Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.12.2016, Az. 5 AZR 363/16

5. Senat | REWIS RS 2016, 254

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Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 21. Januar 2016 - 9 [X.]/15 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

2

Der Kläger war vom 15. September 2008 bis zum 15. Februar 2014 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Bei einer vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden erhielt er zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 1.500,00 Euro nebst einer monatlichen Prämie in unterschiedlicher Höhe. Er war arbeitsvertraglich verpflichtet, „im gesetzlichen Rahmen Mehrarbeit zu leisten“.

3

Aufgabe des [X.] war im Wesentlichen der Transport von Baustahl. Die dabei benutzten Lastzüge der Beklagten sind mit einem digitalen Kontrollgerät ausgestattet, bei dem der Fahrer Zeiten, die nicht Lenkzeit sind, manuell als „sonstige Arbeitszeit“ oder „Pause“ kennzeichnen muss.

4

Mit der am 18. Februar 2014 eingereichten und der Beklagten am 22. Februar 2014 zugestellten Klage hat der Kläger Überstundenvergütung verlangt und geltend gemacht, im Zeitraum Januar 2011 bis November 2013 1.488,60 Überstunden geleistet zu haben. Diese hat er anhand seiner Aufzeichnungen errechnet, die er als Anlage zur Klageschrift zu den Akten gereicht hat. Außerdem hat er in der Berufungsinstanz schriftsätzlich auf 65 Seiten für den Streitzeitraum dargelegt, an welchen Tagen er von wann bis wann welche Tour gefahren sei. Bei der Höhe der Überstundenvergütung hat der Kläger unter Einschluss der Prämie ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von 1.596,05 Euro zugrunde gelegt, das geteilt durch 208 [X.] einen Stundensatz von 7,67 Euro brutto ergebe.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.417,56 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Dezember 2013 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Leistung sowie Anordnung von Überstunden bestritten. Sie könne nicht mehr nachvollziehen, welche sonstigen Arbeitszeiten außerhalb der Lenkzeiten angefallen seien, zumal nach § 21a Abs. 3 [X.] nicht jede Wartezeit beim Be- und Entladen Arbeitszeit sei. Jedenfalls sei ein eventueller Anspruch auf Überstundenvergütung verwirkt.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.].

9

I. Mit der Begründung des [X.] kann die Berufung des [X.] gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Die Annahme, der Kläger habe seiner Darlegungslast zur Leistung von Überstunden nicht genügt, ist auf der Basis der bi[X.]erigen Feststellungen nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Das [X.] ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer müsse entsprechend § 130 Nr. 3 ZPO schriftsätzlich erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag nicht ersetzen, sondern lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen ([X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 29, [X.]E 141, 330). Der Kläger hat sich aber in der Berufungsinstanz nicht nur auf Anlagen berufen, sondern in der Berufungsbegründung im Einzelnen dargelegt, an welchen datumsmäßig bezeichneten Tagen er im Streitzeitraum von wann bis wann im Rahmen welcher Tour gearbeitet haben will.

2. Zu Unrecht verlangt das [X.] bereits auf der ersten Stufe der Darlegung der Leistung von Überstunden die Angabe, welche geschuldete Tätigkeit der Kläger erbracht habe. Es vermengt bei seiner Begründung strikt zu trennende Fragen der Darlegung mit solchen der Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit des [X.] (vgl. [X.] 10. April 2013 - 5 [X.] - Rn. 11). Es verkennt, dass die Entscheidung des [X.] vom 16. Mai 2012 (- 5 [X.] - [X.]E 141, 330) keine Beschränkung auf Kraftfahrer enthält, deren Fahrten täglich im Betrieb des Arbeitgebers beginnen und enden. Schließlich lässt die Bemerkung des [X.] zu Wartezeiten bei der Be- und Entladung im Güterverkehr erkennen, dass es § 21a Abs. 3 [X.] eine vergütungsrechtliche Relevanz beimisst, die der Norm nicht zukommt (vgl. [X.] 20. April 2011 - 5 [X.] - Rn. 24 ff. [X.], [X.]E 137, 366; zur Nichtanwendung der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung auf die Vergütung der Arbeitnehmer [X.] 10. September 2015 - [X.]/14 - Rn. 48 [X.]).

II. Die Entscheidung des [X.] erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

1. Die Vergütung von Überstunden setzt - bei Fehlen einer anwendbaren tarifvertraglichen Regelung - entweder eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 612 Abs. 1 BGB voraus.

a) [X.] haben die Parteien die Vergütung von Überstunden weder vereinbart noch ausgeschlossen. Soweit der Arbeitsvertrag den Kläger verpflichtet, „im gesetzlichen Rahmen Mehrarbeit zu leisten“, folgt allein daraus nicht der Ausschluss einer gesonderten Vergütung für Überstunden.

b) Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der [X.] erfasst (st. Rspr., vgl. zB [X.] 25. März 2015 - 5 [X.] - Rn. 17, [X.]E 151, 180). Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche objektive Vergütungserwartung (vgl. [X.] 17. August 2011 - 5 [X.] - Rn. 20, [X.]E 139, 44; 27. Juni 2012 - 5 [X.] - Rn. 19 [X.]) ergibt sich jedenfalls daraus, dass der Kläger als Kraftfahrer keine Dienste höherer Art schuldete und keine deutlich herausgehobene, über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegende Vergütung gezahlt wurde.

