Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.06.2010, Az. V ZB 3/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5776

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Gegenstand

Freiheitsentziehungsverfahren: Pflicht des Beschwerdegerichts zur erneuten Anhörung des Betroffenen; Anforderungen an die Anhörung durch den Haftrichter bei Anordnung der Abschiebehaft


Leitsatz

1. Das Beschwerdegericht darf von der erneuten Anhörung des Betroffenen nicht absehen, wenn sich nach der Haftanordnung neue Gesichtspunkte ergeben haben .

2. § 420 Abs. 1 FamFG gibt dem Haftrichter keine inhaltlichen Vorgaben für die Gestaltung der Anhörung des Betroffenen .

3. Der Haftrichter hat die Anhörung des Betroffenen nach § 26 FamFG so zu gestalten, wie es einer ordnungsgemäßen amtswegigen Sachaufklärung entspricht. Dazu hat er den Betroffenen regelmäßig zu allen entscheidungserheblichen Punkten zu befragen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Haftantrag der Behörde wesentliche Punkte offen lässt .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 29 des [X.] vom 29. Dezember 2009 und der Beschluss des [X.] vom 13. November 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Beteiligten zu 2 auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene reiste etwa zwei bis drei Wochen vor dem 13. November 2009 nach [X.] ein. An diesem Tag wurde er von Vollzugsbeamten der Beteiligten zu 2 festgenommen. Bei seiner Festnahme hatte er keine Ausweispapiere bei sich, behauptete aber, eine [X.] Identitätskarte zu haben, die sich bei einem Freund befinde. Im weiteren Verlauf des Verfahrens legte er mehrere [X.] Dokumente, darunter eine "Carta d’Identità (Personalausweis) mit einer Gültigkeit bis zum 10. Juli 2018, eine "Permesso di Soggiorno" (Aufenthaltserlaubnis) mit einer Gültigkeit bis zum Ablauf des 23. Juli 2010 und einen "Titulo di Viaggio per Stranieri" ([X.]) mit nicht lesbarer Angabe zur Gültigkeit, vor. Die Beamten der Beteiligten zu 2 stellten fest, dass der Betroffene in dem [X.] erfasst ist, konnten aber Einzelheiten nicht klären. Die Beteiligte zu 2 beantragte die Anordnung der Haft zur Sicherung der Rückschiebung des Betroffenen nach [X.] bis zum 15. Januar 2010.

2

Das Amtsgericht hat dem Antrag entsprochen. Die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen hat sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde gewandt. Er ist am 11. Januar 2010 nach [X.] zurückgeschoben worden und beantragt die Feststellung, dass die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

3

Das Beschwerdegericht hält die Haftanordnung für rechtmäßig. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 [X.] habe vorgelegen, weil der Betroffene nicht glaubhaft gemacht habe, dass er sich der Zurückschiebung nicht entziehen wolle. Er habe sich seit seiner Einreise nicht mit den Behörden in Verbindung gesetzt, keine Angaben zum Zwecke seines Aufenthalts gemacht, er sei ohne festen Wohnsitz und ohne Einkommen. Die Dauer der angeordneten Haft sei verhältnismäßig und das Verfahren auch fortwährend durch die Ausländerbehörde betrieben worden.

III.

4

Das Rechtsmittel des Betroffenen hat Erfolg.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie kann nach der Erledigung der Hauptsache auch mit dem Antrag fortgesetzt werden, die Rechtsverletzung durch die Haftanordnung und, wie hier, die Beschwerdeentscheidung festzustellen (Senat, [X.]. v. 25. Februar 2010, [X.], NVwZ 2010, 726 = juris Rdn. 9.; Senat, [X.]. v. 4. März 2010, [X.], [X.] 2010, 246 = juris Rdn. 6). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

6

2. Die Entscheidung des [X.] hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.

7

a) Das Beschwerdegericht hat die gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen versäumt.

