Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2009, Az. VI ZR 226/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 534

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[X.]IM [X.]AME[X.] DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 17. [X.]ovember 2009 [X.], Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit [X.]achschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 823 Ah; GG Art. 5 Abs. 1, 2 Zum Schutz der Meinungsfreiheit bei Verbreitung fremder Äußerungen in einem In-terview. [X.], Urteil vom 17. [X.]ovember 2009 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. [X.]ovember 2009 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 7. Zivil-senats des [X.] vom 5. August 2008 aufgehoben und das Urteil der 24. Zivilkammer des [X.] vom 29. Februar 2008 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger [X.], Chefredakteur des [X.]achrichtenmagazins "[X.]", begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Verbreitung von Äu-ßerungen des Autors und Kabarettisten [X.] in einem Interview. 1 Am 14. September 2007 druckte die Beklagte in der von ihr verlegten Zeitung ein mit den Worten "Heute wird offen gelogen" überschriebenes [X.] - 3 - view ab, das einer ihrer Mitarbeiter mit dem Autor und Kabarettisten [X.] geführt hatte. [X.] äußerte sich zu seinem [X.] "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort - [X.]", das am 19. September 2007 in S. zur Aufführung kam. Der Artikel trägt in Fettdruck die Überschrift "Heute wird offen gelogen" und darunter fettgedruckt in kleinerer Schrift "[X.] über sein gemeinsames [X.] mit [X.]". Im Beitrag wurde [X.] unter anderem wie folgt zitiert: "Unser Verhältnis zur Welt wird zunehmend ironischer und uneigentli-cher. Es ist nicht mehr wichtig, ob der [X.] ein Problem hat oder es nur fingiert. Als ich anfing, Talkshows zu machen, war das noch der Sündenfall. Einer wie [X.], der Interviews fingiert und jetzt seine Autobiografie geschrieben hat, löste eine Erosion im Mediengeschäft aus. Heute wird offen gelogen." 3 Die Antwort auf eine andere Frage des Interviewers lautet: 4 "Als [X.] in Sachen [X.] gerierte sich damals [X.]. Bei meinen Recherchen erwies sich [X.] allerdings als Gärtner. Aus der [X.]-Liste der hundert besten Ärzte war einer schon lange tot und ein anderer saß im Knast, weil er seine Patienten mit Überdosen von Medikamenten verse-hen hatte. Das [X.]-Interview, das [X.] mit [X.] geführt haben will, war schon zwei Jahre zuvor in der [X.] erschienen. Außerdem haben wir ein verfälschtes Mitterand-Interview aufgedeckt." 5 Der Kläger verlangt von der Beklagten zu unterlassen, die Äußerungen "Heute wird offen gelogen" und "Das [X.]-Interview, das [X.] mit [X.] geführt haben will, war schon zwei Jahre zuvor in der [X.] erschie-nen" zu verbreiten. 6 - 4 - Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision [X.] die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. 7 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZUM-RD 2009, 18 veröffentlicht ist, hat die Äußerungen als unwahre und herabsetzende Tatsachenbehauptun-gen gewertet. Es werde wahrheitswidrig behauptet, [X.] habe vorgegeben, persönlich ein Interview mit [X.] geführt zu haben. Zwar habe "[X.]" das Interview von der "[X.]" übernommen, doch habe [X.] niemals ge-sagt, dass er persönlich [X.] interviewt habe. Die Beklagte habe die von [X.] stammende Äußerung nicht nur verbreitet, sondern sich auch zu Eigen gemacht. Durch die Überschrift sowie Auswahl und Zusammen-stellung der Äußerungen werde zum Ausdruck gebracht, dass in dem Beitrag Beispiele für