Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2009, Az. VI ZR 19/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 1585

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 22. September 2009 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 823 Ah; GG Art. 5 Abs. 1, 2 Zum Schutz der Meinungsfreiheit bei kritischen Äußerungen über ein Unter-nehmen und dessen Vorstandsvorsitzenden. [X.], Urteil vom 22. September 2009 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2009 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], Pauge, [X.] und die Richterin von [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 18. [X.] 2007 aufgehoben. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkam-mer des [X.] vom 19. Januar 2007 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen Tatbestand:Die Klägerin zu 1 ist ein Großunternehmen. Der Kläger zu 2 war bis [X.] 2005 Vorsitzender ihres Vorstands. Der Beklagte ist Aktionär der Klägerin zu 1 und Sprecher eines [X.]. Er hat sich wiederholt als Buchautor kritisch zu den Klägern geäußert. 1 Am 28. Juli 2005 meldete die Klägerin zu 1, ihr Aufsichtsrat habe [X.], dass der Kläger zu 2 zum 31. Dezember 2005 aus dem Unterneh-men ausscheide. Am gleichen Tag wurde in der - auch in [X.] zu [X.] - 3 - genden - Fernsehsendung "[X.]" ein mit dem Beklagten geführ-tes Interview ausgestrahlt, in dem dieser unter anderem folgende Äußerungen machte: "Frage: Was für viele ja den Rücktritt hier fast schon sympathisch macht, ist die Tatsache, dass er überhaupt keine Abfindungen annimmt, da er kein Geld möchte, obwohl er ja eigentlich vertraglich den Anspruch hätte. Gibt es da eine Erklärung? Antwort des Beklagten: Jetzt muss man mutmaßen, aber wenn Sie [X.] [den Kläger zu 2] kennen, da gibt es nun Fälle, wo ich denke, jemand will Millionen, man schätzt er hat zwischen 5 und 7 Millionen Euro pro Jahr verdient, er nun durchaus darauf Wert gelegt hat, dass man ja auch die Kleinigkeiten im Leben gezahlt hat, dann kann man nicht sagen, dass der [X.] unbedingt so orientiert ist, dass er gerne auf das Geld verzichtet. Es gibt meines Erachtens andere Dinge, die im Raume stehen und die jetzt geklärt werden müssen in den nächsten Monaten. Ich glaube nicht, dass der Rücktritt freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde. [X.], Aktionäre, alle wichtigen Partner hat er nun verloren, die Rückendeckung verloren, und das muss damit [X.], dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr [X.] geregelt hat." Das [X.] hat dem Antrag der Kläger stattgegeben, folgende [X.] zu untersagen: 3 "a) Ich glaube nicht, dass der Rücktritt (des [X.] zu 2 als Vor-sitzender des Vorstands der Klägerin zu 1) freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde. b) – und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäf-te nicht immer so sauber waren, die Herr [X.] geregelt hat." Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.]s ist zu-rückgewiesen worden. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiter, die Klage abzuweisen. 4 - 4 - Entscheidungsgründe: [X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen den Klägern die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog zu, weil die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen den Kläger zu 2 in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und die Klägerin zu 1 in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletze. 5 Entgegen der Auffassung des [X.]s seien die [X.] "Ich glaube nicht, dass der Rücktritt – freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu ge-drängt und genötigt wurde." als Tatsachenbehauptungen einzuordnen. Die [X.] Worte "Ich glaube nicht, –" und "Ich glaube, –" verliehen der Äuße-rung nicht den Charakter einer Bewertung. In Betracht käme deshalb allenfalls eine Einordnung der Äußerungen als - zulässige - [X.]. [X.] seien die insoweit zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Es sei davon auszugehen, dass die beanstandeten Behauptungen unwahr seien, weil der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte weder dargetan noch [X.] dafür angetreten habe, dass der Kläger zu 2 nicht freiwillig den Rücktritt erklärt habe und dass er dazu gedrängt oder genötigt worden sei. 6 Die Äußerung "– und das muss damit zusammenhängen, dass die Ge-schäfte nicht immer so sauber waren, die Herr [X.] geregelt hat." habe das Land-gericht zu Recht als Meinungsäußerung eingestuft, aber als unzulässige Schmähkritik untersagt. Der Beklagte habe für seine Kritik keine Anknüpfungs-punkte dargelegt. In einem solchen Fall müsse, da die Aussage - weil jeder tat-sächlichen Grundlage entbehrend - nur der Kränkung und Demütigung der Klä-ger zu dienen bestimmt gewesen sei, die Meinungsfreiheit hinter dem Schutz der Persönlichkeit der Kläger zurücktreten. 