2. Der Anspruch des [X.] auf Überstundenvergütung ist entgegen der Auffassung der [X.] nicht verwirkt.

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Gläubiger sein Recht längere [X.] nicht geltend gemacht hat und dabei unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, er wollte auch künftig seine Rechte nicht mehr geltend machen. Zudem muss der Verpflichtete sich darauf einstellen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden ([X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 20, [X.]E 141, 330).

Danach kommt eine Verwirkung vorliegend nicht in Betracht. Unbeschadet der Frage, ob - und ggf. für welchen [X.]raum - im Streitfall überhaupt das [X.]moment erfüllt ist, ergeben sich aus dem Vorbringen der [X.] und dem unstreitigen Sachverhalt keine Tatsachen, die geeignet wären, die Annahme zu rechtfertigen, der [X.] sei es aufgrund eigener Disposition „unzumutbar“ geworden, die Ansprüche des [X.] zu erfüllen, oder es sei ihr aufgrund sonstiger Umstände unzumutbar, sich auf die Klage einzulassen (vgl. [X.] 24. August 2016 - 5 [X.] - Rn. 60 f. [X.]).

III. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bi[X.]erigen Feststellungen des [X.] nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur neuen Verhandlung und Entscheidung, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im erneuten Berufungsverfahren wird Folgendes zu beachten sein:

1. Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien - wie im Streitfall - einen bestimmten Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Verlangt der Arbeitnehmer gestützt auf § 612 Abs. 1 BGB weitere Vergütung, treffen ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür, über die vereinbarte Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet zu haben und dass die Leistung von Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst worden oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist ([X.] 10. April 2013 - 5 [X.] - Rn. 9, 13 ff.).

2. Der Darlegungslast für die Leistung von Überstunden hat der Kläger auf der ersten Stufe der Darlegung genügt.

a) Dafür ist es ausreichend, dass der Arbeitnehmer schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (st. Rspr., vgl. zB [X.] 10. April 2013 - 5 [X.] - Rn. 9 [X.]). Lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Sachvortrag des Arbeitnehmers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Diese Grundsätze dürfen nicht gleichsam schematisch angewandt werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe. So kann ein Kraftfahrer wie der Kläger, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen werden, unabhängig davon, ob die zugewiesenen Fahrten jeden Tag im Betrieb des Arbeitgebers beginnen und enden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 [X.] substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen im geringeren zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss ([X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 28, [X.]E 141, 330).

b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des [X.] in der Berufungsinstanz. Er hat im Schriftsatz vom 29. Oktober 2015 für den Streitzeitraum dargelegt, welche Touren ihm an welchen Tagen zugewiesen waren und an welchen Tagen er im Rahmen dieser Touren von wann bis wann gearbeitet haben will. Dabei ist es [X.] nicht zu beanstanden, wenn ein Arbeitnehmer, der bei Ausübung seiner Tätigkeit in verschiedenen orts- und jahreszeitabhängig bestimmten [X.]zonen Arbeit verrichten muss, Uhrzeitangaben in der Weltzeit (UTC) vorträgt. Anderenfalls könnte zB fliegendes Personal geleistete Arbeitsstunden gar nicht verständlich darlegen. Mit dem Vortrag, zu bestimmten [X.]en gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer zugleich, während der genannten [X.]en die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben (vgl. [X.] 10. April 2013 - 5 [X.] - Rn. 10). Zudem hat der Kläger bereits erstinstanzlich den Ablauf einer Tour und die dabei anfallenden Arbeiten erläutert. Weitere Angaben sind von ihm auf der ersten Stufe der Darlegung nicht zu verlangen (so bereits [X.] 11. März 1981 - 5 [X.] 878/78 - zu II 2 der Gründe).

c) Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es nunmehr Sache der [X.], zu den behaupteten Arbeitszeiten substantiiert Stellung zu nehmen. Dafür reicht es nicht, wenn sie - wie bislang - auf eine aus ihrer Sicht fehlende Kontrollmöglichkeit hinweist und die Richtigkeit der vorgetragenen [X.]en in Frage stellt.

aa) Als Arbeitgeberin weiß die Beklagte, welche Tätigkeit(en) sie dem Kläger in Ausübung ihres Direktionsrechts generell (zB Überprüfen des Fahrzeugs auf Verkehrssicherheit, Sicherung der Ladung, Reinigung des Fahrzeugs) und speziell (Lieferung von was an wem an welchem Tag) zugewiesen hat. Die Beklagte hat damit Kenntnis davon, mit welchen Touren sie den Kläger an welchen Tagen beauftragt und welche Arbeiten dabei angefallen sind und kann sich nicht auf Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zurückziehen.

