Bundessozialgericht, Urteil vom 06.03.2013, Az. B 11 AL 12/12 R

11. Senat | REWIS RS 2013, 7619

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Gegenstand

Bemessung des Arbeitslosengeldes - Ausbildungsvergütung bei betrieblicher Ausbildung - Berücksichtigung von nur abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträumen - Abschaffung der fiktiven Bemessung ab 1.1.2005 - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Bei Arbeitslosigkeit im Anschluss an eine betriebliche Ausbildung bemisst sich das Arbeitslosengeld ab 1.1.2005 nach der bezogenen Ausbildungsvergütung. Eine fiktive Bemessung auf der Grundlage eines zu erzielenden tariflichen Arbeitsentgelts sieht das Gesetz nicht (mehr) vor.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 16. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des dem Kläger ab September 2005 bewilligten Arbeitslosengelds ([X.]).

2

Der Kläger war in der [X.] vom 2.9.2002 bis 15.7.2005 Auszubildender in einem Betrieb und erhielt eine Ausbildungsvergütung. Anschließend war er befristet bis zum [X.] als Facharbeiter im selben Betrieb beschäftigt. Am [X.] meldete er sich zum [X.] arbeitslos. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb hatte der Arbeitgeber die Ausbildungsvergütung und den Lohn für die befristete Beschäftigung bis einschließlich Juli 2005 abgerechnet. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 6.9.2005 [X.] in Höhe von 8,53 Euro täglich. Dabei legte sie als Bemessungsentgelt das vom Arbeitgeber bescheinigte Arbeitsentgelt von September 2004 bis Juli 2005 zugrunde.

3

Am [X.] rechnete der Arbeitgeber den Lohn für August 2005 ab. Der Kläger hat mit Widerspruch und Klage erfolglos begehrt, auch dieses Arbeitsentgelt zu berücksichtigen (Widerspruchsbescheid vom 17.10.2005; Urteil des [X.] vom [X.]).

4

Im Berufungsverfahren hat der Kläger nach einem rechtlichen Hinweis des Gerichts die Klage dahin erweitert, dass eine fiktive Bemessung [X.] nach dem in seinem Beruf als Facharbeiter erzielbaren Arbeitsentgelt vorzunehmen sei.

5

Das [X.] ([X.]) hat die Berufung zurückgewiesen und die weitergehende Klage abgewiesen (Urteil vom 16.2.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angegriffene Bewilligung entspreche dem seit dem 1.1.2005 geltenden Bemessungsrecht. Insbesondere sei die Beklagte zutreffend von einem Bemessungsrahmen vom 1.9.2004 bis zum [X.] ausgegangen und habe die abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume von September 2004 bis Juli 2005 zugrunde gelegt. Zum einen sei das Arbeitsentgelt für August 2005 nicht zu berücksichtigen; zum anderen sei die seit 1.9.2004 erzielte Ausbildungsvergütung als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt im Sinne des Bemessungsrechts einzubeziehen. Deswegen fehle es an einer rechtlichen Handhabe für eine fiktive Bemessung nach § 132 [X.] ([X.]). Das dem Kläger günstigere Vorgängerrecht (§ 134 Abs 2 Nr 2 [X.] alter Fassung ) sei auf den am [X.] eingetretenen Leistungsfall nicht mehr anwendbar, ohne dass dadurch eine verfassungsrechtlich geschützte Position des [X.] verletzt werde. Es stelle zwar eine Härte dar, dass er schlechter gestellt werde als in außerbetrieblichen Einrichtungen ausgebildete Personen, bei denen eine fiktive Bemessung durchgeführt werde. Eine analoge Anwendung des § 132 [X.] zugunsten des [X.] sei jedoch nicht möglich. Die unterschiedliche Bemessung bei einer betrieblichen und einer außerbetrieblichen Ausbildung sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

