Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Strafverfahren wegen Mordes: Notwendige tatrichterliche Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten zur Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht bei lediglich bedingtem Tötungsvorsatz
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Februar 2021 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen zur subjektiven Tatseite aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das [X.] hatte den Angeklagten mit Urteil vom 15. April 2019 wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger hob der [X.] dieses Urteil mit den Feststellungen auf und verwies die Sache an das [X.] zurück. Das [X.] hat den Angeklagten nunmehr wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
1. Nach den Feststellungen suchte der alkoholisierte Angeklagte am Tattag kurz nach Mitternacht den Straßenstrich in [X.]auf. Dort nahm er Kontakt zu der später getöteten Geschädigten auf, die der Prostitution nachging und bei welcher der Angeklagte in der Vergangenheit bereits mehrfach Kunde gewesen war. Dem Angeklagten war bekannt, dass die Geschädigte für Geschlechtsverkehr üblicherweise 40 bis 50 Euro verlangte. Ihm war auch bewusst, dass er kein Geld bei sich hatte und erst in einigen Tagen sein Gehalt ausgezahlt bekommen würde. Die beiden einigten sich auf die Ausübung des Geschlechtsverkehrs, wobei die Geschädigte, die keine Vorkasse vom Angeklagten verlangte, davon ausging, dass der Angeklagte sie unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr bezahlen werde. Der Angeklagte nahm billigend in Kauf, bei der Geschädigten einen Irrtum über seine sofortige Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft hervorzurufen und sie auf diese Weise zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs zu veranlassen. Er nahm ferner in Kauf, dass die Durchsetzung der Forderung der Geschädigten auf Entlohnung – wenn überhaupt – nur unter zeitlicher Verzögerung möglich sein würde.
Als die Geschädigte den Angeklagten nach Beendigung des Geschlechtsverkehrs aufforderte, ihr das Entgelt zu zahlen, offenbarte ihr der Angeklagte, dass er jetzt kein Geld bei sich habe. Die Geschädigte begann daraufhin, den Angeklagten lautstark zu beschimpfen. Auch schlug sie ihm zumindest einmal mit der Faust gegen seine Schulter. Der Angeklagte hielt die Hand der Geschädigten fest und bat sie, nicht laut zu schreien und zu schimpfen, weil andere Menschen sie hören könnten. Er erklärte ihr, kein Geld dabei zu haben, aber am nächsten oder dem darauffolgenden Tag zahlen zu wollen. Als die Geschädigte weiter schimpfte und schrie, umgriff der Angeklagte sie mit den Unterarmen am Hals und drückte für einen Zeitraum von jedenfalls einer Minute mit [X.] zu, so dass die [X.] der Geschädigten brachen. Infolge des Angriffs des Angeklagten verstarb die Geschädigte zeitnah aufgrund einer durch das Würgen verursachten zentralen Lähmung.
Beim Zudrücken mit den Unterarmen erkannte der Angeklagte den Tod der Geschädigten als mögliche Folge seines Handelns und fand sich hiermit zumindest ab. Primär kam es dem Angeklagten darauf an, dass die Geschädigte aufhörte zu schreien, weil er befürchtete, dass in der Nähe aufhältige Personen ihre Beleidigungen und Beschimpfungen mithören und so erfahren könnten, dass er die in Anspruch genommenen sexuellen Dienste nicht bezahlt hatte.
2. Das [X.] hat in seiner rechtlichen Würdigung das Mordmerkmal der [X.] bejaht und dies damit begründet, dass der Angeklagte die Geschädigte getötet habe, weil er verhindern wollte, dass umstehende Personen erfahren, dass er einen Betrug zu Lasten der Geschädigten begangen hatte.
II.
Die Annahme des [X.] der [X.] gemäß § 211 Abs. 2 StGB durch das [X.] hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die [X.] nur unzureichende Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten getroffen hat. Denn nach den [X.] bleibt offen, ob der Angeklagte eine Aufdeckung seiner zum Nachteil der Geschädigten begangenen Betrugstat allein durch etwaige umstehende Personen oder auch durch das [X.] selbst befürchtete.
1. In [X.] im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten. Zu den einer Verdeckung zugänglichen Tatumständen gehört insbesondere die eigene Beteiligung an der vorangegangenen Tat. Schon begrifflich scheidet eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dagegen aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es nicht auf die objektiv gegebene Sachlage, sondern ausschließlich auf die subjektive Sicht des [X.] an. Solange der Täter subjektiv davon ausgeht, dass die Umstände der Tat noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang bekannt sind, kommt eine Tötung aus [X.] in Betracht (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 6. Juni 2019 – 4 StR 541/18, [X.], 605 Rn. 14; vom 17. Mai 2011 – 1 StR 50/11, [X.]St 56, 239, 243 ff.; vom 1. Februar 2005 – 1 [X.], [X.]St 50, 11, 14 ff.; vom 2. Dezember 1960 – 4 StR 453/60, [X.]St 15, 291, 295 ff.).
