Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2003, Az. XII ZB 165/02

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2887

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[X.] ZB 165/02vom28. Mai 2003in dem [X.]:[X.]: neinZPO §§ 520, 531 Abs. 2Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nach neuemRecht gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2-4 i.V. mit § 531 Abs. 2 ZPO.[X.], Beschluß vom 28. Mai 2003 - [X.]/02 - LG[X.]AGLeverkusen- 2 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 28. Mai 2003 durch die [X.] Richterin [X.], [X.], [X.], Dr. [X.] und die [X.] [X.]:Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluß [X.] [X.] vom 15. August 2002 aufgehoben.Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung - auch über [X.] des [X.] - an das [X.]zurückverwiesen.[X.]: 1.663 Gründe:[X.] Klägerin macht Schadensersatz wegen nicht zurückgegebener [X.] geltend.Sie überließ dem Beklagten, der bei der Veranstaltung "[X.] in Flam-men" vom 5. bis 6. Mai 2000 mehrere Getränkestände betrieb, 10.752 [X.] sowie mehrere Transportboxen. [X.] sollte dieKlägerin diese am Ende der Veranstaltung (zwischen 0.00 Uhr und 1.00 Uhr) anden Ständen abholen. Da die Klägerin zur Abholung nicht erschien, stellte [X.] gegen 4.15 Uhr Becher und Boxen zur Abholung bereit und verließ- 3 -den Veranstaltungsort. Die Klägerin verlangt Ersatz für nicht zurückgegebene13 Transportboxen mit 4.180 Bechern. Der Beklagte erkennt lediglich eineFehlmenge von 763 Bechern an und verlangt im Wege der Widerklage die ge-leistete Kaution zurück.Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 699,03 n-sen verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Das [X.] hat die Beru-fung des Beklagten als unzulässig verworfen, weil die Begründung nicht [X.] des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsprochen habe. Die Berufungenthalte u.a. die neue Behauptung, die Mitarbeiter der Klägerin seien in [X.] vom 5. auf den 6. Mai 2000 plötzlich wie vom Erdboden [X.], und benenne dafür einen neuen Zeugen. Zu einer ordnungsgemäßenBerufungsbegründung im Sinne des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO gehörenicht nur die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel, sondernauch die Bezeichnung von Tatsachen, aufgrund derer die neuen Angriffs- [X.] nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen seien. Aus der [X.] gehe nicht hervor, daß die Verspätung nicht auf Nachlässig-keit beruhe. Der Beklagte sage nicht, was er in den vergangenen zwei Jahrenunternommen habe, um zu ermitteln, daß die Mitarbeiter plötzlich wie vom [X.] verschwunden gewesen seien. Zu solchen Nachforschungen habe [X.]. Im übrigen wäre die Berufung auch nicht begründet, wenn der neueSachvortrag als wahr unterstellt werde. Selbst wenn die Mitarbeiter der Klägerinplötzlich wie vom Erdboden verschwunden gewesen seien, folge daraus nochkein Annahmeverzug der Klägerin. Seinen Angaben zufolge habe der Beklagteden Festplatz schon um 4.15 Uhr verlassen. Nach den Bekundungen des Zeu-gen [X.]stehe aber fest, daß die Mitarbeiter der Klägerin ca. 170.000 [X.] einsammeln müssen und dies bis 7.00 Uhr morgens gedauert habe. [X.] Uhr habe der Beklagte deshalb noch nicht davon ausgehen dürfen, daßdie Mitarbeiter der Klägerin nicht zurückkämen, um die restlichen Becher abzu-- 4 -holen. Er habe keinen Anspruch darauf gehabt, daß die Becher von seinenStänden zuerst eingesammelt würden, sondern habe sich darauf einstellenmüssen, daß er zu den Letzten gehöre.Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.[X.] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Dem steht nicht entgegen, daß der Wert dergeltend gemachten Beschwer 20.000 nach § 26 Nr. 8 EGZPO nur für die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbe-schwerde nach § 544 ZPO und kann auf die Rechtsbeschwerde gegen einendie Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß nicht entsprechend ange-wendet werden ([X.], Beschluß vom 19. September 2002 - [X.], 132, 133). Sie ist zulässig nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da siegrundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieserNorm kommt einer Rechtssache dann zu, wenn eine Rechtsfrage zu entschei-den ist, die klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist [X.] abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen [X.] Handhabung des Rechts berührt ([X.], Beschluß vom 4. Juli 2002 - [X.]