Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.03.2012, Az. 8 C 1/11

8. Senat | REWIS RS 2012, 8462

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Gegenstand

Besatzungshoheitliche Enteignung trotz des Enteignungsverbots für nicht sequestriertes Vermögen?


Leitsatz

Die Konkretisierung des Umfangs der Betriebsenteignungen nach Nr. 1 des SMAD-Befehls Nr. 64 durch § 1 Nr. 2 der Richtlinien Nr. 3 der DWK ist der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnen. Das Enteignungsverbot der Nr. 5 des SMAD-Befehls Nr. 64 steht der Zurechnung nicht entgegen. Das gilt auch, soweit bei der Betriebsenteignung miterfasstes, nicht gesondert sequestriertes Privatvermögen der betroffenen Unternehmensinhaber und Gesellschafter in die Enteignung einbezogen wurde.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Rücknahme eines Teilbescheides, mit dem der Erbengemeinschaft nach Herrn [X.] das Hausgrundstück [X.]straße ... in [X.] (Flur ..., Flurstücke ... mit 1 919 qm und ... mit 86 qm, eingetragen im Grundbuch von [X.], Bd. ..., [X.]) zurückübertragen worden war. Dieses Grundstück hatte Herr [X.] 1939 erworben. Er war außerdem Eigentümer weiterer Grundstücke in W. und [X.] sowie Inhaber von vier Kaufhäusern. In [X.] führte er das "Kaufhaus [X.]" und das "Heka Kaufhaus [X.]", die er 1937 vom bisherigen [X.] Inhaber erworben hatte.

2

Beide Kaufhäuser wurden nach Befehl Nr. 124 des Obersten Befehlshabers der [X.] ([X.]) vom 30. Oktober 1945 unter [X.] gestellt. Unter der lfd. Nr. 19 der [X.] der zu enteignenden betrieblichen Objekte im [X.] ist "[X.], Kaufhaus, [X.]" aufgeführt. Diesem Eintrag ist kein Freistellungsvermerk bezüglich des Privatvermögens des Inhabers beigefügt. Die Liste wurde mit Befehl Nr. 64 der [X.] vom 17. April 1948 bestätigt. Anschließend kam es zwischen den für die Durchführung der Enteignung zuständigen [X.] Behörden und der [X.] ([X.]) zu Auseinandersetzungen darüber, ob bei der Enteignung von Betrieben in [X.] das Privatvermögen habe miterfasst werden dürfen. Am 21. September 1948 erließ die [X.] die Dritte Verordnung zur Ausführung des [X.]-Befehls Nr. 64 zur Enteignung sonstiger Vermögen ([X.]). Deren § 1 definierte als sonstiges Vermögen das durch besonderen Enteignungsbeschluss erfasste, in den Enteignungslisten über sonstiges Vermögen zusammengefasste Vermögen (Nr. 1) sowie das Privatvermögen der Unternehmensinhaber oder Gesellschafter, soweit es durch den gegen das Betriebsvermögen gerichteten Enteignungsbeschluss miterfasst wurde (Nr. 2).

3

Das [X.] bestätigte mit [X.] vom 1. Juni 1948 die Enteignung der "aufgrund des Befehls Nr. 124 des Obersten Chefs der [X.] vom 30. Oktober 1945 beschlagnahmten Vermögenswerte Kaufhaus [X.], [X.], sowie sämtlicher sonstigen Vermögenswerte" durch den Befehl Nr. 64 der [X.]. Am 19. Oktober 1948 wurden die Firmen Kaufhaus [X.], Am Markt, [X.], sowie Heka [X.], [X.], im Handelsregister gelöscht. Am 21. Oktober 1948 wurde das Grundstück [X.]straße ... im Grundbuch auf das Eigentum des Volkes umgeschrieben. Rechtsträger war seit April 1950 der Rat der Stadt [X.] Auf Anfrage des [X.] vom April 1951 teilte das Amt zum Schutze des Volkseigentums beim [X.] Landes [X.] unter dem 16. Mai 1951 mit, Herr [X.] sei "laut [X.] vom 16. Januar 1948 mit seinem gesamten, also auch dem Privatvermögen, voll enteignet" worden.

