Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2010, Az. V ZB 204/09

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5986

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[X.]BESCHLUSS [X.]/09 vom 10. Juni 2010 in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: jaFamFG §§ 417 Abs. 2 Satz 3, 26; [X.] § 62 Abs. 2 Satz 1 a) Gerichtliche Entscheidungen, die eine Abschiebehaft anordnen, bestätigen oder verlängern, sind nicht allein deshalb aufzuheben, weil sie ohne Beiziehung der Ausländerakte ergangen sind. b) Die unterlassene Beiziehung der Ausländerakte kann sich jedoch als eine Verlet-zung der besonderen Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 [X.]) in [X.] darstellen. [X.], [X.]uss vom 10. Juni 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der [X.] hat am 10. Juni 2010 durch den [X.] [X.] Prof. [X.], den [X.] [X.], die Rich-terin Dr. [X.] und die [X.] [X.] und [X.] beschlossen: Dem Betroffenen wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt [X.] Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Be-schluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 6. November 2009 bewilligt. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird - unter Zurück-weisung des Rechtsmittels im Übrigen - der [X.]uss der 4. Zi-vilkammer des [X.] vom 6. November 2009 aufge-hoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 •. Gründe: [X.] Der Betroffene reiste am 23. April 2007 ohne gültigen Pass und unter Umgehung der Einreise- und Visumsbestimmungen in das [X.] ein. 1 - 3 - Ein von ihm gestellter Asylantrag wurde am 6. November 2007 abgelehnt, die Androhung der Abschiebung ist seit dem 21. November 2007 vollziehbar. Er reiste jedoch nicht aus, sondern tauchte im Mai 2008 im [X.] unter und wurde von der [X.] zur Festnahme ausgeschrieben. Am 22. September 2009 wurde er anlässlich einer Kontrolle des [X.] in einer Pizzeria in [X.] arbeitend angetroffen und festgenommen. Auf Antrag der Ausländerbehörde am Aufgriffsort (Beteiligte zu 2) hat das Amtsgericht am 23. September 2009 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 22. Dezember 2009 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der - am [X.] aus der Haft entlassene - Betroffene festzustellen, dass die Anordnung der Abschiebehaft durch das Amtsgericht und die Inhaftierung des Betroffenen rechtswidrig waren. 2 I[X.] Das Beschwerdegericht hält die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 [X.] für gegeben. Die Regelung in § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] stehe der Inhaftierung des Betroffenen nicht entgegen. Aus den Angaben der für die Abschiebung zuständigen [X.] [X.] ergebe sich, dass eine Abschiebung nach [X.] innerhalb von drei Monaten erfolgen könne. Die Vorführung des Betroffenen bei der [X.] Botschaft sei für die kommende (46.) [X.] vorgesehen, was darauf schließen lasse, dass das [X.] zügig betrieben werde. 3 - 4 - II[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 4 1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist ungeach-tet der Erledigung der Hauptsache durch den Ablauf der angeordneten Haft-dauer statthaft (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Die Rechtsbeschwerde bleibt zulassungsfrei, da sie sich weiterhin gegen einen [X.]uss richtet, durch den eine freiheitsentziehende Maßnahme anordnet worden ist (vgl. [X.], [X.]. v. 25. Februar 2010, [X.], [X.]). 5 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit der Betroffene die Fest-stellung erstrebt, dass die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde ihn in sei-nen Rechten verletzt hat (§ 72 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 62 Abs. 1 FamFG). 6 a) Ohne Erfolg macht der Rechtsbeschwerdeführer allerdings geltend, dass die Entscheidung des [X.] schon wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Vorlage der Ausländerakte (§ 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG) rechtswidrig sei. Gerichtliche Entscheidungen, die eine Abschiebehaft anord-nen, bestätigen oder verlängern, sind in einem Rechtsmittelverfahren nicht [X.] deshalb aufzuheben, weil sie ohne Beiziehung der Ausländerakte ergangen sind. 7 Gegen einen derartigen Aufhebungsgrund spricht bereits der Umstand, dass die Verpflichtung der Behörde zur Vorlage der Ausländerakte (§ 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG) als [X.] bestimmt worden ist. Damit sollte klar-gestellt sein, dass die Aktenvorlage nicht eine Voraussetzung für die [X.] des Haftantrags ist ([X.]ussempfehlung zum FamFG, BT-Drucks. 