Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2004, Az. VI ZR 230/03

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2893

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03 Verkündet am: 8. Juni 2004 [X.], Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja

[X.]R: ja

ZPO (2002) §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 531 Abs. 1 Nr. 1 a) [X.] sich ein vom erstinstanzlichen Gericht eingeholtes Gutachten eines Sach-verständigen nicht mit allen entscheidungserheblichen Punkten, hat das [X.] von Amts wegen auf eine Vervollständigung des Gutachtens hinzu-wirken. b) Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich aus einer fehlerhaften Rechtsanwendung ergeben. c) Einem erstmals in zweiter Instanz gestellten Antrag auf Anhörung eines Sachver-ständigen gemäß §§ 402, 397 ZPO hat das Berufungsgericht stattzugeben, wenn - 2 - er entscheidungserhebliche Gesichtspunkte betrifft, die das Gericht des ersten Rechtszugs aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der Rechtslage übersehen hat.
[X.], Urteil vom 8. Juni 2004 - [X.]/03 - OLG Koblenz
LG Trier

- 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.], den Richter [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 7. Juli 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 31. Oktober 1991 geltend, bei dem der Beklagte zu 1 mit seinem bei der [X.] zu 2 haftpflichtversicherten PKW auf den von der Klägerin gesteuer-ten PKW aufgefahren ist. Die volle Haftung der [X.] ist zwischen den [X.] unstreitig. Die Klägerin erlitt ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Die Beklagte zu 2 zahlte deshalb vorprozessual ein Schmerzensgeld von 2.800 DM. - 4 - Die [X.]en streiten darum, ob die [X.] auch für die von der Kläge-rin geltend gemachten Beschwerden einzustehen haben, soweit diese über den 31. Dezember 1991 hinaus andauerten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Beschwerden seien ins-gesamt unfallbedingt. Sie hat ein angemessenes Schmerzensgeld, Ersatz ihres materiellen Schadens in Höhe von 46.826,09 DM sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung der [X.] hinsichtlich aller weiteren Schäden aus dem Unfall gefordert. Das [X.] hat der Klägerin über den vorprozessual bezahlten [X.] hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von 613,55 • nebst Zinsen zugespro-chen und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin unter Beibehaltung der Anträge im übrigen über die gezahlten und erstinstanz-lich zuerkannten Beträge hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 16.000 DM begehrt. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus der Berufungsinstanz weiter. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Klägerin durch den Unfall verletzt wurde und ihre Beschwerden bis Dezember 1991 unfallbedingt waren. Sie habe jedoch nicht bewiesen, daß der Unfall auch Ursache ihrer [X.] nach Dezember 1991 sei. Das [X.] habe zwar nicht berücksichtigt, daß diese Frage nach § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen sei. Auch nach diesem [X.] lasse sich aber eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß - 5 - der Unfall ursächlich für die Beschwerden gewesen sei, nicht feststellen. Als Ursache der Beschwerden komme auch eine degenerative Veränderung der Wirbelsäule in Betracht. Die unspezifischen Beschwerden der Klägerin könnten im Zusammenhang mit einer Halswirbelsäulenverletzung auftreten, ließen [X.] nicht hinreichend sicher auf eine solche Verletzung schließen. Eine über-wiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Unfall ursächlich für die [X.] gewesen sei, ergebe sich aus dem Gutachten nicht. Die erstmals mit der Berufungsbegründung beantragte Ladung des Sachverständigen sei nicht ge-boten gewesen. Das Gutachten sei widerspruchsfrei, nachvollziehbar und über-zeugend. Das [X.] habe daher zu einer Ladung des Sachverständigen von Amts wegen keinen Anlaß gehabt. [X.] eine [X.] es, in erster In-stanz die Anhörung des Sachverständigen zu beantragen, könne sie das wegen § 531 Abs. 2 ZPO nicht in der Berufung nachholen. I[X.] Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtli-chen Überprüfung nicht stand. 