Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2010, Az. 8 AZR 315/09

8. Senat | REWIS RS 2010, 3917

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Gegenstand

Schadensersatz wegen pflichtwidriger Arbeitgeberweisung - Bindung des Berufungsgerichts an die Feststellungen in einem Teilurteil


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Schlussurteil des [X.] vom 30. Januar 2009 - 9 Sa 1695/07 - aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15. August 2007 - 3 [X.]/07 - wird auch im Übrigen zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die darauf beruhen, dass dem Kläger 2006 eine bestimmte Aufgabe übertragen worden ist.

2

Der Kläger ist Architekt und seit Januar 1995 als technischer Sachverständiger im Bauordnungsamt der [X.] beschäftigt.

3

Seit 1997 befindet er sich in psychologischer Behandlung und wurde mehrfach stationär behandelt. Wegen einer psychischen Erkrankung wurde der Kläger mit Bescheid vom November 2004 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

4

Einen ihm im Jahr 1995 von seinem damaligen Vorgesetzten versprochenen Stellplatz für seinen Pkw erhielt der Kläger nicht. Nachdem ihm Anfang 1998 schriftlich mitgeteilt worden war, er solle sich nun einen Stellplatz mit einem Kollegen teilen, nutzte der Kläger ab Mitte 1998 seinen Pkw nicht mehr für die Wahrnehmung von [X.]. Daraufhin teilte der Amtsleiter dem [X.] mit, der Kläger sei nunmehr im Bauordnungsamt nicht länger tragbar. Nachdem das [X.] den Amtsleiter darauf hingewiesen hatte, dass der Kläger nicht verpflichtet sei, sein eigenes Kfz für Dienstfahrten einzusetzen, wurde ihm die Fahrbereitschaft für den Außendienst zur Verfügung gestellt.

5

Ab 1999 war der Kläger für einen Bezirk zuständig, in dem erheblich mehr Fallzahlen anfielen, als in den übrigen Bezirken.

6

Anfang Mai 2001 führte er ein Beratungsgespräch in seinem Dienstzimmer, welches er mit einer Kollegin teilte. Während des [X.]esprächs betrat [X.] das Dienstzimmer und begann mit dieser Kollegin eine Unterhaltung. Hierüber beschwerte sich der Kläger mit Schreiben vom 9. Mai 2001 bei seinem Vorgesetzten und beim Personalrat.

7
        

           

Der Kläger beantragte bei der [X.] mehrfach ein Einzelbüro, zuletzt am 20. Februar 2004. Nachdem die Beklagte ein „Service Center Bauen“ eingerichtet hatte, wurde dem Kläger dort in einem [X.]roßraumbüro ein Arbeitsplatz zugewiesen. Mit im Oktober 2004 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage begehrte der Kläger von der [X.], ihm ein geeignetes Einzelbüro zur Verfügung zu stellen. Im dortigen Verfahren legte der Kläger ein Attest des Internisten Dr. med. [X.] vom 27. September 2004 vor. Dieses enthält folgende Diagnose:

        

        

„• Angst und depressive Störungen mit akuter schubweise verlaufender und fortschreitender Chronifizierung

        
        

• Neurasthenie

        
        

• generalisierte-besonders kardiale und gastrale Somatisierungsstörung

        
        

Aufgrund meiner mehrjährigen hausärztlichen Betreuung sehe ich mittlerweile einen schweren progredient-chronifizierenden Krankheitsprozess, der erfahrungsgemäß langfristig durchaus zu chron. organischen Erkrankung (z.B. [X.]) führen kann. Diese Einschätzung wurde auch fachärztlich psychiatrisch während einer stationären Reha. Behandlung in einer psychiatrisch/psychosomatischen Klinik vom 28.07. bis 08.09.2004 festgestellt. …“

        

8

           

Eine nachfolgende amtsärztlichen Untersuchung des Klägers kam am 24. März 2005 zu folgendem schriftlichen Ergebnis:

        