16/9733, [X.]). 8 - 5 - Aus demselben Grund kann auch die Beiziehung der Akten durch das Gericht nicht als eine in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfende [X.]svoraussetzung angesehen werden. Es liefe nämlich dem mit der [X.] durch die Behörde als [X.] verfolgten Zweck zuwider, wenn bei einer für die Entscheidung über den Haftantrag eindeutigen Tatsachengrundlage die Behörde zwar von der Übersendung der Ausländerakte absehen dürfte, das Gericht gleichwohl aber deren Vorlage anordnen müsste, um seiner Verpflichtung zu eigenständiger Ermittlung der Voraussetzungen der Haftanordnung zu genügen. 9 b) Die - auf die Nichtvorlage der Ausländerakte gestützte - Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) durch das Beschwerdege-richt ist im Ergebnis dennoch begründet. Das Beschwerdegericht hat nicht alle Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung verfahrensfehlerfrei festgestellt. 10 [X.]) Zutreffend bejaht hat das Beschwerdegericht die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 [X.], weil die dem Betroffenen gesetzte Ausreisepflicht abgelaufen ist und er seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, oh-ne der Ausländerbehörde seine Anschrift anzugeben, und weil infolge seines [X.] der begründete Verdacht besteht, er wolle sich der Abschiebung entziehen. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen. 11 [X.]) Im Ergebnis mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des [X.], dass die Haft nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] unzulässig sei, weil nicht feststehe, dass die Abschiebung nicht [X.] drei Monaten erfolgen könne. 12 (1) Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des [X.] allerdings, soweit sie sich auf die Anordnung der [X.] bezieht. 13 - 6 - (a) Das Beschwerdegericht hat die notwendige, vom Amtsgericht unter-lassene Prognose nachgeholt, das übersehen hatte, dass für die Anordnung von [X.] nur Raum ist, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergibt, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder eine zuverlässige Prognose zunächst nicht ge-troffen werden kann (vgl. [X.], NJW 2009, 2659, 2660; [X.], [X.]. v. 25. März 2010, [X.], [X.]. 17, juris). 14 (b) Die Prognose des [X.], dass bei Anordnung der Haft eine Abschiebung des Betroffenen innerhalb von drei Monaten nicht unmöglich erschienen habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Beschwerdegericht durfte sich hierzu auf die bundesweite Fallsammlung der [X.] über die Ausstellung von Personalersatzpapieren durch das [X.] Generalkonsulat oder die [X.] Botschaft stützen, wonach im [X.] in Einzelfällen eine Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden konnte. Dass es sich hierbei um nur wenige Fälle handelt, ist unschädlich, da die Haftanordnung nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] nur zu unterbleiben hat, wenn feststeht, dass die Abschiebung innerhalb von drei Monaten nicht möglich sein wird (vgl. [X.] JMBl NRW 2007, 177, 178). 15 Die Prognose des [X.] beruht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht auf einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar enthalten die Gründe des angefochtenen [X.]usses keine Auseinanderset-zung mit dem Schreiben der [X.] Stadt [X.] vom 6. März 2008, welches der Betroffene vorgelegt hat und in dem es heißt, dass die Passersatzpapierbeschaffung für einen näher bezeichneten [X.] St[X.]tsangehörigen etwa sechs Monate in Anspruch nehmen werde. Da ein [X.] nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in den [X.] ausdrücklich zu befassen, folgt hieraus für sich genommen keine [X.] - 7 - zung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine solche kann erst festgestellt werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung jedenfalls nicht erwogen worden ist (vgl. [X.] NJW-RR 1995, 1033, 1034). Hieran fehlt es. Insbesondere lässt die Feststellung in dem angefochtenen [X.]uss, die statistische Auswertung von Abschiebefällen der [X.] [X.] und [X.] sei unwidersprochen geblie-ben, nicht den Schluss zu, dass das Gericht das Schreiben der Zentralen Aus-länderbehörde [X.] vom 6. März 2008 unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen hat. Da es nicht den der Prognose zugrunde gelegten [X.]raum vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2009 