4

Im Jahre 1952 verstarb Herr [X.] Er wurde von seiner Witwe [X.] und den drei gemeinsamen Kindern, darunter der Klägerin zu 1 und dem früheren Kläger zu 2, zu je einem Viertel beerbt. Erben seiner 1959 nachverstorbenen Witwe wurden die drei Kinder zu je einem Drittel.

5

Auf den Antrag einer Miterbin vom 28. September 1990 übertrug das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen [X.] mit Teilbescheid vom 20. März 1996 das Eigentum am verfahrensgegenständlichen Grundstück an die Erbengemeinschaft zurück und führte aus, mangels Sequestration des Privatvermögens liege keine [X.]e Enteignung vor. Am 11. Juni 1996 wurden die Miterben als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

6

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 1996 nahm das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen [X.] den Teilbescheid vom 20. März 1966 zurück und erklärte, es habe seine Rechtsauffassung geändert. Das Fehlen einer Sequestrierung sei unerheblich, weil es für den [X.]en Zurechnungszusammenhang nach § 1 Abs. 8 Buchst. a [X.] nicht auf die Rechtmäßigkeit der Enteignung ankomme. Die Erbengemeinschaft könne sich auch nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen.

7

Den Widerspruch der Erbengemeinschaft wies das [X.] Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1997 zurück. Das Grundstück sei [X.] enteignet worden. § 1 Nr. 2 der [X.] der [X.] trage einem Beschluss der [X.] Landeskommission aus dem Jahr 1947 Rechnung, wonach jede Betriebsenteignung immer auch das Privatvermögen der Firmeninhaber erfasse, sofern - wie hier - kein Freistellungsvermerk in die Liste eingetragen worden sei. Wegen der umgehenden Rücknahme des Teilbescheides sei das Vertrauen der Erbengemeinschaft auf dessen Fortbestehen nicht schutzwürdig.

8

Am 29. August 1997 haben die Klägerin zu 1 und der frühere Kläger zu 2 Klage erhoben, die sich seit dem 1. Januar 1999 aufgrund gesetzlichen Zuständigkeitsübergangs gegen den nunmehr Beklagten richtet. Im Januar 2009 haben die Klägerinnen das Verfahren nach mehrjährigem Ruhen wieder aufgenommen und erklärt, die Klägerin zu 2 setze den Rechtsstreit als Erbin ihres am 31. Mai 2005 verstorbenen Ehemannes, des früheren [X.] zu 2, fort.

9

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Rücknahme des Teilbescheides vom 20. März 1996 sei rechtmäßig. Die Rechtswidrigkeit der Rückübertragung ergebe sich aus dem [X.]en Charakter der Enteignung. Den Anknüpfungspunkt bilde der Eintrag der Firma [X.], Kaufhaus, [X.], als zu enteignendes Unternehmen in der [X.] für das [X.]. Bezüglich des Privatgrundstücks sei ein Zugriff der Besatzungsmacht zwar nicht urkundlich dokumentiert. Die Miterfassung des Privatvermögens der Unternehmensinhaber ohne gesonderte listenartige Aufführung habe aber der seinerzeit in [X.] üblichen Handhabung entsprochen. Inhaber von enteigneten Unternehmen hätten sich mit der Verkündung der [X.] der [X.] hinsichtlich ihres gesamten Privatvermögens als enteignet betrachten müssen. Anhaltspunkte für einen abweichenden Geschehensablauf seien nicht erkennbar. Es liege auch kein Verstoß gegen ein [X.] der [X.] vor. Das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2006 - BVerwG 8 C 25.05 - ([X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 34) sei im Hinblick auf die [X.] vom 1. Juni 1948 nicht einschlägig. § 1 Abs. 7 [X.] greife nicht ein. Ermessensfehler lägen nicht vor. Wegen § 48 Abs. 3 VwVfG stehe selbst schutzwürdiges Vertrauen einer Rücknahme nicht entgegen.

