Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.01.2023, Az. B 2 U 74/22 B

2. Senat | REWIS RS 2023, 4562

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde - Fristversäumnis - Formverstoß - elektronischer Rechtsverkehr - Versendung auf einem sicheren Übermittlungsweg gem § 65a Abs 3 S 1 Alt 2 SGG - besonderes elektronisches Anwaltspostfach - erkennbare Übereinstimmung der das Dokument signierenden Person mit dem Postfachinhaber - maßgeblicher Zeitpunkt: Zugang der Prozesserklärung - Verfahrensfehler - Verletzung der Sachaufklärungspflicht - nicht ordnungsgemäße Bezeichnung gem § 160a Abs 2 S 3 SGG)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 10. Mai 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit über die Feststellung weiterer Unfallfolgen, insbesondere von Rückenbeschwerden, aus einem anerkannten Arbeitsunfall des [X.].

2

Die nach erfolglos durchgeführtem Verwaltungsverfahren erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) ua nach [X.]inholung eines Gutachtens auf orthopädischem Fachgebiet abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das [X.] ([X.]) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 10.5.2022).

3

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] rügt der Kläger das Vorliegen von Verfahrensmängeln.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Sie ist innerhalb der Beschwerdefrist nicht in der vorgeschriebenen Form eingelegt worden. [X.]s bedarf vorliegend keiner [X.]ntscheidung, ob dem Kläger wegen der Versäumung der Frist Wiedereinsetzung zu gewähren ist. Denn die Beschwerde ist ungeachtet der Verfristung auch deswegen unzulässig, weil die Begründung nicht den Anforderungen an die Bezeichnung des hier allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) entspricht (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]).

5

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht binnen eines Monats in der vorgeschriebenen Form eingelegt worden.

6

Nach § 160a Abs 1 Satz 2 [X.] ist die Nichtzulassungsbeschwerde beim [X.] ([X.]) innerhalb eines Monats nach Zustellung der [X.]ntscheidung des [X.] einzulegen. Hier lief die Beschwerdefrist am Montag, dem [X.], ab. Innerhalb dieser Frist ist eine formgerechte Beschwerdeschrift nicht eingegangen.

7

Aus § 160a Abs 1 Satz 3 [X.] ergibt sich, dass die [X.]inlegung der Nichtzulassungsbeschwerde der Schriftform bedarf. Nach § 65a Abs 1 [X.] kann anstelle des schriftlich einzureichenden Antrags ein elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Seit dem 1.1.2022 sind insbesondere Rechtsanwälte und Behörden zur Übermittlung eines elektronischen Dokuments verpflichtet; die [X.]inreichung als Schriftstück oder [X.]elefax wahrt seitdem nicht mehr die vorgeschriebene Form (vgl § 65d Satz 1 [X.] idF von Art 4 [X.] des [X.] Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 mWv 1.1.2022, [X.] 3786; s auch B[X.]-Drucks 17/12634 [X.], 37 iVm S 27, B[X.]-Drucks 17/13948 [X.]). Das elektronische Dokument muss von der verantwortenden Person entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur ([X.]) versehen werden (§ 65a Abs 3 Satz 1 Alt 1 [X.]) oder von ihr (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 [X.]). Bei Übersendung auf einem sicheren Übermittlungsweg bedarf es grundsätzlich keiner [X.] (zB [X.] Beschluss vom [X.] R 198/21 B - juris Rd[X.] 5; [X.] Beschluss vom 18.11.2020 - B 1 KR 1/20 B - [X.] 4-1500 § 65a [X.] Rd[X.] 7 mwN). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

