Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2005, Az. XI ZB 36/04

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4362

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.] 36/04
vom 22. März 2005

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

ZPO (Fassung: 1. Januar 2002) §§ 233 Ff, 520

[X.] der [X.] ist nicht gerechtfertigt, wenn der Prozeßbevollmächtigte des [X.] die ihm gegenüber erklärte, gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO [X.] Einwilligung des Gegners in dem Verlängerungsantrag nicht erwähnt.

[X.], Beschluß vom 22. März 2005 - [X.] 36/04 - OLG [X.]

LG [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.], Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] Appl und [X.]

am 22. März 2005

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den [X.] des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlan-desgerichts in [X.] vom 8. Juli 2004 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert beträgt 161.587,18 •.

Gründe:
[X.]

Der Kläger hat gegen das seine Klage abweisende Urteil des [X.] fristgerecht Berufung eingelegt. Auf seinen ersten - ohne Zustimmung des Beklagten gestellten - Antrag hat der Vorsitzende des zuständigen Zivilsenats die Begründungsfrist um einen Monat bis zum 26. Mai 2004 verlängert. Am 26. Mai 2004 um 17.25 Uhr reichte der Pro-zeßbevollmächtigte des [X.] per Telefax einen zweiten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen weiteren Monat bis zum 26. Juni 2004 ein, den er mit Arbeitsüberlastung begründete. - 3 -

[X.] lehnte diesen Antrag am 1. Juni 2004 ab, weil die gemäß § 520 Abs. 2 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners nicht binnen der am 26. Mai 2004 abgelaufenen Frist dargetan worden sei. Diese Verfügung wurde dem Prozeßbevollmächtigen des [X.] am 15. Juni 2004 zugestellt, der mit Telefax vom 17. Juni 2004 die schriftli-che Einverständniserklärung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 26. Mai 2004 vorlegte.

Am 29. Juni 2004 hat der Kläger seine Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe auf die Gewährung der beantragten Fristverlän-gerung vertrauen dürfen, weil die Zustimmung des gegnerischen [X.] objektiv vorgelegen habe. Daß dem Gericht im [X.] vom 26. Mai 2004 diese Zustimmung nicht mitgeteilt und die [X.] nicht [X.] worden sei, beruhe darauf, daß die zuständige und sonst immer zuverlässige Bürokraft seines [X.] die ihr insofern erteilte [X.] versehentlich nicht beachtet habe. Sie sei angewiesen worden, den [X.] zu schreiben und auf das vorliegende Einverständnis der Gegenseite hinzuweisen sowie den [X.] vorab per Telefax unter Beifügung der Einverständniserklärung abzusenden. Sein Prozeßbevollmächtigter habe den [X.] im Vertrauen darauf unterzeichnet, daß er ordnungsgemäß vorbereitet worden sei.

Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurück-gewiesen und gleichzeitig die Berufung wegen Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist verworfen. Zur Begründung hat es im wesentli-- 4 [X.] ausgeführt, der Kläger sei nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Insbesondere könne der Kläger seinen Wiedereinsetzungsantrag nicht darauf stützen, daß er mit der Ablehnung seines zweiten [X.]es nicht habe rechnen müssen. Da die Berufungsbegründungsfrist bereits erstmals um einen Monat verlängert gewesen sei, sei für eine weitere Fristverlängerung nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Einwilligung des Gegners notwendig gewesen. Nachdem der Kläger das Vorliegen dieser unverzichtbaren Voraussetzung für eine erneute Fristverlängerung nicht vorgetragen habe - und zwar weder bis zum Fristablauf noch bis zur Ent-scheidung des Vorsitzenden vom 1. Juni 2004 -, sei die Ablehnung des [X.]es zu Recht erfolgt. Die Verfügung des [X.] werde nicht dadurch gesetzeswidrig, daß dem Kläger die Einwil-ligung des Gegners tatsächlich bei Stellung des Fristverlängerungsan-trages vorgelegen habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden, weil der Prozeßbevollmächtigte des [X.] es zu vertreten habe, daß die vorliegende Zustimmung des Gegners im Antrag weder erwähnt noch diesem beigefügt worden sei.

Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die Aufhebung die-ses Beschlusses und die Bewilligung von Wiedereinsetzung in den [X.].

I[X.]

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die - 5 - Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbe-schwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden [X.] gewahrt sein müssen (Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - [X.] 39/03, [X.], 1407, 1408 m.w.Nachw. zur [X.] in [X.]Z 159, 135 vorgesehen und vom 9. November 2004 - [X.] 6/04, NJW 2005, 72, 73 m.w.Nachw. zur [X.] in [X.]Z vorgese-hen), sind nicht erfüllt.

1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat die [X.] keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde formuliert zwar die für grundsätzlich gehaltene Zulas-sungsfrage, ob —einem Berufungskläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren ist, wenn bei einem rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellten [X.] die nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners tatsächlich vorliegt und diese nur aufgrund eines Versehens einer Büroangestellten dem Gericht nicht [X.] wirdfi. In Rechtsprechung und Literatur ist aber bereits geklärt, daß ein berechtigtes Vertrauen auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung die Vollständigkeit des [X.] voraus-setzt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Oktober 1992 - [X.], NJW 1993, 134, 135 und vom 4. Dezember 1997 - [X.], NJW-RR 1998, 573, 574; [X.]/[X.], ZPO 22. Aufl. § 233 Rdn. 33 Stichwort Fristverlängerung; [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. § 233 Rdn. 23 Stichwort Fristverlängerung; Musielak/[X.], ZPO 4. Aufl. § 233 Rdn. 28; jeweils m.w. Nachw.). Dazu gehört, wie das [X.] zu Recht angenommen hat, die Darlegung der Einwilligung des Gegners (vgl. [X.]/[X.], [X.]. - 6 - Rdn. 142; [X.]/Schütze/[X.], ZPO 3. Aufl. § 520 Rdn. 37), wenn dieser sie nicht unmittelbar gegenüber dem Gericht erklärt hat.