Mit ihrer Revision rügen die Klägerinnen einen Verstoß gegen § 1 Abs. 8 Buchst. a [X.]. Die Enteignung des Grundstücks habe dem [X.] nach Nr. 5 des [X.]-Befehls Nr. 64 widersprochen. Vor dessen Inkrafttreten sei das Grundstück weder enteignet noch sequestriert worden. Die [X.] der [X.] vom 21. September 1948 stellten auch keinen das [X.] aufhebenden "actus contrarius" dar, weil sie von einer [X.] Stelle erlassen und nicht explizit durch die [X.] gebilligt worden seien. Außerdem revidierten sie keine Vorgaben der Nr. 5 des [X.]-Befehls Nr. 64.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des [X.] vom 26. Mai 2010 zu ändern und den Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt [X.] vom 12. Juni 1996 und den Widerspruchsbescheid des [X.] Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 30. Juli 1997 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt vor, das verfahrensgegenständliche Grundstück sei rechtzeitig vor Inkrafttreten des [X.]-Befehls Nr. 64 sequestriert worden. In [X.] habe man das Privatvermögen belasteter Betriebsinhaber als in die Sequestrierung der Betriebe einbezogen behandelt, sofern keine Freistellung vorgelegen habe.

Die Beigeladene hat zum Verfahren keine Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das angegriffene Urteil verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der angefochtene Rücknahmebescheid vom 12. Juni 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen vom 30. Juli 1997 ist rechtmäßig.

1. Die Rücknahme findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 VwVfG. Der Tatbestand dieser Vorschrift ist erfüllt, da die Rückübertragung des [X.] mit Teilbescheid vom 20. März 1996 rechtswidrig war. Die Anwendung des [X.]es ist nach § 1 Abs. 8 Buchst. a [X.] ausgeschlossen, weil die Enteignung des Grundstücks auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruhte.

a) Die Annahme des [X.], das Grundstück sei im Oktober 1948 enteignet worden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie geht zutreffend vom faktischen Enteignungsbegriff des [X.] aus. Dieser setzt keine bestimmte Form der Vermögensentziehung voraus. Auch auf deren Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt wurde und dass diese Verdrängung in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck kam (stRspr; vgl. Urteile vom 6. April 1995 - BVerwG 7 [X.] 5.94 - BVerwGE 98, 137 <141> = [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 42, vom 2. März 2000 - BVerwG 7 [X.] 13.99 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 11 S. 41 und vom 25. Mai 2005 - BVerwG 8 [X.] 7.04 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 31 S. 107 m.w.N.).

Entgegen der Annahme der Revision hat das Verwaltungsgericht die faktische Enteignung des verfahrensgegenständlichen [X.] nicht auf den Tag der Umschreibung im Grundbuch am 21. Oktober 1948 datiert, sondern diese Eintragung nur als Beleg für die Endgültigkeit der Vermögensentziehung gewertet. Es ist davon ausgegangen, dass das Grundstück entsprechend der in [X.] üblichen Handhabung, nicht freigestelltes Privatvermögen der Unternehmensinhaber und Gesellschafter bei der Betriebsenteignung mit zu erfassen, mangels Freistellungsvermerks zum Listeneintrag des Unternehmens des [X.] der [X.] mit dessen Betrieb enteignet wurde. Die dem zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen binden das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO, da sie nicht mit wirksamen Verfahrensrügen gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO angegriffen wurden. Die Annahme des [X.], die Einbeziehung des [X.] in die [X.] des Betriebes sei mit der Veröffentlichung der [X.] der [X.] im [X.] am 9. Oktober 1948 ([X.] 1948 S. 449) in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck gekommen, ist revisionsrechtlich fehlerfrei (vgl. Urteile vom 25. Mai 2005 a.a.[X.] und vom 10. August 2005 - BVerwG 8 [X.] 18.04 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 32 Rn. 29). Nach § 1 Nr. 2, § 2 der Richtlinien erstreckte sich die in Nr. 1 des [X.] bestätigte Enteignung eines Betriebes auf das gesamte pfändbare Privatvermögen der Unternehmensinhaber und Gesellschafter, soweit es durch den Beschluss zur Betriebsenteignung mit erfasst wurde. Dieser Vorbehalt ist nach den Feststellungen der Vorinstanz zur Einbeziehung des Grundstücks in die Enteignung des [X.] hier erfüllt. Mit der Veröffentlichung der [X.] war für den Rechtsvorgänger der [X.] wie für die übrigen Inhaber in [X.] enteigneter Unternehmen erkennbar geworden, dass jegliches nicht freigestellte Privatvermögen auch ohne gesonderte listenartige Erfassung als sonstiges Vermögen mit dem Betrieb enteignet worden war.

b) Zu Recht ist das angegriffene Urteil auch von einer Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage ausgegangen.