8

a) Der [X.] vom 17.6.2022 genügt nicht der [X.] Abs 3 Satz 1 Alt 1 [X.]. Die als elektronisches Dokument übersandte Beschwerdeschrift war ausweislich des [X.] nicht mit einer [X.] versehen. Auch die Formanforderungen des § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 [X.] sind nicht erfüllt. Die Beschwerdeschrift wurde zwar über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach [X.]) (§ 31a, § 31b [X.]) an das [X.]lektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach ([X.]VP) des [X.] übermittelt, was grundsätzlich einen sicheren Übermittlungsweg darstellt (§ 65a Abs 4 Satz 1 [X.] [X.]; s auch § 19 Abs 1 Satz 1 der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen [X.] - Rechtsanwaltsverzeichnis und -postfachverordnung - [X.]). Allerdings ist ein elektronisches Dokument, das aus [X.] versandt wird und nicht mit einer [X.] versehen ist, nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt (zB [X.] Beschluss vom [X.] R 198/21 B - juris Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom 18.11.2020 - B 1 KR 1/20 B - [X.] 4-1500 § 65a [X.] Rd[X.] 11 mwN; s auch B[X.]-Drucks 17/12634 [X.]). Anderenfalls wäre nicht hinreichend gesichert, dass der Versand des nur einfach signierten Dokuments von demjenigen, der es verantwortet und daher signiert hat, authentifiziert war. So war es auch Wille des Gesetzgebers bei der [X.]inführung von § 65a [X.], dass die das Dokument verantwortende Person das Dokument entweder mit einer [X.] versieht oder einen sicheren Übermittlungsweg wählt. Beides richtet sich an die das Dokument verantwortende Person. Durch die (einfache) Signatur wird die Verantwortung für den Inhalt das Dokuments und der Wille bestätigt, es bei Gericht einzureichen (B[X.]-Drucks 17/12634 [X.]; s auch Beschluss vom [X.] R 198/21 B - juris Rd[X.] mwN; [X.] Beschluss vom 5.6.2020 - 10 [X.] 53/20 - [X.][X.] 171, 28 = juris Rd[X.] 14 ff). Bei der Übermittlung eines Dokumentes mit einer nicht qualifiziert elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg durch einen Rechtsanwalt muss daher für den [X.]mpfänger feststellbar sein, dass die Nachricht von dem Rechtsanwalt selbst versandt wurde (§ 20 Abs 3 [X.]). [X.]ntsprechend dürfen Inhaber [X.] gemäß § 23 Abs 3 Satz 5 [X.] das Recht, nicht qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen übertragen. [X.]ine Übertragung darf auch nicht auf Kanzleimitarbeiter erfolgen (BVerwG Beschluss vom 12.10.2021 - 8 C 4/21 - juris Rd[X.] ff; s auch [X.], [X.] 2022, 362, 364; [X.], [X.], 39). Setzt sich ein Inhaber [X.] über die Verpflichtung zur ausschließlich höchstpersönlichen Nutzung hinweg, muss er sich in diesem [X.] die Fehler Dritter, die aus der unerlaubten Übertragung der Nutzungsmöglichkeit resultieren, zurechnen lassen ([X.] Urteil vom 14.7.2022 - B 3 KR 2/21 R - zur Veröffentlichung in [X.][X.] und [X.] vorgesehen = juris Rd[X.] 15 mwN).

9

An der erforderlichen Personenidentität fehlt es hier. Die Beschwerdeschrift vom 17.6.2022 wurde von Rechtsanwalt W signiert, der damit als das Dokument [X.] gekennzeichnet wurde. Dabei kann eine einfache Signatur - wie hier - auch durch das [X.]infügen einer eingescannten Unterschrift dieser Person in das Dokument angebracht werden (zB [X.] Beschluss vom [X.] R 198/21 B - juris Rd[X.] 9 mwN; vgl zur Definition der einfachen Signatur in Art 3 [X.] der Verordnung ([X.]) [X.]/2014 des [X.] und des [X.] über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische [X.]ransaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/[X.] - eIDAS-VO - auch [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-[X.]RV Band 3, 2. Aufl, § 65a [X.] Rd[X.]19 (Stand 10.11.2022); s auch B[X.]-Drucks 17/12634 [X.] iVm [X.]). Inhaberin [X.] und als Absenderin des Schriftsatzes vom 17.6.2022 ausgewiesen ist dagegen Rechtsanwältin [X.]. Der Wille des das Dokument verantwortenden Rechtsanwalts, Beschwerde einlegen zu wollen, war damit im Zeitpunkt des Zugangs der Beschwerdeschrift beim [X.] nicht zweifelsfrei erkennbar. Dies wäre zur Wahrung der Form jedoch erforderlich gewesen. Daran vermag auch der im Nachgang erfolgte Vortrag nichts zu ändern, Rechtsanwältin [X.] habe den Schriftsatz auch signieren sollen, was jedoch irrtümlich unterblieben sei. Denn maßgeblich ist der Zeitpunkt des Zugangs der Prozesserklärung bei Gericht (zB [X.] Urteil vom 14.1.1958 - 11/8 RV 97/57 - [X.][X.] 6, 256 = [X.] [X.] 15 zu § 67 [X.] = juris Rd[X.] 15).