1. Allerdings beanstandet die Revision ohne Erfolg, das Berufungsurteil genüge nicht den Anforderungen an die Sachverhaltsdarstellung im [X.] nach neuem Recht (§ 26 Nr. 5 EGZPO; § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). a) Hiernach bedarf es keines förmlichen Tatbestandes. An dessen Stelle muß das Berufungsurteil jedoch auf die tatsächlichen Feststellungen im [X.] Urteil Bezug nehmen und eine Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen enthalten. Ohne solche ausreichenden tatbestandlichen [X.]en fehlt dem Berufungsurteil die für die revisionsrechtliche Nachprüfung - 6 - nach den §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage. Gleiches gilt für tatbestandliche Darstellungen, die derart widersprüchlich, un-klar oder lückenhaft sind, daß sie die tatsächlichen Grundlagen der Entschei-dung nicht mehr zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. [X.] 156, 97, 99; [X.], Urteile vom 7. November 2003 - [X.]/03 - [X.], 894, 895 und vom 6. Juni 2003 - [X.] - NJW-RR 2003, 1290, 1291). In diesen Fällen ist das Berufungsurteil grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben (vgl. [X.] vom 10. Februar 2004 - [X.] ZR 94/03 - NJW 2004, 1389, 1390 m.w.[X.], zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt; [X.], Urteil vom 22. Dezember 2003 - [X.]II ZR 122/03 - [X.]Report 2004, 474, 475; vgl. zum früheren Recht Senats-urteil [X.] 73, 248). Von einer Aufhebung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sich die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entschei-dung hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen ergeben. Diese Grundätze gelten auch für ein Berufungsurteil, das - wie im Streitfall - die Revision nicht zuläßt, aber der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegt (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2003 - [X.] ZR 438/02 - [X.], 259, 260). b) Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen. Es enthält zwar keine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im [X.]. Eine solche war aber entbehrlich, weil die tatsächlichen [X.] erster Instanz neben den Änderungen und Ergänzungen im [X.] ausreichend wiedergegeben werden. Eine ausdrückliche Bezugnahme ist nicht zwingend erforderlich. § 540 ZPO soll die Berufungsgerichte von Schreib-arbeit entlasten und erlaubt dazu eine Bezugnahme ohne eine eigene [X.] zu verbieten (vgl. Begründung der Beschlüsse des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 [X.]; wie hier [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 25. Aufl., § 540 Rdn. 1; a.[X.] in: [X.]/[X.], [X.], 2002, § 540 Rdn. 6). Die Möglichkeit revisionsrechtlicher Überprüfung wird im Streitfall nicht beeinträchtigt. - 7 - 2. Die Revision beanstandet aber mit Erfolg, daß das Berufungsgericht gegen §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO verstoßen hat. Das [X.] hatte seiner Entscheidung wie schon seinem [X.] § 286 ZPO statt § 287 ZPO und damit das falsche [X.] zugrunde gelegt. Das vom [X.] eingeholte Gutachten enthält zu der [X.] Frage, ob der [X.] zwischen dem Unfall und den andauernden Beschwerden der Klägerin überwiegend wahrscheinlich ist, keine Angaben. Es war daher unvollständig. Das Berufungsgericht hat das erkannt, hat aber das Gutachten dennoch seiner Entscheidung zugrunde gelegt (s.u. zu a)). Eine Ergänzung durch weitere Begutachtung oder durch eine Anhörung des Sachverständigen war bei fehlerfreier Rechtsanwendung bereits in erster Instanz erforderlich, ist aber unterblieben. Der Verstoß des [X.]s gegen § 287 ZPO begründete Zweifel an der Richtigkeit seiner Feststellungen zur Kausalität gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine Vervollständigung des Gut-achtens durch das Berufungsgericht von Amts wegen erforderten (§ 411 Abs. 3 ZPO; s.u. zu b)). Der entsprechende Antrag der Klägerin in der [X.] war nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen (s.u. zu c)). Im einzelnen: a) Das Berufungsgericht geht im Ansatzpunkt ohne Rechtsfehler davon aus, daß die Frage, ob die nach Dezember 1991 noch vorhandenen [X.] der Klägerin auf dem Unfall oder dem unfallbedingten HWS-Schleudertrauma beruhten, unter Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO zu beant-worten ist. Diese Frage nach dem Umfang des eingetretenen Schadens ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität. Der Tatrichter unterliegt insoweit nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO, sondern ist nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt (st.Rspr., vgl. Senatsurteile vom 21. Oktober 1986 - [X.] ZR 15/85 - [X.], 310; vom 20. November 2001 - [X.] ZR 77/00 - [X.], 200, 201; vom 28. Januar 2003 - [X.] ZR 139/02 - [X.], 474, - 8 - 476; vom 4. November 2003 - [X.] ZR 28/03 - [X.], 118, 119). Zwar kann er auch die haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von dem [X.] überzeugt ist. An das zur Überzeugungsbildung [X.] [X.] werden aber geringere Anforderungen gestellt. Es ge-nügt je nach Lage des Einzelfalles eine höhere oder deutlich höhere Wahr-scheinlichkeit (vgl. Senatsurteile [X.] 149, 63, 66; vom 21. Oktober 1986 - [X.] ZR 15/85 - [X.]O; vom 22. September 1992 - [X.] ZR 293/91 - [X.], 55, 56; vom 28. Januar 2003 - [X.] ZR 139/02 - [X.]O). Gleichwohl konnte das Berufungsgericht auf der Grundlage des erstin-stanzlich eingeholten Gutachtens die haftungsausfüllende Kausalität nicht ohne weitere Sachaufklärung verneinen. Das interdisziplinäre Gutachten der Sach-verständigen befaßt sich nicht mit der Frage, ob eine nach § 287 ZPO ausrei-chende (überwiegende) Wahrscheinlichkeit des [X.]s be-steht, sondern ausschließlich mit der naturwissenschaftlichen Nachweisbarkeit des [X.]s. Die Sachverständigen waren, worauf die Revi-sion zutreffend hinweist, im [X.] des [X.]s auch nur hierzu befragt worden. Die hierdurch bedingte Unvollständigkeit des Gutachtens kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen, weil sie auf der fehlerhaften Anwendung des [X.]es durch das [X.] beruht. b) Unter diesen Umständen beanstandet die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht gegen § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO verstoßen hat, weil es keine Vervollständigung des Gutachtens veranlaßt hat. [X.]) Das interdisziplinäre Gutachten der Sachverständigen befaßt sich - wie bereits erwähnt - nicht mit der für § 287 ZPO ausreichenden (überwiegen-den) Wahrscheinlichkeit, sondern mit der naturwissenschaftlichen Beweisbar-keit des [X.]s. - 9 - [X.]) Das Berufungsgericht durfte die auf Grund dieses Gutachtens getrof-fenen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen. Zwar ist ein Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten [X.] festgestellten Tatsachen gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO). (1) Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare recht-liche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. [X.] subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschlie-ßen (vgl. [X.] [X.]O, § 529 Rdn. 20; [X.]/[X.], 2. Auflage, § 529 Rdn. 11 f.; Musielak/Ball, ZPO, 3. Auflage, § 529 Rdn. 9 f.; [X.]/[X.]/[X.], [X.]O, § 529 Rdn. 3; [X.], [X.] zum [X.], 2003, 11, 15; derselbe, NJW 2002, 1897, 1900 f.). Konkrete Anhaltspunkte können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der [X.]en oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 62. Aufl., § 529 Rdn. 4; [X.], [X.]O, Rdn. 20 f., 26; [X.]/Ball, [X.]O, Rdn. 9 f.; [X.]/[X.]/[X.], [X.]O, Rdn. 2; Begründung der Beschlüsse des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 123), aber auch aus Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - [X.] ZR 199/03 -; [X.], Ur-teile vom 12. März 2004 - [X.]/03 - [X.], 845, 846; vom 19. März 2004 - [X.]/03 - je zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt; Begründung des [X.]. 14/4722, S. 100; [X.]/[X.], [X.]O, § 529 Rdn. 12; [X.], NJW-- 10 - Sonderheft [X.]O, 11, 15; derselbe, NJW 2002, 1897, 1901; [X.], NJW 2003, 169, 171). [X.] Tatsachenfeststellungen auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen, kann auch die Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - [X.] ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Musielak/Ball, [X.]O, § 529 Rdn. 18; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). Hiernach begründeten im Streitfall konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Vollständigkeit der Feststellungen: Das angefochtene Urteil zeigt die Verkennung der Rechtslage durch das [X.] und die darauf beruhende Verkürzung der Beweiserhebung auf. Das Berufungsgericht führt dazu ohne Rechtsfehler aus, das [X.] habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß § 287 ZPO geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung stelle. Die Unvollständigkeit der Begutachtung ergibt sich hieraus unmittelbar. (2) Das hätte beim Berufungsgericht Zweifel an der Vollständigkeit und an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landge-richts zur Kausalität wecken müssen. Solche Zweifel sind bereits dann begrün-det, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhe-bung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2003 - [X.] ZR 361/02 - [X.]O und vom 8. Juni 2004 - [X.] ZR 199/03 - zum Abdruck in [X.] vorgesehen; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 24. Auflage, § 529 Rdn. 3; [X.], [X.]O, § 529 Rdn. 29; vgl. [X.] des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124; geringere [X.]: [X.]