6

Mit der (vom [X.] zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger in erster Linie das Ziel einer fiktiven Bemessung weiter; hilfsweise begehrt er die Berücksichtigung des Lohns für August 2005. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Anspruch auf Berechnung [X.] nach einem fiktiven Bemessungsentgelt gemäß § 132 Abs 2 S 2 Nr 3 [X.] bestehe, weil er im Bemessungsrahmen an weniger als 150 Tagen Arbeitsentgelt erzielt habe. Denn die bezogene Ausbildungsvergütung sei begrifflich kein "Arbeitsentgelt". Zumindest sei § 132 [X.] analog anzuwenden, weil ab 1.1.2005 eine unbewusste Regelungslücke entstanden sei. Denn der Gesetzgeber habe eine dem § 134 Abs 2 Nr 2 [X.] in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung (aF) entsprechende Sonderregelung für Berufsanfänger vergessen. Die frühere Regelung sei auch aus Gründen des Vertrauensschutzes heranzuziehen. Ihr Wegfall ohne Übergangsregelung stelle eine unechte Rückwirkung dar, die unbillig in eine geschützte Position des [X.] eingreife, weil seine Ausbildung zur [X.] der Verkündung der Gesetzesänderung fast beendet gewesen sei und er bereits bis 31.12.2004 Anwartschaften auf [X.] erworben habe. Ferner sei die Anwendung des § 132 [X.] verfassungsrechtlich geboten, weil die unterschiedliche Behandlung von Auszubildenden in Betrieben und Auszubildenden in außerbetrieblichen Einrichtungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Wenigstens aber sei das Arbeitsentgelt für August 2005 in die Bemessung einzubeziehen, weil darauf beim Ausscheiden bereits ein Anspruch bestanden habe. Nach den Umständen des Falls sei die Abrechnung durch den Arbeitgeber zudem unwesentlich gewesen, weil der monatliche Lohn immer standardmäßig abzurechnen gewesen sei. Auch hätte die Berücksichtigung des am [X.] abgerechneten Lohns die Auszahlung [X.] nicht wesentlich verzögert.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.]s Sachsen-Anhalt vom 16.2.2012 und das Urteil des [X.] vom [X.] aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 6.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2005 zu verurteilen, dem Kläger ab [X.] höheres Arbeitslosengeld nach einem fiktiven Arbeitsentgelt der Qualifikationsgruppe 3 (§ 132 Abs 2 S 2 Nr 3 [X.]) zu gewähren,
hilfsweise,
dem Bemessungsentgelt für die [X.] vom 1.9.2004 bis 15.7.2005 nach § 134 [X.] (alter Fassung) die Hälfte des tariflichen Arbeitsentgelts einer Fachkraft für Lebensmitteltechnik zugrunde zu legen,
äußerst hilfsweise,
bei der Berechnung des [X.] das für August 2005 erzielte Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz ). Dem Kläger steht höheres als das von der [X.] bewilligte [X.] nicht zu.

1. Der Kläger hat ab [X.] dem Grunde nach Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit. Er war nach den den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) nach Ende der bis [X.] befristeten Tätigkeit arbeitslos, hatte sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118 Abs 1, § 119 [X.], jeweils idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, [X.] 2848, § 25 Abs 1 S 1 [X.]).

2. Die Höhe des dem Kläger zustehenden [X.] richtet sich - wie das [X.] im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat - nach § 129 [X.] - idF des [X.], [X.] 266 - sowie nach §§ 130 ff [X.], die durch das [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, [X.] 2848, mit Wirkung ab 1.1.2005 neu gefasst worden sind. Dagegen sind die §§ 130 ff [X.] aF nicht mehr anzuwenden (vgl zum Fehlen einer Übergangsregelung: [X.], 94 = [X.]-4300 § 132 [X.], jeweils Rd[X.] 12). Nach § 129 [X.] 2 [X.] beträgt das [X.] für Arbeitslose, für die keine Kinder zu berücksichtigen sind, [X.] des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat ([X.]). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§ 130 Abs 1 S 1 [X.]). Der Bemessungsrahmen umfasst regelmäßig ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten [X.] vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1 S 2 [X.]). Die Ermittlung des Leistungsentgelts mittels pauschalierter Abzüge vom [X.] erfolgt nach näherer Maßgabe des § 133 [X.] (idF des [X.] aaO bzw des [X.], [X.] 2902). Diesen gesetzlichen Vorgaben entspricht die [X.]-Bemessung der [X.].

a) Das mit dem Hauptantrag des [X.] verfolgte Ziel, die Beklagte zu verurteilen, höheres [X.] nach einem fiktiven Arbeitsentgelt der Q[X.]lifikationsgruppe 3 (§ 132 Abs 2 S 2 [X.] 3 [X.]) zu gewähren, findet im Gesetz keine Grundlage.

