Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.05.2011, Az. 1 StR 50/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 6631

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STRAFRECHT HAFT STRAFTATEN JUSTIZ

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Gegenstand

Mordmerkmal: Voraussetzungen von Verdeckungsabsicht


Leitsatz

Zu den Anforderungen an das Vorliegen von Verdeckungsabsicht (im Anschluss an Senatsurteil vom 1. Februar 2005, 1 StR 327/04, BGHSt 50, 11 f.) .

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 27. Juli 2010 mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben:

a) soweit die Angeklagte wegen Totschlags verurteilt wurde ([X.] 2. der Urteilsgründe) und

b) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen "Totschlags sowie Betrugs in zwei tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall mit Urkundenfälschung in zwei Fällen, in einem Fall mit Urkundenfälschung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren und drei Monaten verurteilt.

2

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Sie beanstandet mit der Sachrüge, dass die Angeklagte "nur" wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt wurde. Die wirksam hierauf und den [X.] beschränkte Revision, die vom [X.] vertreten wird, hat Erfolg.

I.

3

1. Das [X.] hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:

4

Die Angeklagte gelangte in den Besitz der EC-Karte der Eheleute [X.] bei der [X.]. Sie wurde von ihrer [X.] Bi. beauftragt, Ratenzahlungen für eine gegen diese verhängte Geldstrafe an die [X.] zu überweisen. Die Angeklagte füllte am 22. April 2008 für das ihr aus der EC-Karte bekannte Konto der Eheleute [X.] zwei Überweisungsformulare zu Gunsten der [X.] über jeweils 50 Euro aus, unterzeichnete sie mit dem Namenszug "[X.]" und gab sie bei der [X.] ab. Da dieses Konto zu diesem Zeitpunkt nicht die erforderliche Deckung aufwies, wurden beide Überweisungen nicht ausgeführt. Im Mai 2008 kaufte die Angeklagte in zwei Geschäften in [X.] ein und bezahlte jeweils mit dieser EC-Karte. Als die Angeklagte erfuhr, dass den Eheleuten [X.] 15.000 Euro auf ihr Konto gutgeschrieben wurden, beschloss sie, mit der EC-Karte Geld für sich abzuheben. Am 19. Mai 2008 suchte sie die Filiale der [X.] auf und gab sich gegenüber dem Bankangestellten [X.] als Frau [X.] aus. Sie teilte dem Bankangestellten mit, 2.000 Euro abheben zu wollen. [X.] erstellte zunächst aufgrund eines Versehens einen Auszahlungsbeleg über 1.000 Euro, der von der Angeklagten mit dem Namenszug "[X.]" unterzeichnet wurde. Anschließend erstellte [X.] einen zweiten Auszahlungsbeleg über weitere 1.000 Euro, den die Angeklagte wiederum mit dem Namenszug "[X.]" unterzeichnete. [X.] zahlte ihr sodann 2.000 Euro in bar aus. Zwanzig Minuten später ging die Angeklagte erneut in diese Filiale und teilte [X.] mit, weitere 5.000 Euro abheben zu wollen. [X.] erstellte einen Auszahlungsbeleg über diesen Betrag, den die Angeklagte mit dem Namenszug "[X.]" unterzeichnete. Sie erhielt daraufhin von [X.] 5.000 Euro in bar. Noch am Nachmittag dieses Tages beglich die Angeklagte Mietrückstände in Höhe von über 3.000 Euro.

