Bundessozialgericht, Beschluss vom 20.03.2019, Az. B 1 KR 7/18 B

1. Senat | REWIS RS 2019, 9143

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Verbot der Container-Signatur - Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 4 Abs 2 ERVV - Fehler des Gerichts - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand)


Leitsatz

Das Verbot, dem Gericht für eine Beschwerde mehrere elektronische Dokumente mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur (Container-Signatur) zu übermitteln, gilt uneingeschränkt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23. November 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte Kläger ist mit seinem Begehren auf Versorgung mit [X.] im Wege einer Off-Label-Versorgung zur Behandlung eines Chronic Fatigue Syndroms ([X.]) bei der [X.] und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das [X.] hat zur Begründung unter Bezugnahme auf die [X.] ausgeführt: Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use der Immunglobuline seien nicht erfüllt. Für die Anwendung bei [X.] fehlten Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Studie der Phase III. Ein Seltenheitsfall liege nicht vor. Der Kläger leide auch nicht an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung. Unabhängig hiervon fehle es an einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es stünden zudem allgemein anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung (Urteil vom 23.11.2017, zugestellt am 20.12.2017).

2

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision durch ein am 16.1.2018 an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) übermitteltes elektronisches Dokument vom selben Tag Beschwerde eingelegt. Die dabei verwendete qualifizierte elektronische Signatur ([X.]) bezog sich nach dem Transfervermerk vom 16.1.2018 nicht auf das elektronische PDF-Dokument selbst, sondern auf den [X.] (sog [X.]) mit den Inhaltsdaten "[X.], nachricht.xsl, visitenkarte.xml, visitenkarte.xsl, herstellerinformation.xml" und den Anhängen "56-18-Urteil des Landesozialgericht v. 23.11.2017.pdf,56-18; [X.] an [X.] - Beschwerde vom [X.]". Auf den Hinweis auf die Unzulässigkeit einer [X.] und die beabsichtigte Gewährung von Wiedereinsetzung (14.3.2018) hat der Kläger erneut Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt ([X.]).

3

II. [X.] ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] [X.] zu verwerfen. Zwar ist ihm hinsichtlich der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (dazu 1.). Die Beschwerdebegründung entspricht jedoch nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] [X.] abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.], dazu 2.), der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.], dazu 3) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 [X.] [X.], dazu 4.).

4

1. Dem Kläger ist Wiedereinsetzung zu gewähren. Er hat die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23.11.2017 versäumt (dazu a). Der Kläger war allerdings ohne Verschulden verhindert, die Verfahrensfrist einzuhalten (dazu b).

5

a) Der Kläger hat innerhalb der Beschwerdefrist nicht formgerecht Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist bei dem [X.] innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils mittels Beschwerdeschrift einzulegen (vgl § 160a Abs 1 [X.] und [X.] [X.]) und durch einen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten zu unterschreiben (vgl § 73 Abs 4 [X.]; [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] in Zeihe/[X.], [X.], Stand Oktober 2018, § 160a [X.] 3 b ff und [X.] 8). Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden (gemäß § 65a Abs 1 nach Maßgabe der Abs 2 bis 6 [X.] idF von Art 4 [X.] 1 Buchst a Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, [X.] 3786, mWv 1.1.2018). Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen (§ 65a Abs 2 [X.]). Diese sind geregelt in der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach ([X.] - [X.] - vom 24.11.2017, [X.] 3803, zum 1.1.2018 in [X.] getreten gemäß § 10 Abs 1 [X.]; [X.] geändert durch [X.]ÄndV vom 9.2.2018, [X.] 200 mWv 16.2.2018). Das elektronische Dokument muss zudem mit einer [X.] der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden 65a Abs 3 und 4 [X.]). Ein elektronisches Dokument, das mit einer [X.] der verantwortenden Person versehen ist, darf lediglich auf einem sicheren Übermittlungsweg oder an das EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs 1 [X.]). Mehrere elektronische Dokumente dürfen hingegen nicht mit einer gemeinsamen [X.] übermittelt werden (§ 4 Abs 2 [X.]). Die am 16.1.2018 beim [X.] eingegangene Beschwerde des [X.] genügt diesen rechtlichen Vorgaben nicht. Der Kläger hat das Rechtsmittel über das EGVP als elektronisches Dokument im Anhang eines mehrere Dateien umfassenden [X.]s mit einer gemeinsamen [X.] eingereicht.