Weiterhin ist es Sache der [X.], allgemein oder im konkreten Einzelfall den [X.]aufwand für die Erledigung der zugewiesenen Arbeiten zu ermitteln. Dabei stehen ihr als Hilfsmittel die von ihr nach § 21a Abs. 7 Satz 1 [X.] korrekt (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 9 [X.]) zu erstellenden Aufzeichnungen zur Verfügung, die - weiter gehend als § 16 Abs. 2 [X.] - alle Arbeitszeiten eines Kraftfahrers enthalten müssen (vgl. zum Inhalt der Aufzeichnungspflicht im Einzelnen: [X.]/[X.] [X.] 8. Aufl. § 21a Rn. 44 ff.; [X.] [X.] 3. Aufl. § 21a Rn. 39). Die mindestens zwei Jahre aufzubewahrenden (§ 21a Abs. 7 Satz 2 [X.]) Aufzeichnungen, von denen dem Arbeitnehmer auf Verlangen eine Kopie auszuhändigen ist (§ 21a Abs. 7 Satz 3 [X.]), dienen zwar primär der Kontrolle der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen durch die Aufsichtsbehörden (vgl. § 17 Abs. 4 [X.]). Zugleich sind sie aber - wie die Kontrollgeräte nach der [X.] ([X.]) Nr. 3821/85 - für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein geeignetes Hilfsinstrument bei der Rekonstruktion und Darlegung der Arbeitszeit, ohne ihnen den Nachweis der Unrichtigkeit der Aufzeichnungen abzuschneiden.

Reichen die Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 [X.] zur substantiierten Erwiderung nicht aus oder misstraut der beklagte Arbeitgeber der Redlichkeit seines Beschäftigten, obliegt es dem Arbeitgeber, durch geeignete organisatorische Maßnahmen oder Erkundigungen (vgl. [X.] 17. August 2011 - 5 [X.] 490/10 - Rn. 24, [X.]E 139, 36) sicherzustellen, dass er zB weiß, bei welchem Auftrag wie lange Wartezeiten beim Be- und Entladen angefallen sind. Ferner ist es grundsätzlich seine Sache, im Voraus die Ruhepausen festzulegen und damit Kenntnis davon zu haben, an welchen Tagen der Arbeitnehmer zu welchen [X.]en weder Arbeit leisten noch sich dafür bereithalten musste und frei über die Nutzung des [X.]raums bestimmen konnte (vgl. zum Begriff der Pause [X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] 886/12 - Rn. 21 [X.], [X.]E 151, 45).

bb) Soweit die Beklagte meint, Wartezeiten beim Be- und Entladen seien unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 3 [X.] generell keine vergütungspflichtige Arbeitszeit, ist das nicht zutreffend.

(1) Zwar ist nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 [X.] die [X.], während derer sich ein als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten beschäftigter Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereithalten muss, um seine Tätigkeit aufzunehmen, abweichend von § 2 Abs. 1 [X.] keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitrechts, wenn der [X.]raum und dessen voraussichtliche Dauer im Voraus, spätestens unmittelbar vor Beginn des betreffenden [X.]raums bekannt ist. Ob die Norm in ihrer Pauschalität mit der Definition der Arbeitszeit in Art. 3 Buchst. a Nr. 1 2. Spiegelstrich Richtlinie 2002/15/[X.] und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des [X.] ausüben (ABl. [X.] vom 23. März 2002, S. 35, im Folgenden [X.] 2002/15/[X.]) vereinbar ist (verneinend: [X.] [X.] 3. Aufl. § 21a Rn. 29; [X.]/[X.] [X.] 8. Aufl. § 21a Rn. 13; vgl. auch [X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 21a Rn. 15; [X.]/[X.] 17. Aufl. § 21a [X.] Rn. 5; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 21a [X.] Rn. 5 [X.]. 6), kann dahingestellt bleiben. § 21a [X.] hat nur arbeitszeitschutzrechtliche Bedeutung und ist für die Vergütungspflicht des Arbeitgebers ohne Belang (vgl. im Einzelnen: [X.] 20. April 2011 - 5 [X.] - Rn. 19 ff., [X.]E 137, 366; 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 9, [X.]E 141, 330; [X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 21a Rn. 21; [X.]/[X.] [X.] 8. Aufl. § 21a Rn. 12; [X.]/[X.] 17. Aufl. § 21a Rn. 5; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 21a Rn. 6).

