Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.09.2017, Az. 1 StR 677/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5782

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Gegenstand

Steuerhinterziehung per Umsatzsteuerkarussell: Haftung der Vertretenen für die durch die Tat ihrer Vertreter verkürzten Steuern


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2016

a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit

aa) gegen den Angeklagten [X.] des Wertersatzes in Höhe von 55.452,05 Euro angeordnet ist und

bb) festgestellt ist, dass gegen den Angeklagten [X.]und die Nebenbeteiligte P.                 [X.] hinsichtlich eines Betrages in Höhe von jeweils 265.241,50 Euro die Ansprüche eines Verletzten der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenstehen,

b) aufgehoben, soweit

aa) festgestellt ist, dass gegen die Nebenbeteiligte I.        ApS hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 103.982,26 Euro die Ansprüche eines Verletzten der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenstehen,

bb) eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten [X.]und der Nebenbeteiligten P.                [X.] und [X.] angeordnet ist und

cc) die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Nebenbeteiligte [X.] unterblieben ist.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 27 Fällen, davon in 24 Fällen bandenmäßig, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten, die Mitangeklagte [X.]  wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 20 Fällen, davon in 17 Fällen bandenmäßig, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten und den Mitangeklagten [X.]     wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen gegen die Mitangeklagten [X.]  und [X.]     hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt.

2

Hinsichtlich des Angeklagten [X.]sowie der Nebenbeteiligten [X.], [X.] und       [X.] hat das [X.] Feststellungsentscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO getroffen und hinsichtlich des Angeklagten [X.] sowie der Nebenbeteiligten      [X.]     und [X.] außerdem Verfall des [X.] angeordnet. Von einer [X.]anordnung gegenüber der Nebenbeteiligten [X.] hat das [X.] ebenso wie von einer Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der Nebenbeteiligten     E.    A/S stehender Ware abgesehen.

3

Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich der Schuld- und Strafaussprüche gegen den Angeklagten [X.]und die Mitangeklagte [X.]   , der Anordnung des Verfalls des Wertersatzes gegen die Nebenbeteiligte         [X.]     und der Feststellungsentscheidung gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegenüber der [X.] rechtskräftig. Auf die Revision des Mitangeklagten [X.]     hat der Senat durch Beschluss vom 28. Juni 2017 das Urteil des [X.]s [X.] vom 6. Juli 2016 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Mitangeklagte [X.]      wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen schuldig ist sowie im gesamten Strafausspruch aufgehoben. Seine weitergehende Revision wurde als unbegründet verworfen und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

4

Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision nach Teilrücknahmen vom 28. Juli 2016 und vom 16. Dezember 2016 noch die den Verfall betreffenden Entscheidungen gegen den Angeklagten [X.] , die Nebenbeteiligten [X.] und [X.] sowie die unterbliebene Anordnung des beantragten [X.] gegen die [X.] und der beantragten Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der [X.] stehender Ware. Das vom [X.] teilweise vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

5

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

6

Zu einem unbekannten [X.]punkt vor September 2009 schlossen sich der Angeklagte [X.] und der bereits Verurteilte [X.]     zusammen, um die Zahlungsabwicklung für europaweit hinterzogene Umsatzsteuern zu übernehmen. Hierzu kontrollierten sie Konten, auf welche die am [X.] beteiligten Gesellschaften die aus den [X.] stammenden Gelder transferierten. Die Gelder wurden sodann über weitere Konten und Gesellschaften „gewaschen“.

7

Bis zum [X.] 2011 betrieben der Angeklagte [X.]und der anderweitig Verurteilte [X.]    eine Zahlungsplattform namens      [X.]. Nach Schwierigkeiten mit der Buchhaltung wurde die      [X.] durch eine neue Zahlungsplattform, die       [X.]    , ersetzt. Bereits ab August 2011 wurden die Zahlungsströme über die neuen Konten der       [X.]     in [X.] umgeleitet. Nutzer dieser Zahlungsplattform waren insbesondere die Firmen [X.]AG und [X.].    GmbH, die als [X.] die sie „beliefernden“ [X.] über die       [X.]     „bezahlten“. Ab April 2012 wurde der Angeklagte [X.] durch die Mitangeklagte [X.]    unterstützt. Im Januar 2013 bereiteten die Beteiligten den Übergang zur nächsten Gesellschaft vor. Dazu wurde am 29. Januar 2013 die [X.] in M.    ([X.]) gegründet, deren wirtschaftlich Berechtigter der anderweitig Verfolgte [X.].          war. Diesem stellte der Angeklagte [X.]die von ihm entwickelte Software zum Betrieb der Zahlungsplattform in Kenntnis der beabsichtigten Verwendung entgeltlich zur Verfügung. Bereits ab dem 22. März 2013 - drei Tage nachdem die Staatsanwaltschaft [X.] die Konten der     [X.]      in [X.] arrestiert hatte - wurden die Zahlungsströme nunmehr über die neuen Konten der [X.] in [X.] umgeleitet.