Die mit Schriftsatz vom 25.7.2022 erfolgte [X.]inlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wahrte zwar die Formerfordernisse nach § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 [X.]. Sie erfolgte jedoch nach Ablauf der Beschwerdefrist und konnte diese auch nicht mehr rückwirkend wahren.

b) [X.]s bedarf vorliegend keiner abschließenden [X.]ntscheidung darüber, ob dem Kläger Wiedereinsetzung zu gewähren ist. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 67 Abs 1 [X.]). Die [X.]atsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 2 Satz 2 [X.]). [X.]s kann hier ohne weitere [X.]rmittlungen nicht abschließend entschieden werden, ob der Kläger ohne sein Verschulden an der [X.]inhaltung der [X.]inlegungsfrist gehindert war, weil auch ein gewissenhaft und sachgerecht Prozessführender, der so sorgfältig handelt, wie die konkrete Situation es verlangt, die Begründungsfrist unvermeidbar versäumt hätte ([X.] Beschluss vom 19.4.2022 - B 2 U 70/21 B - juris Rd[X.] 5 mwN; zu diesem Maßstab grundsätzlich [X.] Beschluss vom 10.12.1974 - [X.] 2/73 - [X.][X.] 38, 248 = [X.] 1500 § 67 [X.] 1 = juris Rd[X.] 18 mwN). Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 73 Abs 6 Satz 7 [X.] iVm § 85 Abs 2 ZPO). Rechtsanwalt W trägt vor, aus Zeitgründen die [X.]inlegung der Beschwerde der ebenfalls in der Kanzlei tätigen Rechtsanwältin [X.] übertragen zu haben. Die für beide Rechtsanwälte tätige Rechtsanwaltsfachangestellte habe nach Anweisung sowohl die Unterschrift auf dem Schriftsatz vom 17.6.2022 entsprechend ändern als auch Rechtsanwältin [X.] anhalten sollen, das Dokument über [X.] zu versenden. Die Beschwerdeschrift sei indes ohne Abänderung der Unterschrift in den Postausgang [X.] von Rechtsanwältin [X.] geladen worden. Diese habe sich auf die ordnungsgemäße Ausfertigung des Schriftsatzes verlassen und versendet, ohne ihn in der Vorschau nochmals anzusehen.

Ohne weitere [X.]rmittlungen ist es vorliegend nicht möglich festzustellen, ob dem Kläger die Fehlerhaftigkeit der Beschwerdeschrift zuzurechnen ist. [X.] ist indes ein fehlerhaftes Handeln der Rechtsanwaltsfachangestellten. Denn die Versendung der Beschwerdeschrift erfolgte nach dem Vortrag durch Rechtsanwältin [X.] über [X.], für das sie selbst verantwortlich zeichnet. Sie war vor Versand der Beschwerdeschrift zur höchstpersönlichen Prüfung der ordnungsgemäßen Signatur verpflichtet. Dies kann nicht ohne Weiteres auf Kanzleimitarbeiter übertragen werden ([X.] Beschluss vom [X.] - [X.]/21 - juris Rd[X.] 9 mwN; ebenso [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 65a Rd[X.] 9a, § 67 Rd[X.] 8 f). [X.]in Rechtsanwalt handelt daher schuldhaft, wenn er eine Rechtsmittelschrift aus s[X.] versendet, ohne zuvor die eingefügte Signatur zu überprüfen. Auf Grundlage des bisherigen Vortrags kann nicht entschieden werden, ob das Verschulden der Rechtsanwältin [X.] dem Kläger zuzurechnen ist oder nicht (§ 73 Abs 6 Satz 7 [X.] iVm § 85 Abs 2 ZPO). Rechtsanwältin [X.] hat keine eigene [X.]rklärung zu dem Vorgang abgegeben; die [X.]atsachen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung sollen jedoch glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 2 Satz 2 [X.]).

2. Der Senat konnte vorliegend jedoch von weiteren [X.]rmittlungen absehen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] jedenfalls deswegen unzulässig ist, weil sie den allein behaupteten Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene [X.]ntscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 1 [X.]), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] zunächst die diesen vermeintlich begründenden [X.]atsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die [X.]ntscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des [X.] nicht gerecht. Zur Begründung trägt er vor, das [X.] habe eine unzureichende Amtsermittlung (§ 103 [X.]) vorgenommen.

Um den Verfahrensmangel der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]) ordnungsgemäß zu rügen, muss die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2.) die Rechtsauffassung des [X.] wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte [X.]atfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) das voraussichtliche [X.]rgebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5.) erläutern, weshalb die [X.]ntscheidung des [X.] auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr; zB [X.] Beschluss vom [X.] - B 2 U 42/22 B - juris Rd[X.] 7 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - B 9 SB 51/20 B - juris Rd[X.] 9; [X.] Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 5 mwN).

