Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20.06.2016, Az. 2 BvR 748/13

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2016, 9677

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit durch Versagung von PKH unter Vorverlagerung schwieriger, bislang ungeklärter Fragen ins PKH-Verfahren - hier: Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte iSd § 36 Abs 2 AufenthG 2004 bzgl der Zusammenführung einer Familie bei langjährigem rechtmäßigen Aufenthalt von Mutter und gemeinsamen Kindern im Inland


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 12. Oktober 2012 - [X.] - und der Beschluss des [X.] vom 6. März 2013 - OVG 3 M 110.12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des [X.] wird aufgehoben und die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im [X.] zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das [X.] auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren.

2

1. Der am 21. März 1976 geborene Beschwerdeführer ist [X.] Staatsangehöriger und reiste erstmals im Jahre 1999 in das [X.] ein. Sein Asylantrag blieb erfolglos. Er lebte seit dem [X.] in [X.] mit seiner Lebensgefährtin zusammen, die am 4. November 2001 ein Kind gebar. Am 30. März 2004 wurde ein zweites Kind ebenfalls in [X.] geboren. Für beide Kinder hat der Beschwerdeführer zwischenzeitlich die Vaterschaft anerkannt und mit seiner Lebensgefährtin die gemeinsame elterliche Sorgeerklärung abgegeben. Am 21. Februar 2005 wurde er aus dem [X.] abgeschoben. Zu diesem Zeitpunkt war seine Lebensgefährtin mit dem dritten Kind schwanger. Dieses wurde in Abwesenheit des Beschwerdeführers am 7. Juni 2005 geboren. Seine Lebensgefährtin ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Kinder verfügen über davon abgeleitete [X.]. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich nicht verurteilt worden.

3

2. Seit dem Jahre 2005 stellte er zahlreiche [X.] bei der [X.] in [X.], wobei auf Ermittlungsschreiben der [X.] vom 14. August 2007 und vom 20. Oktober 2008 das [X.] mit Schreiben vom 7. Mai 2009 die Befreiung von der Beibringung des [X.] erteilte. Mehrere Termine zur Eheschließung waren im [X.] und 2010 vor dem Standesamt in [X.] bestimmt. Die Ausländerbehörde [X.] stimmte der Visumserteilung nicht zu, so dass die [X.] Botschaft in [X.] den Antrag auf Erteilung eines Einreisevisums zum Zwecke der Eheschließung ablehnte.

4

Am 12. März 2010 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Visumsantrag zur Familienzusammenführung gemäß § 36 Abs. 2 [X.]. Mit Bescheid vom 14. September 2011 lehnte die [X.] Botschaft auch diesen Antrag ab, da der Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Die hiergegen gerichtete Remonstration des Beschwerdeführers wurde ebenfalls abgelehnt.

5

3. Am 14. Februar 2012 reichte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht eine beabsichtigte Klage ein und beantragte für diese die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

6

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Oktober 2012 ab. Zwar sei es möglich, für die beabsichtigte Klage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des rechtzeitig gestellten, aber vor Ablauf der Klagefrist nicht entschiedenen [X.] zu gewähren. Ein Anspruch des Beschwerdeführers gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 [X.], der im Übrigen lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung begründe, scheitere jedoch, da keine außergewöhnliche Härte vorliege. Diese setze gegenüber einer besonderen Härte eine weitere Steigerung voraus, die nicht vorliege. Zwar sei es für die tägliche Betreuung und Versorgung der Kinder des Beschwerdeführers günstiger, wenn auch er bei ihnen lebe. Anhaltspunkte dafür, dass dies etwa zur Abwendung eines sonst drohenden Betreuungsnotstandes unerlässlich sei, bestünden aber nicht. Es bestünden auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Visumserteilung in hohem Maße aus Gründen des Kindeswohls geboten sei. Auch wenn die Kindesmutter einer Erwerbstätigkeit nachgehe, folge daraus nicht, dass die sieben, acht und fast elf Jahre alten Kinder, die der Schulpflicht unterlägen, unverzichtbar oder in bedeutsamen Umfang zu ihrer gedeihlichen Entwicklung des Beistandes ihres seit dem Jahre 2005 nicht mehr im [X.] aufhältigen Vaters zwingend bedürften. Die Führung einer familiären Lebensgemeinschaft erscheine auch in [X.] möglich. Etwas anderes ergebe sich weder aus der Rechtsprechung des [X.] noch aus Art. 8 [X.]. Auch ein Anspruch auf Visumserteilung zum Zweck der beabsichtigten Eheschließung und der anschließenden Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im [X.] komme nicht in Betracht. Zwar könne nach § 7 Abs. 1 Satz 3 [X.] in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen im [X.] nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die beabsichtigte Eheschließung sei solch ein Aufenthaltszweck. Es sei jedoch schon unklar, ob die entsprechenden besonderen Erteilungsvoraussetzungen vorlägen. Letztlich bedürfe dies jedoch keiner Entscheidung. Denn der Beschwerdeführer erfülle bereits die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nicht, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetze, dass der Lebensunterhalt gesichert sei. Eine Ausnahme vom [X.] sei vorliegend nicht angezeigt. Atypische Umstände seien nicht gegeben.