Nach § 132 Abs 1 [X.] in der hier anzuwendenden Fassung ist als [X.] ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, wenn ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten [X.] nicht festgestellt werden kann. Diese Voraussetzungen sind beim Kläger, der während seiner Ausbildung in der [X.] von September 2002 bis Juli 2005 eine Ausbildungsvergütung erhalten hat, nicht erfüllt.

Entgegen seiner zur Begründung des [X.] geäußerten Auffassung hat der Kläger mit der Ausbildungsvergütung Arbeitsentgelt erzielt. Die Auszubildenden zu gewährende Vergütung ist im sozialversicherungsrechtlichen Sinn Arbeitsentgelt (vgl [X.]/[X.], [X.] <[X.]iG>, 4. Aufl 2011, § 17 Rd[X.]; Voelzke in Küttner, Personalbuch 2012, Stichwort Ausbildungsverhältnis <74> [X.]; [X.] in Spellbrink/Eicher, [X.] Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 30 Rd[X.] 30; derselbe in [X.], [X.], Stand Oktober 2012, § 152 Rd[X.] 10; [X.], [X.], 6. Aufl 2012, § 151 Rd[X.] 6; [X.] in [X.] Kommentar, [X.], Stand August 2008, § 14 Rd[X.]4; [X.]/[X.], [X.] Beilage 2008, [X.], [X.], Stichwort "Ausbildungsvergütungen"; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand XII/05, § 14 Rd[X.] 10). Denn nach § 14 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch ([X.]) sind "Arbeitsentgelt" alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. "Beschäftigung" ist nach § 7 [X.] nicht nur die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Abs 1 S 1), sondern auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung (Abs 2).

Mithin handelt es sich bei der Ausbildungsvergütung einer zur betrieblichen Berufsausbildung beschäftigten Person begrifflich um "Arbeitsentgelt" (vgl auch [X.]sbeschluss vom 21.4.1993 - 11 [X.] - [X.], Rd[X.] 6; [X.]-4100 § 112 [X.] zur grundsätzlichen Identität des beitragsrechtlichen und des leistungsrechtlichen Arbeitsentgeltbegriffs). Aus diesem Grunde ist der vom 7. [X.] des [X.] im Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 49/08 R - [X.]-4300 § 122 [X.] Rd[X.] 20 [X.]) in einem obiter dictum geäußerten Erwägung nicht zu folgen, bei Vergütungen im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung könne ggf der [X.] im Sinne des Bemessungsrechts verneint werden.

b) Die Beklagte hat somit zu Recht der [X.]-Bemessung das vom Kläger während seiner betrieblichen Ausbildung erzielte Arbeitsentgelt zugrunde gelegt. Dieses Arbeitsentgelt hat der Kläger im - oben zu 2. definierten - Bemessungszeitraum erzielt. Als Bemessungsrahmen hat die Beklagte zutreffend die [X.] vom 1.9.2004 bis [X.] ermittelt, weil der Kläger in der betrieblichen Ausbildung versicherungspflichtig war und das anschließende - letzte - Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs bis zum [X.] bestanden hat (§ 25 Abs 1 S 1 [X.], § 130 Abs 1 S 2 [X.]). Ebenfalls zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass sich Bemessungsrahmen und Bemessungszeitraum vorliegend zeitlich nicht decken. Zwar liegt auch die nach dem 15.7.2005 ausgeübte Beschäftigung vollständig im Bemessungsrahmen. Der [X.] bis [X.] gehört aber gleichwohl nicht zum Bemessungszeitraum, weil die Abrechnung des Lohns für August 2005 nach den bindenden Feststellungen des [X.] erst am [X.] erfolgte (vgl [X.]surteile vom 29.6.2000 - B 11 [X.] 89/99 R - [X.] 3-4100 § 136 [X.] 12; vom [X.] - B 11 [X.] 14/08 R - [X.]-4300 § 130 [X.] 6 Rd[X.] 22 ff).