5

Am 21. Mai 2008 erstattete Herr [X.] bei der Polizei in [X.] Anzeige wegen des Abhandenkommens der EC-Karte und der unberechtigten Abhebungen. Auch sprach er bei dem Mitarbeiter [X.] bei der Filiale der [X.] vor und erfuhr, dass die Abhebungen von einer dunkelhäutigen jüngeren Frau vorgenommen worden waren. Seine von ihm verdächtigte [X.] konnte nach einer Vorsprache bei der [X.] als Abheberin ausgeschlossen werden. Am 16. Juni 2008 äußerte Herr [X.] sowohl gegenüber den Mitarbeitern der [X.] als auch gegenüber der Polizei den Verdacht, dass die Angeklagte die Abhebungen vorgenommen haben könnte. Am 17. Juni 2008 erfuhr die [X.] der Angeklagten, dass die beiden Ratenzahlungen auf die gegen sie zu vollstreckende Geldstrafe nicht eingegangen waren. Ihr Ehemann ging deshalb zur Filiale der [X.] und legte dem Mitarbeiter [X.] die zwei Durchschläge der Überweisungsträger vor, die die Angeklagte ihrer [X.] gegeben hatte und auf denen das Konto der Eheleute [X.] als Abbuchungskonto eingetragen war. [X.] schöpfte wegen der Kontoidentität sofort den Verdacht, dass es zwischen den gescheiterten Überweisungen und den Abhebungen einen Zusammenhang gebe. Bei einer persönlichen Vorsprache der [X.] der Angeklagten wurde diese vom Bankangestellten [X.] als Abheberin ausgeschlossen. [X.] erfuhr von ihr vielmehr, dass sie die Angeklagte mit den Überweisungen beauftragt hatte. Er rief daraufhin mehrfach die Angeklagte an und bat sie am 24. Juni 2008 zu einem Gespräch in die Bankfiliale. Gleichzeitig forderte die [X.] der Angeklagten diese auf, den Termin bei der [X.] unbedingt wahrzunehmen, um die Sache mit den fehlgeschlagenen Überweisungen aufzuklären, da sie die Sorge hatte, in Haft zu müssen.

6

Die Angeklagte befürchtete jetzt, dass ihr Versuch, unberechtigte Überweisungen vom Konto der Eheleute [X.] auszuführen, vor der Aufdeckung stand. Noch mehr befürchtete sie aber, dass auch ihre Barabhebungen ans Licht kämen. Dabei hatte sie zum einen Angst vor einer Bestrafung zum anderen auch vor dem dann aufgedeckten Vertrauensbruch gegenüber [X.] und Bekannten. Deshalb und um weitere Ermittlungen gegen sie zu verhindern, ging sie weder am 24. Juni 2008 noch am 26. Juni 2008 zu [X.] mit [X.]

7

Am 25. Juni 2008 war die Angeklagte wegen der Ermittlungen zu den Abhebungen nervös und befürchtete, dass über die von ihr für ihre [X.] durchgeführten Überweisungen auch ihre Barabhebungen von insgesamt 7.000 Euro aufgedeckt würden. Sie wollte deshalb von Frau [X.] herausbekommen, was diese über die Sache weiß, ob sie selbst unter Verdacht stehe und welche Beweise vorliegen. Am Nachmittag kam die Angeklagte in die Wohnung der Eheleute [X.] und hielt sich mit Frau [X.] in der Küche auf. Als beide über die unberechtigten Abhebungen sprachen, entstand ein Streit. Die Angeklagte geriet dabei in Wut, schlug Frau [X.] einen scharfkantigen Gegenstand mehrfach auf den Kopf und stach mit einem Messer mehrmals auf diese ein, um sie zu töten. Die beigefügten Verletzungen führten nach ca. zehn bis fünfzehn Minuten zum Tod von J. [X.]

8

Erst danach sah die Angeklagte die Chance, die [X.] an die [X.] zu erklären und damit die weiteren Ermittlungen gegen sich zu beenden. Sie suchte deshalb am 3. Juli 2008 [X.] auf und gab vor, dass sich die Kontonummer der Eheleute [X.] auf den [X.] befinde, da Frau [X.] ihrer - der Angeklagten - [X.] noch einen Gefallen schuldig gewesen sei und deshalb für sie die Überweisungen unterschrieben habe. Jetzt könne man Frau [X.] aber nicht mehr fragen, da sie mittlerweile verstorben sei. Die Angeklagte wollte damit erreichen, dass die Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Kontoverfügungen beendet werden.