6

Der erkennende Senat teilt nicht die Auffassung, das Verbot der [X.] sei einschränkend auszulegen. Es erfasse verfassungskonform nicht mehrere elektronische Dokumente, die sämtlich ein Verfahren betreffen und bei nicht elektronisch geführten Akten mit dem Ergebnis der Signaturprüfung auf Papier ausgedruckt werden (vgl [X.] Beschluss vom 6.3.2018 - 13 WF 45/18 - NJW 2018, 1482 = Juris; [X.] Urteil vom 7.8.2018 - 3 Sa 213/18 - Juris Rd[X.]3, jeweils zu § 130a ZPO; [X.] Niedersachsen-Bremen Zwischenurteil vom 10.10.2018 - L 2 R 117/18 - Juris Rd[X.]0 ff; [X.], [X.] 21/2018 [X.] 6). Die einschränkende Auslegung vernachlässigt das Regelungsziel des § 4 Abs 2 [X.], zu verhindern, dass nach der Trennung eines elektronischen Dokuments vom [X.] die [X.] nicht mehr überprüft werden kann (vgl [X.] 645/17 S 15 zu § 4). Ungeachtet der Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung (vgl [X.] 95, 64, 93; [X.] 99, 341, 358; [X.] 101, 312, 329; [X.] Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - DVBl 2015, 429, 432 = [X.], 430, 434 ; [X.]E 119, 150 = [X.] 4-5560 § 17c [X.], Rd[X.]2 mwN) bedarf es keiner Geltungsreduktion, um einen Verstoß der Regelung des § 4 Abs 2 [X.] gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) zu verhindern. Die Regelung des § 4 Abs 2 [X.] dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Sie sichert, dass Authentizität und Integrität von elektronisch eingereichten Rechtsmitteln auch nach Eingang bei Gericht unmittelbar überprüfbar bleiben, ohne dass es auf die Form der Aktenführung des Gerichts ankommt. Die Regelung beschränkt den Zugang zu Gericht nicht unzumutbar. Dem postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten steht die [X.] für elektronische Dokumente zur Verfügung (vgl ebenso BVerwG Beschluss vom 7.9.2018 - 2 [X.] 3/18 - NVwZ 2018, 1880, 1881 = Juris Rd[X.] 8; [X.] Beschluss vom 15.8.2018 - 2 [X.] 269/18 - [X.] 2018, 1519, 1520 = Juris Rd[X.] 6 f; [X.] Urteil vom 18.10.2018 - 11 Sa 70/18 - Juris Rd[X.]3; [X.] Beschluss vom 29.8.2018 - 14 U 52/18 - [X.] 2018, 1460, 1461 = Juris Rd[X.] 13 f; offen gelassen von [X.] [X.] 4-1500 § 65a [X.] Rd[X.] 6; OVG des [X.] Beschluss vom 6.11.2018 - 2 M 56/18 - Juris Rd[X.] 11).