7 - 5 - Der Beklagte könne sich zur Rechtfertigung seiner Äußerungen auch nicht darauf berufen, dass er Presseberichte guten Glaubens aufgegriffen habe. Hinsichtlich seiner Behauptung, er glaube, dass der Kläger zu 2 nicht freiwillig zurückgetreten sei, fehle es an Presseberichten zum Zeitpunkt seiner Äußerun-gen, weil solche erst an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht worden seien. Zudem habe der Beklagte eine Biografie über den Kläger zu 2 verfasst und sei deshalb keine unkundige Person gewesen. Hinsichtlich seiner Kritik, die Geschäfte des [X.] zu 2 seien "nicht immer so sauber" gewesen, enthielten die vorgelegten Presseberichte keine Fakten. 8 I[X.] Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. 9 Diese rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Ausführungen des Beklagten zu Unrecht teilweise als Tatsachenbehauptungen eingestuft sowie die Anforderungen an das Vorliegen einer Schmähkritik verkannt hat. Deshalb hat es die gebotene Abwägung zwischen dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Recht der persönli-chen Ehre und auf öffentliches Ansehen der Kläger, zu dessen Wahrung auch juristische Personen Ehrenschutz in Anspruch nehmen können (vgl. Senatsur-teile vom 16. November 2004 - [X.] ZR 298/03 - [X.], 277, 279 m.w.[X.]; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.], 555 Rn. 10), nicht vorge-nommen. 10 - 6 - 1. a) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbe-hauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung der Ermittlung des vollständigen [X.]. Insbesondere ist jede beanstandete Äußerung in dem [X.] zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (Senatsurteile [X.] 132, 13, 21; vom 28. Juni 1994 - [X.] ZR 252/93 - [X.], 1120, 1121; vom 16. November 2004 - [X.] ZR 298/03 - [X.]O; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.]O, Rn. 11). So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden - Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten [X.] erforderlich wird (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1997 - [X.] ZR 102/96 - [X.], 842, 843; vom 16. November 2004 - [X.] ZR 298/03 - [X.]O; vom 2. Dezember 2008 - [X.] ZR 219/06 - [X.], 365 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.]O). Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen er-streckt, soweit sie [X.] zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf [X.], in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des [X.] oder [X.] geprägt werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - [X.] ZR 45/05 - [X.], 249, 250; vom 11. März 2008 - [X.] ZR 189/06 - [X.], 695 Rn. 12; vom 22. April 2008 - [X.] ZR 83/07 - [X.], 971 Rn. 16; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.]O). 11 b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Ermittlung des [X.] nicht beachtet, was revisionsrechtlich in vollem Umfang zur 12 - 7 - Überprüfung steht (vgl. Senatsurteile vom 22. November 2005 - [X.] ZR 204/04 - [X.], 382 m.w.[X.]; vom 11. März 2008 - [X.] ZR 189/06 - [X.]O, Rn. 11; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.]O, Rn. 12). Entgegen seiner Auffassung sind auch die von ihm als Tatsachenbehauptungen eingestuften [X.] dem Schutz des Art. 5 GG zu unterstellen, weil es sich bei Berücksichtigung des Gesamtkontextes um Äußerungen handelt, die insgesamt durch die Ele-mente der Stellungnahme, des [X.] oder [X.] geprägt werden. [X.]) Es ist zwar richtig, dass sich alleine aus den einleitenden Worten "Ich glaube nicht, –" bzw. "Ich glaube, –" nicht der Charakter einer Bewertung er-gibt, die dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterliegt. Solche Formulierungen stehen ebenso wie die Formulierungen "mit an Sicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit", "sollen angeblich", "ich meine, dass" oder "offenbar" der [X.] als Tatsachenbehauptungen nicht prinzipiell entgegen. Der [X.] würde leerlaufen, wenn es der Äußernde in der Hand hätte, allein durch solche Einschübe aus seinen Tatsachenbehauptungen zivilrechtlich weniger angreifbare Meinungsäußerungen zu machen (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2008 - [X.] ZR 83/07 - [X.], 971 Rn. 18 m.w.[X.]). 