Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2010, Az. V ZA 2/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8954

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[X.]BESCHLUSS V ZA 2/10 vom 25. Februar 2010 in der [X.] - Der [X.] hat am 25. Februar 2010 durch [X.] [X.], [X.] Lemke und [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub beschlossen: Der Antrag des Betroffenen, ihm Verfahrenskostenhilfe für die [X.] einer Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 26. Zivilkammer des [X.] vom 15. Januar 2010 zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe: [X.] Der Betroffene behauptet, algerischer St[X.]tsangehöriger zu sein; er [X.] zu einem nicht bekannten [X.]punkt vor dem 5. Dezember 2003 ohne die erforderlichen Papiere in die [X.] ein. Mit seit dem 1. März 2004 bestandskräftiger Verfügung der Ausländerbehörde wurde er [X.]; der sofortige Vollzug und die Abschiebung nach [X.] wurden angeordnet. 1 Zwischen dem 16. April 2004 und dem 24. März 2006 war der Aufenthalt des Betroffenen geduldet. Mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 14. März 2006 wurde er vergeblich aufgefordert, am 22. März 2006 an einer Sammelvor-führung vor Vertretern der algerischen Botschaft teilzunehmen. Gleichzeitig 2 - 3 - wurde er darauf hingewiesen, dass er verpflichtet sei, sich einen gültigen Pass oder [X.] zu beschaffen, die dazu notwendigen Erklärungen abzugeben und sonstige Mitwirkungshandlungen vorzunehmen. Am 15. März 2009 wurde der Betroffene festgenommen. Mit rechtskräfti-gem [X.]uss des Amtsgerichts vom 16. März 2009 wurde gegen den [X.]n zur Sicherung der Abschiebung im [X.] an eine seinerzeit zu voll-streckende Ersatzfreiheitsstrafe Haft für die Dauer von höchstens 3 Monaten, längstens bis zum 15. Juni 2009, angeordnet. 3 Seit dem 6. Juni 2009 befindet er sich in Abschiebehaft. 4 Seit Anfang Mai 2009 bemüht sich die Ausländerbehörde vergeblich, die St[X.]tsangehörigkeit des Betroffenen zu klären. Derzeit wird davon ausgegan-gen, dass er [X.] St[X.]tsangehöriger ist. Ein Identifizierungsverfah-ren wird in [X.] durchgeführt. Angaben zur Identifizierung macht der [X.] nicht. 5 Auf Antrag der Ausländerbehörde hat das Amtsgericht mehrfach die [X.] der Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen angeord-net, zuletzt mit [X.]uss vom 10. Dezember 2009 bis zum Ablauf des 9. März 2010. Die Beschwerde des Betroffenen ist erfolglos geblieben. Dagegen will er Rechtsbeschwerde einlegen. Dafür beantragt er die Bewilligung von Verfah-renskostenhilfe und die Beiordnung eines bei dem [X.] zugelas-senen Rechtsanwalts. 6 - 4 - I[X.] 7 Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass [X.] Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Betroffene [X.] sei, dass die Passersatzpapierbeschaffung zwar noch [X.] in Anspruch nehmen werde, es aber nicht ersichtlich sei, dass die Abschiebung nicht innerhalb der [X.] Haftdauer erfolgen könne. Zudem habe die Ausländerbehörde das [X.] immer schnellstmöglich betrieben. II[X.] 1. Der Betroffene erfüllt die persönlichen und wirtschaftlichen Vorausset-zungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat jedoch keine Aussicht auf Erfolg. 8 2. Die Rechtsbeschwerde wäre allerdings statthaft (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG) und auch im Übrigen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG zulässig. Die Zurückweisung der Beschwerde des Betroffenen gegen die [X.] der Haftdauer ist jedoch rechtlich nicht zu [X.]. 