Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.04.2011, Az. 5 AZR 200/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 7337

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Gegenstand

Pauschalabgeltung von Reisezeiten - Beifahrerzeiten - Vergütungspflicht


Leitsatz

Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers enthaltene Klausel, Reisezeiten seien mit der Bruttomonatsvergütung abgegolten, ist intransparent, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag nicht ergibt, welche "Reisetätigkeit" von ihr in welchem Umfang erfasst werden soll.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. Februar 2010 - 2 [X.] und 2 Sa 839/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Vergütung von Beifahrerzeiten.

2

Der Kläger war vom 14. Februar 2003 bis zum 31. März 2008 bei der [X.], die ein Speditionsunternehmen betreibt, als Kraftfahrer beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 1.636,00 Euro. Im Arbeitsvertrag der Parteien heißt es ua.:

        

„§ 1 Tätigkeit

        

1.    

Der Arbeitnehmer wird ab 14.02.2003 eingestellt als: Kraftfahrer

                 

Die Tätigkeit umfaßt hiernach:

                 

Lt. Anweisung des Disponenten

        

…       

        
        

§ 3 Betriebsordnung, Arbeitszeit - Mehrarbeit

        

…       

        

2.    

Für das Fahrpersonal richten sich die Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen, die Ruhezeiten u. die Schichtzeit nach

        

3.    

den Bestimmungen der [X.] ([X.]) 3820/85. Im übrigen richtet sich die Arbeitszeit nach dem [X.].

        

4.    

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Nacht-, Wechsel-, Sonntags- und Mehrarbeit zu leisten; alle gesetzlich zulässigen Arbeiten sind Bestandteil dieses Vertrages.

        

5.    

Der Arbeitnehmer erklärt sich mit der Anordnung von Kurzarbeit, flexibler Arbeitszeit und Arbeitszeitverlängerung einverstanden.

        

6.    

[X.] nur bei Anordnung oder wissentlicher Duldung durch den Arbeitgeber.

        

§ 4 Vergütung

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält für seine vertragliche Tätigkeit einen Bruttomonatslohn in Höhe von [X.] 1.500,00

                 

Ab 01.08.2003 = 1.636,00 [X.]

                 

…       

        

…       

        
        

§ 7 Dienstreisen

        

1.    

Für Reisen, die im Interesse der Firma notwendig sind und angeordnet werden, erhält der Arbeitnehmer Fahrtkostenerstattung (soweit angefallen) und freiwillige Spesen nach folgenden Sätzen:

                 

mehr als 8 Std. = 6 Euro

                 

mehr als 14 Std. = 12 Euro

                 

mehr als 24 Std. = 24 Euro

                 

Die Festlegung der Höhe der jeweiligen Spesen wird durch den Arbeitgeber bestimmt. Die Zahlung erfolgt unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorschrift.

        

…       

        
        

3.    

Reisezeiten, die außerhalb der normalen Arbeitszeit anfallen, sind mit der nach § 4 zu zahlenden Vergütung abgegolten.

        

…       

        
        

§ [X.]

        

Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von 2 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen.“

3

Die Beklagte setzte den Kläger im [X.] ein. Dabei wechselten sich auf den bis zu 30-stündigen [X.] jeweils zwei bis drei Fahrer ab.

4

Mit seiner am 2. Juni 2008 eingereichten Klage hat der Kläger ua. die Vergütung der als Beifahrer auf dem LKW verbrachten [X.]en, soweit sie zusammen mit Lenk- und sonstigen Arbeitszeiten im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich überstiegen, geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die [X.]en als Beifahrer seien unabhängig von ihrer arbeitszeitrechtlichen Bewertung vergütungspflichtig.

5

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.659,79 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Mai 2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewandt, die [X.]en als Beifahrer seien nicht zu vergüten. Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] sei die im [X.] während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte [X.] keine Arbeitszeit. Dies sei auch für die Vergütungspflicht maßgebend. Zumindest folge dies aus einer richtlinienkonformen Auslegung der Norm. § 21a Abs. 3 [X.] diene der Umsetzung der Richtlinie 2002/15/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 ([X.]. [X.] vom 23. März 2002 S. 35, im Folgenden: [X.] 2002/15/[X.]), deren Ziel auch die Angleichung von Wettbewerbsbedingungen sei.

