Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 13.05.2020, Az. 1 BvR 1300/16

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2020, 2824

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zur Frage der Vorlagepflicht gem Art 267 Abs 3 AEUV bzgl der urheberrechtlichen Beurteilung der öffentlichen Wiedergabe geschützter Werke durch Fernsehgeräte mit Zimmerantenne in Hotelzimmern - Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses infolge Entscheidung des EuGH vom 02.04.2020 (C-753/18) - Verfassungsbeschwerde unzulässig


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Pflicht des [X.] zur Vorlage an den [X.] in einer urheberrechtlichen Streitigkeit über die öffentliche Wiedergabe geschützter Werke und Leistungen durch Fernsehgeräte mit Zimmerantenne in Hotelzimmern.

I.

2

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung des Rechts auf [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG.

3

Der [X.] habe entgegen der gesicherten Rechtsprechung des [X.]s angenommen, dessen Rechtsprechung zur öffentlichen Wiedergabe gelte nicht für vom Hotelier in den Gästezimmern des Hotels aufgestellte Fernsehgeräte, wenn diese Geräte das Fernsehprogramm über eine Zimmerantenne empfingen. Eine solche Einschränkung sei der [X.] Rechtsprechung aber gerade nicht zu entnehmen. Der [X.] habe die Sache daher dem [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V vorlegen müssen. Die Auslegung der [X.] Rechtsprechung durch den [X.] sei nicht haltbar.

4

Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsätzen vom 28. Februar und vom 14. November 2019 auf das Vorabentscheidungsersuchen [X.]/18 des [X.] ([X.]) an den [X.] hingewiesen, das die Frage betrifft, ob das Bereitstellen von [X.] in Mietwagen eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] beziehungsweise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/[X.] darstellt.

5

Dem [X.], dem [X.], dem [X.], für Bau und Heimat, der Gegnerin des Ausgangsverfahrens und der [X.] und Urheberrecht e.V. ([X.]) ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. In ihrer Stellungnahme vom 22. Oktober 2019 hat die [X.] ausgeführt, dass über die einschlägigen Urteile des [X.]s in der Urheberrechtswissenschaft und in ihrem Fachausschuss keine Einigkeit bestehe.

II.

6

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die hierfür nach § 93a Abs. 2 BVerfGG erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Verfassungsbeschwerde hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin erforderlich, weil sie aufgrund entfallenen [X.] unzulässig geworden ist.

7

Aufgrund der Beantwortung der Vorlagefrage des [X.] ([X.]) im Vorabentscheidungsverfahren [X.]/18 ([X.], Urteil der [X.] vom 2. April 2020, [X.]/18, [X.]:[X.]:C:2020:268) durch den [X.] ist eine Vorlage durch den [X.] jedenfalls nicht mehr geboten. Der [X.] hat eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] respektive Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/[X.] bei standardmäßig mit einem [X.] ausgestatteten Mietfahrzeugen verneint. Der Begriff "öffentliche Wiedergabe" vereine zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine "Handlung der Wiedergabe" eines Werks und dessen "öffentliche" Wiedergabe. Die Bereitstellung eines [X.]s, das in ein Mietfahrzeug eingebaut sei und das ohne weiteres Tätigwerden seitens der Autovermietung die terrestrische Rundfunksendung empfangen könne, die in dem Gebiet, in dem sich das Fahrzeug befinde, zugänglich sei, stelle keine Wiedergabe im Sinne der Richtlinien 2001/29/[X.] und 2006/115/[X.] dar. Das [X.] unterscheide sich von den Handlungen der Wiedergabe, mit denen Dienstleister geschützte Werke absichtlich dadurch an ihre Kunden übertrügen, indem sie willentlich ein Signal über installierte Fernseh- oder Radioempfänger verbreiteten ([X.], Urteil der [X.] vom 2. April 2020, [X.]/18, [X.]:[X.]:C:2020:268, Rn. 35).

8

Mit der Auslegung des Merkmals der "öffentlichen Wiedergabe" durch den [X.] im Hinblick auf [X.]e in Mietwagen kann eine Klärung der urheberrechtlichen Rechtslage jedenfalls insoweit angenommen werden, dass ein Absehen von einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fallkonstellation - Fernsehgeräte mit Zimmerantenne in Hotelzimmern - innerhalb des Wertungsspielraums des [X.] liegt (zu diesem vgl. [X.] 149, 222 <285 f. Rn. 141> m.w.N., stRspr). Es kann insoweit offenbleiben, ob die Auslegung der bis dahin vorliegenden unionsrechtlichen Rechtsprechung durch den [X.] im Zeitpunkt des der angegriffenen Entscheidung haltbar war oder ob die Sache gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V dem [X.] hätte vorgelegt werden müssen.

9

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1300/16

13.05.2020

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 17. Dezember 2015, Az: I ZR 21/14, Urteil

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 90 BVerfGG, Art 267 Abs 3 AEUV, Art 8 Abs 2 EGRL 115/2006, Art 3 Abs 1 EGRL 29/2001

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 13.05.2020, Az. 1 BvR 1300/16 (REWIS RS 2020, 2824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2824


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 21/14

Bundesgerichtshof, I ZR 21/14, 17.12.2015.


Az. 1 BvR 1300/16

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1300/16, 13.05.2020.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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