Auch der mit bedingtem Tötungsvorsatz vorgehende Täter kann mit [X.] handeln (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 6. Juni 2019 – 4 StR 541/18, aaO Rn. 17; vom 7. Juni 2017 – 2 StR 474/16, [X.], 93, 94; Beschluss vom 10. März 2000 – 1 [X.], [X.], 1730, 1731; Urteile vom 23. November 1995 – 1 [X.], [X.]St 41, 358, 359 ff.; vom 26. Juli 1967 – 2 StR 368/67, [X.]St 21, 283). Dies setzt indessen voraus, dass der Täter davon ausgeht, die Aufdeckung der vorangegangenen Straftat durch die mit bedingtem Tötungsvorsatz ausgeführte Tathandlung als solche unabhängig vom Eintritt eines [X.] verhindern zu können. Hält er dagegen den erstrebten Verdeckungserfolg nur durch den Tod des Opfers für erreichbar, sind bedingter Tötungsvorsatz und [X.] nicht miteinander in Einklang zu bringen. Denn der zielgerichtete Wille, eine Straftat gerade durch Herbeiführung eines [X.] zu verdecken, und die bloße Billigung einer nur als möglich erkannten Todesfolge schließen sich gegenseitig aus.
2. Nach diesen Grundsätzen wird die rechtliche Wertung des [X.]s, der nach den Ausführungen der [X.] sicher feststellbar nur mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Angeklagte habe das Mordmerkmal der [X.] verwirklicht, von den Gründen des angefochtenen Urteils nicht getragen.
Der mit bedingtem Tötungsvorsatz geführte [X.] auf das [X.] wäre nach den allein maßgeblichen [X.] nur dann ein taugliches Mittel zur Verdeckung der vorangegangenen zum Nachteil des Opfers begangenen Betrugstat gewesen, wenn der Angeklagte eine Aufdeckung der Tat ausschließlich durch etwaige umstehende Personen, nicht aber durch das [X.] selbst befürchtete. [X.] er dagegen mit der Möglichkeit, dass [X.] auch durch das [X.] selbst bekannt werden wird, wäre ein intendierter Verdeckungserfolg aus seiner Perspektive nur durch den Tod des Opfers erreichbar gewesen. In diesem Fall schließen sich aber die Annahme von [X.] einerseits und eines lediglich bedingten Tötungsvorsatzes andererseits gegenseitig aus.
Zur Frage, ob der Angeklagte eine Aufdeckung der Betrugstat allein durch etwaige umstehende Personen oder auch durch das [X.] selbst erwartete, verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Das [X.] hat zum maßgeblichen Vorstellungsbild des Angeklagten keine näheren Feststellungen getroffen. Vor dem Hintergrund, dass das [X.] den Angeklagten nach den Feststellungen aus früheren Kundenkontakten persönlich kannte und ihr ausweislich der Einlassung des Angeklagten auch dessen Wohnung bekannt war, mithin eine Identifizierung des Angeklagten durch das Opfer nahelag, wären solche Feststellungen aber erforderlich gewesen.
3. Die Sache bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Der [X.] hebt lediglich die tatsächlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird somit insbesondere zum Betrugs- und Tötungsvorsatz sowie zu den für die Tötung bestimmenden Beweggründen des Angeklagten neue Feststellungen zu treffen haben. Sämtliche sonstige Feststellungen bleiben bestehen und können im neuen Rechtsgang widerspruchsfrei ergänzt werden.
[X.] |
Bender |
[X.] |
||
[X.] |
Ri[X.] Dr. Scheuß ist |
|||
[X.] |
Meta
30.03.2022
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Dortmund, 17. Februar 2021, Az: 35 Ks 9/20
§ 211 Abs 2 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2022, Az. 4 StR 356/21 (REWIS RS 2022, 2788)
Papierfundstellen: REWIS RS 2022, 2788
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 160/18 (Bundesgerichtshof)
Versuchter Verdeckungsmord durch Unterlassen: Anforderungen an die Feststellungen zum Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht im Zusammenhang mit …
2 StR 391/20 (Bundesgerichtshof)
Strafurteil: Wahlfeststellung zwischen einzelnen Mordmerkmalen; Verhältnis von Verdeckungsabsicht und bedingtem Tötungsvorsatz; Annahme besonders schwerer Brandstiftung …
4 StR 361/17 (Bundesgerichtshof)
Versuchter Mord durch Unterlassen: Zusammentreffen von Verdeckungsabsicht und bedingtem Tötungsvorsatz
4 StR 170/21 (Bundesgerichtshof)
Beschränkung der Revision auf die Frage der besonderen Schwere der Schuld beim Mord: Tötung zur …
1 StR 160/18 (Bundesgerichtshof)