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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2017:050917U1STR677.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1
StR
677/16
vom
5. September
2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
Nebenbeteiligte:
1.
2.
3.
4.
wegen
zu 1.: Beihilfe zur bandenmäßigen Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
-
2
-
Der 1.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
der
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bär
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Hohoff,
Oberstaatsanwalt
beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung ,
Staatsanwalt
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
in der Verhandlung
als Verteidiger
des Angeklagten C.
,
Rechtsanwalt
in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten T.
,
Justizangestellte
in der Verhandlung ,
Justizangestellte
bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-
3
-
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 6. Juli 2016
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit
aa) gegen den Angeklagten C.
der Verfall des Wertersatzes in Höhe von 55.452,05 Euro angeordnet ist und
bb) festgestellt ist, dass gegen
den Angeklagten C.
und die Nebenbeteiligte P.
SA hinsichtlich eines Betrages in Höhe von jeweils 265.241,50 Euro die Ansprüche eines Verletzten der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenste-hen,
b) aufgehoben, soweit
aa) festgestellt ist, dass gegen die Nebenbeteiligte
I.
ApS hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 103.982,26 Euro die Ansprüche eines Verletzten der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenste-hen,
bb) eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten C.
und der Nebenbeteiligten P.
SA und I.
ApS angeordnet ist und
cc) die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Nebenbeteiligte N.
AG unterblie-ben ist.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
-
4
-
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht
hat den Angeklagten C.
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 27 Fällen, davon in 24 Fällen bandenmäßig, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben
Monaten, die Mitangeklagte F.
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 20 Fällen, davon in 17 Fällen bandenmäßig, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Mona-ten und den Mitangeklagten T.
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen gegen die Mitangeklagten F.
und T.
hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
Hinsichtlich des Angeklagten C.
sowie der Nebenbeteiligten P.
SA, I.
ApS und
E.
A/S hat das Landgericht Feststellungsentscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO getrof-fen und hinsichtlich des Angeklagten C.
sowie der Nebenbeteiligten
L.
und P.
SA außerdem Verfall des Wert-1
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ersatzes angeordnet. Von einer Wertersatzverfallsanordnung gegenüber der Nebenbeteiligten N.
AG hat das Landgericht ebenso wie von einer Einziehung
des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der Nebenbeteiligten
E.
A/S stehender Ware abgesehen.
Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich der Schuld-
und Strafaussprüche gegen den Angeklagten C.
und die Mitangeklagte F.
, der Anord-nung des Verfalls des Wertersatzes gegen die Nebenbeteiligte
L.
und der Feststellungsentscheidung gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO ge-genüber der Nebenbeteiligten
E.
A/S rechtskräftig. Auf die Revisi-on des Mitangeklagten T.
hat der Senat durch Beschluss vom 28. Juni 2017 das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 6. Juli 2016 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Mitangeklagte T.
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen schuldig ist sowie im gesamten Straf-ausspruch aufgehoben. Seine weitergehende Revision wurde als unbegründet verworfen und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Verletzung materiel-len Rechts gestützten Revision nach Teilrücknahmen vom 28. Juli 2016 und vom 16. Dezember 2016 noch die den Verfall betreffenden Entscheidungen gegen den Angeklagten C.
, die Nebenbeteiligten P.
SA und I.
ApS sowie die unterbliebene Anordnung des bean-tragten Wertersatzverfalls gegen die Nebenbeteiligte N.
AG und der beantragten Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der Nebenbeteiligten
E.
A/S stehender Ware. Das vom Generalbundesanwalt teilweise vertretene Rechtsmittel der Staatsanwalt-3
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schaft hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor September 2009 schlossen
sich der Angeklagte C.
und der bereits Verurteilte J.
zusammen, um die Zahlungsabwicklung für europaweit hinterzogene Umsatzsteuern zu über-nehmen. Hierzu kontrollierten sie Konten, auf welche die am Umsatzsteuerka-russell beteiligten Gesellschaften die aus den Umsatzsteuerhinterziehungen stammenden Gelder transferierten. Die Gelder wurden sodann über weitere
Bis zum Sommer 2011 betrieben der Angeklagte C.
und der anderweitig Verurteilte J.
eine Zahlungsplattform namens
O.