Zu berücksichtigen ist also nur das bis 31.7.2005 erzielte abgerechnete Entgelt. [X.] ist nach § 131 Abs 1 S 1 [X.] das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Dieses hat die Beklagte anhand der Entgeltnachweise zutreffend ermittelt.

c) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Kläger mit seinem zweiten Hilfsantrag, der auf Berücksichtigung des für August 2005 erzielten Arbeitsentgelt gerichtet ist, keinen Erfolg haben kann. Soweit der Kläger vorträgt, er habe beim Ausscheiden aus dem letzten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bereits einen Anspruch auf das Arbeitsentgelt für August 2005 erworben, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Nach § 131 Abs 1 S 2 [X.] gelten zwar Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, als erzielt, wenn sie ([X.]) zugeflossen sind. Das betrifft aber allein die Frage, welches Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum "erzielt" worden ist, und modifiziert nicht die den Bemessungszeitraum selbst betreffenden Tatbestandsmerkmale des § 130 Abs 1 S 1 [X.] ([X.]surteil vom [X.] - B 11 [X.] 14/08 R - [X.]-4300 § 130 [X.] 6 Rd[X.] 26).

Die Berücksichtigung nur abgerechneter Entgeltabrechnungszeiträume gemäß § 130 Abs 1 S 1 [X.] ist auch sachgerecht. Zweck der Regelung ist es, unter Inkaufnahme vereinfachter Maßstäbe bei der Leistungsberechnung eine schnelle Feststellung und Auszahlung des [X.] zu ermöglichen. Dabei ist hinzunehmen, dass die Teile des Arbeitseinkommens unberücksichtigt bleiben, die zu diesem [X.]punkt noch nicht abgerechnet sind (vgl [X.] [X.]-4100 § 112 [X.] 10 und [X.], 162 = [X.] 3-4100 § 112 [X.] 22, jeweils mwN). Der Gesetzgeber ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie der Bemessung des [X.] grundsätzlich zu typisierenden, generalisierenden und pauschalierenden Regelungen berechtigt und darf dabei auch die Praktikabilität und Einfachheit des Rechts als hochrangige Ziele berücksichtigen, um den Erfordernissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen (vgl [X.] [X.]surteil vom [X.] [X.] 23/07 R - [X.], 295 = [X.]-4300 § 132 [X.] 1 mwN).

Entgegen der Auffassung des [X.] ist eine Abrechnung durch den Arbeitgeber im vorliegenden Fall auch nicht deshalb entbehrlich, weil "der monatliche Lohn immer standardmäßig" abzurechnen gewesen sei. Das trifft bereits deshalb nicht zu, weil August 2005 der einzige volle Kalendermonat war, den das auf die [X.] vom 18.7. bis [X.] befristete Arbeitsverhältnis überhaupt umfasste. Überdies war - wie das [X.] zutreffend dargelegt hat - kein Monatslohn vereinbart, sondern eine Stundenlohnvergütung bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, zu der noch Mehr- und Überstundenarbeit im gesetzlich zulässigen Umfang hinzukommen konnte. Da das erzielbare Arbeitsentgelt damit von der Anzahl der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhing, fehlte es auch aus diesem Grund an der Feststellbarkeit des Arbeitseinkommens anhand des vorgelegten Arbeitsvertrags.

d) Auch die mit dem ersten Hilfsantrag begehrte fiktive Bemessung von Arbeitsentgelt auf der Grundlage des Ende 2004 außer [X.] getretenen Rechts kann der Kläger nicht erreichen; eine solche lässt das seit 1.1.2005 geltende Recht nicht (mehr) zu (vgl oben 2a). Für eine analoge Anwendung des § 134 [X.] aF fehlt es bereits an einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke.