betrifft, ist vielmehr davon auszugehen, dass es von dem Beschwerdegericht zwar zur Kenntnis genom-men, aber - ebenso wie die von dem Betroffenen vorgelegten Gerichtsentschei-dungen - als nicht aussagekräftig angesehen worden ist, weil es nicht aus jüngster [X.] stammt. (2) Verfahrensfehlerhaft ist die Entscheidung jedoch, soweit das Be-schwerdegericht an der Prognose auch nach den im [X.]punkt seiner Entschei-dung vorliegenden Umständen festgehalten hat. 17 (a) Ob die Abschiebung des Ausländers innerhalb des [X.]raumes von drei Monaten durchgeführt werden kann, ist auch nach den Gegebenheiten im [X.]punkt der Entscheidung über die Beschwerde zu beurteilen. Ein die Frei-heitsentziehung anordnender [X.]uss ist nämlich in jeder Lage des Verfah-rens von Amts wegen darauf zu untersuchen, ob der Grund für die Freiheitsent-ziehung entfallen ist (vgl. § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG sowie [X.], [X.]. v. 25. Februar 2010, [X.], juris, [X.]. 27). Vor der Zurückweisung einer Beschwerde, die sich gegen eine [X.]anordnung richtet, müssen deshalb die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] unter [X.] - 8 - sichtigung des im [X.]punkt der Beschwerdeentscheidung erkennbaren Verlaufs des [X.]s erneut geprüft werden. Erscheint eine [X.] aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, nicht mehr [X.] von drei Monaten (gerechnet ab Anordnung der [X.]) möglich, darf die Haft nicht aufrechterhalten werden. (b) Das hat das Beschwerdegericht zwar im Ansatz erkannt. Seine An-nahme, es stehe derzeit nicht fest, dass die Abschiebung nicht binnen drei [X.] erfolgen könne, ist angesichts der getroffenen Feststellungen aber nicht nachvollziehbar und damit rechtsfehlerhaft. Nachdem bis zu der (geplanten) Vorführung des Betroffenen bei der [X.] Botschaft sieben Wochen ver-gangen waren, konnte das Beschwerdegericht ohne nähere Sachaufklärung (§ 26 FamFG) nicht annehmen, dass es innerhalb der verbleibenden [X.] von etwa sechs Wochen zu der Ausstellung von [X.]n kommen wür-de. Wenn das Verfahren von der Ausländerbehörde tatsächlich zügig betrieben worden ist, wäre die lange [X.]spanne von der Inhaftierung des Betroffenen bis zu seiner Vorführung auf Unzulänglichkeiten bei der [X.] Botschaft zu-rückzuführen. Sie ließe dann erwarten, dass auch die von der Botschaft zu ver-anlassende Ausstellung der [X.] wochenlang dauern und nicht rechtzeitig vor Ablauf der [X.] des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] erfolgen würde. Das Beschwerdegericht war deshalb gehalten aufzuklären, ob angesichts der bereits verstrichenen [X.] im konkreten Fall noch Aussicht [X.], die Abschiebung bis zum 22. Dezember 2009 durchzuführen; sofern dies aus von dem Betroffenen nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich erschien, hätte es ihn aus der Haft entlassen müssen. 19 cc) Rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand hält die Annahme , die [X.] Wochen nach der Inhaftierung vorgesehene Vorführung des Betroffenen 20 - 9 - bei der Botschaft lasse darauf schließen, dass das [X.] zügig betrieben werde. (1) Das Beschwerdegericht hat sich zu vergewissern, ob die [X.] zügig durchgeführt wird. Auf Grund der Zweckbindung der Abschiebehaft, die nach § 62 Abs. 2 Satz 1 [X.] nur zur Sicherung der zwangsweisen Ausreise und zu keinem anderen Zweck angeordnet werden darf, muss die Freiheitsentziehung zu jedem [X.]punkt ihrer Dauer von der gesetzlichen [X.] gedeckt sein ([X.] NVwZ 2007, 1296, 1297). Das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende [X.]eunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. [X.]E 46, 194, 195) verpflichtet die die Abschiebung betreibende [X.] zudem dazu, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die für die Abschiebung erforderlichen [X.] zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebehaft auf eine möglichst kurze [X.] beschränkt werden kann ([X.], [X.] 133, 235, 239). Das Beschwerdegericht darf deshalb die [X.] nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der [X.], mit der größtmöglichen [X.]eunigung (vgl. BayObLG, [X.]. v. 6. November 1998, [X.] 274/98, juris, [X.]. 9; OLG Schleswig OLGR 2008, 304, 306). 21 Daran ändert sich nichts, wenn der Betroffene seine Mitwirkung im [X.] verweigert. Die Ausländerbehörde ist dann gehalten, die [X.] entweder ohne dessen Mitwirkung zu erlangen oder diese mit den gemäß der Rechtsordnung hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln zu erzwingen ([X.], [X.]