Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2004, Az. XI ZB 4/04

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 577

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.]
vom 23. November 2004

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

ZPO §§ 520, 234 Abs. 1 B

Wird eine per [X.] übermittelte Berufungsbegründung infolge eines [X.] im gerichtlichen Empfangsgerät ohne die von dem Prozeßbevollmächtigten unterschriebene Seite empfangen, so ist dadurch die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt. In diesem Fall ist der betroffenen [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

[X.], Beschluß vom 23. November 2004 - [X.] - OLG Frankfurt am Main

LG Kassel - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.]

am 23. November 2004

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Be-schluß des 15. Zivilsenats des [X.] vom 5. Januar 2004 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert beträgt 65.445,36 •.

Gründe:
[X.]

Das [X.] hat mit Urteil vom 16. Juli 2003, zugestellt am 21. August 2003, die [X.] der Kläger abgewiesen. Nachdem die Kläger hiergegen rechtzeitig Berufung eingelegt hatten, ging eine unvollständige [X.] der Berufungsbegründung am Nach-mittag des 21. Oktober 2003 beim [X.] ein; es fehlten die letzten Seiten mit der Unterschrift ihres zweitinstanzlichen Anwalts. Am Morgen des 22. Oktober 2003 wurde der Schriftsatz - erneut ohne Wie-dergabe seiner Unterschrift - nach Behebung eines Papierstaus am Emp-- 3 - fangsgerät des [X.]s ausgedruckt. In einem unmittelbar danach geführten Telefongespräch wies der Geschäftsstellenleiter des [X.]s eine Angestellte des Prozeßbevollmächtigten auf die Unvollständigkeit des eingegangenen Schriftsatzes hin. Noch am selben Tage gingen die fehlenden Seiten mit der Unterschrift per Telefax und das Original der Berufungsbegründung beim [X.] ein. Erst mit anwaltlichem Schriftsatz vom 7. November 2003 haben die Kläger gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klä-ger zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur [X.] hat es im wesentlichen ausgeführt, die zweimonatige Beru-fungsbegründungsfrist des § 520 ZPO sei am 21. Oktober 2003 abgelau-fen. Bei [X.] sei für die Frage der Fristwahrung auf den binnen der Frist ausgedruckten Teil des Schriftsatzes abzustellen. Eine vollständige Berufungsbegründung, wozu insbesondere die Wiedergabe einer Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten gehöre, sei bei Gericht jedoch erst am 22. Oktober 2003 eingegangen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne einen Antrag gemäß § 236 Abs. 2 ZPO komme nicht in Betracht. Die Rechtsprechung habe auf diese Vorschrift zurückgegriffen, wenn ein Schriftsatz im Tele-faxgerät des Gerichts vollständig gespeichert und dem [X.] die Übermittlung als erfolgt angezeigt, der Schriftsatz aber erst nach Fristab-lauf ausgedruckt worden sei. Im vorliegenden Fall seien die letzten [X.] der [X.] einschließlich der Unterschrift des - 4 - Anwalts indes nicht bereits am 21. Oktober 2003 im Telefaxgerät des Berufungsgerichts gespeichert gewesen.

Der Wiedereinsetzungsantrag der Kläger vom 7. November 2003 sei verspätet, da die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht ge-wahrt worden sei. Diese habe bereits am 22. Oktober 2003 begonnen. Nach dem Inhalt des von dem Geschäftsstellenleiter des [X.] mit einer Angestellten des Anwalts ge-führten Telefonats habe er nämlich bei Beachtung der notwendigen Sorg-falt erkennen müssen, daß die angeblich bereits am 17. Oktober 2003 "postalisch auf den Weg" gebrachte Berufungsbegründung noch nicht und die [X.] nur unvollständig bei Gericht eingegangen sei.

Nachdem die Kläger gegen den Beschluß des [X.]s Rechtsbeschwerde erhoben hatten, wurde das Rechtsmittelverfahren des Klägers wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gemäß § 240 ZPO unterbrochen.

I[X.]

Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Be-deutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.].
- 5 - 1. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob eine Unterschrift des Prozeßbevollmächtigen bei einer per Telefax übermittel-ten Berufungsbegründung zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern ist geklärt. Bestimmende Schriftsätze im Anwaltsprozeß müssen nach ständiger Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich von einem beim Rechtsmittelge-richt zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§ 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO), da mit der Unterschrift der Nachweis geführt wird, daß der Berufungs- oder Revisionsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernimmt ([X.]Z 37, 156, 157; 97, 251, 253; 146, 372, 373; [X.], Urteil vom 31. März 2003 - [X.], NJW 2003, 2028; [X.], Beschluß vom 15. Juni 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1364). Daß in der Literatur vereinzelt (z.B. [X.]/[X.], ZPO 24. Aufl. § 130 Rdn. 21, 22 m.w.Nachw.) das [X.] nicht oder nicht mehr als zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung [X.] Schriftsätze angesehen wird, verschafft der Rechtssache entgegen der Auffassung der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung, zumal unlängst der [X.] in seinem Beschluß vom 5. April 2000 ([X.]Z 144, 160, 164) den gegenteiligen Standpunkt vertreten hat.

2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht ihren Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschut-zes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt.