13 [X.]) Aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews, in dem die streiti-gen Äußerungen gefallen sind, ergibt sich aber, dass es sich insgesamt um [X.] handelt, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zu unterstellen sind. In dem Interview hat der Beklagte nicht nur durch die Worte "ich glaube" deutlich gemacht, dass er auf die Frage des Reporters nur seine Meinung zu dem Vorfall kundgeben wolle. Vielmehr hat er bereits am Anfang seiner Antwort klargestellt, dass er "mutmaßen" müsse. Zudem hat er darauf hingewiesen, dass Dinge im Raum stünden, die "in den nächsten Monaten" geklärt werden müssten. Er hat die Entwicklung des Unternehmens während der Vorstandstä-tigkeit des [X.] zu 2 als Grundlage genommen, diesen zu charakterisieren. 14 - 8 - Hierzu zieht er auch dessen Visionen und die Art und Weise heran, wie dieser sich an die Spitze des Konzerns gekämpft und dort gehalten habe. Auf die [X.] des Journalisten, ob er eine Erklärung dafür habe, dass der Kläger zu 2 oh-ne Abfindung aus dem Unternehmen ausgeschieden sei, folgt dann die Antwort, von der die Instanzgerichte [X.] untersagt haben und die das [X.] teilweise als Tatsachenbehauptung eingestuft hat. Aufgrund dieses Gesamtzusammenhangs wird seine Äußerung jedoch insgesamt durch die E-lemente der Stellungnahme, des [X.] oder [X.] geprägt und ist mithin insgesamt grundsätzlich dem Schutz des Grundrechts aus Art. 5 GG zu unterstellen. 2. Dies gilt - wie von den Instanzgerichten zutreffend angenommen - auch hinsichtlich des im Tenor unter b) untersagten [X.], "– dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren". Die Beurteilung eines Vorgangs anhand rechtlicher oder sittlicher Maßstäbe wird nicht anders als die Äußerung von Rechtsmeinungen grundsätzlich als eine ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des [X.] angesehen. Dies gilt in der Regel selbst für Fallgestaltungen, in denen ein Vorgang als strafrechtlich rele-vanter Tatbestand eingestuft wird (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - [X.] ZR 251/80 - [X.], 904, 905 und - [X.] ZR 255/80 - [X.], 906, 907; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.]O, Rn. 15). Der hier verwendete wer-tende Begriff "sauber" ist derart substanzarm, dass sich ihm eine konkret greif-bare Tatsache nicht entnehmen lässt (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - [X.] ZR 7/07 - [X.] Rn. 14). 15 3. Um die Zulässigkeit der angegriffenen Äußerungen zu beurteilen, sind mithin hinsichtlich der beiden untersagten [X.] grundsätzlich die be-troffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Um-stände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichti-16 - 9 - gen sind (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - [X.] ZR 189/06 - [X.], 695 Rn. 13; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.]O, Rn. 17, jeweils m.w.[X.]). Diese Abwägung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen, weil es den unter a) untersagten Äußerungsteil als Tatsachenbehauptung eingestuft und deshalb dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Wahr-heit seiner Aussage auferlegt und in dem unter b) untersagten Äußerungsteil eine unzulässige Schmähkritik gesehen hat. Entgegen dieser Auffassung ist jedoch eine Abwägung erforderlich, weil beide [X.] vom Schutzbe-reich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst werden und keine unzulässige Schmähkritik vorliegt. a) An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maß-stäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde (vgl. Senatsurteile [X.] 143, 199, 209; vom 11. März 2008 - [X.] ZR 189/06 - [X.]O, Rn. 15; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.]O, Rn. 18 m.w.[X.]). Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die [X.] in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einer [X.] Schmähung an (vgl. Senatsurteile [X.] 143, 199, 209; vom 5. Dezember 2006 - [X.] ZR 45/05 - [X.], 249, 251; vom 11. Dezember 2007 - [X.] ZR 14/07 - [X.], 357 Rn. 22; vom 11. März 2008 - [X.] ZR 189/96 - [X.]O; vom 3. Februar 2009 - [X.] ZR 36/07 - [X.]O). 17 b) Im Streitfall ist hinsichtlich beider [X.] ein sachlicher Bezug anzunehmen. 18 - 10 - Der Rücktritt des [X.] zu 2 und die Frage, ob dieser freiwillig zurück-getreten ist, waren von großem öffentlichem Interesse. Dies zeigt nicht nur der Umstand, dass sich die [X.] am [X.] mit dieser Frage beschäftigte, sondern ergibt sich auch aus den vom Beklagten vorgeleg-ten Presseberichten, die an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht [X.]. Der Beklagte hat sich mithin zu einem Sachthema von erheblichem [X.] Interesse geäußert, wobei nicht die Herabsetzung der Person des [X.] zu 2 im Vordergrund stand. 