Daran fehlt es hier. Der vor dem [X.] anwaltlich vertretene Kläger bezeichnet bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag, den er im Verfahren vor dem [X.] bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat. Der förmliche Beweisantrag hat Warnfunktion und soll der [X.]atsacheninstanz unmittelbar vor der [X.]ntscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält. Diese Warnfunktion des Beweisantrags verfehlen "Beweisantritte" und [X.], die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (zB [X.] Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris Rd[X.] 17; [X.] Beschluss vom 14.7.2021 - B 6 [X.]/20 B - juris Rd[X.] 7 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - B 9a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 13 Rd[X.] 11 mwN; allg zur Abgrenzung eines Beweisantrags von einer unbeachtlichen Beweisanregung [X.] Beschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - [X.] 3-1500 § 160 [X.] 9 S 20 = juris Rd[X.]). So liegt es hier, wenn die Beschwerdebegründung auf Anträge in den Schriftsätzen vom [X.] und 7.12.2021 und damit auf solche vor der mündlichen Verhandlung am 10.5.2022 abstellt. Der Kläger legt nicht dar, dass er zuletzt in dieser einen Beweisantrag gestellt hat. Dies wäre für eine Sachaufklärungsrüge jedoch erforderlich gewesen. Die Ansicht des [X.], das Gericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen, kann mangels Beweisantrags nicht zur Zulassung der Revision führen.

Ferner zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, dass das [X.] sich aus seiner sachlich-rechtlichen Sicht zu weiteren [X.]rmittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist im Hinblick auf das [X.]rfordernis "ohne hinreichende Begründung" nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen ([X.] Beschluss vom [X.] - B 2 [X.]/21 B - juris Rd[X.] 15; [X.] Beschluss vom [X.] - B 13 R 77/20 B - juris Rd[X.] 7 mwN; [X.] Beschluss vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - [X.] 1500 § 160 [X.] 5 S 6 = juris Rd[X.]). [X.]ntscheidend ist, ob sich das [X.] von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den dem [X.] vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind. Vor diesem Hintergrund besteht eine verfahrensrechtliche Pflicht zur [X.]inholung weiterer Sachverständigengutachten nur dann, wenn vorhandene Gutachten iS von § 118 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 412 Abs 1 ZPO ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - B 2 [X.]/21 B - juris Rd[X.] 15; [X.] Beschluss vom [X.] - B 13 R 77/20 B - juris Rd[X.] 7 mwN; [X.] Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 9). Die Beschwerdebegründung rügt, dass das [X.] trotz des im Berufungsverfahren vorgelegten Attestes von [X.] vom [X.] keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen habe. Das [X.] habe ausgeführt, dass dieses allenfalls die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen den geltend gemachten Schmerzen des [X.] im Bereich der Wirbelsäule mit dem Arbeitsunfall vom 28.8.2019 zum Ausdruck bringe. Hiermit zeigt der Kläger selbst den maßgeblichen sachlich-rechtlichen Standpunkt des [X.] auf, wonach es sich nicht zu weiteren [X.]rmittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Denn die bloße Möglichkeit eines [X.] genügt nicht für den Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit (vgl grundlegend [X.] Urteil vom [X.] - B 2 U 1/05 R - [X.][X.] 96, 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17 Rd[X.]0 mwN).

Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen sinngemäß auch eine Gehörsverletzung (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]) geltend macht, können dadurch die dargestellten Anforderungen an die Sachaufklärungsrüge (§ 103 [X.]) nicht umgangen werden (stRspr; zB [X.] Beschluss vom [X.] - B 2 U 42/22 B - juris Rd[X.] mwN; [X.] Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 17/22 B - juris Rd[X.] mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - B 8 KN 16/05 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 12 Rd[X.] 7). Sofern der Kläger sich mit seinem Vorbringen gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz wendet, vermag auch dies die Zulassung der Revision nicht zu begründen (§ 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] iVm § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]).

Dass der Kläger die [X.]ntscheidung der Vorinstanz für falsch hält, geht schließlich über eine im [X.] unbeachtliche Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers nicht hinaus (vgl [X.] Beschluss vom [X.] U 181/21 B - juris Rd[X.] 11 mwN; [X.] Beschluss vom 25.5.2020 - B 9 V 3/20 B - juris Rd[X.]; [X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]2 Rd[X.]).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 [X.]).

5. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.].

        

Roos   

Karmanski

Karl   

Meta

B 2 U 74/22 B

18.01.2023

Bundessozialgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: U

vorgehend SG Koblenz, 23. März 2021, Az: S 15 U 69/20

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 1 S 2 SGG, § 160a Abs 1 S 3 SGG, § 65d S 1 SGG, § 65a Abs 3 S 1 Alt 1 SGG, § 65a Abs 3 S 1 Alt 2 SGG, § 65a Abs 4 S 1 Nr 2 SGG, § 19 Abs 1 S 1 RAVPV, § 23 Abs 3 S 5 RAVPV, § 103 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.01.2023, Az. B 2 U 74/22 B (REWIS RS 2023, 4562)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4562

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VI ZB 78/21

8 C 4/21

10 AZN 53/20

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