„Aus medizinisch psychiatrischer Sicht liegt bei [X.] eine schizoid narzisstische Persönlichkeitsstörung mit aktuellen Anpassungsstörungen mit Angst und Depression sowie Somatisierungsstörung vor. Unter dieser Situation kam es in der Vergangenheit des [X.] zu mehrfachen akuten Symptomentwicklungen im Sinne der Somatisierungs-störung bzw. der Entwicklung einer Depression. Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich die Situation für [X.] so dar, dass unter idealtypischen Bedingungen (Erlangung eines Einzelbüros) bei definiertem Arbeitsanfall eine Arbeitsfähigkeit aufrechterhalten werden kann. Sollte diesem nicht entsprochen werden, ist eine deutliche Verschlechterung der Symptomatik mit erneuter Symptomentwicklung absehbar. Unter den oben genannten Bedingungen ist jedoch zumindest für einen jetzt absehbaren Zeitraum eine Arbeitsfähigkeit meines Erachtens noch aufrechthaltbar.“

        

9

Vor dem Hintergrund dieses [X.]utachtens einigten sich die Parteien am 15. Juni 2005 vor dem Arbeitsgericht darauf, dass die Beklagte dem Kläger nach Rückkehr aus einer Rehabilitation ein Einzelbüro zur Verfügung stellen werde.

Der Kläger war seit Juni 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Während dieser bis Oktober 2005 dauernden Erkrankung fand bei der [X.] eine Strukturreform im Bauordnungsamt statt. Danach gab es vier Teams. Unterschiedliche Belastungen der Sachbearbeiter sollten bei Bedarf durch Umverteilung ausgeglichen werden. Bei Aufnahme seiner Tätigkeit im Oktober 2005 bestimmte der Amtsleiter, dass der Kläger bis auf weiteres nur im Innendienst eingesetzt werde. Er wurde dem Team „Sonderbauten“ zugeordnet. Diesem Team gehörte ua. Frau N an, die den Aufgabenbereich „wiederkehrende Prüfungen“ wahrnahm.

Nachdem der Kläger die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 24. November 2005 aufgefordert hatte, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen, wurden ihm ab 1. Januar 2006 die bisherigen Aufgaben der Kollegin R aus dem Bereich Sonderbau übertragen und die Beschränkung auf den Innendienst aufgehoben. Der vom Kläger übernommene Bereich betraf die [X.]enehmigung von Sonderbauten für Schulen. Im Februar 2006 teilte der unmittelbare Vorgesetzte des [X.] diesem mündlich mit, er solle zusätzlich die wiederkehrenden Prüfungen für Schulen übernehmen. Er gab ihm zusätzlich eine Liste der zu prüfenden Schulen. Entsprechend der Aufforderung des [X.] wurde ihm diese Anordnung mit Datum vom 9. Februar 2006 auch handschriftlich mitgeteilt. In der Folgezeit führte der Kläger zwei wiederkehrende Prüfungen durch, bevor er von April 2006 bis April 2007 erneut arbeitsunfähig erkrankte. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 31. Juli 2006 machte er gegenüber der [X.] Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend.

Nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit Ende April 2007 musste der Kläger keine wiederkehrenden Prüfungen im Bereich Schulen mehr erledigen. Seit dem 27. August 2008 ist er wieder arbeitsunfähig erkrankt.

Mit am 26. Februar 2007 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage hatte der Kläger zunächst die Verurteilung der [X.] zur Zahlung von Schmerzensgeld/Entschädigung beantragt. Die Höhe der Entschädigung hatte er in das Ermessen des [X.]erichts gestellt. Mit am 26. April 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 24. April 2007 hat der Kläger seine Klage um einen Antrag auf Feststellung erweitert, dass die Beklagte dem Kläger auch sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen hat, welche auf den „streitgegenständlichen Mobbinghandlungen“ beruhen. Diesen Antrag hat er in der mündlichen Verhandlung unter die Bedingung gestellt, dass dem [X.] stattgegeben wird.

Der Kläger führt seine Erkrankung auf lange andauernde Anfeindungen im Sinne wiederholter „Mobbinghandlungen“ seiner Vorgesetzten zurück. Weiter behauptet er, dass der von ihm ab Januar 2006 übernommene Bereich der [X.]enehmigung von Sonderbauten für Schulen ihn zu 100 % ausgelastet habe.