/Aktualisierungsband-[X.], [X.]O, § 529 - 11 - Rdn. 21; derselbe, NJW 2002, 1897, 1902 f. und [X.] [X.]O, 11, 16; vgl. auch [X.], 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluß vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524; kritisch [X.] NJW 2003, 2882, 2883). Die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden. Es genügt, wenn das [X.] aufgrund konkreter Anhaltspunkte in einer rational nachvollziehba-ren Weise zu "vernünftigenfi Zweifeln kommt, das heißt, zu Bedenken, die so gewichtig sind, daß sie nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden können (vgl. [X.], [X.]O, § 529 Rdn. 29; Begründung des [X.]. 14/6036 [X.]). Diese Voraussetzungen sind hier zu bejahen. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß das [X.] bei Anwendung des § 287 ZPO zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die zahlreich vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen wie auch das Gutachten halten nämlich zum Teil einen Ursa-chenzusammenhang mit dem Unfall für möglich oder wahrscheinlich. (3) Eine ergänzende Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht war nach allem erforderlich. Eine erneute Prüfung und Entscheidung ist immer ge-boten, wenn - wie im Streitfall - die konkrete Möglichkeit eines anderen Beweis-ergebnisses besteht (so auch [X.], Urteil vom 12. März 2004 - [X.]/03 - [X.]O 847, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; [X.], [X.]O, § 529 Rdn. 28; Begründung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124). Die Verpflichtung zu ergänzenden Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO) ergibt sich hier aus dem Umstand, daß ein unvollständiges Gutachten keine Entscheidungsgrundlage sein kann (st.Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 16. Januar 2001 - [X.] ZR 408/99 - VersR 2001, 783 und vom 27. März 2001 - [X.] ZR 18/00 - VersR 2001, 859, 860 - jeweils m.w.[X.]). Ein Antrag der Klägerin war daher nicht erforderlich. Zudem lag hier ein solcher Antrag auf Anhörung des Sachverständigen vor. - 12 - c) Unter diesen Umständen rügt die Revision auch mit Erfolg, daß die beantragte Anhörung des Sachverständigen unterblieben ist. Die Zurückwei-sung dieses Antrags beruht auf einer fehlerhaften Anwendung des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Verweigerung der Zulassung neuen Vortrags kann vom Revisions-gericht überprüft werden (vgl. [X.] 12, 49, 52; [X.], Urteil vom 9. März 1981 - [X.]II ZR 38/80 - NJW 1981, 2255; [X.], [X.]O, § 531 Rdn. 26; [X.]/Aktualisierungsband-[X.], [X.]O, § 530 Rdn. 34; [X.]/Ball, [X.]O, § 531 Rdn. 23, 25; [X.]/[X.]/[X.], [X.]O, § 531 Rdn. 37). Nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind neue Angriffs- und [X.] u.a. dann zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten [X.] erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. [X.]) Wie ausgeführt hat das Eingangsgericht den hier anzuwendenden [X.]stab verkannt. Das Berufungsgericht hat zwar erkannt, daß die haf-tungsausfüllende Kausalität nach § 287 ZPO zu beurteilen war. Es mußte aber auch neue Angriffsmittel, die auf eine Abklärung nach dem bisher nicht berück-sichtigten [X.]stab für die Kausalität abzielten, zulassen. [X.]) Angriffs- und Verteidigungsmittel sind alle zur Begründung des [X.] oder zur Verteidigung dagegen vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Behauptungen, Einwendungen und Einreden, sämtliches Bestreiten und alle Beweisanträge (vgl. Musielak/Ball, [X.]O, § 531 Rdn. 14, § 530 Rdn. 11; [X.]/[X.]/[X.], [X.]O, § 531 Rdn. 22; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6; [X.], [X.], 421, 428). Hierzu zählt auch der Antrag einer [X.] auf Anhörung eines Sachverständigen (§§ 402, 397 ZPO).