Die Konkretisierung des Umfangs der Betriebsenteignung in § 1 Nr. 2 der [X.] der [X.] ist der Besatzungsmacht allerdings nicht schon deshalb zuzurechnen, weil die [X.] als Hilfsorgan der [X.] fungierte (so Armbrust, [X.] und -hoheitliche Vermögenszugriff in der [X.], 2001, S. 150 f.). Diese Funktion ändert nichts an der organisationsrechtlichen Stellung der [X.] als [X.] Behörde. Für die besatzungshoheitliche Zurechnung von Maßnahmen [X.] Stellen genügt aber, dass sie auf Wünsche oder Anregungen der Besatzungsmacht zurückgingen oder sonst deren generellem oder im Einzelfall geäußerten Willen entsprachen (stRspr; vgl. Urteile vom 30. Juni 1994 - BVerwG 7 [X.] 58.93 - BVerwGE 96, 183 <185> = [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 26 und vom 13. Dezember 2006 - BVerwG 8 [X.] 25.05 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 34 Rn. 24 m.w.N.). Da die [X.] Besatzungsmacht als Inhaberin der obersten Hoheitsgewalt bei der Verwirklichung der von ihr oder mit ihrem Einverständnis angeordneten Maßnahmen jederzeit lenkend und korrigierend eingreifen konnte, erstreckt sich ihre Verantwortung grundsätzlich auch auf die in der Besatzungszeit geübte [X.] [X.] Stellen, selbst wenn diese die einschlägigen Rechtsgrundlagen extensiv auslegten oder nach rechtsstaatlichen Grundsätzen willkürlich anwendeten. Der [X.] wird nur unterbrochen, wenn die Enteignung einem generell oder im Einzelfall ausgesprochenen Verbot der Besatzungsmacht zuwider lief (stRspr; vgl. [X.], Urteil vom 23. April 1991 - 1 BvR 1170/90, 1174/90 und 1175/90 - [X.]E 84, 90 <115>; BVerwG, Urteile vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 [X.] 50.95 - BVerwGE 104, 84 <86> = [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 104, vom 27. Juli 1999 - BVerwG 7 [X.] 36.98 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 6 S. 23 und vom 13. Dezember 2006 a.a.[X.] Rn. 27). Nach diesen Kriterien ist die Enteignung des [X.] der Besatzungsmacht zuzurechnen.

Die Konkretisierung des Enteignungsumfangs durch § 1 Nr. 2 der [X.] der [X.] ging auf Anregungen der Besatzungsmacht zurück (vgl. Beschluss vom 15. Februar 2002 - BVerwG 7 [X.] - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 21 S. 76 f.) und entsprach deren Willen. Die Bestimmung stützte sich auf die umfassende Ermächtigung zum Erlass von [X.] und anderen entsprechenden Maßnahmen gemäß Nr. 8 des [X.]. Ob sie seinerzeit rechtmäßig oder gar nach heutigen rechtlichen Maßstäben von der Ermächtigung gedeckt war, ist für ihren besatzungshoheitlichen [X.]harakter unerheblich. Für die Zurechnung genügt, dass die Bestimmung dem Willen der Besatzungsmacht entsprach, die als "Nazi- und Kriegsverbrecher" bezeichneten Personen aus dem wirtschaftlichen Leben der [X.]n Besatzungszone zu verdrängen und dazu vollständig zu enteignen (vgl. Urteile vom 28. Januar 1999 - BVerwG 7 [X.] 10.98 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 1, vom 2. März 2000 - BVerwG 7 [X.] 13.99 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 11 S. 43 f. und vom 27. März 2000 - BVerwG 7 [X.] 14.99 - [X.] 2000, 594 <595>). Dieser Wille kommt in der Präambel des [X.] zum Ausdruck. Sie spricht von der Enteignung der Betriebe und des sonstigen Besitzes der betreffenden Personen und lässt erkennen, dass die [X.] bei Erlass des Befehls von der [X.] des gesamten Vermögens der Betroffenen nach [X.]-Befehl Nr. 124 ausging. Die daran anknüpfende Bestätigung der Betriebsenteignungslisten (Nr. 1 des [X.]), die Regelung der Enteignung des "sonstigen sequestrierten Besitz" (Nr. 4 des Befehls) und die umfassende Ermächtigung der [X.] zum Erlass von Durchführungsbestimmungen (Nr. 8 des Befehls) sollten die [X.] und Enteignungsmaßnahmen gegenüber dem genannten Personenkreis zum Abschluss bringen (Urteil vom 13. Dezember 2006 a.a.[X.] Rn. 27).

