Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 02.05.2016, Az. 2 BvR 120/16

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2016, 11985

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bzgl der Versagung fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes in beamtenrechtlichem Konkurrentenstreit nach Ernennung des konkurrierenden Bewerbers - angegriffene fachgerichtliche Entscheidungen prozessual überholt - Wartezeit des Dienstherrn von vier Wochen zwischen fachgerichtlicher Entscheidung und Ernennung hinreichend für Inanspruchnahme von Rechtsschutz durch unterlegenen Bewerber


Gründe

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in einem beamtenrechtlichen [X.]; der ausgewählte Bewerber ist inzwischen ernannt.

I.

2

Die Bewerbung der Beschwerdeführerin auf ein ausgeschriebenes Beförderungsamt hatte im Auswahl- sowie im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren keinen Erfolg. Vier Wochen nach Zugang der letzten fachgerichtlichen Entscheidung ernannte das Ministerium den ausgewählten Mitbewerber, nachdem es sich einen Tag zuvor beim [X.] vergewissert hatte, dass kein verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz beantragt worden war.

II.

3

Mit ihrer am Tag der Ernennung des Konkurrenten eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin gegen die verwaltungsgerichtlichen Eilentscheidungen und den Beschluss über die Anhörungsrüge, da sie sich in ihren grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5, Art. 20 Abs. 3 sowie Art. 103 Abs. 1 [X.] verletzt sieht. Auf Anfrage, ob und gegebenenfalls mit welchem Ziel an der Verfassungsbeschwerde trotz zwischenzeitlicher Ernennung des Mitbewerbers festgehalten werden solle, teilte die Beschwerdeführerin mit, diesen Rechtsbehelf nicht zurückzunehmen, da dessen Ziel nicht nur die Feststellung der Verletzung der genannten Rechte sei; vielmehr habe die Beschwerdeführerin auch die Absicht, Schadensersatz bei ihrem Dienstherrn geltend zu machen.

B.

4

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 [X.]) nicht erfüllt sind. Die Annahme ist insbesondere nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist.

I.

5

1. Die fachgerichtlichen Eilentscheidungen haben sich durch die Ernennung des Konkurrenten prozessual überholt. Nach der Rechtsprechung des [X.] geht der Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 [X.] durch die Ernennung unter, wenn diese das Auswahlverfahren endgültig abschließt. Dies ist regelmäßig der Fall, weil die Ernennung nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, sodass das Amt unwiderruflich vergeben ist. Ein unterlegener Bewerber kann seinen Bewerbungsverfahrensanspruch nur dann durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung weiterverfolgen, wenn er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 [X.] daran gehindert worden ist, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszuschöpfen (vgl. [X.]E 138, 102 <109>). Das [X.] hat diese Vorverlagerung des Rechtsschutzes nie beanstandet (vgl. etwa [X.], Beschluss des [X.] vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 -, juris, Rn. 57; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 -, juris, Rn. 18) und auch die Beschwerdeführerin greift sie nicht mit verfassungsrechtlichen Argumenten an.

6

2. Die Beschwerdeführerin trägt keine Gründe für ein trotz prozessualer Überholung der angegriffenen Entscheidungen fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis vor; solche sind auch nicht ersichtlich. Der Dienstherr ist nach Art. 19 Abs. 4 [X.] in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 [X.] verpflichtet, vor Aushändigung der Ernennungsurkunde einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um dem unterlegenen Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde zu erheben, wenn nur so die Möglichkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes besteht (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 -, juris, Rn. 18; [X.]K 12, 206 <208>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Juli 2009 - 2 BvR 706/09 -, juris, Rn. 3; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. Dezember 2010 - 2 BvR 1067/10 -, juris, Rn. 2). Nach der Rechtsprechung des [X.] sollte der Dienstherr nach seinem Obsiegen im [X.] nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vor dem Oberverwaltungsgericht mit der Ernennung des ausgewählten Bewerbers regelmäßig einen Monat ab Bekanntgabe der obergerichtlichen Entscheidung warten, wenn der unterlegene Bewerber rechtzeitig, nämlich vor oder spätestens zwei Wochen nach der Bekanntgabe mitgeteilt hat, er werde das [X.] anrufen (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Dezember 2011 - 2 [X.]/11 -, juris, Rn. 10). Vor diesem Hintergrund hatte die Beschwerdeführerin zwischen dem Zugang der letzten fachgerichtlichen Entscheidung und der Vergewisserung des Ministeriums, dass keine Verfassungsbeschwerde eingegangen sei, mit rund vier Wochen ausreichend Zeit, dem Ministerium mitzuteilen, Rechtsschutz beim [X.] beantragen zu wollen. Die - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführerin macht nicht geltend, inwieweit diese obergerichtliche Rechtsprechung von Verfassungs wegen zu beanstanden sein könnte. Sie hat lediglich kurz vor Ablauf der Monatsfrist nach § 93 Abs. 1 [X.] (nicht einmal verbunden mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 [X.]) Verfassungsbeschwerde erhoben, dies aber dem Dienstherrn nie angezeigt.

7

3. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine den Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 [X.] verkürzende Ernennung eines Konkurrenten gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] grundsätzlich der fachgerichtliche Rechtsweg zu erschöpfen ist (vgl. [X.]K 12, 206 <208 f.>; vgl. auch [X.]E 138, 102 <109>). Daher kommt hier auch eine Umstellung des [X.] zwischen dem fach- und dem verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht.

II.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 120/16

02.05.2016

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 24. November 2015, Az: 1 M 190/15, Beschluss

Art 33 Abs 2 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 02.05.2016, Az. 2 BvR 120/16 (REWIS RS 2016, 11985)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11985

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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