8

In den [X.] September 2011 bis Februar 2013 hinterzog die im [X.] als Buffer 1 fungierende [X.]AG Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 11.943.833,93 [X.]ro. Die Organisation um den Angeklagten [X.]und die Mitangeklagte [X.]    stellte den die [X.]AG „beliefernden“ [X.]n die Konten der       [X.]    zur Verfügung, auf welche die [X.]AG sämtliche Bruttorechnungsbeträge transferierte, um den Verbleib der hinterzogenen [X.] Umsatzsteuer zu verschleiern. In der [X.] vom 12. August 2011 bis zum 18. März 2013 beliefen sich die Zahlungen der [X.]AG auf Konten der        [X.]     auf einen Gesamtbetrag von 80.214.800,19 [X.]ro.

9

Darüber hinaus hinterzog die im [X.] ebenfalls als Buffer 1 fungierende [X.].   GmbH in den [X.] Juli 2012 und Dezember 2012 bis Juni 2013 Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 2.781.923,79 [X.]ro. Die Organisation um den Angeklagten [X.]      und die Mitangeklagte [X.]   stellte auch dem die [X.].    GmbH „beliefernden“ [X.], der [X.].     GmbH, die Konten der      [X.]      bzw. der [X.] zur Verfügung, auf welche die [X.].    GmbH sämtliche Bruttorechnungsbeträge transferierte, um ebenfalls den Verbleib der hinterzogenen [X.] Umsatzsteuer zu verschleiern. In der [X.] vom 19. Juli 2012 bis zum 18. März 2013 erfolgten Zahlungen der [X.].   GmbH an die [X.].    GmbH über die Zahlungsplattform         [X.]      in einer Gesamthöhe von 8.199.031,68 [X.]ro und in der [X.] vom 22. März 2013 bis zum 20. Juni 2013 weitere Zahlungen der [X.].     GmbH an die [X.].     GmbH über die Zahlungsplattform [X.] in einer Gesamthöhe von 9.224.596,20 [X.]ro.

Der Angeklagte [X.]     ist Vorstand der      [X.] mit Sitz in U.        ([X.]). Er „veräußerte“ mit seiner Firma im Wege des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Februar und März 2012 sowie im nicht urteilsgegenständlichen [X.]raum April und [X.]i 2012 Waren in einem Gesamtwert von 4.637.350 [X.]ro an den [X.] [X.].           GmbH. Letztgenannte „veräußerte“ die Waren unter Ausweisung von Umsatzsteuer an die [X.] AG weiter. Die anfallende Umsatzsteuer wurde weder von der [X.].            GmbH noch von der [X.]AG ordnungsgemäß erklärt und entrichtet. Die Firma        E.    A/S diente mit Billigung des Angeklagten [X.]       als In-/[X.]t-Buffer. Ihre Funktion war es, als [X.] aufzutreten und Rechnungen an die [X.].          GmbH zu schreiben, um zu verschleiern, dass tatsächlich keine unternehmerischen Lieferungen erbracht wurden. In den [X.] Februar und März 2012 wurde dadurch Umsatzsteuer zu Gunsten der [X.].          GmbH und der [X.]AG in Höhe von jeweils 450.558,78 [X.]ro hinterzogen.

Im Hinblick auf den Angeklagten [X.] hat das [X.] in Bezug auf die Zahlungsplattform        [X.]    nur deshalb hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 265.241,50 [X.]ro nicht auf Verfall des Wertersatzes erkannt, weil dem [X.] gemäß § 71 [X.] ein entsprechender Schadensersatzanspruch zustünde. Den vorgenannten Betrag hat es gemäß § 73b aF StGB im Wege der Schätzung ermittelt, die auf einer für jeden Zahlungsvorgang anfallenden Gebühr in Höhe von 0,5 % des Überweisungsbetrages und einer Gewinnbeteiligung des Angeklagten [X.] an der        [X.]     in Höhe von 60 % beruht. Die Vermögensabschöpfung hat es auf den so ermittelten Betrag gemäß § 73c aF StGB beschränkt. In Bezug auf die Zahlungsplattform N.            AG hat das [X.] gegen den Angeklagten [X.]  den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 55.452,05 [X.]ro angeordnet, weil infolge der festgestellten [X.] feststehe, dass es sich um Gelder handele, die der Angeklagte für die Zurverfügungstellung der Software an die Nebenbeteiligte erhalten habe.