9 a) Falls der Betroffene rügen will, dass seine Anhörung vor dem Amtsge-richt nicht ordnungsgemäß war, weil sie nicht im Beisein seines [X.] stattgefunden hat, hätte das keinen Erfolg. Einem Verfahrensbevollmächtig-ten muss zwar die Möglichkeit eingeräumt werden, an dem Anhörungstermin teilzunehmen ([X.] 2006, 90; [X.] Schleswig [X.]R 2007, 495). Das ist hier aber erfolgt. Der Bevollmächtigte ist am Tag des Eingangs des Antrags der Ausländerbehörde bei dem Amtsgericht per Telefax zu dem Anhörungstermin am 10. Dezember 2009 geladen worden. Eine Teilnahme [X.] - 5 - folgte wegen einer Terminskollision nicht. Ein [X.] wurde nicht gestellt. Daher liegt keine verfahrensfehlerhafte Anhörung vor. 11 b) Sowohl das Amtsgericht als auch das Beschwerdegericht haben ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Betroffene nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 5 [X.] zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen war, weil die Ausreisefrist abgelaufen ist, der Betroffene seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er er-reichbar ist, und die begründete Gefahr besteht, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wird. Aufgrund des bestandskräftigen Bescheids der Ausländerbehörde vom 29. Januar 2004 ist der Betroffene seit dem 2. März 2004 vollziehbar ausreisepflichtig. Er konnte jedoch erst am 15. März 2009 festgenommen werden. Aufgrund dieser Umstände und der Tatsache, dass der Betroffene nicht im Besitz gültiger Ausweispapiere ist, besteht der begründete Verdacht, dass er sich der Abschiebung entziehen wird. c) Nach § 62 Abs. 3 Satz 1 [X.] kann die [X.] bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in den Fällen, in denen der [X.] seine Abschiebung verhindert, um höchstens zwölf Monate verlängert werden (§ 62 Abs. 3 Satz 2 [X.]). Die Voraussetzungen dafür liegen vor. Der Betroffene hat seine Abschiebung verhindert. 12 [X.]) Ein Verhindern liegt vor, wenn ein von dem Willen des Ausländers abhängiges pflichtwidriges Verhalten ursächlich dafür ist, dass die Abschiebung nicht erfolgen konnte (vgl. Senat, [X.]. v. 11. Juli 1996, [X.], [X.], 2796; BayObLG, [X.]. v. 16. September 2004, [X.], juris Rdn. 13), wenn also das für die Abschiebung bestehende Hindernis auf [X.] des Ausländers, zu dessen Unterlassen er verpflichtet ist, oder auf ein Unter-lassen zurückgeht, während er zu [X.] verpflicht ist ([X.] S[X.]rbrücken [X.] 1999, 243). 13 - 6 - 14 bb) Die Verpflichtung des Betroffenen, an der Beschaffung von Passer-satzpapieren mitzuwirken, ergibt sich aus § 48 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Verwei-gert er die Mitwirkung, verhindert er gleichzeitig seine Abschiebung, denn dann erhält er von seinem Heimatst[X.]t keine [X.], so dass er in diesen nicht einreisen und auch nicht abgeschoben werden kann ([X.] S[X.]rbrücken [X.] 1999, 243). Gegen diese Mitwirkungspflicht, über die der Betroffene mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 14. März 2006 belehrt wurde, hat er schuldhaft verstoßen. Seine Angaben zu seiner Identität und St[X.]tsangehörig-keit haben erhebliche Zweifel an dem Wahrheitsgehalt aufgeworfen mit der Fol-ge, dass umfangreiche Ermittlungen bei konsularischen Vertretungen mehrerer St[X.]ten erforderlich geworden sind. Das hat zur Verzögerung der Abschiebung geführt, was der Betroffene zu vertreten hat. Denn in den ihm zuzurechnenden und von ihm daher hinzunehmenden [X.]raum fällt grundsätzlich auch das Prü-fungsverfahren, das die [X.] bis zur positiven Bescheidung für sich in Anspruch nehmen ([X.], [X.]. v. 9. Juli 2009, 34 Wx 057/09, juris Rdn 18; [X.], 177; [X.], 454). [X.]) Sind die Möglichkeiten der Klärung der St[X.]tsangehörigkeit erschöpft und kann die Ausländerbehörde deshalb keine konkreten Maßnahmen zur [X.] der Abschiebung mehr treffen, ist die Anordnung der [X.] allerdings nicht mehr zulässig, da sie ihren Zweck, die Abschiebung zu si-chern, nicht mehr erfüllen kann ([X.], [X.]