. v. 6. November 1998, [X.] 274/98, [X.]O). Dazu gehört die [X.] jedoch nicht, da sie sonst entgegen ihrer allein wesenseigenen Si-cherungsfunktion zu einer Beugehaft mit [X.] würde, und als solche weder angeordnet noch aufrechterhalten werden darf (BayObLG, 22 - 10 - [X.]. v. 6. November 1998, [X.] 274/98, [X.]O; OLG S[X.]rbrücken NVwZ 1997, Beilage Nr. 1, 3; [X.] [X.] 2001, 189, 190; OLG Schleswig OLGR 2008, 304, 305). (2) Hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass das [X.]sverfahren dem Zweck der Haft entsprechend mit der gebotenen Be-schleunigung betrieben worden ist. 23 (a) Die entgegenstehende Wertung des [X.] ist rechts-fehlerhaft. Sie beruht allein auf dem kurz vor der Entscheidung eingegangenen Schreiben der Beteiligten zu 2 an das Beschwerdegericht, in dem der Vorfüh-rungstermin in der Botschaft mitgeteilt und über einen erforderlichen angemes-senen "Einwirkungszeitraum" für die Mitarbeiter der [X.] berichtet worden ist, um im Sinne einer "Ausreiseberatung" erfolgreich zu sein. Der Inhalt der Mitteilung der Beteiligten zu 2 trägt die Annahme einer zü-gigen Durchführung der Abschiebung nicht, sondern gibt eher Anlass, an einem dem Zweck der Abschiebehaft entsprechenden Vorgehen der Behörden zu zweifeln. 24 (b) Vor allem aber durfte das Beschwerdegericht seine Auffassung nicht allein auf diese Mitteilung stützten. Die Rechtsbeschwerde sieht darin zu Recht eine Verletzung der durch Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG bestimmten An-forderungen an die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 FamFG). 25 Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, müssen nämlich auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht ([X.]E 58, 208, 222; 70, 297, 308; NJW 1998, 1774, 1775; [X.] 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659, 2662). Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG hat der [X.] die Verantwortung für das Vorliegen 26 - 11 - der Voraussetzungen der von ihm angeordneten oder bestätigten Haft zu über-nehmen ([X.]E 10, 302, 310; 83, 24, 33). Dazu muss er selbst die Tatsa-chen feststellen, die die Freiheitsentziehung rechtfertigen ([X.]E 83, 24, 33), wofür in [X.] in der Regel die Beiziehung der Ausländerakte erforderlich ist ([X.] [X.] 2008, 358, 360; NVwZ 2008, 304, 305; NJW 2009, 2659, 2662). Ein geeignetes Mittel des Gerichts, sich über die Maßnahmen der Be-hörde kundig zu machen, wäre auch hier die Beiziehung der Akten gewesen. Von deren Vorlage kann zwar abgesehen werden, wenn sich der festzustellen-de Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen der Akte vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen ([X.], [X.]. v. 4. März 2010, [X.], [X.]. 19, juris). Davon kann hier keine Rede sein, weil die Beteiligte zu 2 nicht vorgetragen hat, was sie in den sieben Wochen seit der Inhaftierung des Betroffenen zur Durchführung der [X.] unternommen hat. 27 3. Der [X.] kann über den Feststellungsantrag nicht in der Sache selbst entscheiden, weil die Beurteilung, ob der Vollzug und die Aufrechterhaltung der [X.] den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, weitere Sachverhaltsermittlungen erfordert. Die Sache ist daher an das Beschwerdege-richt zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). 28 IV. Die Rechtsbeschwerde ist dagegen unbegründet, soweit mit ihr die Fest-stellung beantragt wird, dass schon die Haftanordnung des Amtsgerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. 29 - 12 - Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde allerdings auch hier einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). 30 1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts genügte insgesamt nicht dem sich aus Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG ergebenden Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung. Dem die Haft anordnenden [X.]uss ist zu den Grundlagen der Sachverhaltsfeststellung und der richterlichen Überzeugungs-bildung überhaupt nichts zu entnehmen, obwohl die Tatsachengrundlage nicht eindeutig war. 31 Einzige Grundlage für die Haftanordnung war der Antrag der Beteiligten zu 2, der sich in einer schlagwortartigen, allgemeinen Schilderung des [X.] und der Bitte an das Amtsgericht, die beantragte Haft zur [X.] für drei Monate anzuordnen, erschöpfte, verbunden mit Hinweisen auf eine Erklärung der [X.] zur Beschaffbar-keit eines [X.]s in diesem [X.]raum und das Einvernehmen der St[X.]tsanwaltschaft nach § 72 [X.]