7

Der Kläger hat den Formmangel der für die Übermittlung unzulässigen Signatur nicht dadurch geheilt, dass er am [X.] eine Beschwerde per Fax nachgereicht hat. Die Beschwerdefrist war für den Kläger gegen das ihm am 20.12.2017 zugestellte [X.]-Urteil bereits am Montag, dem [X.], abgelaufen (vgl § 64 Abs 2 S 1, Abs 3 [X.]). Die Beschwerde vom [X.] gilt auch nicht als am 16.1.2018 beim [X.] eingegangen (§ 65a Abs 6 [X.] [X.]). Die gesetzliche Fiktion betrifft nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes Fälle fehlender Bearbeitungsmöglichkeit eines elektronischen Dokuments, nicht aber Fälle rechtsformunwirksamer Übermittlung, welche vorliegend allein in Frage steht (vgl [X.] [X.] 4-1500 § 65a [X.] Rd[X.] 7 ff; [X.] Beschluss vom 15.8.2018 - 2 [X.] 269/18 - [X.] 2018, 1519, 1520 = Juris Rd[X.] 9 f; BVerwG Beschluss vom 7.9.2018 - 2 [X.] 3/18 - NVwZ 2018, 1880, 1881 = Juris Rd[X.] 10; [X.] Beschluss vom 29.8.2018 - 14 U 52/18 - [X.] 2018, 1460, 1461 = Juris Rd[X.] 15 zu § 130a ZPO): Ist ein elektronisches Dokument entgegen § 65a Abs 2 S 1 [X.] für das Gericht nicht zur Bearbeitung geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen (§ 65a Abs 6 S 1 [X.]). Ein solches Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt (§ 65a Abs 6 [X.] [X.]).

8

Auch das Regelungssystem unterscheidet zwischen den für die Übermittlung einerseits und den für die Bearbeitung andererseits geeigneten technischen Rahmenbedingungen (vgl § 65a Abs 2 [X.] [X.] und § 1 Abs 1 S 1 [X.]). Die Auslegung entspricht zudem dem mit § 65a Abs 6 [X.] verfolgten Zweck. Dem Absender eines elektronischen Dokuments soll es nicht zum Nachteil gereichen, dass er zunächst ein "falsches Dateiformat" verwendet hat, wenn er unverzüglich nach Erhalt der Fehlermeldung ein "technisch lesbares Dokument" einreicht ([X.] 818/12 [X.]4 f Zu Abs 6). Die verwendete Signatur betrifft hingegen weder die [X.] noch die Lesbarkeit eines Dokuments. § 65a Abs 6 [X.] soll sich nur auf elektronische Dokumente beziehen, die die unmittelbar im Gesetz vorgesehenen Formvoraussetzungen erfüllen, also formgerecht entweder mit qualifizierter Signatur oder auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wurden ([X.] 818/12 [X.]5 Zu Abs 6).

9

b) Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde zu gewähren (§ 67 Abs 1 [X.]). Danach ist einem Beteiligten, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wiedereinsetzung ist unabhängig vom Verschulden des Beteiligten zu gewähren, wenn dies wegen einer Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts geboten ist; in solchen Fällen tritt ein in der eigenen Sphäre des Beteiligten liegendes Verschulden hinter das staatliche Verschulden zurück ([X.] [X.] 3-1500 § 67 [X.]1; [X.] [X.] 4-1500 § 67 [X.] 11 Rd[X.] 18; [X.] Beschluss vom 17.11.2015 - [X.] KR 130/14 B - Juris Rd[X.] 5; [X.] [X.] 4-1500 § 65a [X.] Rd[X.] 10). Beruht eine Fristversäumung auf Fehlern des Gerichts, sind die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung mit besonderer Fairness zu handhaben (stRspr, vgl zB [X.] Beschluss vom 26.2.2008 - 1 BvR 2327/07 - Juris Rd[X.]2; [X.] 110, 339, 342).

So liegt es hier. Zwar liegt entsprechend dem oben [X.] (vgl II.1.a) kein Verstoß gegen die Hinweispflicht des § 65a Abs 6 S 1 [X.] vor. Jedoch hätte der Senat im Rahmen seiner allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht den Kläger vor Ablauf der Beschwerdefrist am [X.] auf die nicht formgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hinweisen müssen. Dies wäre angesichts des Eingangs der Beschwerdeschrift beim [X.] am 16.1.2018 unter Zugrundelegung eines normalen Geschäftsgang auch möglich gewesen (vgl auch [X.] [X.] 4-1500 § 65a [X.] Rd[X.] 11; [X.] Beschluss vom 29.8.2018 - 14 U 52/18 - [X.] 2018, 1460, 1461 = Juris Rd[X.]0 f).

2. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]1 [X.]8; [X.] [X.] 3-4100 § 111 [X.] 1 [X.] f; [X.] [X.] 3-2500 § 240 [X.]3 S 151 f mwN). Der Kläger richtet sein Vorbringen hieran nicht hinreichend aus.

Der Kläger formuliert als Rechtsfrage:
 "Stellt eine potentiell behandelbare Krankheit, die einem Versicherten auf unabsehbare Zeit hinweg den Gebrauch seines - anatomisch und physiologisch allerdings intakten - Seh- und [X.] wegen einer stark erhöhten Reizempfindlichkeit nahezu unmöglich macht und so jegliche Kommunikation und Informationsaufnahme fast vollständig verhindert und die außerdem die körperliche Fortbewegungsfreiheit nahezu auf Null beschränkt, eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne von § 2 Abs. 1a [X.] dar?"

Der Kläger legt jedoch die Entscheidungserheblichkeit der von ihm aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar. Er verdeutlicht nicht ausreichend, wieso das [X.] in einem Revisionsverfahren sich mit der Frage auseinandersetzen müsste, obwohl das Berufungsgericht seine Entscheidung auch darauf gestützt hat, es fehle an einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die Behandlung mit Immunglobulinen. Werden von einem Gericht mehrere selbstständige Begründungen gegeben, die den [X.] schon jeweils für sich genommen tragen, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerde für jede der Begründungen einen durchgreifenden [X.] darlegen (stRspr, vgl zB [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 97/05 B - Juris Rd[X.] 5 mwN; [X.] Beschluss vom 14.8.2018 - [X.] KR 27/18 B - Juris Rd[X.] 9). Daran fehlt es, obwohl der Kläger hierzu vorträgt. Soweit der Kläger meint, das [X.] sei bezüglich der Anforderungen an eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung von Rspr des [X.] abgewichen, legt er eine Divergenz nicht zulässig dar (vgl hierzu sogleich unter 3.).

3. Wer sich - wie der Kläger - auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des [X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB [X.] Beschluss vom 19.9.2007 - [X.] KR 52/07 B - Juris Rd[X.] 6) und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 21/07 B - Juris Rd[X.] 9). Erforderlich ist, dass das [X.] bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB [X.] Beschluss vom 15.1.2007 - [X.] KR 149/06 B - Rd[X.]; [X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]6 S 44 f mwN). Der Beschwerdeführer hat dies schlüssig darzulegen (vgl zB [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 41/16 B - Juris Rd[X.] 7; [X.] in Zeihe/[X.], [X.], Stand Oktober 2018, § 160a [X.] 19 mwN). Wenn das [X.] einen abweichenden entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz nicht ausdrücklich formuliert, sondern nur implizit zugrunde gelegt hat, genügt es, dass der Beschwerdeführer darlegt, dass das [X.] von einer Entscheidung ua des [X.] abgewichen ist, indem es einen der höchstrichterlichen Rspr widersprechenden abstrakten Rechtssatz nur sinngemäß und in scheinbar fallbezogene Ausführungen gekleidet entwickelt hat (vgl zB [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 21/07 B - Juris Rd[X.] 10 mwN). In einem solchen Fall muss der Beschwerdeführer jedoch darlegen, dass sich aus den Ausführungen des Berufungsurteils unzweifelhaft der sinngemäß zugrunde gelegte abstrakte Rechtssatz schlüssig ableiten lässt, den das [X.] als solchen auch tatsächlich vertreten wollte (vgl sinngemäß [X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]6 S 45; [X.] Beschluss vom 19.12.2011 - [X.]2 KR 42/11 B - Juris Rd[X.] 8 f; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 29/16 B - Juris Rd[X.] 17; [X.] Beschluss vom 19.12.2017 - [X.] KR 17/17 B - Juris Rd[X.] 9). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des [X.] nicht.