7

4. Mit Beschluss vom 6. März 2013 wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] zurück und lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ab. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht das Bestehen einer außergewöhnlichen Härte verneint. Art. 6 GG gebiete auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen die Visumserteilung nicht bereits dann, wenn das Kindeswohl tangiert sei. Dies gelte vorliegend vor allem deshalb, weil dem Antragsteller und seinen Kindern die erstrebte Führung der familiären Lebensgemeinschaft in [X.], dessen Staatsangehörigkeit sie ebenso wie die Mutter der Kinder und Verlobte des Beschwerdeführers besäßen, möglich und zumutbar erscheine. Dem stehe nicht entgegen, dass die sämtlich in [X.] geborenen Kinder, insbesondere die älteste, im Jahre 2001 geborene Tochter faktische Inländer seien. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern führe dazu, dass Kinder in der familiären [X.] grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Erziehungsberechtigten teilten. In aller Regel erscheine es einem in [X.] geborenen ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern wieder zu verlassen und sich in dem Herkunftsland seiner Eltern zu integrieren. Es sei auch kein Visum zum Zwecke der Eheschließung zu erteilen. Die Verdienstbescheinigung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers weise für Januar 2013 einen Nettoverdienst von 1.319,82 € aus, der unbeschadet weiterer abzusetzender Beträge deutlich unter dem Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 SGB II für den Beschwerdeführer, seine Verlobte und die drei Kinder liege (1.553 €).

8

5. Der Beschwerdeführer hat am 5. April 2013 Verfassungsbeschwerde gegen die gerichtlichen Entscheidungen erhoben. Er rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG sowie eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit sei verletzt, da die Gerichte an das Tatbestandsmerkmal der "hinreichenden Erfolgsaussicht" ersichtlich überspannte Anforderungen gestellt hätten. Die Gerichtsentscheidungen meinten, die im [X.] lebende Familie könne [X.] verlassen. Die Kindesmutter sei jedoch seit ca. 17 Jahren im [X.] wohnhaft und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Kinder hätten verfestigte [X.] und seien strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

9

Unabhängig hiervon verletzten die Entscheidungen Art. 6 GG. Die bei der Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der außergewöhnlichen Härte zu berücksichtigende wertentscheidende Grundnorm des Art. 6 Abs. 1 GG, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern habe, verpflichte in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht zur Berücksichtigung der familiären Bindung. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass es einem zwölfjährigen im [X.] geborenen und sehr gut integrierten Mädchen nicht mehr möglich sei, in das Heimatland der Eltern zurückzukehren. Es handele sich bei der Tochter um eine faktische Inländerin. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.] stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Selbst wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert sei, hätte von diesem [X.] abgesehen werden müssen. Hier liege ein atypischer Ausnahmefall aufgrund der Niederlassungserlaubnis der Kindesmutter sowie der [X.] Prägung der Kinder vor. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die 2005 erfolgte Abschiebung des Beschwerdeführers wegen seiner Kinder mit berechtigtem Aufenthaltsstatus im [X.] nicht hätte durchgeführt werden dürfen.

6. Die Akten des Ausgangsverfahrens und die Ausländerakte des Beschwerdeführers lagen dem [X.] vor. Die [X.] des [X.] hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]G für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das [X.] bereits geklärt (vgl. [X.] 81, 347 <356 f.>). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der Beschluss des [X.] und der Beschluss des [X.] verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

Das Recht auf effektiven und gleichen Rechtsschutz, das für die öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet wird, gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von [X.] und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. [X.] 78, 104 <117 f.>; 81, 347 <357> m.w.N.). Es ist dabei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Jedoch überschreiten die Fachgerichte ihren Entscheidungsspielraum, wenn sie die Anforderungen an das Vorliegen einer Erfolgsaussicht überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen (vgl. [X.] 81, 347 <357 f.>). Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. [X.] 81, 347 <357>). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in einem Verfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, zugeführt werden können (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 17. Februar 2014 - 2 BvR 57/13 -, juris, Rn. 10).

