Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 06.07.2022, Az. 2 BvR 1139/22

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2022, 3241

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Erfolgloser Eilantrag bzgl fortdauernder Telekommunikationsüberwachung: Unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

1

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 93d Abs. 2 [X.] kann die Kammer im [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. [X.] 88, 25 <35>; 89, 109 <110 f.>; 121, 1 <14 f.>; 122, 63 <74>; 132, 195 <232>; stRspr).

2

2. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung scheidet hier nicht bereits deshalb aus (vgl. [X.] 88, 185 <186>; 103, 41 <42>), weil die Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die angegriffenen Beschlüsse den Beschwerdeführer in Art. 6 Abs. 1 GG verletzen. Das [X.] und das [X.] haben sich mit der Dauer der angeordneten [X.] nicht auseinandergesetzt. Diese wäre im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der fortdauernden Überwachung der Telekommunikation des Beschwerdeführers mit seinen Eltern in jedem Fall zu berücksichtigen gewesen.

3

3. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung des [X.] kommt dennoch nicht in Betracht, da mit dem Erlass die Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen würde.

4

a) Durch eine einstweilige Anordnung darf die Hauptsache nicht vorweggenommen werden (vgl. [X.] 34, 160 <162>; 46, 160 <163 f.>; 67, 149 <151>; 147, 39 <46 f. Rn. 11>; stRspr). Über die in der Hauptsache aufgeworfenen Fragen kann im Verfahren nach § 32 [X.] grundsätzlich nicht entschieden werden (vgl. [X.] 12, 276 <279>; 15, 77 <78>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. März 2020 - 2 BvQ 6/20 -, Rn. 26); durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung soll lediglich ein Zustand vorläufig geregelt, nicht aber die Hauptsache präjudiziert werden (vgl. [X.] 8, 42 <46>; 15, 219 <221>; 147, 39 <47 Rn. 11>). Eine Vorwegnahme der Hauptsache steht der Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann nicht entgegen, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise zu spät käme und dem Antragsteller in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte (vgl. [X.] 34, 160 <162 f.>; 67, 149 <151>; 108, 34 <40>; 113, 113 <122>; 130, 367 <369>). Unzulässig ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig dann, wenn es dem Antragsteller nur um eine eilige Entscheidung über die im Hauptsacheverfahren angegriffene Maßnahme geht (vgl. [X.] 147, 39 <47 Rn. 11>). Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt vor, wenn der beantragte Inhalt der einstweiligen Anordnung und das Rechtsschutzziel in der Hauptsache, wenn nicht deckungsgleich, so doch zumindest vergleichbar sind, wenn also die stattgebende einstweilige Anordnung mit dem Zeitpunkt ihres Erlasses einen Zustand in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu verwirklichen erlaubt, der erst durch die zeitlich spätere Entscheidung in der Hauptsache hergestellt werden soll (vgl. [X.] 147, 39 <47 Rn. 12>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. März 2020 - 2 BvQ 6/20 -, Rn. 26).

5

b) So liegen die Dinge hier. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auf dasselbe Rechtsschutzziel wie die Verfassungsbeschwerde im vorliegenden Verfahren gerichtet. Dass die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise der Zulässigkeit des Antrags auf einstweilige Anordnung nicht entgegen stehen könnte, weil die Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme und dem Beschwerdeführer in anderer Weise hinreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1139/22

06.07.2022

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG München, 25. Mai 2022, Az: 2 Ws 283/22, Beschluss

§ 32 Abs 1 BVerfGG, § 90 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 06.07.2022, Az. 2 BvR 1139/22 (REWIS RS 2022, 3241)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3241


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 1139/22

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1139/22, 15.11.2022.

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1139/22, 06.07.2022.


Az. 2 Ws 283/22

OLG München, 2 Ws 283/22, 25.05.2022.


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