2. Eine Entscheidung des [X.] ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die ange-fochtene Entscheidung verletzt kein Verfahrensgrundrecht des [X.] (vgl. [X.]Z 154, 288, 296 zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; [X.] vom 11. Mai 2004 - [X.] 39/03, [X.], 1407, 1408 m.w.Nachw., zur [X.] in [X.]Z 159, 135 vorgesehen).

a) Das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats-prinzip) verbietet es den Gerichten, den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren ([X.] 41, 323, 326 f.; 41, 332, 334 f.; 69, 381, 385; [X.] NJW 2001, 2161, 2162 und NJW 2005, 814, 815; [X.]Z 151, 221, 227). Deshalb darf ein Gericht einer [X.] die Wiedereinsetzung in den [X.] nicht aufgrund von überspannten Anforderungen an die Sorg-faltspflichten ihres Prozeßbevollmächtigten versagen, die nach höchst-richterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen die [X.] auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angeru-fenen Gerichts nicht rechnen mußte ([X.] 79, 372, 376 f.; [X.] NJW-RR 2002, 1004; [X.]Z 151, 221, 227 f.; [X.], Beschluß vom 13. Mai 2003 - [X.], [X.], 1271).

Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht versto-ßen. Insbesondere hat es die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts - 7 - zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstan-dender Weise überspannt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ent-spricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des [X.]. Danach darf ein Rechtsanwalt die Anfertigung von Rechtsmittelschriften nicht seinem Büropersonal überlassen, ohne das Arbeitsergebnis auf Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen ([X.], [X.] vom 20. Februar 1995 - [X.], NJW 1995, 1499; Urteil vom 1. Dezember 1997 - [X.], NJW 1998, 908; jeweils m.w.Nachw.). Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung der Berufungsbegründungs-frist ([X.], Beschluß vom 11. Februar 1998 - [X.], NJW 1998, 2291, 2292). Der Prozeßbevollmächtigte des [X.] kann sich deshalb zu seiner Entschuldigung nicht darauf berufen, die Büroangestellte, die die Antragsschrift geschrieben habe, habe die Einwilligung des Gegners versehentlich nicht erwähnt. Dies entlastet den Prozeßbevollmächtigten des [X.] nicht, weil er die Antragsschrift nicht selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft hat.

b) Der angefochtene Beschluß verletzt auch nicht die Ansprüche des [X.] auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechts-staatsprinzip (vgl. hierzu [X.] 93, 99, 113; [X.] NJW 2005, 814, 815; Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - [X.] 39/03, [X.], 1407, 1409, zur [X.] in [X.]Z 159, 135 vorgesehen). Es ist verfas-sungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den [X.] des [X.] nicht bereits vor der Bescheidung sei-nes [X.] darauf hingewiesen hat, daß in diesem [X.] die erforderliche Einwilligung des Gegners nicht erwähnt war. Einen gerichtlichen Hinweis, der ihm die Vorlage der Einwilligung des Gegners - 8 - noch innerhalb der am 26. Mai 2004 ablaufenden Frist ermöglicht hätte, konnte der Prozeßbevollmächtigte des [X.] nicht erwarten, weil er den Verlängerungsantrag erst so spät gestellt hatte, daß mit seiner Vor-lage an den Vorsitzenden nicht mehr innerhalb der Frist zu rechnen war. Der Prozeßbevollmächtigte des [X.] durfte auch nicht darauf [X.], der Vorsitzende werde selbst ermitteln, ob die Einwilligung des [X.] vorliege. Hierzu bestand kein Anlaß, weil der Antragsschrift nicht zu entnehmen war, daß der Gegner bereits von dem Verlängerungsantrag unterrichtet worden war. Der Vorsitzende mußte deshalb nicht die fern liegende Möglichkeit in Erwägung ziehen, der Prozeßbevollmächtigte des [X.] habe die Einwilligung des Gegners zwar eingeholt, aber in der Antragsschrift nicht erwähnt. Er konnte vielmehr davon ausgehen, der Prozeßbevollmächtigte des [X.] habe das [X.] übersehen. Ob eine Fristverlängerung noch zulässig gewesen wäre, wenn die vor Fristablauf erteilte Einwilligung dem Vorsitzenden nach Fristablauf, aber noch vor seiner Entscheidung über den [X.] bekannt geworden wäre, kann dahinstehen. Entscheidend ist, daß der Prozeßbevollmächtigte des [X.] mangels Darlegung der Einwilli-gung auf die Gewährung der Fristverlängerung nicht vertrauen durfte. - 9 - II[X.]

[X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Joeres [X.]

[X.]

Appl

Ellenberger

Meta

XI ZB 36/04

22.03.2005

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2005, Az. XI ZB 36/04 (REWIS RS 2005, 4362)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4362

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