7

Das Arbeitsgericht hat insoweit der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

I. Die Revision der Beklagten ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Vergütung von 4,97 Stunden Fahrertätigkeit am 1. September, 3. Oktober und 19. Dezember 2007 in Höhe von insgesamt 39,06 Euro brutto nebst Zinsen richtet. Es fehlt an der notwendigen Revisionsbegründung.

9

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den angenommenen Rechtsfehler des [X.] so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten ([X.]. Rspr., vgl. [X.] 19. März 2008 - 5 [X.] - Rn. 13, [X.] ZPO § 551 Nr. 65 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 8; 28. Januar 2009 - 4 [X.] - Rn. 11, [X.] ZPO § 551 Nr. 66 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 10; 27. Juli 2010 - 1 [X.] - Rn. 13, [X.], 1446, jeweils mwN). Bei mehreren [X.] muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem der Streitgegenstände, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig ([X.] 24. Februar 2010 - 4 [X.] - Rn. 21 mwN, [X.] ZPO § 551 Nr. 68).

2. Die Revisionsbegründung enthält keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils, soweit dieses die Beklagte zur Vergütung von insgesamt 4,97 Stunden Fahrertätigkeit des [X.] am 1. September, 3. Oktober und 19. Dezember 2007 verurteilt hat. In der Revisionsbegründung legt die Beklagte ihre Rechtsauffassung zur Vergütungspflicht der [X.]en, die der Kläger als Beifahrer auf dem LKW verbrachte, dar und setzt sich insoweit mit der Begründung des [X.] auseinander. Mit keinem Wort geht die Beklagte auf die Ausführungen des [X.] zur Vergütungspflicht der Fahrertätigkeit an den genannten Tagen ein.

II. Im Übrigen ist die Revision der Beklagten unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Vergütung für die [X.]en, die er über eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden hinaus als Beifahrer geleistet hat.

1. Der Vergütungspflicht der streitgegenständlichen [X.]en steht § 7 Ziff. 3 Arbeitsvertrag nicht entgegen. Danach sind Reisezeiten, die außerhalb der normalen Arbeitszeit anfallen, mit der nach § 4 zu zahlenden Vergütung abgegolten. Die Klausel ist unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

a) Bei § 7 Ziff. 3 Arbeitsvertrag handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. [X.] 1. März 2006 - 5 [X.] - Rn. 20 ff., [X.]E 117, 155; 24. September 2008 - 6 [X.]/07 - Rn. 18, [X.]E 128, 73), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Reisezeiten iSd. Klausel können auch die [X.]en sein, die der Arbeitnehmer „reisend“ als Beifahrer auf dem LKW verbringt. Gerade die [X.] in § 7 Ziff. 1 Arbeitsvertrag legt es nahe, unter dem Begriff Reisezeit jede berufsbedingte Abwesenheit zu verstehen.

b) Die in § 7 Ziff. 3 des Arbeitsvertrags geregelte Pauschalabgeltung von Reisezeiten ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam.

aa) Unbeschadet der Frage, ob eine Regelung wie die streitbefangene die Hauptleistungspflichten der Parteien betrifft, unterliegt sie jedenfalls gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bedingung nicht klar und verständlich ist. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Sinn des [X.] ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird ([X.] 1. September 2010 - 5 [X.] - Rn. 14 mwN, [X.] BGB § 307 Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 50; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 3. Aufl. § 307 BGB Rn. 146 ff.). Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält ([X.] 31. August 2005 - 5 [X.] - Rn. 45, [X.]E 115, 372).

bb) Eine die pauschale Vergütung von Reisezeiten regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche „Reisetätigkeit“ von ihr in welchem Umfang erfasst werden soll (vgl. zur pauschalen Abgeltung von Mehrarbeit [X.] 1. September 2010 - 5 [X.] - Rn. 15 mwN, [X.] BGB § 307 Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 50). Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. [X.] 5. August 2009 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.] BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 85 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 10; 11. Oktober 2006 - 5 [X.] 721/05 - Rn. 28, [X.] BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6).