aa) Zwar bestimmte § 134 Abs 2 [X.] 2 [X.] aF, dass für [X.]en einer Beschäftigung zur Berufsausbildung, wenn der Arbeitslose die Abschlussprüfung bestanden hat, die Hälfte des tariflichen Arbeitsentgelts derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken hat, mindestens das Arbeitsentgelt der Beschäftigung zur Berufsausbildung als Entgelt zugrunde zu legen ist. Daraus kann der Kläger aber keinen Anspruch auf eine höhere Leistung herleiten. Das [X.] hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass § 134 Abs 2 [X.] 2 [X.] aF mit dem Inkrafttreten des Bemessungsrechts idF des [X.] am Arbeitsmarkt am 1.1.2005 und damit vor dem Entstehen des Leistungsanspruchs des [X.] ersatzlos weggefallen ist.

Zur Bemessung des [X.] bei Arbeitslosen, die während einer [X.]en Ausbildung kein "Arbeitsentgelt" erzielt haben, hat der [X.] bereits entschieden, dass das Fehlen einer Sonderregelung für diesen Personenkreis nicht den Schluss auf eine planwidrige Regelungslücke zulässt (Urteil vom 3.12.2009 - B 11 [X.] 42/08 R - [X.], 94 = [X.]-4300 § 132 [X.] Rd[X.] 16 ff). Daran ist auch im Hinblick auf die ersatzlose Abschaffung der Sonderregelung des § 134 Abs 2 [X.] 2 [X.] aF für die Bemessung nach dem Abschluss einer vergüteten betrieblichen Ausbildung festzuhalten. Denn es gibt keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass es zum Regelungskonzept des Gesetzgebers im [X.] gehört hätte, den bisherigen Rechtszustand beizubehalten oder in vergleichbarer Weise fortzuschreiben.

Ziel der Reform des Bemessungsrechts ab 1.1.2005 war es [X.], die Vielfalt und Komplexität der bisherigen Regelungen zurückzuführen und im Interesse der Verwaltungsvereinfachung detaillierte Einzelfallregelungen durch ein größeres Maß an Pauschalierung zu ersetzen und Ausnahmeregelungen zu beschränken (BT-Drucks 15/1515 [X.], zu [X.] 71; [X.]surteil vom 3.12.2009 - B 11 [X.] 42/08 R - [X.], 94 = [X.]-4300 § 132 [X.], Rd[X.] 18). Eine durchgreifende Vereinfachung des [X.] war erforderlich, weil ihr zentrale Bedeutung vor allem für eine bessere und schnellere Vermittlung zukam. Der Gesetzgeber versprach sich dadurch die Freisetzung großer Personalkapazitäten bei der [X.], die dann zur Verstärkung der Vermittlung und Eingliederung von Arbeitslosen zur Verfügung stünden (vgl [X.]surteil vom [X.] [X.] 23/07 R - [X.], 295 = [X.]-4300 § 132 [X.] 1, Rd[X.] 51). Diese Zielsetzungen sprechen dagegen, dass es sich bei dem Wegfall der Sonderregelung zur Bemessung des [X.] für betrieblich ausgebildete Berufsanfänger um ein Versehen des Gesetzgebers handeln könnte, zumal er bestimmte andere Sonderregelungen beibehalten hat, was auf eine bewusste Auswahl schließen lässt (vgl [X.]surteil vom 3.12.2009 - B 11 [X.] 42/08 R - [X.], 94 = [X.]-4300 § 132 [X.], Rd[X.] 18 bis 20).