           

Der Kläger hat, soweit in der Revision noch entscheidungserheblich, zuletzt beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen hat, die er nach der Zustellung seines klageerweiternden Schriftsatzes vom 24. April 2007 erlitten hat oder erleiden wird - ohne Berücksichtigung seiner bis April 2007 dauernden Erkrankung - und die darauf beruhen, dass die Beklagte ihm im [X.] die Aufgabe der wiederkehrenden Prüfung von Schulen übertragen hat.

        

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie behauptet, die mit dem Bereich „wiederkehrende Prüfung“ befasste Mitarbeiterin sei ausgelastet gewesen. Deshalb habe der Vorgesetzte des [X.] ihm die wiederkehrenden Prüfungen von Schulen übertragen. Schließlich habe der Vorgesetzte diesen Aufgabenbereich selbst wahrgenommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit Teilurteil vom 15. Februar 2008 hat das [X.] die Berufung des [X.] insoweit zurückgewiesen als sie sich gegen die Abweisung des [X.]es durch das Arbeitsgericht gerichtet hatte. Die Revision hat das [X.] nicht zugelassen. Es hat in den Entscheidungsgründen festgestellt, dass die Übertragung der wiederkehrenden Prüfungen von Schulen auf den Kläger durch das Direktionsrecht der [X.] gedeckt war und keine Mobbinghandlung des Vorgesetzten des [X.] dargestellt hat. Demnach scheide ein Anspruch des [X.] auf „billige Entschädigung in [X.]eld (Schmerzensgeld)“ insoweit aus. Das Teilurteil ist rechtskräftig. In dem angefochtenen Schlussurteil hat das [X.] festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die darauf beruhen, dass die Beklagte ihm im [X.] die Aufgabe übertragen hat, wiederkehrende Prüfungen im Bereich von Sonderbauten durchzuführen. Mit der vom [X.] für die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt diese ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht der behauptete Schadensersatzanspruch nicht zu.

A. Das [X.] hat im Teilurteil zunächst ausgeführt, dass dem Kläger wegen des dargelegten Verhaltens seiner Vorgesetzten teilweise kein Anspruch auf billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) zustehe und teilweise ein eventueller Anspruch jedenfalls verfallen sei. Aus den Darlegungen des [X.] lasse sich nicht entnehmen, dass Vorgesetzte oder Kollegen ihm gegenüber [X.] nach Wiederaufnahme seiner Arbeit im Oktober 2005 begangen hätten. Dies gelte ua. für die Übertragung von Aufgaben für den Bereich „wiederkehrende Prüfungen“. Es sei nicht ersichtlich, dass der Teamleiter damit das Direktionsrecht des Arbeitgebers überschritten habe. Wegen evtl. zeitlich weiter zurückliegender Persönlichkeitsverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen könne der Kläger kein Schmerzensgeld verlangen, weil er insoweit die sechsmonatige Ausschlussfrist nach § 70 [X.], § 37 TVöD-VKA versäumt habe. Seine Entscheidung im Schlussurteil hat das [X.] im Wesentlichen auf folgende Überlegungen gestützt: Bei dem Feststellungsantrag handele es sich um eine zulässige nachträgliche Klagehäufung, weil er erstmalig in der Berufungsinstanz als Hauptantrag gestellt worden sei. Die darin liegende [X.] sei sachdienlich, weil der bisherige [X.] als Entscheidungsgrundlage verwertbar bleibe und ein neuer Prozess vermieden werde. In der zuletzt gestellten Fassung sei der Antrag zulässig und dahin auszulegen, dass die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten für alle materiellen und immateriellen Schäden begehrt werde, die der Kläger nach dem Zeitpunkt erlitten habe oder noch erleide, zu dem sein klageerweiternder Schriftsatz vom 24. April 2007 der Beklagten zugegangen sei, jedoch ohne Berücksichtigung der bis April 2007 dauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Bei Zugrundelegung dieser Auslegung sei der Antrag hinreichend bestimmt. Eine Bezifferung des Antrages sei nicht erforderlich, weil er jedenfalls weiterhin teilweise zukunftsbezogen sei. Er sei auch nicht im Hinblick auf das rechtskräftige Teilurteil vom 15. Februar 2008 unzulässig. Bezüglich des zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens liege ein anderer Streitgegenstand vor. Denn die rechtskräftige Abweisung der Zahlungsklage erfasse den Anspruch des [X.] auf Ersatz zukünftiger immaterieller Schäden nicht, weil diese zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht eingetreten waren und ihr Eintritt objektiv nicht vorhersehbar gewesen sei. Begründet sei der Antrag aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen des zukünftigen materiellen Schadens und aus § 253 Abs. 2 BGB wegen des immateriellen Schadens. Die Beklagte habe nach § 278 Satz 1 BGB dafür einzustehen, dass der Vorgesetzte des [X.] diesem Anfang des Jahres 2006 die Aufgabe übertragen habe, wiederkehrende Prüfungen von Schulen durchzuführen. Damit sei der Kläger entgegen § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nicht mehr unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes beschäftigt worden. Diese pflichtwidrige Weisung sei mindestens mitursächlich für die Erkrankung des [X.] ab April 2006 gewesen. Der Ersatzanspruch sei nicht nach § 70 [X.], § 37 TVöD-VKA verfallen.

B. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig.

1. Der Feststellungsantrag durfte in der Berufungsinstanz gestellt werden. Zutreffend geht das Berufungsgericht von einer [X.] in der Berufungsinstanz aus. Nachdem der Kläger den Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden vor dem [X.] nur für den Fall des Obsiegens mit seinem [X.] gestellt hatte und Letzterer abgewiesen worden war, war der Feststellungsantrag vor dem [X.] nicht zur Entscheidung angefallen. In der Stellung des [X.] in der Berufungsverhandlung als Hauptantrag, lag eine [X.], weil ein neuer Streitgegenstand neben dem bisherigen eingeführt wurde.

Dabei handelte es sich um eine nachträgliche Klagehäufung.

Wird in der Berufungsinstanz ein neuer Streitgegenstand neben dem bisherigen eingeführt, liegt ein Fall nachträglicher Klagehäufung (§ 260 ZPO) vor, dessen Zulässigkeit sich nach den §§ 263, 533 ZPO beurteilt (vgl. [X.] 12. September 2006 - 9 [X.] - Rn. 16, [X.]E 119, 238 = [X.] BGB § 611 Personalakte Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 4). Davon abzugrenzen ist der Fall des § 264 Nr. 2 ZPO, wonach keine Klageänderung gegeben ist, wenn ohne Änderung des [X.] der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Dies wird bei Erweiterungen oder Beschränkungen des Klageantrages angenommen, die den bisherigen Streitgegenstand bei unverändertem Sachverhalt lediglich quantitativ oder qualitativ modifizieren und nicht durch einen anderen ersetzen (vgl. auch: [X.] 13. Februar 2007 - 9 [X.] - Rn. 11, [X.]E 121, 182, 184 f. = [X.] BGB § 823 Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 8).

Mit seinem Feststellungsantrag hat der Kläger einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess eingeführt. So hatte er bislang einen Ersatzanspruch wegen materieller und künftiger immaterieller Schäden nicht begehrt.

Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht die Sachdienlichkeit der nachträglichen [X.] zu Recht bejaht hat, § 533 Nr. 1 ZPO, weil diese durch das Revisionsgericht nicht mehr zu überprüfen ist (vgl. [X.] 25. Januar 2005 - 9 [X.] - [X.]E 113, 247 = [X.] § 1 Nr. 22 = EzA [X.] § 1 Nr. 8). Im Übrigen hat die Beklagte durch rügelose Einlassung in der mündlichen Verhandlung in die Klageänderung eingewilligt, §§ 267, 533 Nr. 1 ZPO (vgl. [X.] Dezember 2004 - II ZR 394/02 - [X.] 2005, 588).

Darüber hinaus kann dahinstehen, ob die nachträgliche [X.] sich auf Tatsachen stützen kann, die das Berufungsgericht nach § 533 Nr. 2 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Ob und inwiefern die Berücksichtigung neuer Tatsachen im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren zulässig ist, richtet sich nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO, sondern nach der Spezialregelung in § 67 ArbGG ([X.] 25. Januar 2005 - 9 [X.] - [X.]E 113, 247 = [X.] § 1 Nr. 22 = EzA [X.] § 1 Nr. 8). Hat das Berufungsgericht - wie hier - Vorbringen zugelassen, ist dies im Revisionsverfahren unanfechtbar und das vom [X.] zugelassene Sachvorbringen zu berücksichtigen, weil die Beschleunigungswirkung, der die Präklusionsvorschrift des § 67 ArbGG dient, nicht wieder herstellbar ist (vgl. [X.] 19. Februar 2008 - 9 [X.] 1085/07 - [X.] ArbGG 1979 § 72a Nr. 60 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 37).

2. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Es ist bei einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden dann gegeben, wenn der Schadenseintritt möglich ist, auch wenn Art und Umfang sowie Zeitpunkt des Eintritts noch ungewiss sind. Es muss lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen ([X.] 13. Februar 2007 - 9 [X.] - [X.]E 121, 182 = [X.] BGB § 823 Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 8).

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Der Kläger hat auf den Hinweis des [X.]s vom 15. Februar 2008, dass das Feststellungsinteresse für den Feststellungsantrag fraglich sei, weil Vortrag dazu fehle, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt zukünftiger bzw. noch nicht bezifferbarer materieller und immaterieller Schäden bestehe, vorgetragen, dass sich sein Krankheitszustand chronifiziert habe. Damit hat er eine nicht nur entfernte Möglichkeit künftiger Schadensfolgen behauptet.

3. Zutreffend geht das Berufungsgericht im Ergebnis davon aus, dass der Zulässigkeit des [X.] nicht die Rechtskraft seines [X.] vom 15. Februar 2008 entgegensteht.

Die materielle Rechtskraft eines Urteils führt in einem späteren Prozess nur dann zur Unzulässigkeit der neuen Klage, wenn die Streitgegenstände beider Prozesse identisch sind oder im zweiten Prozess das kontradiktorische Gegenteil der im ersten Prozess ausgesprochenen Rechtsfolge begehrt wird ([X.] 16. Januar 2008 - [X.]/05 - mwN, [X.], 1227). Dies ist hier nicht der Fall. Bezüglich des Ersatzes künftiger materieller Schäden folgt dies bereits daraus, dass der Kläger mit seiner durch das Teilurteil abgewiesenen Zahlungsklage keinen Schadensersatz wegen materieller Schäden geltend gemacht hatte.

Darüber hinaus ergibt sich auch ein anderer Streitgegenstand, soweit der Kläger mit dem Feststellungsantrag die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige immaterielle Schäden begehrt. Denn mit seiner Zahlungsklage hatte der Kläger den Ersatz für bereits entstandene immaterielle Schäden verlangt, wohingegen der Feststellungsantrag über die Ersatzpflicht für künftige Schäden davon abhängt, ob dem Kläger künftig solche entstehen werden.

II. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet.

Der vom [X.] getroffenen Feststellung des Bestehens eines Anspruchs des [X.] auf Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden, die darauf beruhen, dass ihm im [X.] die Aufgabe übertragen worden ist, wiederkehrende Prüfungen im Bereich von Sonderbauten durchzuführen, steht die mit Teilurteil des [X.]s vom 15. Februar 2008 getroffene Entscheidung entgegen.

1. Das [X.] hat mit rechtskräftigem Teilurteil festgestellt, dass durch die Übertragung der wiederkehrenden Prüfungen von Schulen auf den Kläger im [X.] durch den Vorgesetzten des [X.] das Direktionsrecht der Beklagten nicht überschritten worden ist und dass diese Maßnahme keine „Mobbinghandlung“ dargestellt hat. Ua. aus diesem Grunde hat das [X.] die Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes bzw. einer Entschädigung abgewiesen. Ein ausschlaggebender, die Klageabweisung tragender Grund wird Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und ist nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung ([X.] 24. Juni 1993 - III ZR 43/92 - NJW 1993, 3204). Auch wenn insofern die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts nicht an der Rechtskraft der gefällten Entscheidung teilhaben, darf diese nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen. Zu den [X.] gehört deshalb die Präklusion der im ersten Prozess vorgetragenen Tatsachen, die zu einer Abweichung von der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge führen sollen ([X.] 11. November 1994 - V ZR 46/93 - NJW 1995, 967). Diese Präklusion erfasst auch im Vorprozess nicht vorgetragene Tatsachen, sofern sie nicht erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Prozess entstanden sind ([X.] 17. März 1995 - V ZR 178/93 - NJW 1995, 1757).