Soweit Koordinationsschwierigkeiten oder Fehler bei der Umsetzung des [X.]-Befehls Nr. 124 in den Ländern der [X.]n Besatzungszone dazu geführt hatten, dass Vermögenswerte eines in den Sequesterlisten aufgeführten Betroffenen nur unvollständig erfasst worden waren, entsprach es der Zielrichtung des Befehls und dem ihm zugrunde liegenden, auf eine umfassende Enteignung der Betroffenen gerichteten Willen der [X.], solche Lücken zu schließen (vgl. Urteil vom 27. Februar 1997 - BVerwG 7 [X.] 42.96 - [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 106 S. 321 f. und Beschluss vom 4. November 2000 - BVerwG 7 [X.] - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 23 S. 80 f.). Das gilt auch für die [X.] [X.], die davon ausging, privates Vermögen der zu enteignenden Betriebsinhaber und Gesellschafter werde von der [X.] der Betriebe miterfasst, und die deshalb deren Privatvermögen nicht in die Listen des sonstigen Vermögens aufgenommen hatte. Nachdem dies in der Auseinandersetzung der [X.] Stellen mit der [X.] offenbar geworden war, stellte Letztere in § 1 Nr. 2 der [X.] klar, dass die [X.]enteignung nach Nr. 1 des [X.] auch das miterfasste Privatvermögen einbezog. So führte das Fehlen einer gesonderten Erfassung und Enteignung des Privatvermögens in [X.] nicht zu einer flächendeckenden Ausnahme von der vollständigen Enteignung der Inhaber und Gesellschafter sequestrierter und enteigneter Unternehmen. Damit trug § 1 Nr. 2 der [X.] der [X.] der besatzungspolitischen Zielsetzung der [X.]-Befehle Nr. 124 und Nr. 64 Rechnung. Seine Übereinstimmung mit dem Willen der Besatzungsmacht zeigt sich auch darin, dass die [X.] nach der Veröffentlichung der [X.] im [X.] vom 9. Oktober 1948 nicht korrigierend eingriff, obwohl sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte (Beschluss vom 15. Februar 2002 a.a.[X.] S. 76).

c) Entgegen der Auffassung der Revision wird der [X.] nicht durch das [X.] gemäß Nr. 5 des [X.] unterbrochen. Die Annahme des [X.], es sei hier nicht einschlägig, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] bezieht sich nicht auf Vermögenswerte, die - wie das Hausgrundstück des [X.] der [X.] - von der durch § 1 Nr. 2 der [X.] der [X.] konkretisierten [X.] eines sequestrierten Betriebs nach Nr. 1 des Befehls erfasst wurden.

Nr. 5 des [X.] setzte den [X.]-Befehl Nr. 124 außer [X.] und verbot jegliche weitere Sequestrierung von Eigentum aufgrund dieses Befehls. Er ließ erkennen, dass es mit den in Nr. 1 und 4 des Befehls geregelten Enteignungen sein Bewenden haben sollte und weitere Sequestrierungen nach Befehl Nr. 124 ebenso wie Enteignungen, die nicht auf den bisherigen Beschlagnahmeaktionen nach diesem Befehl beruhten, nach dem Willen der [X.]n Besatzungsmacht künftig zu unterbleiben hatten (Urteil vom 13. Dezember 2006 a.a.[X.] Rn. 27). Daraus ergibt sich für die [X.]enteignungen nach Nr. 1 des [X.] jedoch kein Erfordernis einer [X.] jedes einzelnen in die Betriebsenteignung einbezogenen Vermögensgegenstandes. Insoweit gilt für die Konkretisierung des Enteignungsumfangs durch § 1 Nr. 2 der [X.] der [X.] nichts anderes als für die Konkretisierung des Umfangs des Betriebsvermögens nach Nr. 2 Abs. 1 der [X.] der [X.] (vgl. dazu Beschluss vom 4. November 2002 - BVerwG 7 [X.] - [X.] 428 § 1 Abs. 6 [X.] Nr. 23). Die gegenteilige Auffassung der [X.] missversteht den Zusammenhang der Befehlsregelungen und die bisherige Rechtsprechung zum [X.].