bb) Der Kläger kann eine fiktive Bemessung auch nicht mit der Begründung verlangen, der Wegfall des § 134 Abs 2 [X.] 2 [X.] aF ab 1.1.2005 habe zu einer aus Gründen des Vertrauensschutzes unzulässigen unechten Rückwirkung geführt. Eine unechte Rückwirkung ist gegeben, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich eine betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (stRspr, zB [X.] 128, 90 = [X.]-1100 Art 14 [X.] 23 mwN Rd[X.]7). Das kann zwar [X.] zutreffen, wenn eine Rechtsänderung Anwartschaften aus einem bestehenden Versicherungsverhältnis betrifft, die mangels Eintritt eines Versicherungsfalls noch nicht zum Entstehen eines Anspruchs geführt haben, und sich die Rechtsänderung nachteilig auf die Höhe der künftigen Leistung auswirken wird (vgl aus jüngster [X.]: [X.] <[X.]>, Beschluss vom 17.12.2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 - veröffentlicht in [X.], Rd[X.] 27). Erforderlich ist allerdings eine bereits verfestigte [X.], weil der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht so weit geht, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die bloße Erwartung des Bürgers, er werde - den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt - in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung noch kein verfassungsrechtlich geschütztes Recht ([X.], Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - [X.] 128, 90 = [X.]-1100 Art 14 [X.] 23, [X.] Rd[X.]3, 48 f). Eine über die bloße Erwartung hinausgehende verfestigte Rechtsposition nahm der Kläger jedoch nicht ein.

Abgesehen davon, dass in Anwartschaften von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist ([X.], Beschluss vom 17.12.2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 - [X.] Rd[X.] 30 mwN), hatte der Kläger bei Rechtsänderung noch nicht "die Ausbildung fast beendet". Denn das [X.] am Arbeitsmarkt wurde bereits am 27.12.2003 im [X.] verkündet. Deshalb konnte der Kläger schon rund eineinhalb Jahre vor Abschluss seiner Ausbildung im Juli 2005 keinen Fortbestand der Regelung in § 134 Abs 2 [X.] 2 [X.] aF mehr erwarten, selbst wenn die Neufassung der §§ 130 bis 134 [X.] gemäß Art 134 Abs 3 des genannten Gesetzes im Wesentlichen erst am 1.1.2005 in [X.] getreten ist. Gerade das Hinausschieben des Wirksamwerdens des neuen Bemessungsrechts um rund ein Jahr seit der [X.] gab Betroffenen - ähnlich wie eine Übergangsfrist - auch Gelegenheit, sich auf die zu erwartenden Änderungen einzustellen.

cc) Dass das [X.] des [X.] nach dem seit 1.1.2005 geltenden Bemessungsrecht nicht fiktiv zu bemessen ist, lässt auch sonst keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht erkennen. Insbesondere ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken daraus, dass bei Arbeitslosen, die in einer [X.]en Ausbildung kein Arbeitsentgelt erzielt haben, eine fiktive Bemessung vorzunehmen ist. Denn das führt nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des Personenkreises, dem der Kläger angehört (offen gelassen im [X.]surteil vom 3.12.2009 - B 11 [X.] 42/08 R - [X.], 94 = [X.]-4300 § 132 [X.], Rd[X.] 23).

Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung, sondern verbietet ihm nur, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten abweichend zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Wegen seines bereits erwähnten Gestaltungsspielraums bei der Ordnung von Massenerscheinungen, der das Recht zur Berücksichtigung der [X.] einschließt, verstößt der Gesetzgeber nicht schon gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn er sich für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen entscheidet, die mit gewissen Härten verbunden sind und ggf nicht die denkbar zweckmäßigste oder gerechteste Lösung darstellen (stRspr, zB [X.] 84, 348, 359; [X.] 111, 115, 137 = [X.]-8570 § 6 [X.] 3; [X.] 117, 272, 300 f; [X.]surteil vom [X.] [X.] 23/07 R - [X.], 295 = [X.]-4300 § 132 [X.] 1, Rd[X.] 38 f und 50).

