Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.07.2018, Az. 8 B 36/17

8. Senat | REWIS RS 2018, 6055

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Gegenstand

Besatzungshoheitliche Enteignung; Verzicht auf eine Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche; rechtliches Gehör


Gründe

1

Der Rechtsvorgänger des [X.] war Inhaber eines [X.] in Z. 1941 wurde ihm die weitere Tätigkeit als Zeitungsverleger untersagt. Zwischen 1946 und 1948 wurde er enteignet. Auf den [X.] des [X.] hin teilte der [X.]eklagte 1995 mit, es liege ein Fall der besatzungshoheitlichen Enteignung vor. Der [X.] werde daher als [X.] behandelt. Der damalige [X.]evollmächtigte des [X.] erklärte, er sei mit der Wertung des Antrags als Antrag gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 [X.] einverstanden. Der auf Restitution gerichtete Antrag auf der Grundlage des [X.]es werde aufrechterhalten. Zur Klärung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 [X.] sei ein Rehabilitierungsantrag in der [X.] anhängig. Mit [X.]escheid vom 10. Juli 2009 stellte die Landesdirektion fest, dass dem Kläger Ausgleichsleistungsansprüche wegen des Entzugs des [X.] zustehen. Der Kläger hat gegen den [X.]escheid Klage erhoben, weil er meint, ihm stünden vorrangig vermögensrechtliche Ansprüche zu. Sie bestünden entweder nach § 1 Abs. 6 [X.], weil das Unternehmen seines Rechtsvorgängers schon im Jahr 1941 enteignet worden sei, oder aber jedenfalls, weil die Enteignung des Unternehmens in den Jahren 1946 bis 1948 gegen den Willen der [X.]esatzungsmacht geschehen sei. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt. Mit [X.]escheid vom 15. September 2010 hat das [X.] und offene Vermögensfragen den Antrag des [X.] auf Rückübertragung des [X.]etriebsvermögens des Unternehmens hinsichtlich der geltend gemachten Enteignung im Jahr 1941 abgelehnt und weiter festgestellt, dass Ansprüche auf Entschädigung für das Unternehmen insoweit nicht bestehen. Die Klage gegen den [X.]escheid vom 15. September 2010 hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 14. Februar 2014 - [X.] 585.13 - abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat das [X.] mit [X.]eschluss vom 30. Juni 2015 - 8 [X.] 38.14 - zurückgewiesen. Mit Urteil vom 22. März 2017 hat das Verwaltungsgericht sodann die Klage gegen den [X.]escheid vom 10. Juli 2009 abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Kläger habe 1995 auf den Erlass eines vermögensrechtlichen [X.]escheides wegen der Entziehung des Unternehmens in den Jahren 1946 bis 1948 verzichtet. Jedenfalls sei in dem streitgegenständlichen [X.]escheid inzident über solche vermögensrechtlichen Ansprüche entschieden worden.

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Die alleine auf den [X.] des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (Verfahrensmangel) gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

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Die Verfahrensrüge des [X.] kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie sich lediglich auf einen der beiden selbstständig tragenden Gründe für die Abweisung der Klage bezieht. Das Verwaltungsgericht hat seine Klageabweisung vorrangig darauf gestützt, dass der frühere Prozessbevollmächtigte des [X.] auf eine Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche wegen einer Entziehung des streitgegenständlichen Unternehmens im Zeitraum von 1946 bis 1948 verzichtet habe. Insoweit hat der Kläger keine Revisionsrügen vorgebracht. Er hat lediglich die zweite tragende Erwägung des [X.] angegriffen, das Unternehmen sei tatsächlich besatzungshoheitlich enteignet worden. Auf Angriffe gegen die erste tragende [X.]egründung des [X.] konnte der Kläger auch nicht, wie er meint, deswegen verzichten, weil eine Identität der Streitgegenstände in den Verfahren nach dem [X.] und dem [X.] nicht besteht. Auf diese Frage kommt es vorliegend nicht an, sondern nur darauf, auf welche Erwägungen das Verwaltungsgericht sein Urteil tatsächlich selbstständig tragend gestützt hat und ob jede dieser selbstständig tragenden Erwägungen mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffen wird (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 9. März 1982 - 7 [X.] 40.82 - [in [X.]uchholz 310 § 132 VwGO Nr. 209 nicht abgedruckt] - juris, vom 11. April 2003 - 7 [X.] 141.02 - NJW 2003, 2255 <2256> und vom 8. August 2008 - 9 [X.] 31.08 - [X.]uchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 33).

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Darüber hinaus hat der Kläger hinsichtlich der zweiten tragenden Erwägung des [X.], eine besatzungshoheitliche Enteignung liege vor, keine Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet. Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung des Vorliegens einer besatzungshoheitlichen Enteignung entgegen der Rechtsprechung des [X.]s nicht beachtet, dass die von ihm unterstellte [X.] eines Unternehmens von der [X.] Liste A in die [X.] [X.] nur im allgemeinen nicht die Annahme eines konkreten Enteignungsverbots rechtfertigt. Es hätte prüfen müssen, ob im vorliegenden Fall [X.]esonderheiten gegeben seien, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten. Weil das Verwaltungsgericht diese Prüfung nicht vorgenommen habe, habe es den von dem Kläger mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2016 (Anlage 30 und 31) und mit Schriftsatz vom 21. März 2017 vorgebrachten weiteren Tatsachenvortrag und die übersandten [X.]eweismittel nicht berücksichtigt. Hätte das Verwaltungsgericht die genannten Umstände berücksichtigt, wäre es möglicherweise zu dem Ergebnis gekommen, dass keine besatzungshoheitliche Enteignung oder gar keine Enteignung vorgelegen hätten.