. Nach Schwierigkeiten mit der Buchhaltung wurde die
O.
durch eine neue Zahlungsplattform, die
L.
, ersetzt. Bereits ab August 2011 wurden die Zahlungsströme über die neuen Konten der
L.
in Po-len umgeleitet. Nutzer dieser Zahlungsplattform waren insbesondere die Firmen Tr.
AG und Cy.
GmbH, die als Buffer-Firmen
Missing Trader über die
L.
Angeklagte C.
durch die Mitangeklagte F.
unterstützt. Im Januar 2013 bereiteten die Beteiligten den Übergang zur nächsten Gesellschaft vor. Dazu wurde am 29. Januar 2013 die N.
AG in M.
(Liechtenstein) gegründet, deren wirtschaftlich Berechtigter der anderweitig Verfolgte Eu.
war. Diesem stellte der Angeklagte C.
die 5
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-
von ihm entwickelte Software zum Betrieb der Zahlungsplattform in Kenntnis der beabsichtigten Verwendung entgeltlich zur Verfügung.
Bereits ab dem 22.
März 2013
drei Tage nachdem die Staatsanwaltschaft Augsburg die Kon-ten der
L.
in Polen arrestiert hatte
wurden die Zahlungsströme nunmehr über die neuen Konten der N.
AG in Liechten-stein umgeleitet.
In den Veranlagungszeiträumen September 2011 bis Februar 2013 hin-terzog die im Umsatzsteuerkarussell als Buffer 1 fungierende Tr.
AG Um-satzsteuer in einer Gesamthöhe von 11.943.833,93 Euro. Die Organisation um den Angeklagten C.
und die Mitangeklagte F.
stellte den die
Tr.
L.
zur Verfügung, auf welche die Tr.
AG sämtliche Bruttorechnungsbeträge trans-ferierte, um den Verbleib der hinterzogenen deutschen Umsatzsteuer zu ver-schleiern. In der Zeit vom 12. August 2011 bis zum 18. März 2013 beliefen sich die Zahlungen der Tr.
AG auf Konten der
L.
auf einen Ge-samtbetrag von 80.214.800,19 Euro.
Darüber hinaus hinterzog die im Umsatzsteuerkarussell ebenfalls als Buffer 1 fungierende Cy.
GmbH in den Veranlagungszeiträumen Juli 2012 und Dezember 2012 bis Juni 2013 Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 2.781.923,79 Euro. Die Organisation um den Angeklagten C.
und die Mitangeklagte F.
stellte auch dem die Cy.
Trader, der Ma.
GmbH, die Konten der
L.
bzw. der N.
AG zur Verfügung, auf welche die Cy.
GmbH sämtliche Bruttorechnungsbeträge transferierte, um ebenfalls den Verbleib der hinterzo-genen deutschen Umsatzsteuer zu verschleiern. In der Zeit vom 19. Juli 2012 bis zum 18. März 2013
erfolgten Zahlungen der Cy.
GmbH an die Ma.
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GmbH über die Zahlungsplattform
L.
in einer Gesamthöhe von 8.199.031,68 Euro und in der Zeit vom 22. März 2013 bis zum 20. Juni 2013 weitere Zahlungen der Cy.
GmbH an die Ma.
GmbH über die Zah-lungsplattform N.
AG in einer Gesamthöhe von 9.224.596,20 Euro.
Der Angeklagte T.
ist Vorstand der
E.
A/S mit Sitz in U.
r-gemeinschaftlichen Erwerbs im Februar und März 2012 sowie im nicht urteils-gegenständlichen Zeitraum April und Mai 2012 Waren in einem Gesamtwert von 4.637.350
Euro an den Missing Trader Ou.