Dass nach diesen Maßstäben die zum 1.1.2005 eingeführte fiktive Bemessung in den Fällen, in denen es an einem ausreichenden Bemessungszeitraum mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des [X.] fehlt, weder im allgemeinen noch in der Anwendung auf [X.] ausgebildete Arbeitslose gegen Verfassungsrecht verstößt, hat der [X.] bereits entschieden (Urteil vom 3.12.2009 - B 11 [X.] 42/08 R - [X.], 94 = [X.]-4300 § 132 [X.], Rd[X.] 22 f mwN). Dass die Bemessung bei betrieblich ausgebildeten Berufungsanfängern im Fall eines ausreichenden Bemessungszeitraums mit Anspruch auf Arbeitsentgelt anderen Regeln unterworfen ist, mag zwar im Einzelfall zu für diesen Personenkreis unbefriedigenden Bemessungsergebnissen führen, überschreitet aber noch nicht die Grenzen des Spielraums, der dem Gesetzgeber bei der Gestaltung des [X.] zuzugestehen ist. Denn beide Personengruppen weisen so erhebliche und für das Gestaltungskonzept des Gesetzgebers wesentliche Unterschiede auf, dass eine Gleichbehandlung nicht verfassungsrechtlich geboten ist. Ob bei der Ermittlung des [X.]s an eine zuletzt ausgeübte entgeltliche Beschäftigung angeknüpft werden kann oder nicht, stellt einen zu einer Differenzierung berechtigenden Unterschied dar (vgl [X.]surteil vom 25.8.2011 - B 11 [X.] 13/10 R - [X.]-4300 § 132 [X.] 6 Rd[X.] 21).

Anders als bei der Personengruppe, zu der der Kläger gehört, steht bei [X.] ausgebildeten Personen die für die Regelbemessung kennzeichnende Anknüpfung an den zuletzt auf Arbeitsentgelt gegründeten Lebensstandard nicht zur Verfügung. Denn sie üben weder eine bei der Regelbemessung vorausgesetzte Beschäftigung aus noch erhalten sie Arbeitsentgelt im Sinne des Bemessungsrechts ([X.]surteil vom 3.12.2009 - B 11 [X.] 42/08 R - aaO Rd[X.] 14). Von der Beschäftigung zur betrieblichen Berufsausbildung unterscheidet sich die mit öffentlichen Mitteln geförderte Ausbildung in [X.]en Einrichtungen im Übrigen auch aus arbeitsrechtlicher Sicht erheblich. Denn auf die Angemessenheit der Vergütung werden gemäß § 10 Abs 1 S 1 [X.]iG in der bis 31.3.2005 geltenden Fassung bzw seit 1.4.2005 gemäß § 17 Abs 1 S 1 [X.]iG unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Bei öffentlich geförderten Ausbildungen in [X.]en Einrichtungen kann die Ausbildungsvergütung sogar dann noch als angemessen angesehen werden, wenn sie deutlich unter der von der Rechtsprechung gezogenen Untergrenze für betriebliche Ausbildungen liegt. Die der Ausbildungsvergütung [X.] zukommenden Funktionen des [X.] und der “Entlohnung” dürfen bei einer öffentlich geförderten [X.]en Ausbildung zurücktreten. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz steht dem nicht entgegen, weil die Sit[X.]tion von Teilnehmern an Ausbildungen in [X.]en Einrichtungen nicht vergleichbar ist mit derjenigen von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsbildung (zu allem: [X.], 285 mwN, insbes Rd[X.] 35 ff und 60 ff).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Meta

B 11 AL 12/12 R

06.03.2013

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Magdeburg, 21. August 2008, Az: S 14 AL 528/05, Urteil

§ 25 Abs 1 S 1 SGB 3 vom 10.12.2001, § 129 SGB 3 vom 16.02.2001, § 130 Abs 1 S 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 130 Abs 1 S 2 SGB 3 vom 23.12.2003, § 131 Abs 1 S 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 132 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB 3 vom 23.12.2003, § 134 Abs 2 Nr 2 SGB 3 vom 19.06.2001, § 7 Abs 2 SGB 4, § 14 Abs 1 S 1 SGB 4, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.03.2013, Az. B 11 AL 12/12 R (REWIS RS 2013, 7619)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7619

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 2628/07

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