. v. 1. Oktober 2008, [X.], juris Rdn. 11; [X.] 2001, 446). So liegt es hier jedoch nicht. Die Identitätsfeststellung durch die [X.] Behörden ist noch nicht abgeschlossen. Eine Aussichtlosigkeit der laufenden Ermittlungen ist derzeit nicht gegeben, da es ernsthafte Anhaltspunkte für eine [X.] St[X.]tsangehörigkeit des Betroffenen gibt. Die [X.] dient hier somit nicht dem Zweck, den Betroffenen zur Abgabe von Erklärungen zu veranlassen (sog. Beugehaft). 15 - 7 - 16 d) Die Haftanordnung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die [X.] die Abschiebungsvorbereitungen nicht mit der gebotenen [X.]euni-gung betrieben hätte. Seit Mai 2009 wird das Verfahren fortwährend betrieben. Bereits während der Strafhaft wurde der Betroffene der algerischen Botschaft vorgeführt. Auch das [X.] Generalkonsulat wurde noch während der Strafhaft um Durchführung eines Identifizierungsverfahrens gebeten. Die lange Dauer der Identifizierung hat ihre Ursache in der Beteiligung von drei St[X.]ten, der Notwendigkeit der Durchführung von entsprechenden Sammelvorführungen und den hiermit einhergehenden organisatorischen Maßnahmen. Ferner hat die Ausländerbehörde Ermittlungen in [X.], [X.] und [X.] z. T. paral-lel durchführen lassen. Insbesondere gegenüber [X.] hat sie zudem auf die besondere Dringlichkeit des Verfahrens sowohl mündlich als auch schriftlich hingewiesen. Auf die Bearbeitung der Verfahren durch die beteiligten ausländi-schen Behörden selbst hat die Ausländerbehörde jedoch keinen Einfluss. Dorti-ge Verzögerungen sind ihr nicht zuzurechnen ([X.], [X.]. v. 9. Juli 2009, 34 Wx 057/09, juris; [X.], 177; [X.], 454). e) Die Haftanordnung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil absehbar ist, dass die Abschiebung innerhalb des nach dem Gesetz vorgeschriebenen zeitlichen Rahmens unmöglich ist (vgl. hierzu [X.] Karlsruhe [X.] 1995, 207). Zwar hat das [X.] Generalkonsulat mit Schreiben vom 8. September 2009 mitgeteilt, dass "die Identifizierung der Fingerabdrücke des Betreffenden eine genaue Untersuchung erfordert und daher eine gewisse [X.] in Anspruch nimmt". Dem kann aber nicht entnommen werden, wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist. Zudem hat das [X.] dem Amtsgericht im Juni 2009 mitgeteilt, dass von fünf bei dem [X.] Generalkonsulat beantragten Identifizierungsverfahren zwei innerhalb von drei Monaten positiv beschieden worden, ein weiteres im [X.]raum von drei bis sechs Monaten und 17 - 8 - zwei Verfahren aus dem [X.] noch nicht abgeschlossen seien. Nach den Erfahrungen der [X.] ist in einem [X.]raum von bis zu 10 Monaten nach Übersenden des [X.] mit einem positi-ven Rücklauf aus [X.] zu rechnen. Da das Passersatzpapier für den [X.]n bei dem [X.] Generalkonsulat am 18. Mai 2009 beantragt worden ist, ist somit nicht ausgeschlossen, dass es rechtzeitig einen positiven Bescheid geben kann. f) Schließlich ist die Haftanordnung bis zum 9. März 2010 auch im Übri-gen verhältnismäßig. Sie unterschreitet die mögliche Höchstdauer von insge-samt 18 Monaten nach § 62 Abs. 3 [X.]. Zudem befindet sich der [X.] zwar seit dem 15. März 2009 in Haft. Ausweislich des [X.] 18 - 9 - musste aber zunächst bis zum 5. Juni 2009 eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden. Die Vollstreckung der [X.] begann demnach am 6. Juni 2009 und dauert somit bis heute keine neun Monate. [X.] Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 10.12.2009 - 271 [X.]/09 - [X.], Entscheidung vom 15.01.2010 - 26 T 106/09 -

Meta

V ZA 2/10

25.02.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZA

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2010, Az. V ZA 2/10 (REWIS RS 2010, 8954)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8954

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