Dies hat zur Folge, dass ein Sachurteil, welches eine Leistungsklage abweist, grundsätzlich feststellt, dass die begehrte Rechtsfolge aus dem der Entscheidung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr hergeleitet werden kann, und zwar auch dann, wenn das Gericht nicht alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ins Auge gefasst hatte (vgl. [X.] 17. März 1995 - V ZR 178/93 - NJW 1995, 1757; 13. Dezember 1989 - [X.] - NJW 1990, 1795). Da diese Präklusion somit Ausfluss der [X.] (§ 322 ZPO) ist, gilt diese Präklusion in entsprechender Anwendung der §§ 318, 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO für das Gericht auch hinsichtlich der in einem von ihm erlassenen rechtskräftigen Teilurteil getroffenen Feststellungen.

Ebenso wie das Revisionsgericht dann, wenn eine in einem Vorprozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfrage lediglich Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist, die sich aus der Rechtskraft der früheren Entscheidung ergebende Bindungswirkung von Amts wegen zu beachten hat ([X.] 16. Januar 2008 - [X.]/05 - NJW 2008, 1227), muss es auch die Präklusion von Tatsachenfeststellungen von Amts wegen beachten.

2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze stellt sich das Schlussurteil des [X.]s als fehlerhaft dar, weil es diesem verwehrt war, der Feststellungsklage mit der Begründung stattzugeben, die Beschäftigung des [X.] mit wiederkehrenden Prüfungen sei „pflichtwidrig“ gewesen, weil der unmittelbare Vorgesetzte des [X.] dessen Anspruch auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung (§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX) durch diese Arbeitsanweisung verletzt habe. Genau diese Anordnung aus dem Februar 2006 hatte das [X.] in seinem Teilurteil vom 15. Februar 2008 als durch das Direktionsrecht der Beklagten gedeckt und nicht als „Mobbinghandlung“ des Vorgesetzten des [X.] gewertet. Demzufolge hat es im Ergebnis die Anordnung als vertrags- und gesetzesmäßig betrachtet mit der Folge, dass diese die geltend gemachten Schmerzensgeld-/Entschädigungsansprüche des [X.] nicht begründen könne. Auch wenn das [X.] die damalige Anweisung nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines möglichen Verstoßes gegen § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX geprüft hatte, verbietet es die Präklusion im oben dargestellten Sinne (B II 1), diesen vom [X.] seiner damaligen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt im Schlussurteil - und zwar diesmal unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt mit einem anderen Ergebnis - erneut zu berücksichtigen. Eine Ausnahme von dieser Präklusionswirkung ist auch nicht deshalb angezeigt, weil sich etwa der maßgebliche Lebenssachverhalt nach der mündlichen Verhandlung, aufgrund derer das Teilurteil ergangen ist, geändert hat. So lag die Schwerbehinderung des [X.] bereits zum Zeitpunkt der Aufgabenzuweisung im Februar 2006 vor. Ebenso war die amtsärztliche „Zusammenfassung und Beurteilung“ des Gesundheitszustandes des [X.] vom 24. März 2005, auf welche das [X.] zur Begründung seines Schlussurteils maßgeblich abgestellt hat, zum Zeitpunkt der streitbefangenen Maßnahme und des Erlasses des [X.] - zumindest der Beklagten - bereits bekannt. Diese Umstände hätte das [X.] somit vor der Verkündung seines [X.] vom 15. Februar 2008 berücksichtigen können.

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    H. Brückmann    

        

    Schulz    

        

        

Meta

8 AZR 315/09

19.08.2010

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oberhausen, 15. August 2007, Az: 3 Ca 360/07, Urteil

§ 81 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 9, § 301 Abs 1 S 1 ZPO, § 318 ZPO, § 322 ZPO, § 280 Abs 1 S 1 BGB, § 253 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2010, Az. 8 AZR 315/09 (REWIS RS 2010, 3917)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3917

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

3 Sa 928/20

8 Sa 891/17

10 Sa 796/15

13 Sa 460/16

11 Ta 405/14

11 Sa 533/13

11 Sa 722/10

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