Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 19.07.2011, Az. II ZR 246/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4634

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Gegenstand

Aktiengesellschaft: Unterbrechung von Beschlussmängelverfahren durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens; Zurechnung von Stimmrechten Dritter an den Treuhänder


Leitsatz

1. Eine aktienrechtliche Beschlussmängelklage wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft nur dann nach § 240 ZPO unterbrochen, wenn der angefochtene Beschluss zu einer Vergrößerung der Insolvenzmasse führt .

2. Im Rahmen eines fremdnützigen Verwaltungstreuhandverhältnisses werden dem Treuhänder Stimmrechte eines Dritten, der sein Verhalten mit dem Treugeber abgestimmt hat, nicht nach § 22 Abs. 2 WpHG zugerechnet .

Tenor

Auf die Revision des [X.] zu 3 wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 9. September 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

I. Die drei Kläger sind Aktionäre der [X.], einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Sie haben Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen verschiedene Beschlüsse der Hauptversammlung der [X.] vom 26. August 2008 erhoben.

2

Der Kläger zu 3, [X.]     , hielt treuhänderisch für [X.]    52.262 von insgesamt 4.130.633 Stückaktien bei einem Grundkapital der [X.] in Höhe von 4.130.633 €. Die Aktionäre [X.]       und [X.]       hielten 93.411 bzw. 93.410 Aktien. Sie hatten ihr Stimmverhalten mit [X.]abgestimmt. Der Kläger zu 3 hatte der [X.] und der [X.] ([X.]) mitgeteilt, dass ihm 52.262 Aktien direkt zustünden und weitere 186.830 Aktien gemäß § 22 Abs. 2 WpHG zuzurechnen seien. Nachdem [X.] diese Mitteilung gegenüber der [X.] und der [X.] zurückgenommen hatte, lagen zuletzt noch Meldungen von [X.], [X.]       und [X.]       folgenden Inhalts vor:

3
        

direkt

zugerechnet

durch [X.]

Zurechnungsnorm nach WpHG

Dr. T.     G.       

93.411

93.410

S.   G.    

§ 22 Abs. 2

S.   G.    

93.410

93.411
52.262

Dr. T.   G.
P.   E.

§ 22 Abs. 2

L.  V.

0       

52.262
93.410
(richtig: 93.411)
93.411
(richtig: 93.410)

P.   E.
Dr. T.   G.
S.   G.

§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
(richtig: § 22 …)
§ 22 Abs. 2
§ 22 Abs. 2

P.   E.

0       

0       

                 

4

Die Beklagte, die mit den Klägern zu 1 und 2 einen Vergleich geschlossen hat, ist der Auffassung, der Kläger zu 3 habe seine Mitteilungspflicht aus § 21 WpHG verletzt und sei daher gemäß § 28 Satz 1 WpHG nicht klagebefugt.

5

Das [X.] hat die Klage des [X.] zu 3 abgewiesen. Seine Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger zu 3 (im Folgenden: Kläger) sein Klagebegehren weiter.

6

Während des Revisionsverfahrens ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] eröffnet worden.

Entscheidungsgründe

7

Über die Revision des [X.] ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern einer sachlichen Prüfung des Antrags ([X.], Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, [X.]Z 37, 79, 81).

8

I. Das Revisionsverfahren ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten nicht unterbrochen worden.

9

1. Aktienrechtliche [X.]n werden nach § 240 Satz 1 ZPO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft unterbrochen, wenn sie die Insolvenzmasse im Sinne des § 35 [X.] betreffen ([X.], Beschluss vom 21. November 2005 - [X.], [X.], 368 Rn. 2; ebenso für die Genossenschaft [X.], Urteil vom 10. März 1960 - [X.], [X.]Z 32, 114, 121 f.; vgl. ferner [X.], [X.], 9. Aufl., § 245 Rn. 29; [X.] in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, [X.] § 246 Rn. 12). Das ist der Fall, wenn durch den angefochtenen Beschluss Ansprüche der Masse begründet werden oder Verbindlichkeiten wegfallen. Denn dann zielt die [X.] darauf ab, die Insolvenzmasse zu verringern. Ein Beschlussmängelverfahren wird dagegen nicht unterbrochen, wenn die Klage entweder keine Veränderung der Masse bewirken kann oder darauf abzielt, die Insolvenzmasse zu vergrößern. Im letzteren Fall darf der Insolvenzverwalter nicht gezwungen werden, im Prozess einen für die Masse nachteiligen Beschluss zu verteidigen ([X.], 244, 249 f.; [X.], [X.], 686, 687; [X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.], Stand 2010, § 85 Rn. 17a; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 85 Rn. 53; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 85 Rn. 39; Jaeger/Windel, [X.], § 85 Rn. 53 ff.; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 246 Rn. 49; a.[X.], Festschrift [X.], 2004, S. 503, 518 ff.; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 246 Rn. 15). Er kann sich stattdessen als Nebenintervenient auf Seiten des [X.] beteiligen.