9

2. Nach Auffassung des [X.]s beging die Angeklagte die Tat nicht zur Verdeckung einer Straftat. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Angeklagte zwar auch von J. [X.] verdächtigt wurde, die unberechtigten Kontoverfügungen vorgenommen zu haben. Da aber, wie die Angeklagte wusste, auch [X.] [X.] und [X.] diesen Verdacht hegten, sei, wie die Angeklagte wusste, die Tötung von J. [X.] nicht geeignet, die weitere Aufdeckung dieser Taten zu verhindern.

Die Angeklagte habe auch nicht aus sonstigen niedrigen Beweggründen gehandelt. Es habe nicht festgestellt werden können, was letztlich der konkrete Auslöser für den Angriff der Angeklagten gewesen sei.

II.

Die Verurteilung wegen Totschlags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die zugrunde liegende Beweiswürdigung beruht auf durchgreifenden [X.]. Die Urteilsgründe lassen in diesem Zusammenhang darüber hinaus besorgen, dass die [X.] das Mordmerkmal "[X.]" rechtlich nicht zutreffend erfasst hat, indem sie von einem zu engen Verständnis von diesem Merkmal ausgegangen ist.

Das Revisionsgericht hat es allerdings grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht tatsächliche Zweifel am Vorliegen von [X.] nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es fehlt die gebotene Gesamtwürdigung; die Beweiswürdigung ist lückenhaft. Das [X.] hat zwar eine umfassende Beweiswürdigung hinsichtlich der [X.]chaft der Angeklagten vorgenommen, aber hinsichtlich einer - eher nahe liegenden - [X.] fehlt es an tragfähigen Überlegungen und Erörterungen. Lediglich im Rahmen der rechtlichen Würdigung ([X.]) wird als Ergebnis knapp mitgeteilt, dass die Angeklagte nicht mit [X.] handelte, weil die Tötung von J. [X.] nicht geeignet sei, die weitere Aufdeckung der Taten zu verhindern. Die erforderliche Gesamtwürdigung aller Indizien, die für eine [X.] der Angeklagten sprechen, hat das [X.] jedoch nicht vorgenommen.

1. In [X.] handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten (vgl. u.a. Senatsurteil vom 1. Februar 2005 - 1 [X.] = [X.]St 50, 11 ff. mit [X.]. u.a. [X.] 2007, 291; [X.] JuS 2005, 659; [X.] JA 2005, 490). Allerdings scheidet begrifflich eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dann aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist und der Täter dies weiß (vgl. [X.], Urteil vom 1. August 1978 - 5 StR 302/78 = [X.] 1979, 108). Es kommt nicht darauf an, ob die vorangegangene Straftat oder seine Tatbeteiligung daran schon objektiv aufgedeckt waren oder ob objektiv von dem Opfer eine Aufdeckung zu befürchten war, solange der Täter nur subjektiv meint, zur Verdeckung dieser Straftat über die Leiche dieses möglichen Zeugen zu müssen (vgl. [X.], StGB § 211/45). Auch nach Bekanntwerden einer Straftat kann ein Täter dann noch in [X.] handeln, wenn er zwar weiß, dass er als Täter dieser Straftat verdächtigt wird, die genauen Tatumstände aber noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind (vgl. Senatsurteil vom 1. Februar 2005 aaO). [X.] ist aus der Sicht des [X.] zu beurteilen. Glaubt er mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrecht erhalten oder seine Lage verbessern zu können, so reicht das für die Annahme der [X.] aus, selbst wenn er bereits als Täter der Vortat verdächtigt wird (vgl. [X.], StGB, 11. Aufl., § 211 Rn. 16 mit Hinweis auf [X.], Urteil vom 27. April 1978 - 4 [X.] insoweit in [X.]St 28, 18 nicht abgedruckt), da die Tatumstände - nach seinem Wissen - noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt waren (vgl. [X.]St 15, 291, 296). [X.] ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Tat als solche bereits entdeckt ist, dem Täter es jedoch noch darauf ankommt, seine eigene [X.]chaft zu verbergen; Voraussetzung ist jedoch, dass er sich oder seine Tat noch nicht voll erkannt bzw. nicht voll überführungsfähig glaubt und daher mit der Vorstellung von Entdeckungsvereitelung handelt ([X.]/Schröder-[X.], StGB, 28. Aufl., § 211 Rn. 34 mwN).