bewusst unwahre Berichterstattung offenbart würden und nicht nur nach der subjektiven Bewertung des Interviewten als "Lügen" zu bezeichnende Unwahrheiten. Die Beklagte hafte in jedem Fall nach den Grundsätzen der Verbreiterhaftung, weil sie Behauptungen des Interviewten ungeprüft wiederge-geben habe, die [X.] der Berufstätigkeit des [X.] beträfen und dessen Persönlichkeitsrecht besonders schwer beeinträchtigten. Dem Kläger werde nachgesagt, als Chefredakteur eines auflagenstarken Magazins ein Interview als Grundlage eines Artikels erfunden zu haben. Dies könne das Ansehen des [X.] in der Öffentlichkeit in so hohem Maße schädigen, dass die Beklagte die Äußerungen keinesfalls ungeprüft habe veröffentlichen dürfen. Die [X.] sei aufgrund der erfolgten Rechtsverletzung indiziert. 8 - 5 - I[X.] 9 Die Revision hat Erfolg. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu. 10 1. Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Auffassung des [X.], die Beklagte habe sich die beanstandeten Äußerungen zu Eigen gemacht. [X.]ach den Umständen des Streitfalls kann hiervon nicht ausgegangen werden. a) Ein Zu-Eigen-Machen liegt regelmäßig vor, wenn die fremde Äuße-rung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äuße-rung als eigene erscheint (vgl. Senat, [X.] 66, 182, 189 f.; Urteil vom 30. Juni 2009 - [X.] ZR 210/08 - [X.], 1262, 1264) oder auch im Rahmen eines Interviews eigene Tatsachenbehauptungen des Fragenden in den Raum ge-stellt werden, neben denen die Antworten des Interviewten nur noch als Beleg für die Richtigkeit wirken (vgl. [X.], [X.], 412; Wen-zel/[X.], Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., [X.]. 4 Rn. 103). Auch undistanziert wiedergegebene Äußerungen Dritter können zwar dem Verbreiter zugerechnet werden, wenn er sie sich zu Eigen gemacht hat (Senat, [X.] 132, 13, 18 ff.). Ob dies der Fall ist, ist jedoch mit der im [X.] der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen (Senat, [X.] 66, 182, 189 f.; Urteil vom 30. Juni 2009 - [X.] ZR 210/08 - aaO). Schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung kann sich ergeben, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder [X.] mitgeteilt wird ([X.], [X.]JW 2004, 590, 591). Dies ist [X.] beim Abdruck einer Presseschau der Fall ([X.], [X.], 1706, 1709). Entsprechendes gilt für die Veröffentlichung eines klassisch in Frage und Ant-wort gegliederten Interviews (vgl. [X.] 132, 13, 20; [X.], [X.], 11 - 6 - 518). Jedenfalls macht sich ein Presseorgan die ehrenrührige Äußerung eines [X.] in einem Interview nicht schon mit deren Verbreitung dadurch zu Eigen, dass es sich nicht ausdrücklich davon distanziert ([X.] 66, 182, 189; [X.]K 10, 485, 492; [X.], [X.], 1706, 1709; EGMR, Urteile vom 29. März 2001, Beschwerde [X.]r. 38432/97, [X.]/[X.], Rn. 64; vom 30. März 2004, Beschwerde [X.]r. 53984/00, [X.] u.a./Frankreich, Rn. 37 ff.; vom 14. Dezember 2006, Beschwerde [X.]r. 76918/01, [X.], Rn. 33; aA aber [X.], ZUM 1985, 632, 634; [X.], [X.], 564, 565; ZUM-RD 2007, 476, 477; [X.], Medien-recht, Rn. 35; unklar Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Aufl., [X.]. 39 Rn. 15). b) Mit diesen Grundsätzen ist die Auffassung des Berufungsgerichts nicht vereinbar, die Beklagte habe sich die angegriffenen Äußerungen zu Eigen gemacht. Durch die Veröffentlichung des Interviews ist die Beklagte ersichtlich als bloße Vermittlerin der Äußerungen aufgetreten. Bereits aus der Form der Darstellung ergibt sich für den Leser, dass es sich um die Wiedergabe eines Interviews handelt. Darauf wird auch in der zweiten Überschrift des Artikels hin-gewiesen. Die Gliederung in Frage und Antwort unter [X.] und die danach folgende Wiedergabe der Antworten machen dies [X.]