19 Eine Herabsetzung des [X.] zu 2, in einer Weise, dass dieser gleich-sam an den Pranger gestellt werden soll, ergibt sich auch nicht aus dem zwei-ten angegriffenen Äußerungsteil. Die Formulierung "das muss damit zusam-menhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr [X.] ge-regelt hat" stellt keine Formalbeleidigung dar. Die Formulierung ist nicht mit dem Vorwurf illegaler Geschäfte gleichzusetzen, sondern als weiter gefasster Vorwurf missbilligenswerter Geschäftspraktiken zu verstehen, wie das [X.] im Ansatz zutreffend angenommen hat. Diese Bewertung hat der Beklagte nicht isoliert vorgenommen, sondern im Zusammenhang mit dem [X.], dass der Kläger zu 2 vorzeitig ohne eine Abfindung zurückgetreten ist. Da dies aus Sicht des Beklagten mit der Persönlichkeitsstruktur des [X.] zu 2 nicht in Einklang zu bringen ist, zog er die angegriffenen Schlussfolgerungen. Vor diesem Hintergrund kann der Äußerung des Beklagten ein Sachbezug nicht abgesprochen werden. 20 4. Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zugunsten der Kläger ins Gewicht, dass die beanstandeten Äußerungen geeignet sind, sie in ihrem öf-fentlichen Ansehen zu beeinträchtigen und möglicherweise auch ihre geschäftli-che Tätigkeit zu erschweren. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der ver-wendete Begriff "sauber" ein bloß pauschales Urteil enthält, bei dem der tat-21 - 11 - sächliche Gehalt gegenüber der Wertung zurücktritt und die Abwägung nicht beeinflusst (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - [X.] ZR 7/07 - [X.]O; [X.] 61, 1, 9 f.; [X.] NJW-RR 2004, 1710, 1711). Zudem ist zugunsten der Mei-nungsfreiheit des Beklagten zu beachten, dass an der Bewertung der Ge-schäftstätigkeit des Vorstandsvorsitzenden eines [X.] Großunterneh-mens und dessen vorzeitigem Rücktritt ein großes öffentliches Interesse be-steht und es sich um eine Berichterstattung über die berufliche Sphäre bzw. einen Vorgang im [X.] handelt. Dabei muss ein solches Unterneh-men eine genaue Beobachtung seiner Handlungsweise in der Öffentlichkeit hinnehmen. Deshalb sind die Grenzen zulässiger Kritik ihm gegenüber ebenso wie gegenüber ihren Führungskräften weiter gezogen (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - [X.] ZR 20/01 - [X.], 445, 446; vom 16. November 2004 - [X.] ZR 298/03 - [X.]O; vom 21. November 2006 - [X.] ZR 259/05 - [X.], 511, 512; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - [X.] und [X.]/ [X.] sowie 1994, [X.], [X.], Nr. 75 - [X.]/ [X.]). Es ist allgemein bekannt und lässt sich den vorgelegten Presseberichten entnehmen, dass der Kläger zu 2 aufgrund seiner Geschäftstätigkeit in der [X.] sehr kritisiert worden ist. In diesem Zusammenhang hat der [X.] darauf hingewiesen, dass während der Leitung des Unternehmens durch den Kläger zu 2 ein Börsenwertverlust in Höhe von 35 Mrd. • sowie eine Drittelung des Aktienkurses eingetreten und zahlreiche Mitarbeiter entlassen worden [X.]. Da die Kläger keine Begründung für das Ausscheiden gegeben haben und der Kläger zu 2 auch keine Abfindung erhalten hat, war der Weg für Spekulatio-nen über die Gründe des Rücktritts eröffnet. Bei der gebotenen Gesamtabwä-gung aller Umstände stellen sich die Äußerungen des Beklagten in einem Inter-view am Tage des Rücktritts - auch unter Berücksichtigung seiner Vorkenntnis-se über das Unternehmen und einen möglicherweise bevorstehenden Rücktritt 22 - 12 - des [X.] zu 2 - mithin als noch zulässig und damit nicht als rechtswidrig dar. Wollte man in einem solchen Fall eine Äußerung der vorliegenden Art unterbin-den, wäre eine spontane öffentliche Diskussion aktueller Ereignisse von beson-derem Öffentlichkeitsinteresse - auch unter Würdigung des Persönlichkeits-rechts der Betroffenen - in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise erschwert. 5. Da die zu beurteilenden Tatsachen feststehen und somit eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist, kann der Senat aufgrund seiner eigenen Abwägung abschließend entscheiden. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge der §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO abzuweisen. 23 Galke [X.] Pauge [X.] von [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 19.01.2007 - 324 O 283/06 - OLG [X.], Entscheidung vom 18.12.2007 - 7 U 18/07 -

Meta

VI ZR 19/08

22.09.2009

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2009, Az. VI ZR 19/08 (REWIS RS 2009, 1585)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 1585

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15 U 28/14

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