Mit der Bestätigung der vorgelegten Betriebsenteignungslisten regelte Nr. 1 des [X.] den Umfang der Enteignung nur durch Bezugnahme auf die Listen. Er war deshalb für eine Konkretisierung durch Ausführungsbestimmungen nach Nr. 8 des Befehls wie § 1 Nr. 2 der [X.] offen, nach denen in den [X.] (konkludent) miterfasste Vermögensgegenstände des Unternehmensinhabers oder seiner Gesellschafter - auch unabhängig von einer betrieblichen Nutzung - in die Betriebsenteignung einbezogen wurden. Als Anknüpfungspunkt genügte die [X.] des Betriebes (Beschluss vom 4. November 2002 a.a.[X.]), so wie bei der Enteignung nach Nr. 4 des [X.] durch § 1 Nr. 1 der [X.] der [X.] die Erfassung des [X.] in einer Sequesterliste des sonstigen Vermögens als Anknüpfungspunkt genügte (Urteil vom 27. Februar 1997 a.a.[X.]; Beschluss vom 15. Februar 2002 a.a.[X.]).

Das in Nr. 5 des Befehls geregelte Verbot der Enteignung von Vermögenswerten, die bis zum Inkrafttreten des Befehls noch nicht nach [X.]-Befehl Nr. 124 beschlagnahmt worden waren, stellte keine zusätzlichen Anforderungen an die durch Nr. 1 des Befehls bestätigten oder in Nr. 4 des Befehls geregelten [X.]en. Es regelte also keinen Vorbehalt einer gesonderten [X.] jedes in solche Enteignungen einbezogenen Gegenstandes, der durch die Richtlinien der [X.] durchbrochen worden wäre. Vielmehr brachte es zum Ausdruck, dass mit der Durchführung der Nr. 1 und 4 des Befehls die umfassende Enteignung der "Nazi- und Kriegsverbrecher" zum Abschluss gebracht werden sollte, dass aber darüber hinausgehende, nicht an die bisherigen Beschlagnahmeaktionen nach [X.]-Befehl Nr. 124 anknüpfende [X.]en und Enteignungen dem Willen der Besatzungsmacht widersprachen (Urteil vom 13. Dezember 2006 a.a.[X.] Rn. 27).

Damit stand Nr. 5 des Befehls der weiteren Konkretisierung des Umfangs der [X.]en durch §§ 1 und 2 der [X.] der [X.] nicht entgegen. Das [X.] diente lediglich dazu, eine Ausweitung der [X.] über den Kreis der bei Inkrafttreten des Befehls Nr. 64 bereits von [X.]en nach [X.]-Befehl Nr. 124 betroffenen, als belastet eingestuften Personen hinaus zu verhindern. Es verbot also nicht, diese Betroffenen umfassend zu enteignen, sondern erklärte nur die Enteignung anderer Personen und die [X.] weiterer Vermögenswerte für unzulässig. Nicht unter das [X.] fiel danach die Einbeziehung nicht ausdrücklich in den Enteignungslisten erfasster Vermögensgegenstände einer bereits von [X.]smaßnahmen betroffenen Person, beispielsweise die Nacherfassung eines "vergessenen" Grundstücks eines bereits mit anderen Vermögenswerten in den Enteignungslisten des sonstigen Vermögens aufgeführten Eigentümers (Urteil vom 27. Februar 1997 a.a.[X.]) oder die Einbeziehung des Privatgrundstücks eines Gesellschafters in die [X.] des Unternehmens (vgl. Urteile vom 27. Juli 1999 - BVerwG 7 [X.] 36.98 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 6 S. 22 f., vom 25. Mai 2005 a.a.[X.] und vom 10. August 2005 a.a.[X.]; Beschluss vom 5. August 1998 - BVerwG 7 B 58.98 - juris). Nicht verboten war auch, in eine [X.]enteignung eine Filiale einzubeziehen, die in einem anderen Land der [X.]n Besatzungszone belegen und dort auf der [X.] verzeichnet war (Beschluss vom 4. November 2002 a.a.[X.] S. 80 f. zu Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie Nr. 1 der [X.]). Dagegen widersprach es dem [X.] gemäß Nr. 5 des [X.], Vermögenswerte einer Person zu enteignen, die weder Inhaber oder Gesellschafter eines in den Betriebsenteignungslisten erfassten Unternehmens noch in einer Sequesterliste des sonstigen Vermögens aufgeführt war und deren Vermögenswerte erstmals nach Inkrafttreten des [X.] beschlagnahmt wurden (Urteile vom 2. März 2000, vom 27. März 2000, vom 13. Dezember 2006, jeweils a.a.[X.] und vom 25. Juni 2008 - BVerwG 8 [X.] 14.07 - [X.] 2008, 259 f.). Das trifft auf den Rechtsvorgänger der [X.] nicht zu.