(2) Kann der Kläger während des Be- und Entladens durch Dritte nicht frei über seine [X.] verfügen, sondern muss sich etwa in einer Warteschlange zum Aufrücken bereithalten, leistet er vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste oder ihm zuzurechnende Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz (zum Begriff des Arbeitsplatzes bei der Beschäftigung als Fahrer oder Beifahrer im Straßentransport [X.]. Art. 3 Buchst. c [X.] 2002/15/[X.]) oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung seiner [X.] bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 [X.]) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst erfüllt (st. Rspr., vgl. nur [X.] 19. November 2014 - 5 [X.] 1101/12 - Rn. 16 [X.], [X.]E 150, 82; 29. Juni 2016 - 5 [X.] 716/15 - Rn. 28), und zwar auch dann, wenn sich die Notwendigkeit von Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst aus Verzögerungen im Betriebsablauf des zu [X.] Kunden ergibt. Denn nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber trägt das Wirtschaftsrisiko.

3. Soweit die Beklagte bislang pauschal die Anordnung von Überstunden bestritten hat, ist das unbehelflich. Wenn ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte [X.] benötigt und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen kann, waren die Überstunden - unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung - jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden kann. Erst dann obliegt es dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit führten ([X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 31 [X.], [X.]E 141, 330).

4. Die Berechnung der Klageforderung ist bislang nicht in jeder Hinsicht schlüssig. Der Kläger wird de[X.]alb im erneuten Berufungsverfahren sein Rechenwerk überprüfen, näher erläutern und ggf. korrigieren müssen.

a) [X.] legt der Kläger bei der Ermittlung der Anzahl von Überstunden eine wöchentliche Betrachtungsweise zugrunde. Vereinbaren die Parteien ein Monatsentgelt, muss der Arbeitnehmer dafür grundsätzlich nach § 611 Abs. 1 BGB Arbeit im Umfang der in einem Monat geschuldeten Arbeitszeit erbringen. Doch haben die Parteien in § 2 Arbeitsvertrag eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden vereinbart mit der Verpflichtung des [X.], im gesetzlichen Rahmen Mehrarbeit zu leisten. Die verwendeten [X.] „regelmäßige Arbeitszeit“ und „Mehrarbeit“ knüpfen an die - im [X.] nicht mehr enthaltene - Begrifflichkeit der Arbeitszeitordnung an, die in § 3 eine regelmäßige Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich und in den §§ 6 ff. darüber hinausgehende Mehrarbeit in bestimmten Fällen vorsah. Mit einer solchen Regelung verdeutlichen die Parteien, dass die vergütungsrelevante Arbeitszeit nicht starr 48 Wochenstunden betragen, sondern in dem arbeitszeitrechtlich erlaubten Umfang geschuldet sein soll. [X.] ist damit auch die in § 21a Abs. 4 [X.] eröffnete Flexibilisierungsmöglichkeit, die konstitutiver Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitregelung ist. Zudem berücksichtigt ein solches Verständnis das Berufsbild eines Fernfahrers, dessen Arbeitszeit sich an den durchzuführenden Touren orientiert und der seine Arbeitsleistung nicht gleichbleibend an allen Tagen jeder [X.] erbringt (vgl. [X.] 18. April 2012 - 5 [X.] 195/11 - Rn. 18 ff.).

Überstunden fallen de[X.]alb dann und in dem Umfang an, in dem im Ausgleichszeitraum des § 21a Abs. 4 [X.] im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich überschritten werden. Hat der Arbeitgeber den Ausgleichszeitraum nicht von vornherein festgelegt, bestimmt im Überstundenprozess der Arbeitnehmer mit dem Streitzeitraum den Beginn der Ausgleichszeiträume von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen, wobei der Arbeitgeber einwenden kann, bei einem anderen Beginn würden sich rechnerisch keine oder weniger Überstunden ergeben (vgl. - zum Gesamtvergleich bei equal pay - [X.] 23. Oktober 2013 - 5 [X.] 556/12 - Rn. 33).

b) Weil die Parteien arbeitsvertraglich als Normalvergütung eine Monatsvergütung vereinbart haben, ist diese auch für die Bezahlung von Überstunden maßgeblich. Für den Geldfaktor ist die vereinbarte Bruttomonatsvergütung durch die dafür durchschnittlich geschuldeten 208 Arbeitsstunden zu dividieren. Gewährt der Arbeitgeber über die die Normalleistung honorierende Grundvergütung hinaus arbeitszeitunabhängige Sonderleistungen, sind diese nicht zu berücksichtigen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber     

        

        

        

    Mandrossa    

        

    Bormann    

                 

Meta

5 AZR 363/16

21.12.2016

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dresden, 8. Juli 2015, Az: 11 Ca 557/14, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.12.2016, Az. 5 AZR 363/16 (REWIS RS 2016, 254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 254

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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