GmbH. Letztge-Tr.
AG
weiter. Die anfallende Umsatzsteuer wurde weder von der
Ou.
GmbH noch von der Tr.
AG ordnungsgemäß erklärt und entrichtet. Die Firma
E.
A/S diente mit Billigung des Angeklagten T.
als In-/Out-Buffer. Ihre Funktion war es, als Warenlieferant aufzutre-ten und Rechnungen an die Ou.
GmbH zu schreiben, um zu ver-schleiern, dass tatsächlich keine unternehmerischen Lieferungen erbracht wur-den. In den Veranlagungszeiträumen Februar und März 2012 wurde dadurch Umsatzsteuer zu Gunsten der Ou.
GmbH und der Tr.
AG in Höhe von jeweils 450.558,78 Euro hinterzogen.
Im Hinblick
auf den Angeklagten C.
hat das Landgericht in Be-zug auf die Zahlungsplattform
L.
nur deshalb hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 265.241,50 Euro nicht auf Verfall des Wertersatzes er-kannt, weil dem Steuerfiskus gemäß § 71 AO ein entsprechender Schadenser-satzanspruch zustünde. Den vorgenannten Betrag hat
es gemäß § 73b aF 10
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StGB im Wege der Schätzung ermittelt, die auf einer für jeden Zahlungsvor-gang anfallenden Gebühr in Höhe von 0,5 % des Überweisungsbetrages und einer Gewinnbeteiligung des Angeklagten C.
an der
L.
in Höhe von 60 % beruht. Die Vermögensabschöpfung hat es auf den so ermit-telten Betrag gemäß § 73c aF StGB beschränkt. In Bezug auf die Zahlungs-plattform N.
AG hat das Landgericht gegen den Angeklagten C.
den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 55.452,05 Euro an-geordnet, weil infolge der festgestellten Zahlungsflüsse feststehe, dass es sich um Gelder handele, die der Angeklagte für die Zurverfügungstellung der Soft-ware an die Nebenbeteiligte erhalten habe.
Hinsichtlich der Nebenbeteiligten
P.
SA und I.
ApS
hat das Landgericht in Bezug auf die Zahlungsplattform
L.
nicht auf Verfall des Wertersatzes erkannt, weil dem Steuerfiskus ge-mäß § 70 AO ein entsprechender Schadensersatzanspruch zustünde. Wäh-rend sich die Rückgewinnungshilfe hinsichtlich der
P.
SA ebenfalls auf einen Betrag in Höhe von 265.241,50 Euro belaufe, weil maximal der Gewinnanteil des Angeklagten C.
als wirtschaftlich Berechtigtem der Nebenbeteiligten abgeschöpft werden könne, betrage sie für die
I.
ApS 103.982,26 Euro, weil insoweit feststehe, dass es sich um über die Zah-lungsplattform
L.
erzielten Gewinn handele.
Hinsichtlich der Nebenbeteiligten N.
AG hat das Landgericht keine Vermögensabschöpfung angeordnet, weil keiner der Ange-klagten die Vermögensverschiebungen von der Cy.
GmbH an die N.
AG veranlasst habe. Dies sei vielmehr durch Verantwortliche 12
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der Cy.
GmbH sowie den Zahlungsplattformbetreiber Eu.
erfolgt. Infolge der Zurverfügungstellung von Software durch den Angeklagten
C.
ohne weitere Beteiligung am tatsächlichen Betrieb der Zahlungs-plattform könne indes keine Zurechnung erfolgen.
Darüber hinaus hat das Landgericht von der Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der
E.
A/S stehender
Playstations abgesehen. Insoweit hat es ausgeführt, dass weder die Voraus-setzungen des § 74 Abs. 2 Nr. 1 aF StGB vorlägen, weil die Playstations nicht Tatmittel derjenigen Taten gewesen seien, derentwegen der Mitangeklagte T.
verurteilt wurde, noch die des § 74 Abs. 2 Nr. 2 aF StGB, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Einziehung infolge der Einführung des
Reverse-Charge-Verfahrens für Spielekonsolen gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG nicht mehr die konkrete Gefahr bestehe, dass die Playstations der Bege-hung rechtswidriger Taten dienen werden.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat weitgehend Erfolg.
1. Hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung kommt im vorliegenden Verfahren das vor dem 1. Juli 2017 geltende Recht zur Anwen-dung. Zwar finden ausweislich der einschlägigen Übergangsvorschrift zum Ge-setz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (Art. 316h 14
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EGStGB) mit Inkrafttreten des Gesetzes auch für bereits laufende Verfahren grundsätzlich ausschließlich die neuen materiell-rechtlichen Regelungen An-wendung (vgl. dazu BT-Drucks. 18/11640, S. 84). Allerdings sind gemäß Art.
316h Satz 2 EGStGB die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der straf-rechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 nicht in Verfahren an-zuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist. Dies ist hier der Fall, sodass die seit dem 1. Juli 2017 geltenden Vorschriften keine An-wendung finden. Gleiches gilt gemäß § 14 EGStPO für die strafprozessualen Vorschriften, weil das Landgericht Augsburg mit Urteil vom 6. Juli 2016
und damit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermö-gensabschöpfung am 1. Juli 2017
Feststellungsentscheidungen gemäß §
111i Abs. 2 aF StPO getroffen hat.
2. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die den Ver-fall betreffenden Entscheidungen gegen den Angeklagten C.
, die Ne-benbeteiligten P.
SA und I.
ApS sowie die un-terbliebene Anordnung des beantragten Wertersatzverfalls gegen die Nebenbe-teiligte N.
AG und der beantragten Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der Nebenbeteiligten
E.
A/S stehender Ware beschränkt (dazu auch BGH, Urteil vom 17. Juni 2010
4 StR 126/10, BGHSt 55, 174 [175] mwN). Die insoweit angefochtenen Teile der Entscheidung können losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbstständig ge-prüft und beurteilt werden.
3. Weder die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Ange-klagten C.
noch die vom Landgericht getroffenen Feststellungsent-17
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scheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen den Angeklagten C.
sowie die Nebenbeteiligten P.
SA und I.
ApS halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
a) Hinsichtlich des Angeklagten C.
fehlt es bereits an hinrei-chenden Feststellungen des Landgerichts, dass dieser tatsächlich selbst etwas für die Taten bzw. aus den Taten erlangt hat. Denn die dem Vermögen einer juristischen Person zugeflossenen Vermögenswerte sind nicht ohne weiteres durch den Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 aF StGB erlangt, selbst wenn dieser eine
legale
Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Mai 2008
1 StR 166/07, BGHSt 52, 227 [256]). Insoweit wirkt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zugunsten des Angeklagten C.
(§ 301 StPO).
b) Zudem lassen die Ausführungen des Landgerichts zum geschätzten Gewinn des Angeklagten C.
an der
L.
besorgen, dass es dabei den tatsächlich darüber hinausgehenden Abfluss von Geldern der
L.
an den Angeklagten bzw. an die von ihm beherrschten Ge-sellschaften aus dem Blick verloren hat. Hierzu hat das Landgericht festgestellt, dass zwischen dem 6. Dezember 2012 und dem 18. März 2013 insgesamt etwa 284.500 Euro vom Konto der
L.
auf ein Konto der Eu.
C.
Co.
Limited überwiesen wurden und von dem letztge-nannten Konto Zahlungsflüsse in Höhe von insgesamt 498.750 Euro auf das Konto der Nebenbeteiligten
P.
SA zu verzeichnen waren.
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c) Die insoweit unzureichende Berücksichtigung der tatsächlichen Zah-lungsflüsse zieht zugleich die Aufhebung der in selber Höhe ergangenen Ent-scheidung gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen die Nebenbeteiligte
P.
SA nach sich.
d) Darüber hinaus ist das Absehen einer Wertersatzverfallsanordnung
hinsichtlich der Nebenbeteiligten
P.