cc) § 7 Ziff. 3 des Arbeitsvertrags ist nicht klar und verständlich. Die Klausel soll alle „Reisezeiten“ erfassen, die außerhalb der „normalen Arbeitszeit“ anfallen. Schon die „normale Arbeitszeit“ wird weder in § 7 Ziff. 3 noch in § 3 Ziff. 2 und 3 Arbeitsvertrag hinreichend deutlich in Stunden festgehalten. § 3 Ziff. 2 und 3 Arbeitsvertrag verweisen lediglich pauschal auf die „Bestimmungen der [X.] ([X.]) 3820/85“ und „die Arbeitszeit nach dem [X.]“. Ob mit diesen Verweisungen die Begriffsbestimmung der Arbeitszeit in § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.], die Arbeitszeit der Arbeitnehmer nach § 3 [X.] oder die Höchstarbeitszeit von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten nach § 21a Abs. 4 [X.] gemeint ist, bleibt der Spekulation des Arbeitnehmers überlassen.

Gänzlich offen lässt die Klausel, welchen Inhalt der Klauselverwender dem Begriff der Reisezeit beimisst, insbesondere fehlt eine Abgrenzung von Reisezeiten ohne und mit Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Zudem ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag nicht, welchen Umfang die ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Reisezeiten haben sollen.

2. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 3 Ziff. 6 Arbeitsvertrag Anspruch auf Vergütung der streitgegenständlichen [X.]en, die er als Beifahrer auf dem LKW verbrachte. Denn er hat mit seiner über eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden hinausgehenden „Beifahrertätigkeit“ Mehrarbeit geleistet, die die Beklagte durch ihre Arbeitseinteilung (zumindest konkludent) angeordnet hat.

a) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers ist unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der [X.]spanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt. § 611 Abs. 1 BGB knüpft die Vergütungspflicht des Arbeitgebers allein an die „Leistung der versprochenen Dienste“. Für die gesetzliche Vergütungspflicht ist deshalb ausschließlich entscheidend, ob der Kläger, der unstreitig als Wechselfahrer eingesetzt war, mit dem Verbringen von [X.] während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine vertraglich geschuldete Arbeit erbracht hat.

b) Arbeit als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient ([X.] 11. Oktober 2000 - 5 [X.] 122/99 - zu IV 3 d der Gründe, [X.]E 96, 45; 22. April 2009 - 5 [X.] 292/08 - Rn. 15 mwN, [X.] BGB § 611 [X.] Nr. 11; vgl. auch - zum bloßen Unterlassen während einer tarifvertraglich verpflichtenden [X.] - 19. März 2008 - 5 [X.] 328/07 - Rn. 14, [X.] BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Arbeit in diesem Sinne ist auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des [X.]raums bestimmen kann, er also weder eine Pause iSd. Arbeitszeitgesetzes (zum Begriff der Pause s. [X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 157/09 - Rn. 10 mwN, [X.] [X.] § 4 Nr. 3 = EzA [X.] § 4 Nr. 3) noch Freizeit hat (in diese Richtung auch [X.] [X.] § 2 Rn. 8).

Danach hat der Kläger während der als Beifahrer verbrachten [X.] gearbeitet und die von ihm geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer erbracht. Er musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung der Beklagten an seinem Arbeitsplatz, dem LKW (vgl. Art. 3 Buchst. [X.] 2002/15/[X.]), aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung seiner [X.] bestimmen.

3. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] schließt die Vergütungspflicht für die Arbeit als Beifahrer nicht aus.

a) Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] ist für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte [X.] abweichend von § 2 Abs. 1 [X.] keine Arbeitszeit. Gleichzeitig bestimmt § 21a Abs. 3 Satz 3 [X.], dass diese [X.] auch keine Ruhezeit ist (Art. 3 Buchst. [X.] 2002/15/[X.] ordnet sie der Bereitschaftszeit zu). Eine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, enthält § 21a Abs. 3 [X.] jedoch nicht ([X.] [X.] § 21a Rn. 22). Ebenso wenig schließt die Vorschrift die Vergütung der dort genannten [X.]en aus.

b) Eine ergänzende Auslegung des § 21a Abs. 3 [X.] dahin gehend, es solle für die dort genannten [X.]en eine Vergütung des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden, gestatten Sinn und Zweck der Norm nicht. § 21a [X.] dient der Umsetzung der [X.] 2002/15/[X.] und bezweckt, den öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutz für Arbeitnehmer als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten europarechtskonform neu zu ordnen (vgl. nur BT-Drucks. 16/1685 S. 11 ff.; [X.] [X.] § 21a Rn. 4 ff.; [X.]/[X.] [X.] 6. Aufl. § 21a Rn. 1 ff.). Für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Modifizierung des Begriffs der Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 [X.]) in § 21a Abs. 3 [X.] gleichzeitig Vergütungsfragen regeln wollen, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Allein die Einordnung einer bestimmten [X.] bzw. [X.]spanne als Arbeitszeit besagt nichts über deren Vergütungspflicht (st. Rspr., vgl. nur [X.] 28. Januar 2004 - 5 [X.] 530/02 - zu III 1 der Gründe, [X.]E 109, 254; 24. September 2008 - 10 [X.] 770/07 - Rn. 35 f., [X.]E 128, 42; zur Richtlinie 93/104/[X.] des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ebenso: [X.] 1. Dezember 2005 - [X.]/04 - [[X.] ua.] Rn. 38, [X.]. 2005, [X.]).

c) Ein Ausschluss der Vergütungspflicht für Beifahrerzeiten iSv. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] lässt sich nicht mit Unionsrecht begründen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob eine „Auslegung“ in dem von der Beklagten gewünschten Sinne die Grenzen einer richtlinienkonformen Auslegung überschreiten und eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts bedeuten würde (vgl. dazu [X.] 5. Oktober 2004 - [X.]/01 - [X.] ua.] Rn. 114 ff., [X.]. 2004, [X.]; 10. März 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 52 ff., [X.] 2011, 397; [X.] 24. März 2009 - 9 [X.] 983/07 - Rn. 65, [X.]E 130, 119; [X.]/[X.] 11. Aufl. [X.]. zum [X.] Rn. 28, jeweils mwN). Weder Wortlaut noch Zielsetzung der [X.] 2002/15/[X.] bieten irgendeinen Anhaltspunkt dafür, die Richtlinie regele Vergütungsfragen.

aa) Nach ihrer Bezeichnung wurde die [X.] 2002/15/[X.] „zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des [X.] ausüben“, erlassen. Ihr Zweck ist es, Mindestvorschriften für die Gestaltung der Arbeitszeit festzulegen, um die Sicherheit und die Gesundheit der Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des [X.] ausüben, verstärkt zu schützen, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen und die Wettbewerbsbedingungen einander stärker anzugleichen (Art. 1 [X.] 2002/15/[X.]). Dass auch die Vergütung der Arbeitnehmer bei Straßenverkehrstätigkeiten geregelt werden soll, lässt sich dem Wortlaut der Richtlinie nicht entnehmen. Zumal die nationalen Vergütungsregelungen nicht angepasst, nicht einmal angesprochen werden.

bb) Auch die Erwägungsgründe geben dafür keinen Anhaltspunkt.

(1) Der zweite und der vierte Erwägungsgrund verweisen auf die [X.] 93/104/[X.] und deren Art. 14, der spezifischere Vorschriften für die Arbeitszeitgestaltung ermögliche, die mit der [X.] 2002/15/[X.] „zur Arbeitszeit im Straßenverkehr“ erstellt werden sollen. Nachdem die [X.] 93/104/[X.] auf die Vergütung der Arbeitnehmer keine Anwendung findet ([X.] 1. Dezember 2005 - [X.]/04 - [[X.] ua.] Rn. 38, [X.]. 2005, [X.]), hätte es - wäre die Regelung von Vergütungsfragen gewollt gewesen - nahegelegen, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass mit der [X.] 2002/15/[X.] nicht nur spezifischere Vorschriften zur Arbeitszeit im Straßenverkehr, sondern auch und anders als in der [X.] 93/104/[X.] Vergütungsfragen geregelt werden sollen.