Wird der Inhalt einer [X.] mittels Telefax vollständig durch elektrische Signale vom Sendegerät des [X.] zum Empfangsgerät des Rechtsmittelgerichts übermittelt, - 6 - dort aber infolge technischer Störungen (etwa eines Papierstaus) nicht vollständig und fehlerfrei ausgedruckt, so ist allerdings von einem im Zeitpunkt der Telefaxübermittlung erfolgten Eingang des Schriftsatzes auszugehen, wenn der Gesamtinhalt des Schriftsatzes auf andere Weise einwandfrei zu ermitteln ist ([X.], Beschluß vom 19. April 1994 - [X.], NJW 1994, 1881 f.; [X.], Urteil vom 14. März 2001 - [X.]I ZR 51/99, NJW 2001, 1581, 1582). Dies findet seine Rechtfertigung darin, daß im Hinblick auf den aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung Risiken und Unsicherheiten, deren Ursache in der Sphäre des Gerichts liegen, bei der Entgegennahme fristgebundener Schriftsätze nicht auf den [X.] Bürger abgewälzt werden dürfen (vgl. [X.] 69, 381, 386 f.; [X.] NJW 2001, 3473). Daß im vorliegenden Streitfall am [X.] mehr elektronische Daten von dem Empfangsgerät des [X.]s empfangen worden sind als dem Ausdruck entspricht und der Papierstau im Empfangsgericht nicht zum Abbruch der Verbin-dung während der Übermittlung geführt hat (vgl. zu dieser Fallgestaltung [X.], Urteil vom 2. Oktober 1991 - [X.], [X.], 244), ist den Angaben der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin (siehe [X.], Urteil vom 14. März 2001, aaO S. 1582 m.w.Nachw.) nicht zu [X.]. In einem solchen Falle ist die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt, sondern dem Betroffenen ist - wie auch das [X.] im Ergebnis angenommen hat - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn diese innerhalb einer Frist von zwei Wochen [X.] wird (§ 234 Abs. 1 ZPO).

3. Bei der Zurückweisung des [X.] als verspätet handelt es sich um eine der Verallgemeinerung nicht - 7 - zugängliche Einzelfallentscheidung. Die Auffassung des Berufungsge-richts, der Antrag vom 7. November 2003 sei nicht fristgemäß gestellt worden, überspannt unter den vorliegenden Umständen auch nicht die Sorgfaltspflichten ihres Prozeßbevollmächtigten, so daß der Anspruch der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) nicht verletzt ist.

a) Nach langjähriger Rechtsprechung des [X.] be-ginnt die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO schon dann zu laufen, wenn das Weiterbestehen des der Wahrung der versäumten Frist [X.] Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Das ist der Fall, sobald die [X.] oder ihr Prozeßbevoll-mächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Versäumung hätte erkennen können (siehe etwa [X.], Urteil vom 15. März 1977 - [X.], [X.], 643, 644 und Beschlüsse vom 15. Januar 2001 - [X.], NJW 2001, 1430, 1431, vom 5. März 2002 - [X.], NJW-RR 2002, 860 sowie vom 16. September 2003 - [X.], [X.]Report 2004, 57, 58; siehe auch Senatsbeschlüsse vom 13. Juli 2004 - [X.] ZB 33/03, [X.]. S. 5 f. und vom 14. September 2004 - [X.] ZB 21/03, [X.]. [X.]). Ein solcher Anlaß bestand für den [X.] der Klägerin bereits am 22. Oktober 2003, nicht - wie sie meint - erst mit der am 24. Oktober 2003 erlangten Kenntnis vom verspä-teten Eingang des Originals der [X.] bei [X.]. Da dessen Geschäftsstellenleiter am Morgen des 22. Oktober 2003 eine Angestellte des Anwalts auf die Unvollständigkeit des Ausdrucks des am Vortag per [X.] übermittelten Schriftsatzes ausdrücklich hingewiesen hatte, mußte diesem ohne weiteres klar sein, daß die Beru-fungsbegründungsfrist nicht eingehalten worden war. Die [X.] - frist des § 234 Abs. 1 ZPO begann daher an diesem Tage und endete am 5. November 2003.

b) Soweit die Klägerin sich mit ihrer Rechtsbeschwerde darauf beruft, daß die Übermittlung der Berufungsbegründung per [X.] nur vorsorglich erfolgt sei, weil das am 17. Oktober 2003 zusammen mit der Berufungsbegründung auf die Post gegebene Empfangsbekenntnis am 21. Oktober 2003 noch nicht wieder im Büro ihres Anwalts eingetroffen sei, führt auch das nicht zu einem Erfolg der Rechtsbeschwerde. Wie das [X.] zutreffend ausführt, versteht es sich geradezu von selbst, daß ein pflichtbewußter Anwalt, der wie der Prozeßbevollmächtig-te der Klägerin zweifelte, ob das Original der Berufungsbegründung rechtzeitig beim [X.] eingehen werde, nicht auf einen frist-gerechten Eingang des angeblich rechtzeitig abgesandten Schriftsatzes vertraut, sondern für seinen Mandanten den sichersten Weg wählt. [X.] war nach dem Anruf des Geschäftsstellenleiters des Oberlan-desgerichts jeder vernünftige Zweifel, ob die Berufungsbegründungsfrist eingehalten worden war, beseitigt.

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das [X.] auch nicht verkannt, daß es nach § 234 Abs. 2 ZPO auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen der Behebung des Hindernisses durch die [X.] selbst oder ihren Anwalt ankommt (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2000 - [X.], [X.], 1591 m.w.Nachw.). Die Klägerin hat in der Vorinstanz nicht einmal ansatzweise vorgetragen, ihr Prozeß-bevollmächtigter sei von seiner Angestellten nicht zeitnah über den [X.] vom 22. Oktober 2003 informiert [X.] - den. Neues Tatsachenvorbringen ist im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht zulässig.

[X.] [X.]

Wassermann

Appl

Ellenberger

Meta

XI ZB 4/04

23.11.2004

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2004, Az. XI ZB 4/04 (REWIS RS 2004, 577)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 577

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