschluss vom 21. Dezember 1962 - I Z[X.] 27/62, [X.]Z 39, 333, 339; [X.], Urteil vom 24. Oktober 1990 - [X.], NJW-RR 1991, 194, 195).

b) So liegt der Fall aber hier, weil der Anspruch des [X.] nicht verjährt ist. Es kann dahinstehen, ob dies bereits aus § 53 Abs. 2 [X.] bzw. § 53 Abs. 3 [X.] a.F. (Fassung vom 15. Juni 1970) folgt, wonach die „übrigen Ansprüche nach diesem Gesetz“, d.h. alle Ansprüche nach dem [X.], die nicht auf Schadensersatz oder Zahlung von Geld gerichtet sind und für die die besondere Verjährungsregelung des § 53 Abs. 1 [X.] bzw. § 53 Abs. 1 und 3 [X.] a.F. gilt, nicht der Verjährung unterliegen. Auch wenn stattdessen die allgemeinen Verjährungsvorschriften des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs maßgeblich sein sollten (so [X.]/[X.]/Schlick, Nachbarrecht für [X.] und das [X.], 6. Aufl., § 37 Rn. 2 ff.; siehe allgemein zu dem Verhältnis zwischen einer Verjährungsregelung nach [X.] und einem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 [X.] Senat, [X.]eschluss vom 4. März 2010 - V Z[X.] 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 23 f.), ist keine Verjährung eingetreten.

Der Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 [X.] verjährt in der Regelverjährungsfrist, die nach § 195 [X.] a.F. dreißig Jahre betrug (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 1990 - [X.], NJW 1990, 2555, 2556) und ab dem 1. Januar 2002 nach §§ 195, 199 Abs. 4 [X.] drei Jahre bzw. maximal 10 Jahre beträgt (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2014 - [X.], NJW 2014, 2861 Rn. 7). In allen Fällen setzt der Lauf der Verjährungsfrist voraus, dass der Anspruch entstanden ist. [X.]ei Unterlassungsansprüchen kommt es insoweit gemäß § 199 Abs. 5 [X.] auf die Zuwiderhandlung an. Diese kann hier nicht bereits in der nach dem Vortrag des [X.]eklagten im Jahr 1991 erfolgten Errichtung der [X.] gesehen werden. Der Schwerpunkt der Störung liegt vielmehr darin, dass es der [X.]eklagte seit dieser Errichtung dauernd unterlässt, die baulichen Anlagen auf seinem Grundstück so einzurichten - beispielsweise durch eine ordnungsgemäße Entwässerung -, dass nicht vermehrt Niederschlagswasser auf das Grundstück des [X.] einsickert. [X.]ei einer derartigen Sachlage kommt eine Verjährung des Unterlassungsanspruchs nicht in [X.]etracht, wobei dahinstehen kann, ob es sich um eine einheitliche Dauerhandlung handelt, die den rechtswidrigen Zustand fortlaufend aufrechterhält und die Frist deshalb gar nicht in Gang gesetzt wird oder wiederholte Störungen jeweils neue Ansprüche begründen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Mai 2015 - [X.]/14 juris Rn. 9).

[X.].

1. Die hiernach erfolglose Revision des [X.]eklagten ist zurückzuweisen. Da allerdings in dem Tenor des von dem [X.]erufungsgericht bestätigten erstinstanzlichen Urteils der für den Unterlassungsanspruch - auch nach Auffassung des [X.]erufungsgerichts - erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der baulichen Gestaltung des Grundstücks des [X.]eklagten und dem vermehrten Zufluss von [X.] auf das Grundstück des [X.] nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, hat der Senat den Tenor zur Klarstellung in diesem Sinne konkretisiert und auch im Übrigen unter [X.]eachtung des interessegerecht ausgelegten Klagebegehrens neu gefasst.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann                              Schmidt-Räntsch                              Roth

                        [X.]rückner                                           Göbel

Meta

V ZR 168/14

12.06.2015

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Zweibrücken, 12. Juni 2014, Az: 6 U 64/12, Urteil

§ 1004 Abs 1 S 2 BGB, § 37 Abs 1 NachbG RP

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.06.2015, Az. V ZR 168/14 (REWIS RS 2015, 9865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9865

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