Nach diesen Maßstäben beruht die Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage auf Erteilung des Visums auf der Verkennung der verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Oberverwaltungsgericht hat schwierige Rechts- und Tatsachenfragen bereits im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden, indem es das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte in der vorliegenden Fallkonstellation allein mit der Erwägung verneint hat, dass es der Familie des Beschwerdeführers zumutbar sei, die Lebensgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer im Herkunftsland zu führen. Es sei einem ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern wieder zu verlassen und sich in seinem Herkunftsland zu integrieren. Für besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten, sei nichts ersichtlich. Mit dieser Begründung entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren über eine schwierige Rechts- und Tatsachenfrage zu Lasten des [X.]. Zwar ist der Begriff der außergewöhnlichen Härte dem Grunde nach in der Rechtsprechung des [X.] seit langem geklärt (vgl. schon zur [X.], Beschluss vom 25. Juni 1997 - 1 [X.]/96 -, juris, Rn. 8). Danach setzt eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 [X.] voraus, dass der schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in [X.] erbracht werden kann. Bei der Anwendung dieser Definition der außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 [X.] ist jedoch der Einfluss von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 [X.] auf das [X.] Ausländerrecht zu beachten (vgl. hierzu Dienelt, in[X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 36 [X.] Rn. 47). Ob demnach von einer außergewöhnlichen Härte auszugehen ist, kann nur unter Berücksichtigung aller im Einzelfall relevanten, auf die Notwendigkeit der Herstellung oder Erhaltung der Familiengemeinschaft bezogenen konkreten Umstände beantwortet werden ([X.], 278 <282>).

Die danach aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben erforderliche Betrachtung des Einzelfalls kann in klar gelagerten Fällen ohne weiteres bei der Entscheidung über einen isolierten Antrag auf Prozesskostenhilfe erfolgen. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn bei objektiver Betrachtung ernstzunehmende Anhaltspunkte vorliegen, dass Art. 6 Abs. 1 GG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gebieten könnte. Dann muss solchen Anhaltspunkten in einem Hauptsacheverfahren weiter nachgegangen werden. Ob solche Anhaltspunkte vorliegen, hat das erkennende Gericht unter gebührender Würdigung der betroffenen Grundrechte zu beurteilen. Der unbemittelte Verfahrensbeteiligte muss die Möglichkeit haben, sich in diesem Verfahren eines sachkundigen Beistands zu bedienen, der sowohl den Sachvortrag als auch die rechtliche Würdigung des Falles in ihren Wechselwirkungen aufarbeiten und dem Gericht das für einen [X.] Erforderliche darlegen kann.

Im vorliegenden Fall waren relevante Anhaltspunkte insbesondere darin zu sehen, dass der Beschwerdeführer Vater dreier im [X.] geborener und hier rechtmäßig lebender Kinder ist, mit denen er nach seiner Wiedereinreise in häuslicher [X.] leben wollte. Weiter wollte er die Mutter der Kinder, die über eine Niederlassungserlaubnis verfügt und hier zwischenzeitlich in Vollzeit berufstätig ist, heiraten. Für zwei der Kinder hatten die Eltern eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben. Das älteste der Kinder besuchte im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wohl die fünfte Klasse. Auf all diese Aspekte, insbesondere die tatsächliche Integration der Familie des Beschwerdeführers und die Frage, ob der ältesten Tochter ein erstmaliger und dauerhafter Aufenthalt in [X.] noch zumutbar gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 24. November 2009 - 182/08 -, [X.] 2010, [X.] 178 <179> und aus der [X.] Rechtsprechung zu den oftmals schwierigen Abgrenzungsfragen [X.], 278 <284> und OVG Saarland, Beschluss vom 26. März 2015 - 2 [X.]/15 -, juris, Rn. 6) beziehungsweise inwieweit - wovon das Verwaltungsgericht ausging - ein Verbleib in [X.] ohne Vater rechtlich möglich war, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher einzugehen gewesen.

Die Beschlüsse verletzen mithin Art. 19 Abs. 4 GG und sind deshalb aufzuheben. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vorliegt.

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 [X.]G die notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

2 BvR 748/13

20.06.2016

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 6. März 2013, Az: OVG 3 M 110.12, Beschluss

Art 6 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 36 Abs 2 AufenthG 2004, Art 8 MRK, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 166 Abs 1 S 1 VwGO, § 114 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20.06.2016, Az. 2 BvR 748/13 (REWIS RS 2016, 9677)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9677

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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