SA und I.
ApS infolge einer von dem Landgericht angenommenen entgegenstehenden Haftung gegenüber dem Steuerfiskus aus § 70 AO nicht frei von Rechtsfehlern.
aa) Gemäß § 70 Abs. 1 AO haften die Vertretenen, soweit sie nicht Steuerschuldner sind, für die durch die Tat verkürzten Steuern und die zu Un-recht gewährten
Steuervorteile, wenn die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen oder an einer Steuerhinterziehung teilnehmen und hierdurch Steuerschuldner oder Haftende werden. Daraus ergibt sich insbesondere, dass die strafbare Handlung des Vertreters im Zu-e-
II z 148/51 U, BFHE 56, 39; FG Münster, Urteil vom 10. Dezember 2013
2 K 4490/12, EFG 2014, 801). Dies ist nach einhelliger Meinung der Fall, wenn seine Tat ohne die Auf-gabenübertragung nicht begangen worden wäre und in unmittelbarem örtlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Vertretenen steht (dazu Rüsken in
Klein, AO, 13. Aufl., § 70 Rn.
4; Intemann in Koenig, AO, 3. Aufl., § 70 Rn. 5; Schneider in AO
eKommentar, Stand: 01.01.2015, § 70 Rn. 6; Boeker in Hübschmann/
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Hepp/Spitaler, AO/FGO, 243. Lieferung 07.2017, § 70 Rn. 16, jeweils mwN; vgl. auch Fehsenfeld, DStZ 2012, 852 [854
f.]).
bb) Unter Berücksichtigung der landgerichtlichen Feststellungen steht im vorliegenden Fall das strafbare Verhalten des Angeklagten C.
in Form der Betreibung von Zahlungsplattformen
für an Umsatzsteuerkarussellen betei-ligten Gesellschaften und der entgeltlichen Zurverfügungstellung von Software allerdings in keinerlei sachlichen Zusammenhang mit seinen gegenüber den Nebenbeteiligten P.
SA und I.
ApS obliegenden Aufgaben bzw. steuerlichen Pflichten, deren wirtschaftlich Berechtigter und fak-tischer Geschäftsführer er war. Den Feststellungen lässt sich vielmehr entneh-men, dass die vorgenannten Nebenbeteiligten
eine Briefkastenfirma mit Sitz in Panama bzw. eine Baufirma in Dänemark
den Zahlungsplattformen nach-gelagert waren und vornehmlich der Verschleierung seiner Einkünfte dienten (UA S. 116) bzw. als Geldwäschegesellschaften für seinen Gewinnanteil ge-nutzt wurden (UA S. 128 und 130). Eine solche Fallgestaltung wird von dem Wortlaut der Haftungsvorschrift des § 70 AO nicht erfasst. Eine Haftung der genannten Nebenbeteiligten gegenüber dem Steuerfiskus gemäß § 70 AO scheidet daher unter den gegebenen Umständen aus und steht dementspre-chend einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz nicht entgegen.
4. Infolge der Aufhebung der Wertersatzverfallsanordnung gegen den Angeklagten C.
sowie der
Feststellungsentscheidungen gemäß §
111i Abs. 2 aF StPO gegen den Angeklagten C.
und die Nebenbe-teiligten P.
SA und I.
ApS war auch die Anord-nung der gesamtschuldnerischen Haftung aufzuheben.
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5. Die unterbliebene Vermögensabschöpfung hinsichtlich der Nebenbe-teiligten N.