- 13 - Der Antrag der Klägerin auf Anhörung des Sachverständigen wurde erstmals in zweiter Instanz gestellt, war mithin neu. In der Berufungsbegrün-dung hatte die Klägerin zu der von ihr behaupteten überwiegenden Wahr-scheinlichkeit der Kausalität des Unfalls für die geltend gemachten [X.] die Anhörung des Sachverständigen beantragt. Dies genügte den [X.] an einen Antrag gemäß den §§ 402, 397 ZPO. Eine [X.], die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, muß nicht die Fragen, die sie an den Sachverständigen richten will, im voraus konkret formulieren. [X.] ist, wenn sie angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine wei-tere Aufklärung herbeizuführen wünscht (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 2002 - [X.] ZR 353/01 - [X.], 926, 927 m.w.[X.]). cc) Die objektiv fehlerhafte Rechtsansicht des [X.]s hat den erst-instanzlichen Sachvortrag der Klägerin beeinflußt und ist (mit-)ursächlich dafür geworden, daß sich hier [X.]vorbringen in das Berufungsverfahren verlagert hat (vgl. [X.], Urteile vom 19. Februar 2004 - [X.]/03 -, z.[X.].; vom 19. März 2004 - [X.]/03 - [X.]. S. 9, zum Abdruck in [X.] bestimmt). Die fehlerhafte Rechtsauffassung des [X.]s zum [X.] (§ 286 ZPO statt § 287 ZPO) hat dazu beigetragen, daß der Antrag auf Anhö-rung des Sachverständigen erst in der Berufungsinstanz gestellt wurde. Zudem macht die Revision mit Recht geltend, die Klägerin sei dem gleichen Rechtsirr-tum unterlegen wie das [X.]; dieser habe sich in der eingeschränkten Begutachtung ausgewirkt und sei objektiv geeignet gewesen, die Klägerin im ersten Rechtszug von einem Antrag auf Anhörung zur Frage der überwiegen-den Wahrscheinlichkeit abzuhalten. Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin den Antrag aus anderen, von der rechtlichen Fehleinschätzung unabhängigen Gründen zurückgehalten hätte, liegen nicht vor. - 14 - 3. Das Berufungsurteil stellt sich schließlich nicht deshalb als richtig dar (§ 561 ZPO), weil das Berufungsgericht in eigener Würdigung des erstinstanz-lich eingeholten Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gekommen ist, auch nach den gemäß § 287 ZPO geringeren Anforderungen an die Überzeu-gungsbildung habe die Klägerin im Ergebnis den ihr obliegenden Nachweis nicht geführt. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe sich die über-wiegende Wahrscheinlichkeit nicht. Diese Feststellung ist auf der Grundlage des Gutachtens rechtsfehlerhaft zustande gekommen. Das Gutachten enthält, wie ausgeführt, zur Wahrschein-lichkeit eines [X.]s keine Aussage. Zu Feststellungen hierzu hätte es daher eigener Sachkunde des Gerichts bedurft, die es im Urteil hätte darlegen müssen. Auch im Rahmen der freien Überzeugungsbildung nach § 287 ZPO darf der Tatrichter nämlich, wenn es um die Beurteilung einer [X.] Frage geht, auf die Einholung eines [X.] nur verzichten, wenn er eine entsprechende Sachkunde aus-weist (vgl. Senatsurteile vom 22. Dezember 1987 - [X.] ZR 6/87 - [X.], 466, 467; vom 14. Februar 1995 - [X.] ZR 106/94 - [X.], 681, 682; [X.], Urteil vom 17. Oktober 2001 - [X.]/00 - VersR 2001, 1547, 1548). Unter demselben Mangel leiden die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts, in denen es dem zeitlichen Ablauf des Auftretens der Beschwerden maßgebliche Bedeutung für die Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität beimißt. Die - 15 - Revision beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe ohne sachverstän-dige Beratung keine medizinischen Rückschlüsse aus dem Krankheitsverlauf ziehen dürfen. [X.]

Pauge Zoll

Meta

VI ZR 230/03

08.06.2004

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2004, Az. VI ZR 230/03 (REWIS RS 2004, 2893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2893

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