8

aa) Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG (dazu: [X.] NVwZ-RR 2009, 304, 305; [X.], [X.]. v. 1. April 2008, 2 BvR 1925/04, juris Rdn. 18) auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, [X.]. v. 11. Mai 1995, [X.], NJW 1995, 2226, insoweit in [X.], 383 nicht abgedruckt; [X.]. v. 28. Januar 2010, [X.], juris Rdn. 7; [X.]. v. 4. März 2010, [X.], [X.] 2010, 246 = juris Rdn. 13). Diese Voraussetzungen lagen hier ersichtlich nicht vor.

9

bb) Die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht war, wie noch darzulegen sein wird, nicht ordnungsgemäß. Vor allem aber hatten sich seit dem Erlass der Haftanordnung neue Gesichtspunkte ergeben, die einem Absehen von der persönlichen Anhörung entgegenstanden und diese im Gegenteil sogar erforderlich machten. Der Betroffene hatte nämlich [X.] Dokumente vorgelegt, die seine Einlassungen vor den Vollzugsbeamten der Beteiligten zu 2 bestätigten und die Fortdauer der [X.] in Frage stellten. Sie ergaben zwar nicht, dass der Betroffene Flüchtlingsstatus hat und schon deshalb nicht unerlaubt eingereist ist. Nach diesen Unterlagen konnte es aber aus anderen Gründen an einer unerlaubten Einreise, jedenfalls an einem Haftgrund fehlen. Diese Fragen konnte das Beschwerdegericht sachgerecht nur klären, indem es den Betroffenen erneut persönlich anhörte. Denn es kam dazu auch auf den persönlichen Eindruck von dem Betroffenen entscheidend an (dazu [X.]E 58, 208, 220 ff.; [X.] NJW 1990, 2309, 2310).

b) Die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde durch das Beschwerdegericht ist auch in der Sache fehlerhaft.

aa) Zu dieser Entscheidung durfte das Beschwerdegericht nur kommen, wenn der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig war, ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und/oder Nr. 5 [X.] vorlag und die Fortdauer der Haft noch verhältnismäßig war. Die vollziehbare Ausreisepflicht des Betroffenen ergab sich hier nicht aus einer Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde oder des [X.], an die das Beschwerdegericht gebunden wäre. Sie konnte sich unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Einreise nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] nur aus dem Gesetz selbst ergeben und war deshalb von dem Haftrichter selbständig festzustellen (Senat, [X.]. v. 16. Dezember 2009, [X.] 148/09, [X.] 2010, 50 = juris Rdn. 7). Die danach erforderlichen Feststellungen hat das Beschwerdegericht nicht rechtsfehlerfrei getroffen.

bb) Schon die Feststellung der vollziehbaren Ausreisepflicht des Betroffenen ist rechtsfehlerhaft.

(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht zwar davon aus, dass die Einreise des Betroffenen nach § 14 Abs. 1 [X.] unerlaubt war, wenn er ohne gültigen Pass oder Passersatz und ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel (regelmäßig ein Visum) eingereist ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat es aber nicht so aufgeklärt, wie das nach § 26 FamFG erforderlich war. Es hat sich allein darauf gestützt, dass der Betroffene bei seiner Festnahme keine Papiere bei sich führte und keinen Flüchtlingsstatus hat. Das ist unzureichend.

(2) Als Pass oder Passersatz genügt zwar nicht die [X.] Identitätskarte, auf die sich der Betroffene von Anfang an und in der Sache auch zutreffend berufen hat. Ein solches Papier ist nach § 3 Abs. 3 Nr. 5 [X.] nur bei den eigenen Staatsangehörigen des ausstellenden Mitgliedstaates der [X.] ein ausreichender Passersatz, nicht bei Drittausländern, zu denen der Betroffene gehört. Der Betroffene hat aber im Beschwerdeverfahren auch eine Kopie seines [X.]n [X.]es vorgelegt, der nach seinem Inhalt für das Gebiet aller Vertragsstaaten des [X.] und damit auch für die Bundesrepublik [X.] gilt und als Reisedokument ausreicht. Die Vorlage dieses Dokuments aus der [X.] heraus spricht dafür, dass er diesen Pass auch bei der Einreise bei sich führte. Ob der Pass bei der Einreise und der Festnahme des Betroffenen noch gültig war, ist zwar aus der vorgelegten Kopie nicht eindeutig zu entnehmen. Dem war aber nachzugehen, weil die unerlaubte Einreise Voraussetzung für die Haftanordnung ist und angesichts der vorgelegten anderen Dokumente Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Pass gültig war.