Hinsichtlich der Nebenbeteiligten [X.] und [X.] hat das [X.] in Bezug auf die Zahlungsplattform        [X.]      nicht auf Verfall des Wertersatzes erkannt, weil dem [X.] gemäß § 70 [X.] ein entsprechender Schadensersatzanspruch zustünde. Während sich die Rückgewinnungshilfe hinsichtlich der [X.] ebenfalls auf einen Betrag in Höhe von 265.241,50 [X.]ro belaufe, weil maximal der Gewinnanteil des Angeklagten [X.] als wirtschaftlich Berechtigtem der Nebenbeteiligten abgeschöpft werden könne, betrage sie für die [X.] 103.982,26 [X.]ro, weil insoweit feststehe, dass es sich um über die Zahlungsplattform       [X.]    erzielten Gewinn handele.

Hinsichtlich der Nebenbeteiligten [X.] hat das [X.] keine Vermögensabschöpfung angeordnet, weil keiner der Angeklagten die Vermögensverschiebungen von der [X.].    GmbH an die [X.] veranlasst habe. Dies sei vielmehr durch Verantwortliche der [X.].   GmbH sowie den Zahlungsplattformbetreiber [X.].        erfolgt. Infolge der Zurverfügungstellung von Software durch den Angeklagten [X.]ohne weitere Beteiligung am tatsächlichen Betrieb der Zahlungsplattform könne indes keine Zurechnung erfolgen.

Darüber hinaus hat das [X.] von der Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der     E.    A/S stehender Playstations abgesehen. Insoweit hat es ausgeführt, dass weder die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Nr. 1 aF StGB vorlägen, weil die Playstations nicht Tatmittel derjenigen Taten gewesen seien, derentwegen der Mitangeklagte [X.]      verurteilt wurde, noch die des § 74 Abs. 2 Nr. 2 aF StGB, weil zum [X.]punkt der Entscheidung über die Einziehung infolge der Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens für Spielekonsolen gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG nicht mehr die konkrete Gefahr bestehe, dass die Playstations der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat weitgehend Erfolg.

1. Hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung kommt im vorliegenden Verfahren das vor dem 1. Juli 2017 geltende Recht zur Anwendung. Zwar finden ausweislich der einschlägigen Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (Art. 316h [X.]) mit Inkrafttreten des Gesetzes auch für bereits laufende Verfahren grundsätzlich ausschließlich die neuen materiell-rechtlichen Regelungen Anwendung (vgl. dazu BT-Drucks. 18/11640, [X.]). Allerdings sind gemäß Art. 316h Satz 2 [X.] die Vorschriften des [X.] vom 13. April 2017 nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist. Dies ist hier der Fall, sodass die seit dem 1. Juli 2017 geltenden Vorschriften keine Anwendung finden. Gleiches gilt gemäß § 14 [X.] für die strafprozessualen Vorschriften, weil das [X.] [X.] mit Urteil vom 6. Juli 2016 - und damit vor Inkrafttreten des [X.] am 1. Juli 2017 - Feststellungsentscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO getroffen hat.

2. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die den Verfall betreffenden Entscheidungen gegen den Angeklagten [X.], die Nebenbeteiligten [X.] und [X.] sowie die unterbliebene Anordnung des beantragten [X.] gegen die [X.] und der beantragten Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der Nebenbeteiligten     E.    A/S stehender Ware beschränkt (dazu auch [X.], Urteil vom 17. Juni 2010 - 4 [X.], [X.]St 55, 174 [175] mwN). Die insoweit angefochtenen Teile der Entscheidung können losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbstständig geprüft und beurteilt werden.