. Der Fragesteller hat auch den Kläger nicht von sich aus zum Thema des Interviews gemacht. Vielmehr hat [X.] selbst die Rede auf die Veröffentlichungen in der Zeitschrift "[X.]" gebracht und in diesem Zusam-menhang den Kläger als Chefredakteur namentlich genannt. Die Beklagte hat mithin die in den Antworten enthaltenen Aussagen nicht als eigene verbreitet. 12 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist auch nach den Grundsätzen der Verbreiterhaftung ein Unterlassungsgebot gegen die Beklagte nicht gerechtfertigt. Zu dem von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten [X.] - 7 - nikationsprozess kann die Mitteilung einer fremden Meinung oder Tatsachen-behauptung auch dann zählen, wenn der Mitteilende sich diese weder zu Eigen macht noch sie in eine eigene Stellungnahme einbindet, sondern die fremde Äußerung lediglich verbreitet (vgl. [X.]E 85, 1, 22; [X.], [X.], 1706). Auch der Abdruck eines Interviews kann ein besonderes [X.] der Mediennutzer erfüllen. Dabei ist die Presse zwar grundsätzlich in weiterem Umfang als Private gehalten, [X.]achrichten und Behauptungen vor ih-rer Weitergabe auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen (vgl. Senat, [X.] 132, 13, 18 f.; [X.]E 12, 113, 130; 85, 1, 22; [X.], [X.]JW 2004, 589, 590; [X.], 1706, 1709). Daraus folgt indes nicht, dass der Presse solche Sorg-faltspflichten uneingeschränkt abverlangt werden dürfen. Vielmehr sind die Fachgerichte gehalten, auch bei der Bemessung der Sorgfaltspflichten, die der Presse bei Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen sind, die Wahr-heitspflicht nicht zu überspannen, um den von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ge-schützten freien [X.] nicht einzuschnüren (vgl. [X.], [X.]JW 2004, 589). [X.] man der Presse in den Fällen der Verbreitung fremder Tatsachenbehauptungen eine uneingeschränkte Verbreiterhaftung auf, führte dies dazu, dass die lediglich wiedergegebenen Tatsachenbehauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin wie ein eigener Beitrag zu überprüfen wären. Eine solche Recherchepflicht könnte den [X.] in unzulässiger Weise einschränken. Die Frage, welche Überprüfungspflichten den Verbreiter einer fremden Äußerung treffen, bedarf im Streitfall indes keiner Entscheidung (vgl. zu rechtsverletzenden Veröffentlichungen im Anzeigenteil einer Zeitung: [X.] 59, 76, 80 f.; zum Abdruck von Leserbriefen: Senatsurteil vom 27. Mai 1986 - [X.] ZR 169/85 - [X.], 1075). Denn die Verbreitung der angegriffe-nen Äußerungen verletzt den Kläger nicht in rechtswidriger Weise in seinem Persönlichkeitsrecht. - 8 - 3. Die Äußerung "Heute wird offen gelogen" ist eine zulässige Meinungs-kundgabe, die sich zudem nicht auf den Kläger persönlich bezieht. Die Behaup-tung "Das [X.]-Interview, das [X.] mit [X.] geführt haben will, war schon zwei Jahre zuvor in der [X.] erschienen" stellt bei zutreffender Sinndeutung eine wahre Tatsachenbehauptung dar. Die Verbreitung dieser Be-hauptung hat der Kläger im Hinblick auf den Schutz der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, hinter dem sein Persönlichkeitsschutz im Streitfall [X.], hinzunehmen. 14 a) [X.]ach den für die Sinndeutung einer Äußerung geltenden Grundsätzen ist vorderhand zu klären, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist. Wesentlich für die Einstu-fung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. z.B. Senatsurteile [X.] 132, 13, 20 f.; vom 17. [X.]ovember 1992 - [X.] ZR 344/91 - [X.], 193, 194; vom 17. [X.]ovember 1992 - [X.] ZR 352/91 - [X.], 364, 365; vom 28. Juni 1994 - [X.] ZR 273/93 - [X.], 1123 und vom 11. März 2008 - [X.] ZR 7/07 - [X.], 793, 794 jeweils m.w.