(2) Im zehnten Erwägungsgrund heißt es, zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr, zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und zur Gewährleistung der Sicherheit und Gesundheit des unter diese Richtlinie fallenden Fahrpersonals sollten diese Personen genau wissen, welche [X.]en für Tätigkeiten im Straßenverkehr als Arbeitszeiten gelten und welche [X.]en hiervon ausgenommen sind und als Pausen, als Ruhezeiten oder als Bereitschaftszeiten gelten. Dass zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen auch Vergütungsfragen (mit-)geregelt werden sollen, ergibt sich weder aus dem zehnten noch einem anderen Erwägungsgrund.

d) Zur Klärung der Frage, ob die [X.] 2002/15/[X.] einer Vergütung von Beifahrerzeiten iSd. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] entgegensteht, ist eine Vorlage an den [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 [X.] nicht erforderlich (zu den Voraussetzungen der Vorlagepflicht vgl. [X.] 6. Oktober 1982 - [X.]/81 - [[X.]] Rn. 16 ff., [X.]. 1982, [X.]; 15. September 2005 - C-495/03 - [[X.]] Rn. 33, 37, [X.]. 2005, [X.]; [X.] 7. Januar 2011 - 6 [X.] 526/09 - Rn. 55 ff.; [X.] 22. März 2010 - [X.] 16/09 - Rn. 33 ff., [X.]Z 185, 30). Der Gerichtshof hat im Rahmen von Nichtigkeitsklagen des [X.] und der [X.] bereits entschieden, dass die [X.] 2002/15/[X.] im Wesentlichen die wöchentliche Höchstarbeitszeit, die Ruhepausen, die Ruhezeit der Auszubildenden und Praktikanten sowie die Nachtarbeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des [X.] ausüben, regelt, ohne auch nur zu erwähnen, die Richtlinie befasse sich zudem mit Vergütungsfragen ([X.] 9. September 2004 - [X.]/02 und [X.]/02 - [X.]. 2004, [X.] = AuR 2004, 465 mit [X.] [X.]). Dass die [X.] 2002/15/[X.] die Vergütung der Arbeitnehmer, die Fahrtätigkeiten im Bereich des [X.] ausüben, nicht regelt und insbesondere einer Vergütung von Beifahrerzeiten iSd. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] nicht entgegensteht, kann nach der Überzeugung des Senats keinen vernünftigen Zweifeln unterliegen. Eine gegenteilige Auffassung wird auch im Schrifttum - soweit ersichtlich - nicht vertreten.

4. Der Kläger kann für die streitgegenständliche Beifahrertätigkeit die in § 4 Ziff. 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung beanspruchen. Eine gesonderte Vergütungsregelung für die [X.], die der Kläger während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbringt, haben die Parteien nicht getroffen. Gegen den vom [X.] auf der Basis der Bruttomonatsvergütung errechneten [X.] hat die Revision ebenso wie gegen die festgestellte Anzahl der geleisteten [X.] keine [X.] erhoben.

5. Der Anspruch des [X.] ist nicht nach § 14 Arbeitsvertrag verfallen. Die dort geregelte zweistufige Ausschlussfrist ist unwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. dazu im Einzelnen: [X.] 28. September 2005 - 5 [X.] 52/05 - Rn. 34 ff., [X.]E 116, 66; 25. Mai 2005 - 5 [X.] 572/04 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 115, 19).

6. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Kremser    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

Meta

5 AZR 200/10

20.04.2011

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Potsdam, 14. November 2008, Az: 6 Ca 1050/08, Urteil

§ 307 Abs 1 S 2 BGB, § 611 Abs 1 BGB, § 21a Abs 3 S 1 Nr 3 ArbZG, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.04.2011, Az. 5 AZR 200/10 (REWIS RS 2011, 7337)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7337

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