Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.02.2016, Az. 2 BvE 6/15

2. Senat | REWIS RS 2016, 15960

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Verwerfung (a-limine-Abweisung) von Anträgen im Organstreitverfahren - Keine positive Feststellung  der Parteieigenschaft im Organstreitverfahren (Fortführung von BVerfGE 133, 100) - Mitgliedschaft eines Verfassungsrichters in einer politischen Partei stellt weder Ausschließungsgrund dar (§ 18 BVerfGG), noch begründet sie eine Besorgnis der Befangenheit (§ 19 BVerfGG)


Tenor

Das Ablehnungsgesuch gegen [X.] wird als unzulässig verworfen.

Die Anträge werden verworfen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1

Das unter anderem mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Organstreitverfahren betrifft primär den Anfang Dezember 2015 von der Bundesregierung und dem [X.] beschlossenen Einsatz bewaffneter [X.] Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die [X.] (IS).

2

1. Die Antragstellerin sieht sich als politische Partei und trägt vor, durch den Antrag der Bundesregierung vom 1. Dezember 2015 und die Zustimmung des [X.]es - im Wesentlichen mit den Stimmen der Fraktionen von [X.] und [X.] - vom 4. Dezember 2015 in ihrem "Recht auf wirksame Bindung der öffentlichen Gewalten an die verfassungsmäßige Ordnung sowie Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG" verletzt zu sein (Anträge zu 1. und zu 2.).

3

2. Mit Berichterstatterschreiben vom 15. Dezember 2015 wurde die Antragstellerin unter anderem auf Bedenken hinsichtlich ihrer Parteifähigkeit sowie der Antragsbefugnis hingewiesen.

4

3. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2015 nahm die Antragstellerin zum Berichterstatterschreiben Stellung und erweiterte ihre Organklage.

5

Sie beantragt nunmehr zusätzlich zum einen die Feststellung, dass sie eine verfassungsgemäße politische Partei gemäß Art. 21 Abs. 1 GG sei (Antrag zu 3.). Zum anderen beantragt sie, § 2 PartG wegen Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 1 bis 3 GG für verfassungswidrig zu erklären (Antrag zu 4.).

6

Darüber hinaus ist sie der Auffassung, dass der [X.] Müller durch das Berichterstatterschreiben unmittelbar die Rechte der Antragstellerin aus Art. 21 GG in Verbindung mit Art. 11 [X.] verletzt habe, weshalb er nunmehr an der Sache Beteiligter und damit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] von seiner Mitwirkung an der Entscheidung im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen sei. Die mangelnde Anerkennung der [X.] als politische Partei, die damit bereits jetzt verbundenen schwerwiegenden Folgen sowie seine Mitgliedschaft in der ebenfalls beklagten [X.] habe der Antragstellerin jegliches Vertrauen in die sachliche und persönliche Unabhängigkeit des Richters Müller genommen.

7

[X.] ist weder von Gesetzes wegen vom Verfahren ausgeschlossen (§ 18 [X.]), noch bestehen sonst Gründe zu seiner Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 19 [X.]).

8

1. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist [X.] des [X.] von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen, wenn er an der Sache beteiligt ist.

9

Mit "Sache" ist das verfassungsgerichtliche Verfahren und das diesem Verfahren unmittelbar vorausgegangene, ihm sachlich zugeordnete Ausgangsverfahren gemeint (vgl. [X.] 82, 30 <35 f.>; 133, 163 <165 f., Rn. 6>; 135, 248 <254, Rn. 15 f.>). Eine Vorbefassung in diesem Sinne bestand bei dem [X.] nicht.

Soweit die Antragstellerin die "Beteiligung" aus der Tatsache herleiten will, dass der Berichterstatter Mitglied der ebenfalls beklagten [X.] ist, bestimmt § 18 Abs. 2 [X.] ausdrücklich, dass allein ein allgemeines Interesse am Ausgang des Verfahrens, etwa aufgrund der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, keine den Ausschluss rechtfertigende "Beteiligung an der Sache" darstellt. Von [X.] ist grundsätzlich zu erwarten, dass er sich pflichtgemäß verhält und nicht von derartigen Interessen, sofern sie überhaupt berührt sind, beeinflussen lässt (vgl. [X.] 102, 192 <195 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 3. Juli 2013 - 1 BvR 782/12 -, juris, Rn. 6).

2. Das Vorbringen der Antragstellerin gegen [X.] ist jedoch als Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 19 [X.] auszulegen. Dieses Gesuch ist offensichtlich unzulässig, weil es lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind. Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters; dieser ist auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. nur [X.] 11, 1 <3>).

Die Antragstellerin hat ihren Ablehnungsantrag im Wesentlichen mit der Mitgliedschaft des Berichterstatters in der [X.] und seinem Berichterstatterschreiben im vorliegenden Verfahren begründet. Dies reicht bei vernünftiger Würdigung aller Umstände nicht aus, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln: Die Zugehörigkeit eines Richters zu einer politischen Partei vermag für sich allein die Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen (vgl. [X.] 2, 295 <297>; 11, 1 <3>; 43, 126 <128>). Die im Berichterstatterschreiben gegebenen rechtlichen Hinweise liegen im Interesse einer sachgerechten Verfahrensgestaltung und sind daher ebenfalls nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. [X.] 4, 143 <144>; 42, 88 <90>; [X.], Beschluss des [X.] vom 19. August 2011 - 2 [X.] -, juris, Rn. 2).

Die Anträge im Organstreitverfahren sind unzulässig.

1. Den Anträgen zu 1. und zu 2. bleibt aus den im Schreiben des Berichterstatters vom 15. Dezember 2015 genannten Gründen der Erfolg versagt. Gemäß § 24 Satz 2 [X.] wird von einer weiteren Begründung abgesehen.

2. Die Anträge zu 3. und zu 4. sind im Organstreitverfahren nicht statthaft.

a) Das [X.] hat bereits entschieden, dass sich im [X.]gesetz keine Ansatzpunkte für die Statthaftigkeit der von der Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 3. angestrebten Feststellung ihrer Verfassungskonformität finden (vgl. [X.] 133, 100 <106, Rn. 16 f.>). Dies gilt auch für die Feststellung der Parteieigenschaft als solcher.

b) Mit dem Antrag zu 4. verfolgt die Antragstellerin ebenfalls ein unzulässiges Rechtsschutzziel. Gemäß § 67 Satz 1 [X.] stellt das [X.] im Organstreitverfahren lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstößt. Der Antrag zu 4. ist zwar formal als Feststellungsantrag formuliert, der Sache nach aber auf die Nichtigerklärung von § 2 PartG gerichtet. Das [X.] kann im Organstreitverfahren indes keine Entscheidung über die Gültigkeit einer Norm treffen (vgl. nur [X.] 24, 300 <351>).

Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Meta

2 BvE 6/15

18.02.2016

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvE

Art 21 Abs 1 GG, §§ 63ff BVerfGG, § 18 Abs 1 Nr 1 BVerfGG, § 18 Abs 2 BVerfGG, § 19 BVerfGG, § 24 S 2 BVerfGG, § 67 S 1 BVerfGG, § 2 PartG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.02.2016, Az. 2 BvE 6/15 (REWIS RS 2016, 15960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15960 BVerfGE 141, 182-186 REWIS RS 2016, 15960

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvE 6/15

Zitiert

2 BvE 3/11

1 BvR 782/12

2 BvE 6/15

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