[X.]). Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie [X.] zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des [X.] oder [X.] geprägt werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - [X.] ZR 45/05 - [X.], 249, 250; vom 11. März 2008 - [X.] ZR 189/06 - [X.], 695, 696; vom 22. April 2008 - [X.] ZR 83/07 - [X.], 971, 972; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.], 555, 556). Wo [X.] und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst. Im Falle einer derartigen engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und 15 - 9 - ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang ge-rissen und isoliert betrachtet wird (vgl. hierzu Senatsurteile [X.] 132, 13, 21; vom 28. Juni 1994 - [X.] ZR 252/93 - [X.], 1120, 1121; vom 16. [X.]ovember 2004 - [X.] ZR 298/03 - [X.], 277, 279; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - aaO; [X.]E 85, 1, 15 f.). So dürfen aus einer komple-xen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausge-griffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden - Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletz-ten [X.] erforderlich wird (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1997 - [X.] ZR 102/96 - [X.], 842, 843; vom 16. [X.]ovember 2004 - [X.] ZR 298/03 - aaO; vom 2. Dezember 2008 - [X.] ZR 219/06 - [X.], 365, 366; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - aaO). b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts der angegriffenen Äußerungen nicht beachtet, was [X.] in vollem Umfang zur Überprüfung steht (vgl. Senatsurteile vom 22. [X.]ovember 2005 - [X.] ZR 204/04 - [X.], 382 m.w.[X.]; vom 11. März 2008 - [X.] ZR 189/06 - aaO, 696; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - aaO). 16 aa) Die Aussage "Heute wird offen gelogen" stellt danach eine [X.] dar. Sie bezieht sich nicht auf den Kläger persönlich, sondern auf Beiträge in dem in der Verantwortung des [X.] liegenden Magazins "[X.]". Mit der Äußerung zieht [X.] ein Resümee aus den von ihm im Interview geschilderten Missständen in der Medienwelt. So kritisiert er, dass einst fingierte Probleme von Talkshowgästen als "Sündenfall" gegolten, dann aber die erfundenen Interviews des Journalisten [X.] zu einer "Erosion" geführt 17 - 10 - hätten. Die Sinndeutung, die Beklagte behaupte, der Kläger oder alle im Inter-view erwähnten Personen würden "offen lügen", liegt danach auch unter Be-rücksichtigung der Platzierung des Satzes als Überschrift des abgedruckten Artikels fern. Sie ist deshalb auszuscheiden (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 2008 - [X.] ZR 7/07 - aaO, 796; [X.]E 114, 339, 348; [X.], [X.]JW 2006, 3769, 3771; 2008, 1654, 1655). [X.]) Die Deutung des Berufungsgerichts, mit der Äußerung "Das [X.]-Interview, das [X.] mit [X.] geführt haben will, war schon zwei Jahre zuvor in der [X.] erschienen" werde dem Kläger wahrheitswidrig nach-gesagt, er habe das Interview mit [X.] "gleichsam erfunden", folgt zwar dem Wortlaut. Sie vernachlässigt aber den Kontext und den tatsächlichen [X.] der Äußerung, wonach es sich hierbei um eine die zuvor erfolgte nega-tive Bewertung der Medien belegende Tatsache handelt. [X.] der Äußerung ist nicht der Vorwurf, es handle sich um ein vom Kläger frei erfundenes persönlich geführtes Interview, sondern, dass ein bereits zwei Jahre zuvor in der Zeitschrift "Bunte" abgedrucktes Interview