/02 - NJW 2002, 2957). Die Frage, welche Anforderungen an eine ordnungs-gemäße Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO zustellen sind, ist höchstrichterlich nicht geklärt. An der Entscheidung dieser [X.] besteht ein erhebliches Allgemeininteresse.- 5 -2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufung des Beklagtenenthalte keine ausreichende Begründung und sei deshalb unzulässig, hält einerrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat [X.] Anforderungen an eine Begründung für eine zulässige Berufung gestellt.a) Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO in der bis 31. Dezember 2001 geltendenFassung mußte die Berufung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen an-zuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen [X.], Beweismittel und [X.], die die Partei zur [X.] Berufung anzuführen hat, enthalten. Die Mindestanforderungen an eineBerufungsbegründung waren in der Rechtsprechung geklärt. Es bestand Einig-keit, daß formularmäßige Sätze und allgemeine Redewendungen nicht genüg-ten ([X.], Urteil vom 24. Januar 2000 - [X.] - NJW 2000, 1576). [X.] mußte auf den zur Entscheidung stehenden Streitfall zugeschnittensein und erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründendas angefochtene Urteil unrichtig sei ([X.], Beschluß vom 10. Juli 1990 - [X.] - NJW 90, 2628). [X.] nur Rechtsausführungen angegriffen, [X.] die eigene Rechtsansicht dargelegt werden ([X.], Urteil vom 5. [X.] - [X.] - [X.], 177); es reichte nicht aus, die Auffassung [X.] als falsch oder die Anwendung einer bestimmten Vorschrift als [X.] rügen ([X.], Urteil vom 9. März 1995 - [X.] - [X.], 1560). [X.] tatsächliche Feststellungen mußte eingegangen werden([X.], Beschluß vom 6. März 1997 - [X.] - [X.], 682). Daß [X.] in der formell ordnungsgemäßen Berufungsbegründung tatsäch-lich oder rechtlich neben der Sache lagen, machte die Berufung nicht unzuläs-sig ([X.], Urteil vom 27. Mai 1964 - [X.] - [X.], 949; [X.]/[X.] ZPO 23. Aufl. § 520 Rdn. 34). Weder die Schlüssigkeit noch [X.] die Vertretbarkeit der Begründung waren [X.] -([X.], Urteil vom 4. Oktober 1999 - [X.] - [X.], 3784; [X.]/[X.] aaO).b) § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO konkretisiert gegenüber § 519Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsgründe.Die Neufassung trägt der verstärkten Funktionsdifferenzierung zwischen [X.] zweiter Instanz Rechnung. Da die Berufung - abweichend von ihrer bisheri-gen Funktion als vollwertige zweite Tatsacheninstanz - nunmehr in erster Linieein Instrument zur Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung sein soll, muß sichsinnvollerweise auch der Inhalt der Berufungsbegründung an dieser Zielsetzungorientieren. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO sind auf das Prüfungspro-gramm des § 513 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugeschnitten,§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO auf das des § 513 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 529Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 ZPO (Musielak/[X.] ZPO 2. Aufl. § 520 Rdn. 29, 30).Da das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten [X.] festge-stellten Tatsachen grundsätzlich gebunden ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), mußdie Berufung, die den festgestellten Sachverhalt angreifen will, eine Begrün-dung dahin enthalten, warum die Bindung an die festgestellten Tatsachen aus-nahmsweise nicht bestehen soll. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 ZPO regelndiese Anforderungen näher. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muß der [X.] konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der [X.] Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil be-gründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Nach § 520 Abs. 3Satz 2 Nr. 4 ZPO muß er, wenn er neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vor-bringen will, dartun, warum er diese nicht bereits in erster Instanz geltend ge-macht hat. Diese Ausrichtung der Begründung am jeweiligen Berufungsangriffbedeutet aber keine qualitative Erhöhung, sondern lediglich eine Präzisierungder Berufungsanforderungen, soweit es die Zulässigkeit der Berufung betrifft.Eine Verschärfung kann weder dem Gesetzestext noch den Materialien [X.] -nommen werden. Eher ist das Gegenteil der Fall. Während § 519 Abs. 3 Nr. 2ZPO a.F. die "bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden [X.]" verlangte, läßt § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO jetzt die "Be-zeichnung der Umstände" genügen, aus denen sich die Rechtsverletzung undderen Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Nach der Geset-zesbegründung sollen damit die Anforderungen an den Inhalt der Rüge falscherRechtsanwendung sogar gesenkt werden (BT-Drucks. 14/4722 [X.]). Auch [X.] zur Zivilprozeßordnung gehen einhellig nicht von einer Erhöhungder Anforderungen aus. Sie orientieren sich vielmehr ohne nähere Begründungan den Anforderungen, die die Rechtsprechung zu § 519 Abs. 2 Nr. 2 a.F. ZPOaufgestellt hat (MünchKomm-ZPO 2. Aufl. [X.] - [X.] § 520 Rdn. 49 f.; [X.]/[X.] ZPO 61. Aufl. § 520 Rdn. 22 f.;Thomas/[X.] ZPO 24. Aufl. § 520 Rdn. 20 f.; Musielak/[X.] ZPO 3. Aufl. § 520Rdn. 28 f.). [X.]/[X.] (ZPO 23. Aufl. § 520 Rdn. 27 f.) verweist darauf,daß nach der Gesetzesbegründung die Anforderungen an die Rüge falscherRechtsanwendung gesenkt worden seien. Auch der Senat ist der Auffassung,daß sich die Begründungsanforderungen nicht erhöht haben, soweit es um [X.] der Berufung geht.c) Den danach zu stellenden Anforderungen an eine ausreichende Be-rufungsbegründung ist der Beklagte gerecht geworden. Mit der Benennung [X.] [X.]hat der Beklagte ein neues Verteidigungsmittel benannt. Er hatdargelegt, warum er die Zeugin nicht bereits in erster Instanz angeboten hat. [X.] ausgeführt, er sei nach der Aussage des Zeugen [X.]davon ausgegangen,daß die Mitarbeiter der Klägerin durchgehend bis 7.00 Uhr am Festplatz [X.] gewesen seien. Erst nach Einlegung der Berufung habe er von der Zeugin[X.]erfahren, daß die Mitarbeiter der Klägerin tatsächlich verschwunden ge-wesen seien und es deshalb zahlreiche Beschwerden auch anderer [X.] habe. Damit hat der Beklagte konkrete Anhaltspunkte vorgetragen, die- 8 -Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteilbegründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 520 Abs. 3Satz 2 Nr. 3 ZPO), und er hat zugleich damit auch vorgetragen, warum dasneue Verteidigungsmittel zuzulassen sei (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 i.V. mit§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Das erfüllt die formellen Anforderungen an eine Be-rufungsbegründung. Ob die Verspätung tatsächlich auf einer Nachlässigkeit [X.] beruht oder nicht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), ist eine Frage der Be-gründetheit des Rechtsmittels. Da bereits dieser in ordnungsgemäßer Weisevorgebrachte Berufungsangriff ausreicht, um die Berufung zulässig zu machen,kommt es auf die Ausführungen des [X.]s zur Frage eines Verstoßesgegen die Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht mehr [X.] Soweit das Berufungsgericht hilfsweise Ausführungen zur Begründet-heit gemacht hat, gelten diese als nicht geschrieben ([X.]Z 11, 222, 224), da-mit Gegenstand und Umfang der Rechtskraft nicht im Ungewissen bleiben.4. Der angefochtene Beschluß kann daher keinen Bestand haben. [X.] war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1ZPO).Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Das [X.] geht davon aus, nach den Bekundungen des Zeugen [X.]stehefest, daß die Mitarbeiter der Klägerin bis gegen 7.00 Uhr morgens Becher ein-gesammelt haben. Demgegenüber hat der Beklagte die [X.]und[X.] zum Beweis dafür angeboten, daß die Mitarbeiter der Klägerin in [X.] verschwunden gewesen seien und es deshalb zu zahlreichen [X.] anderer Teilnehmer gekommen sei. Das [X.] wird die [X.] vernehmen und sich anhand des gewonnenen Beweisergebnisses [X.] vorlegen müssen, ob die Voraussetzungen für einen Annahmeverzug- 9 -vorliegen und dem Beklagten die [X.] nach § 300 Abs. 1BGB zugute kommen.Hahne[X.][X.][X.]Vézina

Meta

XII ZB 165/02

28.05.2003

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2003, Az. XII ZB 165/02 (REWIS RS 2003, 2887)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2887

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