. Die Ausländerakte war entgegen der [X.] in § 417 Abs. 2 Satz 2 [X.] ohne Angabe von Gründen von der Behörde nicht vorgelegt und von dem Gericht auch nicht beigezogen [X.]. Dasselbe gilt für die in dem Haftantrag zitierte Ausschreibung zur Fest-nahme (§ 50 Abs. 7 Satz 1 [X.]), die nicht durch die Beteiligte zu 2, son-dern durch die für den bisherigen Aufenthaltsort des Betroffenen örtlich zustän-dige Ausländerbehörde erfolgt war (zur Zuständigkeit der Ausländerbehörden: [X.], [X.]. v. 18. März 2010, [X.], [X.]. 12 ff., juris). Der Betroffene hat das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zu 2 in dem Haftantrag auch nicht dadurch bestätigt, dass er im Anhörungstermin geschwiegen hat. 32 - 13 - Dringende Verdachtsgründe für das Vorliegen der Voraussetzungen ei-ner Freiheitsentziehung sowie ein Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts, die sich aus den Angaben der Beteiligten zu 2 in ihrem Haftantrag ergaben, hätten zwar eine einstweilige Anordnung nach § 427 Abs. 1 [X.] zugelassen, rechtfertigten aber nicht die Haftanordnung für drei Monate, die eine richterliche Gewissheit von dem Vorliegen der Haftgründe erfordert (vgl. [X.], [X.]. v. 18. März 2010, [X.], [X.]. 24, juris). 33 2. Der darin liegende Verfahrensfehler des Amtsgerichts rechtfertigt [X.] nicht die beantragte Feststellung des Betroffenen, durch die Haftanord-nung in seinen Rechten verletzt worden zu sein. 34 a) Allerdings kann die allein auf einem Verfahrensfehler beruhende [X.] den Betroffenen in seinen Rechten verletzen, selbst wenn der Verfahrensfehler später behoben wird und sich die Anordnung danach als in der Sache richtig darstellt. Voraussetzung dafür ist jedoch ein grundlegender [X.]sfehler, der - wie das Unterlassen der nach § 420 Abs. 1 FamFG vorge-schriebenen persönlichen Anordnung - einer gleichwohl angeordneten Haft zur Sicherung der Abschiebung den Makel der rechtswidrigen Freiheitsentziehung aufdrückt, und der auch durch die Nachholung der Maßnahme nicht mehr zu tilgen ist ([X.] [X.] 2006, 462, 464; [X.], [X.]. v. 4. März 2010, [X.], [X.]. 12, 16, juris). Ein solcher Verstoß gegen die Anhörungs-pflicht liegt hier jedoch nicht vor. 35 b) Bei anderen [X.] muss der Betroffene dagegen eine bis zu dem erledigenden Ereignis tatsächlich erfolgte Heilung - insbesondere in einem Beschwerdeverfahren - hinnehmen ([X.], [X.]. v. 8. März 2007, [X.] 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; [X.]. v. 25. März 2010, [X.], [X.]. 23, juris; [X.], [X.]O, § 62 [X.]. 22). Das [X.] ist 36 - 14 - für ihn dann kein anderes, als wenn bereits das Amtsgericht das Verfahren feh-lerfrei durchgeführt hätte ([X.], [X.]. v. 25. März 2010, [X.], [X.]. 23, juris; [X.], [X.]O, § 62 [X.]. 23). So ist es hier. Der Mangel des amtsgerichtlichen Verfahrens ist durch die von dem Beschwerdegericht nachgeholte Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] geheilt worden (dazu oben II[X.]2.b) [X.]) (1)). Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der amtsgerichtlichen Haftanordnung bedurfte es hier - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - weiterer Ermittlungen an-gesichts des Umstands nicht mehr, dass der im Beschwerdeverfahren anwalt-lich vertretene Betroffene ausdrücklich den Haftgrund zugestanden und seine Angriffe auf die Unverhältnismäßigkeit der Haftanordnung mit dem Hinweis dar-auf beschränkt hatte, dass eine Abschiebung nach [X.] innerhalb der Frist von drei Monaten nicht durchführbar sei. 37 Vor dem Hintergrund des Vorbringens des Betroffenen in der [X.] durfte das Beschwerdegericht davon ausgehen, dass die die Haftanordnung begründenden Feststellungen den Tatsachen entsprachen. Das Beschwerdegericht muss nämlich nicht allen denkbaren Möglichkeiten nachge-hen. Seine Pflicht zur Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen geht nur so weit, wie das Vorbringen der Beteiligten zu weiteren 38 - 15 - Erkundigungen Anlass gibt (vgl. [X.], [X.]. v. 8. Oktober 2009, 34 [X.], juris, Rz. 24). [X.] Schmidt-Räntsch [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 23.09.2009 - 241 XIV 16/09 B - [X.], Entscheidung vom [X.]/09 -

Meta

V ZB 204/09

10.06.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2010, Az. V ZB 204/09 (REWIS RS 2010, 5986)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5986

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