5

Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des [X.]s nicht beachtet, wendet er sich gegen die Anwendung des materiellen Rechts durch das Verwaltungsgericht und bezeichnet damit keinen Verfahrensfehler. Diese Rüge des [X.] kann der [X.]eschwerde auch nicht zum Erfolg verhelfen, wenn man sie als [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) versteht. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das [X.] oder ein anderes divergenzfähiges Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den [X.]edeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.]uchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die [X.]eschwerde arbeitet weder einen Rechtssatz heraus, den das Verwaltungsgericht bei Anwendung des § 1 Abs. 8 [X.]uchst. a [X.] aufgestellt haben soll, noch einen davon möglicherweise abweichenden Rechtssatz in den zitierten Entscheidungen des [X.]s (Urteil vom 28. September 1999 - 7 C 44.98 - [X.]uchholz 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 7 und [X.]eschluss vom 15. Mai 2008 - 8 [X.] 17.08 - juris Rn. 13). Alleine die [X.]ehauptung, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des [X.]s zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei besatzungshoheitlichen Enteignungen nicht korrekt angewendet, reicht hierfür jedenfalls nicht aus.

6

Soweit der Kläger weiter kritisiert, das Verwaltungsgericht habe die von ihm mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2016 und vom 21. März 2017 benannten Tatsachen und [X.]eweismittel, die für eine Einstufung des streitgegenständlichen Unternehmens als "[X.] [X.]etrieb" sprechen würden, nicht verwertet, hat er ebenfalls keinen Verfahrensfehler bezeichnet. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt haben könnte. Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, entscheidungserhebliches Vorbringen der [X.]eteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist aber nicht verpflichtet, sich ausdrücklich mit sämtlichen Tatsachen und Rechtsansichten auseinanderzusetzen. Nur wenn es auf [X.] des Tatsachenvorbringens einer Partei zu einer Frage, die nach seiner eigenen Einschätzung für den Prozessausgang von zentraler [X.]edeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, lässt dies darauf schließen, dass es dieses Vorbringen nicht berücksichtigt hat (stRspr, z.[X.]. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. September 2014 - 8 PKH 2.13 (8 [X.] 70.13) - juris Rn. 12). Der Kläger legt weder dar, dass die von ihm mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 übersandten Anlagen 30 und 31 und der zugehörige Vortrag auf Seite 15 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2016 sowie sein weiterer Vortrag auf Seiten 3 f. und 7 f. des Schriftsatzes vom 21. März 2017 für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich waren, noch dass sie, ersteres unterstellt, derart zentraler [X.]estandteil seiner Argumentation gewesen sind, dass das Verwaltungsgericht darauf in seinen Entscheidungsgründen hätte zwingend eingehen müssen, um seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu verletzen.

7

Das Verwaltungsgericht hat unter [X.]ezugnahme auf die Rechtsprechung des [X.]s (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. Mai 2008 - 8 [X.] 17.08 - juris Rn. 12) die Ansicht vertreten, ein Enteignungsverbot gemäß Ziffer 3 des SMAD-[X.]efehls Nr. 64 könne erst angenommen werden, wenn das Unternehmen in einer von der [X.]esatzungsmacht bestätigten Freigabeliste sequestrierter Unternehmen verzeichnet gewesen sei. Von seinem Rechtsstandpunkt aus kam es daher auf die von dem Kläger genannten Anlagen und den weiteren Vortrag in dem Schriftsatz vom 21. März 2017 nicht an. Darüber hinaus hat der Kläger aber auch nicht dargelegt, weshalb gerade die von ihm übersandten Anlagen 30 und 31 und der auf Seite 3 f. und Seite 7 f. seines Schriftsatzes vom 21. März 2017 enthaltene Vortrag derart im [X.] seiner Argumentation stehen, dass das Verwaltungsgericht darauf hätte eingehen müssen.

8

Einen Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) hat der Kläger mit seiner Rüge, das Verwaltungsgericht hätte das Vorliegen von [X.]esonderheiten des [X.]etriebes hinsichtlich eines Enteignungsverbotes prüfen müssen, nicht hinreichend bezeichnet. Insoweit fehlt es an einer Darlegung, inwieweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat oder warum sich eine solche dem Gericht hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 13. Juli 2007 - 9 [X.] 1.07 - juris Rn. 2 m.w.N.).

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG.

Meta

8 B 36/17

12.07.2018

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Dresden, 22. März 2017, Az: 6 K 1504/15, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 108 Abs 2 VwGO, § 1 Abs 8 Buchst a VermG, § 6 Abs 1 S 2 AusglLeistG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.07.2018, Az. 8 B 36/17 (REWIS RS 2018, 6055)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6055

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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86 C 155/20

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