Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2002, Az. 4 StR 297/02

4. Strafsenat | REWIS RS 2002, 231

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[X.] [X.]/02vom12. Dezember 2002in der Strafsachegegenwegen Totschlags- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.], an der teilgenommen haben:Vorsitzende [X.]in am [X.]. [X.],[X.] am [X.],[X.],[X.]in am Bundesgerichtshof[X.] am [X.]. [X.]als beisitzende [X.],[X.] in der Verhandlung,Staatsanwalt bei er Verkündung als Vertreter der [X.]schaft,Rechtsanwalt als Verteidiger,Rechtsanwalt als Vertreter des [X.],Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -- 4 -1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil [X.] Rostock vom 4. März 2002 mit den Fest-stellungen aufgehoben; jedoch werden die Feststellun-gen zum Tötungsgeschehen ([X.] —Gegen ..."bis [X.] "... ab.") aufrechterhalten.2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eineandere als Schwurgericht zuständige Strafkammer [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:[X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung ineiner Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß sieben Jahre der ver-hängten Freiheitsstrafe vorweg zu vollstrecken sind.Mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt,erstrebt der Nebenkläger die Verurteilung des Angeklagten wegen eines durchUnterlassen verwirklichten [X.]. Das zulässige Rechtsmittelführt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorin-stanz.- 5 -II.Nach den Feststellungen mißhandelte der Angeklagte mit [X.] die zur Tatzeit zwei Jahre alte, mit ihm in [X.] Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau [X.] massiver Weise, daß das Kind später verstarb. Obwohl er erkannt hatte,daß das schwer verletzte Kind ohne alsbaldige ärztliche Hilfe sterben würde,unterließ er jegliche Rettungsbemühungen. Aus Angst vor erneuter Inhaftierunghielt der Angeklagte auch seine Ehefrau davon ab, sofortige Rettungsmaß-nahmen einzuleiten. Er überredete sie vielmehr, eine von ihm erfundene [X.], wonach die Tat durch unbekannte Eindringlinge in seiner Abwesenheitverübt worden sei, zu bestätigen. Da das erfundene [X.] nur beiweiterem Zeitablauf plausibel erscheinen konnte, sahen der Angeklagte undseine Ehefrau auch in der Folge davon ab, Rettung herbeizurufen. Erst [X.] Stunden nach der Tat wurde der Rettungsdienst verständigt. Ob [X.] bei unverzüglicher Verständigung eines Notarztes hätte gerettet [X.], kann den Feststellungen nicht entnommen werden.II[X.] hat das Verhalten des Angeklagten im ersten ([X.]) Abschnitt als Totschlag (§ 212 StGB) bewertet. Dies läßt für sich gese-hen Rechtsfehler weder zu seinen Gunsten noch zu seinem Nachteil (§ 301StPO) erkennen. Einen [X.] (durch Unterlassen) hat es mit [X.] verneint, daß dem Angeklagten anderenfalls —zum Vorwurf [X.] würde, nicht gemäß § 24 StGB strafbefreiend von der Vortat zurückge-- 6 -treten zu seinfi. Soweit der Angeklagte auf die Kindesmutter eingewirkt habe,um sie von sofortigen Rettungsmaßnahmen abzuhalten, stelle sich sein [X.] zwar als Anstiftungshandlung dar. Diese sei jedoch nicht strafbar, weilder Angeklagte, der seinen eigenen Angaben zufolge seiner Ehefrau die [X.] —diktiertfi habe, die Tatherrschaft gehabt habe. Diese Ausführungenhalten teilweise revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.1. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] allerdings eine Strafbarkeitdes Angeklagten wegen [X.] verneint.a) Zwar kann der Tatbestand des [X.] auch durch [X.] verwirklicht werden (vgl. [X.], 1730, 1732 m.w.