erneut als aktuelles eigenes Interview im [X.] "[X.]" veröffentlicht worden sei. Diese Aussage erweist sich bei der gebotenen Textanalyse als wahr. [X.] wendet sich dage-gen, dass dem unvoreingenommenen Leser des Artikels in "[X.]" die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmende Vorstellung vermittelt werde, das Interview sei in engem zeitlichem Zusammenhang zur Veröffentlichung des Porträts [X.] des [X.] der Tagebücher mit [X.] ge-führt worden. Dass die in dem betreffenden Artikel über [X.] in einen Text eingebetteten Teile des Interviews dem mehr als zwei Jahre zuvor in der Zeitschrift "Bunte" abgedruckten Interview des Journalisten [X.]. entnommen sind, zieht auch der Kläger nicht in Zweifel. Damit übereinstimmend hat der [X.] Vertreter des [X.] in der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2008 vor dem [X.] erklärt, dass "[X.]" ein Interview mit [X.] 18 - 11 - gekauft habe, das in der Tat zwei Jahre zuvor in Teilen in der "[X.]" veröf-fentlicht worden sei. Dies sei "[X.]" aber nicht bekannt gewesen. [X.] prangert in dem abgedruckten Interview Lügen der Medien an. Er weist darauf hin, dass der Kläger zwar als "[X.]" gegen den Journalisten [X.] aufgetreten sei, Beiträge in dem in der Verantwortung des [X.] liegenden Magazin "[X.]" aber ebenfalls Unwahrheiten enthalten hätten und nennt drei Beispiele dafür. Für diese Vorkommnisse war der Kläger als Chefredakteur des Magazins "[X.]" unabhängig von der umfassenden eigenen Kenntnis der Umstände persönlich verantwortlich. Entgegen der Auffassung des Berufungs-gerichts ist die Äußerung von [X.], "Das [X.]-Interview, das [X.] mit [X.] geführt haben will, –", nicht dahin zu verstehen, dass behauptet wird, der Kläger habe vorgegeben, selbst [X.] inter-viewt zu haben. Dadurch dass der [X.]ame des [X.] in diesem Zusammen-hang fällt, soll vielmehr die Wirkung des übrigen Textes verstärkt werden, in-dem "[X.]" als Synonym für das Magazin "[X.]" verwendet wird. Als Teil der Gesamtaussage des Interviews wird damit die in der Öffentlichkeit verbrei-tete Sicht aufgenommen, wonach der [X.]ame "[X.]" untrennbar mit der Zeit-schrift "[X.]" verbunden wird. Mithin zielt die Äußerung nicht auf die journalis-tische Einzelleistung, also wer konkret das [X.] geführt hat, son-dern auf die journalistische Gesamtverantwortung, die der Kläger als Chefre-dakteur für die jeweilige Ausgabe des "[X.]" innehatte. Mit dieser Personali-sierung ist eine Wirkungssteigerung der Äußerung von [X.] [X.], die vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst wird (vgl. [X.] vom 12. Oktober 1993 - [X.] ZR 23/93 - [X.], 57, 59). Allerdings bleibt der Kläger auch bei zutreffender Deutung persönlich von der Äußerung und deren Verbreitung betroffen, weil mit seinem [X.]amen öffentlich Kritik an der Qualität des in seiner Verantwortung stehenden Presseprodukts geäußert wird. Dadurch werden dem Leser Zweifel an der Seriosität des Magazins "[X.]" - 12 - vermittelt, was negative Auswirkungen auf das Bild des [X.] als in der [X.] bekannter Chefredakteur haben kann. 19 c) Doch fehlt als weitere Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch des [X.] die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung seines Persönlichkeits-rechts. 20 aa) Die Rechtswidrigkeit ist bei einem Eingriff in das Allgemeine Persön-lichkeitsrecht nicht indiziert. Sie muss im Rahmen einer Abwägung der [X.] Rechtspositionen positiv festgestellt werden, bei der alle wesentlichen Um-stände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichti-gen sind (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - [X.] ZR 189/06 - aaO, 696; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - aaO, 557, jeweils m.w.