2. Danach hat hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf keinen der angefochtenen Beschlüsse zu einer Unterbrechung des Verfahrens geführt.

a) Die Beschlüsse zu [X.] 2 und 3 - Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2007 - sind masseneutral. Die Entlastung enthält nach § 120 Abs. 2 Satz 2 [X.] keinen Verzicht auf etwaige Ersatzansprüche.

b) Auch der Beschluss zu [X.] 4 - Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2008 - ist masseneutral.

Durch die Wahl des Abschlussprüfers entsteht noch kein die Masse belastender Vergütungsanspruch. Ein solcher Anspruch wird erst durch den mit dem Abschlussprüfer - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter - abzuschließenden [X.] begründet, vgl. § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB. Zwar ist die Bestellung eines Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 155 Abs. 3 Satz 2 [X.] verbindlich, so dass sich für diesen Fall eine Pflicht des Insolvenzverwalters ergeben mag, den [X.] mit dem von der Hauptversammlung bestellten Abschlussprüfer abzuschließen. Abgesehen davon, dass hier die Bestellung des Abschlussprüfers für ein früheres Geschäftsjahr betroffen ist, kommt einem im [X.] daran durch den [X.] mit dem Abschlussprüfer begründeten Vergütungsanspruch im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu. Denn die Pflicht, den Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen, besteht auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort, wie sich aus § 155 [X.] ergibt. Wird die Wahl des Abschlussprüfers also für nichtig erklärt, hat der Insolvenzverwalter nach § 155 Abs. 3 Satz 1 [X.] beim Registergericht die Bestellung eines neuen Abschlussprüfers zu beantragen, mit dem er dann ebenfalls einen den entsprechenden Vergütungsanspruch begründenden [X.] schließen muss.

c) Der Beschluss zu [X.] 5 - Erhöhung der Vergütung des Aufsichtsrats durch entsprechende Anpassung der in der Satzung enthaltenen Vergütungsregelung - ist zwar nicht masseneutral; er führt aber zu einer Verringerung der Masse, weil die Beschlussfassung nach Eintragung der Satzungsänderung unmittelbar zur Entstehung des erhöhten Vergütungsanspruchs für das betreffende Geschäftsjahr führt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, 2 [X.]). Damit greift insoweit der Grundsatz ein, dass der Insolvenzverwalter nicht zur Verteidigung eines für die Masse nachteiligen Beschlusses verpflichtet sein kann.

d) Der Beschluss zu [X.] 6 - Kapitalherabsetzung ist wiederum masseneutral.

Es handelt sich bei diesem Beschlussgegenstand um eine vereinfachte Kapitalherabsetzung zum Ausgleich von Wertminderungen, zur Deckung sonstiger Verluste und zur Einstellung in die Kapitalrücklage nach §§ 229 ff. [X.]. Eine solche Kapitalherabsetzung führt nicht zu [X.] der Aktionäre und berührt daher die Insolvenzmasse nicht.

e) Schließlich ist auch der Beschluss zu [X.] 7 - Ermächtigung zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, Aufhebung der bedingten Kapitalerhöhung und erneute bedingte Kapitalerhöhung - masseneutral.

Da die Wandelschuldverschreibungen durch den [X.] nicht ausgegeben werden, sondern lediglich der Vorstand gemäß § 221 Abs. 2 Satz 1 [X.] ermächtigt wird, sie auszugeben, und nicht ersichtlich ist, dass er von dieser Ermächtigung bereits Gebrauch gemacht hat, betrifft der Beschluss noch nicht unmittelbar die Insolvenzmasse. Das Gleiche gilt für die Schaffung bedingten Kapitals nach § 192 [X.].

II. Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet ([X.], [X.], 2095):

Der Kläger habe gemäß § 28 Satz 1 [X.] keine Anfechtungsbefugnis, weil er die Meldepflichten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht erfüllt habe. Nach dem Grundsatz der doppelten Zurechnung seien gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] sowohl der Kläger zu 3 als auch sein Treugeber [X.]meldepflichtig gewesen. In welchem Umfang die Zurechnung der Stimmrechte erfolge, ergebe sich sowohl aus § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 als auch aus § 22 Abs. 2 [X.]. Danach seien dem Kläger auch die Stimmrechte der mit [X.]an dem "acting in concert" beteiligten Eheleute [X.]zuzurechnen. Denn [X.] als Treugeber sei durch das "acting in concert" gebunden. Wenn er insoweit meldepflichtig sei, gelte das auch für den Kläger als seinen Treuhänder. Dass der Kläger mit den Eheleuten [X.]keinen Kontakt gehabt habe, sei unerheblich.

Gegen dieses Ergebnis spreche auch nicht der Wortlaut des § 28 [X.]. Zwar werde dort nur auf § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 [X.] verwiesen. Das bedeute aber lediglich, dass der Aktionär, der seiner Meldepflicht nachgekommen sei, auch dann keinen [X.] erleide, wenn ein anderer an dem "acting in concert" Beteiligter seine Meldepflicht verletze und daher seine Rechte nicht geltend machen könne.

Den Kläger, für den [X.] die Stimmrechtsmitteilung zurückgenommen habe, treffe auch ein Verschulden. Sein Vortrag, die Rücknahme sei in Absprache mit der [X.] erfolgt, sei unsubstanziiert. Im Übrigen habe er sich nicht auf die Rechtsansicht der [X.] verlassen dürfen, da durch zahlreiche Korrekturmeldungen eine unübersichtliche Lage geschaffen worden sei.

Ob von dem [X.] nach § 28 Satz 1 [X.] auch die Nichtigkeitsklage erfasst werde, könne offen bleiben. Denn jedenfalls führten die hier gerügten Einladungsmängel nicht zur Nichtigkeit.

2. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass im Verhältnis des [X.] zu seinem Treugeber [X.]  grundsätzlich eine doppelte Mitteilungspflicht besteht.

Bei der - hier vorliegenden - sogenannten (fremdnützigen) Verwaltungstreuhand werden die Stimmrechte des Treuhänders dem Treugeber nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zugerechnet (vgl. [X.], Urteil vom 16. März 2009 - [X.], [X.]Z 180, 154 Rn. 34 - [X.]). Das hat zur Folge, dass sowohl der Treuhänder - wegen der ihm gehörenden Aktien und der daraus folgenden Stimmrechte - als auch der Treugeber - wegen der ihm zuzurechnenden Stimmrechte - mitteilungspflichtig sein können (MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 22 Anh. [X.] § 21 Rn. 10, § 22 Rn. 17; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 22 Rn. 50 ff.). Der vom Berufungsgericht gebrauchte Begriff "doppelte Zurechnung" (ebenso [X.], aaO, Rn. 51) ist allerdings missverständlich. [X.] werden bei [X.] allein die Stimmrechte des Treuhänders dem Treugeber. In der umgekehrten Richtung bedarf es keiner Zurechnung, weil der Treuhänder schon aufgrund seines Eigentums an den Aktien und seiner daraus folgenden Stimmrechte mitteilungspflichtig ist, soweit sein Aktienbesitz die Schwellen nach § 21 Abs. 1 und 1a [X.] überschreitet.

Das allein führt hier noch nicht zu einer Mitteilungspflicht des [X.]. Denn sein Aktienbesitz belief sich auf lediglich 52.262 Stück oder 1,27 % des Grundkapitals der Beklagten und erreichte damit - bei einer Stimme je Aktie - nicht die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] meldepflichtige Schwelle von 3 % der Stimmrechte. Anders wäre es nur, wenn dem Kläger die Stimmrechte der Eheleute [X.]zuzurechnen wären. Dann wären bei ihm insgesamt 239.083 Aktien und Stimmrechte zu berücksichtigen, also 5,79 % der gesamten Stimmrechte.

b) Rechtsfehlerhaft ist aber die weitere Annahme des Berufungsgerichts, in einem Treuhandverhältnis seien dem Treuhänder nach § 22 Abs. 2 [X.] auch die Stimmrechte anderer Aktionäre zuzurechnen, wenn der Treugeber sein Stimmverhalten mit diesen abstimme (ablehnend auch [X.]/[X.], [X.], 933, 937; [X.], AG 2010, 385, 387 ff.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 22 [X.] Rn. 20; von [X.]/[X.], [X.] 2009, 1373, 1375 f.; [X.]/Kocher, [X.], 457; [X.]/[X.], Der Konzern 2010, 72; [X.], [X.] 4/2010 [X.]. 5; zustimmend dagegen [X.]/[X.], [X.] 2009, 2312 f.; [X.], EWiR 2010, 197; 198; im Ergebnis ebenso [X.], [X.], 376).

Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] findet eine Zurechnung von Stimmrechten zwischen solchen Personen statt, die ihr Verhalten aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abgestimmt haben. Das waren hier [X.] und die Eheleute [X.], nicht dagegen der Kläger. Eine "Weiterreichung" der den Treugeber aufgrund seines „acting in concert“ treffenden Mitteilungspflicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 [X.] an den daran nicht beteiligten Treuhänder widerspräche damit schon dem Wortlaut des Gesetzes.

Für eine derartige Auslegung ergeben sich auch keine Anhaltspunkte aus der Begründung zum Regierungsentwurf des [X.] von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001 ([X.] I S. 3822), auf den die Zurechnung beim „acting in concert“ in § 22 Abs. 2 [X.] zurückgeht (BT-Drucks. 14/7034, [X.], 54, 70; zum unionsrechtlichen Gesetzgebungshintergrund s. [X.]/Schmolke, [X.] 2010, 1241, 1242).

Auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes folgt ein solches Ergebnis nicht. Mit den Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. [X.] soll die Funktionsfähigkeit des [X.] Finanzmarkts gestärkt werden. Dazu soll für die Anleger Transparenz über die wesentliche Eigentümerstruktur der börsennotierten Gesellschaft (Begr. [X.], BT-Drucks. 12/6679, [X.], 33) und die sonstigen Einwirkungsmöglichkeiten geschaffen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es keiner Zurechnung von mit dem Treugeber verbundenen Stimmrechten zu dem Treuhänder. Maßgeblich für die Zurechnung nach § 22 Abs. 2 [X.] muss wie bei § 22 Abs. 1 [X.] (vgl. dazu [X.], Urteil vom 16. März 2009 - [X.], [X.]Z 180, 154 Rn. 34 - [X.]) die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung sein. Der Treuhänder hat keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die übrigen Stimmrechte, wenn lediglich der Treugeber an dem „acting in concert“ beteiligt ist. Mit der Zurechnung bei dem Treugeber und dessen Mitteilung nach § 21 Abs. 1 [X.] sind die übrigen Aktionäre in diesem Fall ausreichend informiert ([X.]/[X.], [X.], 933, 936; [X.]/Kocher, [X.], 457, 458 f.).

Gegen eine dem Wortlaut widersprechende Auslegung des § 22 Abs. 2 [X.] spricht schließlich - ebenso wie gegen eine analoge Anwendung der Norm - das aus Art. 103 Abs. 2 GG folgende Bestimmtheitserfordernis, das gemäß § 3 OWiG auch für Ordnungswidrigkeiten gilt. Die Verletzung von Mitteilungspflichten aus § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 2e [X.] eine Ordnungswidrigkeit. Wenn aber nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG insoweit eine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung der §§ 21, 22 [X.] nicht zulässig ist, kommt eine andersartige ("gespaltene") Auslegung oder analoge Anwendung auch für den Bereich des Zivilrechts grundsätzlich nicht in Betracht ([X.], AG 2010, 385, 389 f.; [X.]/[X.], [X.], 933, 936 f.; von [X.]/[X.], [X.] 2009, 1373, 1375 f.; [X.]/Kocher, [X.], 457, 459; siehe auch [X.], Urteil vom 18. September 2006 - [X.], [X.]Z 169, 98 Rn. 17 - WMF).

3. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Zwar sind [X.] nicht gegeben; hinsichtlich der geltend gemachten Anfechtungsgründe fehlt es aber an hinreichenden Feststellungen für eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts.

a) Da die Voraussetzungen eines [X.]s nach § 28 Satz 1 [X.] nicht gegeben sind, kann die Frage, ob von einem Stimmrechtsausschluss nach § 28 Satz 1 [X.] auch das Recht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach § 249 [X.] erfasst wird, offen bleiben. Die Zulässigkeit der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage des [X.] ist im Übrigen nicht zweifelhaft.

b) Die angefochtenen [X.] sind nicht nach § 241 [X.] nichtig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 241 Nr. 1 [X.] nicht erfüllt. Danach ist ein Beschluss der Hauptversammlung nichtig, wenn die Versammlung unter Verstoß gegen bestimmte in § 121 [X.] vorgesehene Erfordernisse einberufen worden ist.

Hier kommt allein § 241 Nr. 1, § 121 Abs. 3 Satz 2 [X.] in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung in Betracht, da die Hauptversammlung am 26. August 2008 stattgefunden hat.

In der Einladung zu dieser Hauptversammlung heißt es:

Die Gesellschaft weist darauf hin, dass die Ausübung des Stimmrechts auch durch einen Bevollmächtigten oder durch eine Vereinigung von Aktionären erfolgen kann. Wenn weder ein Kreditinstitut noch eine Aktionärsvereinigung bevollmächtigt wird, ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen.

Der Kläger meint, das stehe in Widerspruch zu § 121 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 135 Abs. 9 Nr. 2 und 3 [X.] aF.

In § 135 Abs. 4 Satz 3 [X.] aF (= § 135 Abs. 5 Satz 4 [X.] nF) war geregelt, dass Kreditinstitute, wenn in der Satzung nichts anderes bestimmt war, lediglich eine Bescheinigung nach § 123 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorlegen mussten, um in Vertretung des Aktionärs dessen Stimmrecht ausüben zu können, während nach § 134 Abs. 3 [X.] aF in den übrigen Fällen für die Vollmacht Schriftform vorgeschrieben war, wenn die Satzung keine Erleichterung bestimmte. In § 135 Abs. 9 [X.] aF waren den Kreditinstituten gleichgestellt die Aktionärsvereinigungen (Nr. 1), die Geschäftsleiter und Angestellten eines Kreditinstituts, wenn die ihnen nicht gehörenden Aktien dem Kreditinstitut zur Verwahrung anvertraut waren (Nr. 2), und Personen, die sich geschäftsmäßig gegenüber Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erbieten (Nr. 3). Der Kläger macht geltend, in der Einladung sei der - unrichtige - Eindruck erweckt worden, außer Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen sei niemand von dem Erfordernis einer schriftlichen Vollmacht ausgenommen. Damit wäre die Einladung insofern fehlerhaft, als auch der Personenkreis des § 135 Abs. 9 Nr. 2 und 3 [X.] aF von der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht befreit war.

Das kann schon deshalb nicht zur Feststellung der Nichtigkeit im Sinne der § 241 Nr. 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 [X.] führen, weil die Modalitäten der Bevollmächtigung eines Stimmrechtsvertreters nicht unter die nach § 121 Abs. 3 Satz 2 [X.] aF anzugebenden Bedingungen der Teilnahme an der Hauptversammlung oder der Ausübung des Stimmrechts fallen, wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tage in der Sache II ZR 124/10 entschieden hat.

c) Hinsichtlich der geltend gemachten Anfechtungsgründe mangelt es an ausreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts.

In dem Berufungsurteil heißt es zwar, auf die zutreffenden Gründe des landgerichtlichen Urteils werde gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO Bezug genommen. Zum einen ist aber schon nicht klar, ob sich diese Bezugnahme nur auf die davor stehende Aussage, dem Kläger fehle die Anfechtungsbefugnis, bezieht, sondern auch auf die Ausführungen des [X.] zu den [X.] im Rahmen der Begründung seiner Kostenentscheidung nach § 91a ZPO bezüglich der Erfolgsaussichten der übereinstimmend für erledigt erklärten [X.] der Kläger zu 1 und 2. Zum anderen fehlt insoweit die nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO erforderliche Begründung für eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung auch in diesen Punkten.

Bergmann                                      Strohn                                  Reichart

                         [X.]                                     Born

Meta

II ZR 246/09

19.07.2011

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 9. September 2009, Az: 7 U 1997/09, Urteil

§ 240 S 1 ZPO, § 35 Abs 1 InsO, § 21 Abs 1 S 1 WpHG, § 22 Abs 1 S 1 Nr 2 WpHG, § 22 Abs 2 WpHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 19.07.2011, Az. II ZR 246/09 (REWIS RS 2011, 4634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4634

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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