[X.] Mordmerkmal der [X.] setzt jedoch gemäß § 211 Abs. 2StGB voraus, daß der Täter die Tötungshandlung vornimmt oder - im Falle [X.] - die ihm zur Abwendung des [X.] gebotene Handlungunterläßt, um dadurch eine andere Straftat zu verdecken. Dabei steht der An-nahme eines [X.] nicht bereits entgegen, daß sich schon [X.] verdeckende Vortat gegen die körperliche Unversehrtheit des Opfers richtetund im unmittelbaren Anschluß in die Tötung zur Verdeckung des vorausge-gangenen Geschehens übergeht ([X.]St 35, 116; [X.], 234;NStZ 2000, 498; 2002, 253). Handelt der Täter jedoch von Anfang an mit - [X.] auch nur bedingtem [X.] Tötungsvorsatz, so liegt auch dann keine zu verdek-kende Vortat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB vor, wenn er im Zuge der [X.] die Tötung zusätzlich auch deshalb herbeiführen will, um seinevorherigen Tathandlungen zu verdecken. Allein das Hinzutreten der Verdek-kungsabsicht als (weiteres) Tötungsmotiv macht die davor begangenen [X.] 7 -akte nicht zu einer —anderenfi Tat (st. Rspr., vgl. [X.], 498, [X.], 253; Senatsurteil vom 10. Oktober 2002 - 4 StR 185/02).b) Nach diesen Grundsätzen wäre eine Strafbarkeit des Angeklagtenwegen eines durch Unterlassen verwirklichten [X.] schon [X.] nicht gegeben, weil er nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellun-gen das Tatopfer bereits im vorausgegangenen Handlungsabschnitt mit (be-dingtem) Tötungsvorsatz mißhandelt hat. Allerdings ist nach der [X.] die Rechtslage anders zu beurteilen, wenn zwischen einer (zunächsterfolglosen) Tötungshandlung und der erneuten mit [X.] vor-genommenen zweiten Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt.[X.] der Täter dann den Entschluß, das (zumindest aus seiner Sicht zunächstüberlebende) Opfer nunmehr auch deshalb zu töten, um die Aufdeckung desversuchten Tötungsdelikts zu verhindern, wird das Mordmerkmal der Verdek-kungsabsicht als erfüllt angesehen, da sich die Tötungshandlung auf eine [X.] abgeschlossene, mithin —[X.] Tat bezieht (vgl. [X.]R StGB § 211Abs. 2 Verdeckung 11; [X.], 553; [X.], 253). Gegen-stand dieser Rechtsprechung waren jedoch ausschließlich Fälle, in denen dasnachfolgende Tötungsgeschehen durch [X.] verwirklicht worden [X.]) Ob eine Strafbarkeit wegen [X.] auch durch Unter-lassen in Betracht kommt, wenn der Täter im vorausgegangenen [X.] mit (bedingtem) Tötungsvorsatz gehandelt hat, ist indes - soweit er-sichtlich - höchstrichterlich nicht entschieden.aa) Der 1. Strafsenat des [X.] hat allerdings in [X.], in dem der Täter - nicht ausschließbar - das Opfer bereits im ersten- 8 -Handlungsteil mit (bedingtem) Tötungsvorsatz mißhandelt hatte und es an-schließend in hilfloser Lage zurückließ, eine Strafbarkeit wegen Aussetzung(§ 221 Abs. 1 2. Alt. StGB a.F.) mangels Vorliegens einer Garantenstellungverneint und dies damit begründet, daß der Täter, der vorsätzlich oder [X.] einen Erfolg anstrebt oder billigend in Kauf nimmt, nicht zugleichverpflichtet sei, ihn abzuwenden. Bei einem vorsätzlichen Angriff auf menschli-ches Leben könne der Täter, wenn er sich später eines besseren besinne und -erfolgreich - Hilfe leiste, zwar zurücktreten und insoweit Strafbefreiung erlan-gen; eine rechtliche Verpflichtung zur Hilfeleistung bestehe jedoch nicht([X.]R StGB § 221 Konkurrenzen 1 = NStZ-RR 1996, 131). Übertragen aufden vorliegenden Fall würde dies bedeuten, daß bereits wegen Fehlens einerGarantenstellung eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen [X.] nicht in Betracht käme.Demgegenüber wird in Teilen des Schrifttums eine Garantenstellungauch dann bejaht, wenn der Täter die Gefahr, um deren Abwendung es geht,zuvor selbst vorsätzlich [X.] pflichtwidrig herbeigeführt hat (vgl. hierzu [X.] JR 1999, 265 ff.). Insoweit wird jedoch überwiegend die Auffassungvertreten, daß die anschließende Unterlassenstat hinter der vorsätzlichen [X.] der [X.] zurücktritt ([X.] aaO S. 267m.w.N.; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.] StGB 26. Aufl. [X.]. §§ 52 ff.[X.]. 