3. Weder die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten [X.] noch die vom [X.] getroffenen Feststellungsentscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen den Angeklagten [X.] sowie die Nebenbeteiligten [X.] und [X.] halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

a) Hinsichtlich des Angeklagten [X.] fehlt es bereits an hinreichenden Feststellungen des [X.]s, dass dieser tatsächlich selbst etwas für die Taten bzw. aus den Taten erlangt hat. Denn die dem Vermögen einer juristischen Person zugeflossenen Vermögenswerte sind nicht ohne weiteres durch den Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 aF StGB erlangt, selbst wenn dieser eine - legale - Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen hat (vgl. dazu [X.], Urteil vom 30. [X.]i 2008 - 1 [X.], [X.]St 52, 227 [256]). Insoweit wirkt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zugunsten des Angeklagten [X.](§ 301 StPO).

b) Zudem lassen die Ausführungen des [X.]s zum geschätzten Gewinn des Angeklagten [X.]an der       [X.]     besorgen, dass es dabei den tatsächlich darüber hinausgehenden Abfluss von [X.] der        [X.]      an den Angeklagten bzw. an die von ihm beherrschten Gesellschaften aus dem Blick verloren hat. Hierzu hat das [X.] festgestellt, dass zwischen dem 6. Dezember 2012 und dem 18. März 2013 insgesamt etwa 284.500 [X.]ro vom Konto der     [X.]     auf ein Konto der [X.].        [X.] Co.        Limited überwiesen wurden und von dem letztgenannten Konto [X.] in Höhe von insgesamt 498.750 [X.]ro auf das Konto der Nebenbeteiligten [X.] zu verzeichnen waren.

c) Die insoweit unzureichende Berücksichtigung der tatsächlichen [X.] zieht zugleich die Aufhebung der in selber Höhe ergangenen Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen die Nebenbeteiligte [X.] nach sich.

d) Darüber hinaus ist das Absehen einer [X.]anordnung hinsichtlich der Nebenbeteiligten [X.] und [X.] infolge einer von dem [X.] angenommenen entgegenstehenden Haftung gegenüber dem [X.] aus § 70 [X.] nicht frei von Rechtsfehlern.

aa) Gemäß § 70 Abs. 1 [X.] haften die Vertretenen, soweit sie nicht Steuerschuldner sind, für die durch die Tat verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile, wenn die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen oder an einer Steuerhinterziehung teilnehmen und hierdurch Steuerschuldner oder Haftende werden. Daraus ergibt sich insbesondere, dass die strafbare Handlung des Vertreters im Zusammenhang mit seinen Aufgaben stehen muss („bei Ausübung ihrer Obliegenheiten“; dazu [X.], Urteil vom 30. November 1951 - II z 148/51 U, [X.]E 56, 39; [X.], Urteil vom 10. Dezember 2013 - 2 K 4490/12, [X.], 801). Dies ist nach einhelliger Meinung der Fall, wenn seine Tat ohne die Aufgabenübertragung nicht begangen worden wäre und in unmittelbarem örtlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Vertretenen steht (dazu Rüsken in [X.], [X.], 13. Aufl., § 70 Rn. 4; [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl., § 70 Rn. 5; [X.] in [X.] - [X.], Stand: 01.01.2015, § 70 Rn. 6; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], [X.]/FGO, 243. Lieferung 07.2017, § 70 Rn. 16, jeweils mwN; vgl. auch [X.], [X.], 852 [854 f.]).

bb) Unter Berücksichtigung der landgerichtlichen Feststellungen steht im vorliegenden Fall das strafbare Verhalten des Angeklagten [X.]in Form der Betreibung von Zahlungsplattformen für an [X.]en beteiligten Gesellschaften und der entgeltlichen Zurverfügungstellung von Software allerdings in keinerlei sachlichen Zusammenhang mit seinen gegenüber den Nebenbeteiligten [X.] und [X.] obliegenden Aufgaben bzw. steuerlichen Pflichten, deren wirtschaftlich Berechtigter und faktischer Geschäftsführer er war. Den Feststellungen lässt sich vielmehr entnehmen, dass die vorgenannten Nebenbeteiligten - eine Briefkastenfirma mit Sitz in [X.] bzw. eine Baufirma in [X.] - den Zahlungsplattformen nachgelagert waren und vornehmlich der Verschleierung seiner Einkünfte dienten ([X.]) bzw. als Geldwäschegesellschaften für seinen Gewinnanteil genutzt wurden ([X.] und 130). Eine solche Fallgestaltung wird von dem Wortlaut der Haftungsvorschrift des § 70 [X.] nicht erfasst. Eine Haftung der genannten Nebenbeteiligten gegenüber dem [X.] gemäß § 70 [X.] scheidet daher unter den gegebenen Umständen aus und steht dementsprechend einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz nicht entgegen.