AG hält revisionsgerichtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Denn nach den zutreffenden Ausführungen des General-bundesanwaltes liegen die Voraussetzungen des Verfalls bzw. des Verfalls des Wertersatzes gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 aF StGB hier vor. Gemäß § 73 Abs. 3 aF StGB richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen
1 und 2 der Vorschrift gegen den Dritten, wenn der Täter oder Teil-nehmer für einen anderen gehandelt und dadurch dieser etwas erlangt hat. Ein die rechtswidrige Tat objektiv bewirkt, dass diesem anderen unmittelbar ein Vermögensvorteil zufließt, und wenn
der Handelnde dies im Interesse des Empfängers will; hierbei reicht es aus, wenn der Tatbeteiligte rein faktisch (auch) im Interesse des Dritten gehandelt hat, mag dies auch nach außen nicht erkennbar geworden sein (vgl. dazu BGH, Urteile vom 9. Oktober 1990
1 StR 538/89, NJW 1991, 367 [371] mwN und vom 19. Oktober 1999
5 StR 336/99, BGHSt 45, 235). Nach den Feststellungen des Landgerichts leistete der Ange-klagte C.
durch die entgeltliche Zurverfügungstellung der notwendigen Software, mit deren Hilfe die Beträge aus den Umsatzsteuerhinterziehungen .
zu Haupttaten des anderweitig Verurteilten S.
als Ge-schäftsführer der Cy.
GmbH. Diese im Vorfeld erfolgte Beihilfehandlung des Angeklagten C.
nämlich für die Nebenbeteiligte
N.
AG , so dass die dadurch von der Nebenbeteiligten erlangten Gelder aus Umsatzsteuerhinterziehungen ge-mäß § 73 Abs. 3 aF i.V.m. § 73a aF StGB abgeschöpft werden können.
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6. Die unterbliebene Anordnung der beantragten Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der
E.
A/S stehender Playstations erweist sich dementgegen als rechtsfehlerfrei.
a) Gemäß § 111l Abs. 1 Satz 3 aF StPO tritt im Falle einer Notveräuße-rung der Erlös an die Stelle des veräußerten Vermögenswertes.
b) Die Ausführungen des Landgerichts, dass die im Eigentum der
E.
A/S stehenden Playstations nicht Tatmittel solcher Taten wa-ren, derentwegen der Vorstand dieser Nebenbeteiligten, der Angeklagte
T.
, verurteilt wurde, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dementspre-chend konnte eine Einziehung gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1, § 75 aF StGB nicht erfolgen. Im Hinblick auf die bestehende Gefahr, dass die Playstations der Be-gehung rechtswidriger Taten dienen werden (§ 74 Abs. 2 Nr. 2 aF StGB) hat das Landgericht rechtlich zutreffend auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Einziehung abgestellt (vgl. dazu Fischer, StGB, 64. Aufl., § 74 Rn. 15; BeckOK StGB/Heuchemer, 34. Ed., StGB, § 74 Rn. 30; OLG Hamm, NJW 1976, 2222 [2223]).
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7. Die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen waren im Hinblick auf die Anordnung von Wertersatzverfall gegen den Angeklagten C.
sowie die Entscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen den Angeklag-ten C.
und die Nebenbeteiligte
P.
SA aufzuhe-ben (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem Tatgericht neue Feststellungen zu ermögli-chen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen. Im Übrigen konnten die Feststellungen aufrechterhalten bleiben.
RiBGH Prof. Dr. Graf ist
wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung
gehindert.
Raum
Raum Cirener
Bär Hohoff
Meta
05.09.2017
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.09.2017, Az. 1 StR 677/16 (REWIS RS 2017, 5800)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 5800
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 677/16 (Bundesgerichtshof)
Steuerhinterziehung per Umsatzsteuerkarussell: Haftung der Vertretenen für die durch die Tat ihrer Vertreter verkürzten Steuern
2 StR 101/18 (Bundesgerichtshof)
Tatrichterliche Feststellungen zu Verfall von Wertersatz bei Vorliegen eines Verschiebungsfalls
3 StR 192/18 (Bundesgerichtshof)
Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung im Lichte der grundrechtlichen …
5 StR 258/13 (Bundesgerichtshof)
Strafverfahren: Feststellung über die Nichtanordnung des Verfalls wegen entgegenstehender Verletztenansprüche; Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots
5 StR 258/13 (Bundesgerichtshof)
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