Der Einwand der [X.], [X.] habe ausweislich einer Bescheinigung aus dem Jahre 1946 nicht zum Personenkreis der sogenannten "Nazi- und Kriegsverbrecher" im Sinne des [X.] gezählt, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die besatzungshoheitliche Zurechnung ergibt sich aus der Bestätigung der [X.] des Unternehmens. Auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme kommt es weder für die besatzungshoheitliche Zurechnung der Betriebsenteignung noch für die der Einbeziehung des Privatgrundstücks an.

Da das [X.] der Nr. 5 des [X.] nicht eingreift, setzt die Zurechnung auch keinen das Verbot aufhebenden actus contrarius voraus.

d) Das [X.] ist schließlich nicht trotz des besatzungshoheitlichen [X.]harakters der Enteignung ausnahmsweise nach § 1 Abs. 8a Halbs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 7 [X.] anwendbar. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die im Rehabilitierungsverfahren aufgehobene Beschlagnahme des Vermögens des [X.] der [X.] im Ermittlungsverfahren nach [X.]-Befehl Nr. 201 nicht zu einer Enteignung durch Strafurteil führte.

2. Das Rücknahmeermessen nach § 48 Abs. 1 VwVfG wurde fehlerfrei ausgeübt. Dabei ist auf die Erwägungen im Widerspruchsbescheid abzustellen (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), die die Ermessensausübung der Ausgangsbehörde korrigieren und ergänzen. Zu Recht hält das Verwaltungsgericht § 48 Abs. 2 VwVfG für nicht einschlägig, weil die Rückübertragung keine Geld- oder teilbare Sachleistung im Sinne der Vorschrift darstellt (Beschluss vom 7. November 2000 - BVerwG 8 [X.] - [X.] 316 § 48 VwVfG Nr. 99 m.w.N.). [X.] des Betroffenen schließt nach § 48 Abs. 3 VwVfG eine Rücknahme nicht aus, soweit der [X.] nach dieser Vorschrift finanziell auszugleichen ist (Urteil vom 28. Januar 2010 - BVerwG 3 [X.] 17.09 - BVerwGE 136, 43 Rn. 25 = [X.] 316 § 48 VwVfG Nr. 128). Dass die Erbengemeinschaft im kurzen Zeitraum zwischen der Bestandskraft des [X.] und seiner Rücknahme im Vertrauen auf den Fortbestand der Rückübertragung Dispositionen getroffen hätte, die eine Rücknahme trotz des Nachteilsausgleichs nach § 48 Abs. 3 VwVfG unzumutbar erscheinen ließen, ist nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht erkennbar. Die Jahresfrist zur Rücknahme nach § 48 Abs. 4 VwVfG ist gewahrt.

Meta

8 C 1/11

07.03.2012

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Gera, 26. Mai 2010, Az: 3 K 60/09 Ge, Urteil

Nr 1 SMADBef 64/48, SMADBef 124/45, Nr 4 SMADBef 64/48, Nr 5 SMADBef 64/48, Nr 8 SMADBef 64/48, § 45 Abs 1 Nr 3 VwVfG, § 45 Abs 2 VwVfG, § 48 Abs 1 VwVfG, § 48 Abs 3 VwVfG, § 48 Abs 4 VwVfG, § 1 Abs 7 VermG, § 1 Abs 8 Buchst a VermG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.03.2012, Az. 8 C 1/11 (REWIS RS 2012, 8462)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8462


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 1256/12

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1256/12, 16.02.2016.


Az. 8 C 1/11

Bundesverwaltungsgericht, 8 C 1/11, 07.03.2012.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


8 B 9/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Zurechnungszusammenhang zwischen Enteignung und sowjetischem Willen; Besatzungsmacht als oberste Hoheitsgewalt


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