4. Infolge der Aufhebung der [X.]anordnung gegen den Angeklagten [X.] sowie der Feststellungsentscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen den Angeklagten [X.]und die Nebenbeteiligten [X.] und [X.] war auch die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung aufzuheben.

5. Die unterbliebene Vermögensabschöpfung hinsichtlich der Nebenbeteiligten [X.] hält revisionsgerichtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Denn nach den zutreffenden Ausführungen des [X.]es liegen die Voraussetzungen des Verfalls bzw. des Verfalls des Wertersatzes gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 aF StGB hier vor. Gemäß § 73 Abs. 3 aF StGB richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift gegen den [X.], wenn der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und dadurch dieser etwas erlangt hat. Ein „Handeln für einen anderen“ im Sinne des § 73 Abs. 3 aF StGB liegt vor, wenn die rechtswidrige Tat objektiv bewirkt, dass diesem anderen unmittelbar ein Vermögensvorteil zufließt, und wenn der Handelnde dies im Interesse des Empfängers will; hierbei reicht es aus, wenn der Tatbeteiligte rein faktisch (auch) im Interesse des [X.] gehandelt hat, mag dies auch nach außen nicht erkennbar geworden sein (vgl. dazu [X.], Urteile vom 9. Oktober 1990 - 1 [X.], NJW 1991, 367 [371] mwN und vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 336/99, [X.]St 45, 235). Nach den Feststellungen des [X.]s leistete der Angeklagte [X.] durch die entgeltliche Zurverfügungstellung der notwendigen Software, mit deren Hilfe die Beträge aus den [X.] „gewaschen“ wurden, Beihilfe zur Beihilfe des anderweitig Verfolgten [X.].          zu [X.] des anderweitig Verurteilten S.             als Geschäftsführer der [X.].   GmbH. Diese im Vorfeld erfolgte Beihilfehandlung des Angeklagten [X.] begründet ein „Handeln für einen anderen“ - nämlich für die Nebenbeteiligte [X.] -, so dass die dadurch von der Nebenbeteiligten erlangten Gelder aus [X.] gemäß § 73 Abs. 3 aF i.V.m. § 73a aF StGB abgeschöpft werden können.

6. Die unterbliebene Anordnung der beantragten Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der      [X.] stehender Playstations erweist sich dementgegen als rechtsfehlerfrei.

a) Gemäß § 111l Abs. 1 Satz 3 aF StPO tritt im Falle einer Notveräußerung der Erlös an die Stelle des veräußerten Vermögenswertes.

b) Die Ausführungen des [X.]s, dass die im Eigentum der        [X.] stehenden Playstations nicht Tatmittel solcher Taten waren, derentwegen der Vorstand dieser Nebenbeteiligten, der Angeklagte [X.]     , verurteilt wurde, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dementsprechend konnte eine Einziehung gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1, § 75 aF StGB nicht erfolgen. Im Hinblick auf die bestehende Gefahr, dass die Playstations der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden (§ 74 Abs. 2 Nr. 2 aF StGB) hat das [X.] rechtlich zutreffend auf den [X.]punkt der Entscheidung über die Einziehung abgestellt (vgl. dazu [X.], StGB, 64. Aufl., § 74 Rn. 15; [X.] StGB/[X.], [X.]., StGB, § 74 Rn. 30; [X.], NJW 1976, 2222 [2223]).

7. Die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen waren im Hinblick auf die Anordnung von [X.] gegen den Angeklagten [X.]sowie die Entscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen den Angeklagten [X.]und die Nebenbeteiligte [X.] aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem Tatgericht neue Feststellungen zu ermöglichen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen. Im Übrigen konnten die Feststellungen aufrechterhalten bleiben.

                 

Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist
wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung
gehindert.

                 

Raum   

        

Raum   

        

Cirener

        

Bär   

        

   Hohoff   

        

Meta

1 StR 677/16

05.09.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 28. Juni 2017, Az: 1 StR 677/16, Beschluss

§ 34 AO, § 35 AO, § 70 Abs 1 AO, § 73 Abs 1 S 1 StGB vom 13.11.1998, § 73 Abs 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.09.2017, Az. 1 StR 677/16 (REWIS RS 2017, 5782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5782


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 StR 677/16

Bundesgerichtshof, 1 StR 677/16, 05.09.2017.

Bundesgerichtshof, 1 StR 677/16, 28.06.2017.


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