Der Umstand, dass die unberechtigten Abhebungen bereits entdeckt waren, schließt daher die Annahme der [X.] [X.]. § 211 StGB nicht aus, wenn es der Angeklagten darauf ankam, ihre [X.]chaft nicht ans Licht kommen zu lassen (vgl. [X.], Urteil vom 6. Dezember 1951 - 4 [X.] = NJW 1952, 531 mwN). In [X.] tötet, wer die Vortat überhaupt als auch, wer lediglich die eigene [X.]chaft verbergen will, die den Strafverfolgungsbehörden nach seiner Vorstellung bisher nicht bekannt ist (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 1988 - 3 [X.] = NJW 1988, 2682 mwN; hierzu auch [X.], Urteil vom 20. September 1996 - 2 StR 278/96 = NStZ-RR 1997, 132 mwN). Ein Täter, der sich jedoch "nur" der Festnahme entziehen will, will "weder Tat noch Täter" zudecken (vgl. [X.], Beschluss vom 26. November 1990 - 5 [X.] = NJW 1991, 1189 mwN).

Dass die Angeklagte wegen des Streits über die unberechtigten Abhebungen in Wut geraten ist, würde der Annahme von [X.] nicht ohne weiteres entgegenstehen (vgl. auch [X.], Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 [X.] = NJW 1999, 1039 mit [X.]. [X.] in [X.], 26, 30 f. und [X.] NStZ 1999, 554; vgl. hierzu auch [X.] NStZ 2000, 18 f.; [X.] aaO, § 211 Rn. 15). Reagiert der Täter allerdings allein auf wuterregende Vorhaltungen des Opfers, so kann es bei einer dadurch ausgelösten Tötung an der [X.] fehlen (vgl. [X.] NStZ 1983, 440 mit Hinweis auf [X.], Beschluss vom 2. September 1981 - 3 [X.]). Das Mordmerkmal der [X.] kann im Übrigen auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblicksituation spontan gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele (vgl. hierzu Senatsurteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07 Rn. 39 insoweit in [X.]St 51, 367 nicht abgedruckt).

2. Diese Grundsätze hat das [X.] nicht zur Grundlage seiner Beweiswürdigung gemacht. Es hätte sich nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, dass diese Tötung nicht geeignet war, die weitere Aufdeckung dieser Taten zu verhindern. Dieses objektive Kriterium ist zwar als gewichtiges Indiz gegen eine [X.] in eine Beweiswürdigung einzustellen, zumal da im vorliegenden Fall das [X.] mangels einer entsprechenden Einlassung der Angeklagten nur Schlussfolgerungen hinsichtlich der Motivation der Angeklagten ziehen konnte. Die maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist aber nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des [X.] hiervon; die äußeren Gegebenheiten sind allerdings insofern von Belang, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des [X.] zulassen. Der Hinweis auf die objektive Sachlage ersetzt aber nicht eine Würdigung aller maßgeblichen - auch für die [X.] der Angeklagten sprechenden - Umstände. An einer solchen Würdigung fehlt es hier.

Für die weitere Feststellung der [X.], dass die Angeklagte von der Ungeeignetheit der Tötung zur Verdeckung wusste, fehlt es an einer Begründung.

Das [X.] hätte in der erforderlichen Gesamtwürdigung insbesondere folgende Indizien erörtern müssen, die für eine [X.] sprechen und gegen die Feststellung, die Angeklagte habe die Tat für ungeeignet gehalten, die Aufdeckung zu verhindern:

Die Angeklagte ging nicht zu dem Termin bei [X.], "um weitere Ermittlungen gegen sich zu verhindern" ([X.]). Sie befürchtete, dass ihre Überweisungen und Barabhebungen ans Licht kämen ([X.]). Sie suchte nach der Tat [X.] auf und versuchte, die von ihr gefälschte Unterschrift als von der Toten geleistet hinzustellen, um damit zu erreichen "dass die Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Kontoverfügungen beendet werden" ([X.]). Die Angeklagte war zum Tatopfer gegangen, um herauszubekommen, was diese über eine [X.]chaft der Angeklagten wusste ([X.]; vgl. auch [X.]). Anlass des [X.] war das Gespräch über die unberechtigten Abhebungen ([X.]). Den Urteilsfeststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass die Angeklagte wusste, dass [X.] [X.] auch der Polizei seinen Tatverdacht gegen die Angeklagte mitgeteilt hatte ([X.]). Die Angeklagte wusste - entgegen ihrer Einlassung -, dass [X.] mit ihr die Überweisungen und Abhebungen klären wollte ([X.]). Die Angeklagte handelte in dem Gespräch mit [X.] nach der Tötung von J. [X.], um "weitere Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Überweisungen und wegen der unberechtigten Abhebungen zu stoppen" ([X.]). Die Angeklagte sah "als einzigen Ausweg aus ihrer Zwangslage die Tötung von J. [X.]" ([X.]), wobei ihre Zwangslage darin bestand, die unberechtigten Kontoverfügungen erklären zu müssen. Der zur Feststellung der Schuldfähigkeit der Angeklagten gehörte Sachverständige [X.]. verneinte eine Affekttat. "Vielmehr ergebe sich die konkrete Konfliktlage zwischen der Angeklagten und J. [X.] aus den von der Angeklagten zuvor durchgeführten unberechtigten Kontoverfügungen, deren Aufdeckung sie befürchtete" (UA S. 68).

All diese Indizien sind geeignet, eine [X.] der Angeklagten zu belegen, da sie dagegen sprechen, dass die Angeklagte subjektiv die Tötung der J. [X.] für ungeeignet hielt, die weitere Aufdeckung ihrer vorausgehenden Taten zu verhindern. Die Beweiswürdigung ist insofern lückenhaft.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf diesem Rechtsfehler die Ablehnung des Mordmerkmals [X.] beruht. Die Verurteilung wegen Totschlags war daher aufzuheben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, da sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Der neue Tatrichter kann insoweit ergänzende, nicht im Widerspruch stehende, Feststellungen treffen; die subjektive Tatseite ist ohnehin neu festzustellen. Die bisherigen Feststellungen zum Tötungsvorsatz und zur Schuldfähigkeit der Angeklagten lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

3. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des [X.]s.

4. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, auch das Mordmerkmal niedrige Beweggründe zu prüfen. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Unterscheidung zwischen Motiv (Wut im Zusammenhang mit den unberechtigten Abhebungen; [X.]) und konkretem Auslöser ([X.]) ist ohne nähere Darlegung nicht nachzuvollziehen. Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2005 - 1 [X.]). Dies wäre aber im Hinblick auf berechtigte Vorhaltungen wegen der Geldabhebungen nicht ausgeschlossen. Die Absicht, die Überführung durch Beseitigung eines Belastungszeugen zu erschweren, weist - wenn sie nach den Umständen für die Annahme eines [X.] nicht ausreicht - vielfach auf niedrige Beweggründe hin (vgl. [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 6). Neben der [X.] ist die Annahme niedriger Beweggründe jedoch nicht gerechtfertigt, wenn die zur Begründung dieses Merkmals herangezogenen Motive des Täters über die [X.] hinaus keinen weiteren Unrechtsgehalt aufweisen (vgl. [X.], Urteil vom 10. März 1999 - 3 StR 1/99 = NStZ-RR 1999, 235).

5. Wenn die Angeklagte J. [X.] tötete, um hinsichtlich der unberechtigten Geldabhebungen keine Rückzahlung leisten zu müssen, käme im Übrigen auch das Mordmerkmal Habgier in Betracht.

[X.]                                    Wahl                                 Rothfuß

                    Jäger                                   [X.]

Meta

1 StR 50/11

17.05.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 27. Juli 2010, Az: 5 Ks 106 Js 2113/08, Urteil

§ 211 Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.05.2011, Az. 1 StR 50/11 (REWIS RS 2011, 6631)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6631

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