Der Kläger rügt, das [X.] habe in Abweichung von Rspr des erkennenden Senats ([X.] [X.] 4-2500 § 18 [X.] 9 Rd[X.] 16) sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt:
 "Eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung im Sinne von § 2 Abs. 1a [X.] ist in Bezug auf die Verordnung eines für die konkrete Anwendung nicht zugelassenen Arzneimittels (nur dann) zu bejahen, wenn entweder die Zulassung des Arzneimittels kurz bevorsteht oder jedenfalls Phase Ill-Studien vorliegen oder wenn jedenfalls in Fachkreisen weitestgehender Konsens über die Wirksamkeit des Arzneimittels in der betroffenen Indikation besteht."

Der Kläger führt hierzu aus, das Berufungsgericht habe sich für die Verneinung einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung auf die Stellungnahmen des [X.] gestützt. Mit "Stellungnahmen" sei "letztlich einzig das [X.]-Gutachten vom August 2016 gemeint, denn nur in Bezug auf dieses im Laufe des Verfahrens ergangene Gutachten des [X.] erwähnt das [X.] … in seinem Urteil, dass dort die von dem Beschwerdeführer vorgelegten Studien näher bewertet wurden". Der Verweis auf das [X.]-Gutachten vom August 2016 beziehe sich nicht lediglich auf die medizinische Bewertung der Studien in dem Gutachten. Das [X.] habe sich "auch die abstrakte Ausfüllung des Begriffs 'nicht ganz entfernt liegende Aussicht' durch den [X.] … zu Eigen gemacht, ohne zu bemerken, dass der [X.] unter dem Begriff der 'nicht ganz entfernt liegenden Aussicht' in Wahrheit die Voraussetzungen eines Off-Label-Use nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen prüfte - d.h. das Bestehen einer 'begründeten Erfolgsaussicht' - und nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1a [X.]."

Der Kläger legt mit diesem Vorbringen nicht schlüssig dar, dass das [X.] bewusst den von ihm behaupteten abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Er trägt selbst vor, das [X.] habe lediglich versehentlich ("ohne zu bemerken"; "versehentliche Übernahme" in der Zwischenüberschrift IV 2. b bb) den dem [X.]-Gutachten zugrunde liegenden strengeren Maßstab des Off-Label-Use zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung" in § 2 Abs 1a [X.] herangezogen.

4. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 S 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB [X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 14, 24, 36). Daran fehlt es.

Der Kläger legt nicht in der gebotenen Weise dar, dass das [X.] gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen hat (§ 62 [X.], Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der [X.], Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention ). Der Kläger meint, das [X.] habe den Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es sich nicht mit seinem Vortrag zu der Studie von [X.] ([X.] et al, 1997, "[X.] is ineffective in the treatment of patients with chronic fatigue syndrome") auf [X.] der Berufungsbegründung beschäftigt habe. Er legt aber nicht dar, wieso das [X.] sein Vorbringen nicht dadurch zur Kenntnis genommen hat, dass es sich auf die Stellungnahme des [X.] vom 23.8.2016 bezogen hat, die sich auf ihrer [X.] ausführlich mit dem Ergebnis der Studie [X.] auseinandersetzt.

5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 [X.]).

6. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 1 KR 7/18 B

20.03.2019

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Speyer, 18. April 2017, Az: S 17 KR 46/16, Gerichtsbescheid

§ 65a Abs 1 SGG, § 65a Abs 2 S 1 SGG, § 65a Abs 2 S 2 SGG, § 65a Abs 6 S 1 SGG, § 65a Abs 6 S 2 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 160 Abs 2 SGG, § 160a Abs 2 SGG, § 4 Abs 2 ERVV, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 20.03.2019, Az. B 1 KR 7/18 B (REWIS RS 2019, 9143)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9143

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2 M 56/18

2 AZN 269/18

2 WDB 3/18

1 BvR 2142/11

3 Sa 213/18

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