[X.]; [X.], [X.]JW 2008, 358, 359; [X.]E 114, 339, 348 m.w.[X.]). Das Recht auf Pressefreiheit findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Grenze an den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gehören (vgl. [X.]K 3, 337, 345). Das durch diese Vorschriften geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht, dem nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtlicher Schutz zukommt, gewährleistet u.a. den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffent-lichkeit, auszuwirken (vgl. [X.]E 99, 185, 193; 114, 339, 346; [X.], [X.]JW 2003, 1856; [X.]JW 2008, 39, 41). [X.]) Das Berufungsgericht hat eine Abwägung nicht vorgenommen, weil es die Äußerungen fälschlich als unwahre Tatsachenbehauptungen eingestuft hat, deren künftige Verbreitung nicht zulässig wäre (vgl. Senat, Urteil vom 27. Mai 1986 - [X.] ZR 169/85 - [X.], 1075, 1077; [X.]E 24, 278; 114, 339, 350; [X.] [X.]JW 2006, 3769, 3773; [X.]JW 2008, 1654, 1655). [X.]ach Lage des Falles kann der erkennende Senat aber die erforderliche Abwägung selbst 21 - 13 - vornehmen, weil hierfür keine weiteren tatsächlichen Feststellungen erforderlich sind. Hierbei ist auf Seiten des Persönlichkeitsschutzes von Bedeutung, dass die angegriffene Äußerung lediglich die Sozialsphäre des [X.] tangiert. Sie betrifft die berufliche Tätigkeit, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht (vgl. Senat, [X.] 36, 77, 80 und 161, 266, 268 f.; Urteile vom 20. Januar 1981 - [X.] ZR 163/79 - VersR 1981, 384, 385 und vom 21. [X.]ovember 2006 - [X.] ZR 259/05 - [X.], 511, 512; [X.], [X.]JW 2003, 1109, 1110; [X.], ZfL 2003, 79, 80 f.). Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, [X.] Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen ist. Für derartige Umstände fehlen im Streitfall jegliche Anhaltspunkte. Dass die Zeitschrift "[X.]" unter der Verantwortung des [X.] stets objektiv wahr berichtet hätte, behauptet der Kläger selbst nicht. Auch die Tatsachengrundlage der angegriffenen Äußerung ist wahr. Auf Seiten der Beklagten ist das Interesse der Öffentlichkeit an der Wahrheit und Seriosität von Veröffentlichungen in den Medien und der Aufde-ckung von unwahrer Berichterstattung zu berücksichtigen. Zum meinungsbil-denden [X.] zählt nicht nur die Veröffentlichung der eige-nen Meinung, sondern auch die Information über fremde Äußerungen in der aktuellen Auseinandersetzung um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage. Eine solche Information liegt hier vor. Die Äußerungen sind Teil der von [X.] in seinem Bühnenprogramm geübten allgemeinen Medienkri-tik. Wollte man Äußerungen der vorliegenden Art unterbinden, wäre jede öffent-liche Diskussion über Themen, die die Allgemeinheit interessieren, in einer Weise erschwert, die mit dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG unvereinbar wäre. Der Persönlichkeitsschutz des [X.] 22 - 14 - hat mithin hinter dem Recht der Beklagten auf freie Berichterstattung und auf die freie Verbreitung von Meinungen nach Art. 5 Abs. 1 GG zurückzutreten. 23 4. Die Klage war somit abzuweisen. [X.]Zoll [X.] Pauge von [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.02.2008 - 324 O 998/07 - [X.], Entscheidung vom 05.08.2008 - 7 U 37/08 -

Meta

VI ZR 226/08

17.11.2009

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2009, Az. VI ZR 226/08 (REWIS RS 2009, 534)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 534

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