107).bb) Die Frage, ob der Täter nach einer vorsätzlich begangenen ([X.] erfolglosen) Tötungshandlung anschließend als Garant verpflichtet [X.], den [X.] abzuwenden, bedarf jedoch für die hier allein maßgeb-liche Frage, ob ein [X.] (durch Unterlassen) vorliegt, keiner Ent-- 9 -scheidung, da es in den Fällen bloßer Untätigkeit jedenfalls an einer für [X.] der [X.] erforderlichen —anderenfi Straftat fehlt.Wer es lediglich unterläßt, eine durch vorausgegangenes [X.] inGang gesetzte [X.] zu unterbrechen, —[X.] keine andere Straftat imSinne des § 211 Abs. 2 StGB, sondern verfolgt lediglich sein ursprünglichesZiel weiter. Ebensowenig wie in den Fällen einer weiteren Tötungshandlungkann hier allein das Hinzutreten des weiteren Motivs der [X.]ein im übrigen einheitliches Geschehen in zwei Taten aufspalten. Hierbei kannes [X.] anders als bei [X.] - keinen Unterschied machen, ob zwischen [X.], dem Erkennen der Erforderlichkeit einer Hilfeleistung unddem Entschluß, zur Verdeckung der Tat oder Täterschaft keine Maßnahmenzur Erfolgsabwendung zu unternehmen, eine zeitliche Zäsur liegt. Denn [X.], der - wie hier - nur untätig bleibt, führt auch bei Vorliegen einer zeitli-chen Zäsur lediglich die ursprünglich gewollte Tat fort, ohne eine neue Kau-salkette in Gang zu setzen, die die Annahme einer anderen Straftat im Sinnedes § 211 Abs. 2 StGB rechtfertigen könnte. Er unterläßt es vielmehr nur, wor-auf das [X.] zutreffend hingewiesen hat, von dem vorausgegangenen(versuchten) Tötungsdelikt zurückzutreten. Dies vermag jedoch nicht [X.] Strafbarkeit wegen [X.] zu begründen.2. Keinen Bestand kann jedoch das Urteil haben, soweit das [X.]eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Anstiftung zum Mord bzw. zum ver-suchten Mord durch Unterlassen verneint hat. Auf der Grundlage der [X.] Feststellungen hat der Angeklagte seine damalige Lebensgefährtin undjetzige Ehefrau, die als leiblicher und - offensichtlich [X.] personensorgeberech-tigter Elternteil des Opfers eine Garantenstellung innehatte, dazu veranlaßt,zur Verdeckung der Tat eines anderen (vgl. [X.]St 9, 180), nämlich seiner ei-- 10 -genen Täterschaft, von der sofortigen Benachrichtigung eines Rettungsdien-stes abzusehen. Damit hat er - je nach dem, ob das Leben des Opfers durchdie unverzügliche Einleitung von Rettungsmaßnahmen hätte gerettet [X.] oder nicht [X.] einen anderen vorsätzlich zu einem Mord oder [X.] im Sinne des § 26 StGB bestimmt. Daß der Angeklagte seiner Ehefraudie —Alibiversion diktiertfi hat und daher die Tatherrschaft gehabt habe, ändertentgegen der Auffassung des [X.]s hieran nichts. Welcher Mittel sichder Anstiftende bedient, ist gleichgültig; taugliches Anstiftungsmittel kann etwaauch eine Drohung sein (vgl. [X.]/[X.] StGB 51. Aufl. § 26 [X.]. 4).3. Die rechtfehlerhafte Verneinung einer Strafbarkeit des Angeklagtenwegen Anstiftung zum Mord bzw. versuchten Mord zwingt auch zur [X.] für sich gesehen [X.] Verurteilung wegen Totschlags, da [X.] Grundlage der getroffenen Feststellungen in Betracht kommt, daß beideDelikte eine Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit bilden (vgl. hierzuKuckein in KK 4. Aufl. § 353 [X.]r.12). Die dem Tötungsgeschehen zugrunde-liegenden tatsächlichen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben.Für das weitere Verfahren bemerkt der [X.] 11 -Eine Verurteilung des Angeklagten wegen einer - in Tateinheit zum [X.] stehenden - Straftat nach § 225 StGB liegt bei der hier gegebenSachverhaltsgestaltung eher fern. Hinsichtlich der Anordnung des [X.] von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstaltverweist der Senat auf die Ausführungen des [X.] in seinerAntragsschrift zu der (rechtswirksam zurückgenommenen) Revision des Ange-klagten.[X.] Maatz [X.]: ja[X.]St: neinVeröffentlichung: ja___________________StGB §§ 211 Abs. 2, 13 Abs. 1Hat der Täter das Tatopfer mit (bedingtem) Tötungsvorsatz mißhandelt undunterläßt er es anschließend, zur Verdeckung dieses Geschehens Maßnahmenzur Rettung des (zunächst) überlebenden Opfers einzuleiten, so ist eine Straf-barkeit wegen [X.] durch Unterlassen auch dann nicht gege-ben, wenn zwischen dem Handlungs- und Unterlassensteil eine zeitliche Zäsurliegt.[X.], Urteil vom 12. Dezember 2002 - 4 [X.] - [X.] 12 -

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4 StR 297/02

12.12.2002

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2002, Az. 4 StR 297/02 (REWIS RS 2002, 231)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 231

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