(3) Allerdings bliebe die Einreise nach § 14 Abs. 1 [X.] unerlaubt, wenn der Betroffene ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel eingereist wäre. Ein Visum ist aus dem [X.] des Betroffenen nicht ersichtlich. Er hat auch nicht behauptet, mit einem Visum eingereist zu sein. Ein Visum war auch nicht, darin ist dem Beschwerdegericht Recht zu geben, nach § 18 Satz 1 [X.] entbehrlich, weil der Betroffenen keinen Flüchtlingsstatus hat. An dieser Stelle durfte das Beschwerdegericht seine Prüfung aber nicht abbrechen.

Drittausländer, die wie der Betroffene über eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis in einem Mitgliedstaat der [X.] verfügen, dürfen sich nach Art. 21 Abs. 2 [X.] unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a, c und [X.] ([X.], [X.]. Nr. L 105 S. 1 - Schengener Grenzkodex) bis zu drei Monaten im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsstaaten des [X.] auf Grund des Aufenthaltstitels und eines von dem Mitgliedstaat ausgestellten Reisedokuments bewegen. Der Betroffene hat dargelegt, dass er eine gültige befristete [X.] Aufenthaltserlaubnis hat. Er durfte sich deshalb in [X.] aufhalten, wenn er ein gültiges Reisedokument, das ihn zum Überschreiten der Grenze berechtigt, hatte und wenn er die übrigen Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchstaben c und [X.] erfüllte. Seinen [X.] hat der Betroffene in Kopie vorgelegt. Dessen Gültigkeit und das Vorliegen der anderen Voraussetzungen für seinen visumsfreien Aufenthalt in [X.] hat das Beschwerdegericht nicht überprüft. Anhaltspunkte, die das Vorliegen dieser Voraussetzungen von vornherein ausschlossen, bestanden und bestehen nicht. Der Betroffene ist mit gültigen Fahrscheinen nach und in [X.] gereist und hat dort einen Freund besucht. Aus dem Umstand, dass er bei seiner Festnahme dessen Namen nicht genannt hat, lässt sich auf das Fehlen der Voraussetzungen nicht schließen. Denn dieser Freund hat wenige Tage später der Beteiligten zu 2 Papiere vorgelegt, die der Betroffene zu haben behauptet hatte. Jedenfalls haben sich weder die Beteiligte zu 2 noch das Beschwerdegericht mit diesen Fragen auch nur im Ansatz befasst. Das war aber zur Feststellung der Voraussetzungen für die Haftanordnung erforderlich.

cc) Auch der von dem Beschwerdegericht angenommene Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

Bei einer - hier zudem schon nicht ordnungsgemäß festgestellten - unerlaubten Einreise des Betroffenen ist nach § 62 Abs. 2 Satz 3 [X.] von der Anordnung der [X.] abzusehen, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Das Vorliegen dieser Ausnahme hat das Beschwerdegericht verfahrensfehlerhaft verneint. Der Betroffene durfte nach Vorlage seiner Dokumente davon ausgehen, dass diese zur Glaubhaftmachung ausreichten, und nach § 37 Abs. 2 FamFG und Art. 103 Abs. 1 GG einen Hinweis des Gerichts erwarten, wenn es Zweifel daran hatte. Außerdem war etwaigen Zweifeln in der ohnehin vorgeschriebenen persönlichen Anhörung nachzugehen. Beides ist nicht geschehen. Die nicht näher konkretisierten Zweifel des [X.] an der Glaubhaftmachung des Betroffenen waren jedenfalls nicht begründet. Der Betroffene hat sich von Anfang an auf seine [X.] Identitätskarte berufen, die er tatsächlich besitzt. Er hat dargelegt, dass er in [X.] ein gesichertes Aufenthaltsrecht hat und nach dem [X.] jederzeit dorthin zurückkehren darf. Er hat in [X.] seinen Wohnsitz und betreibt dort ein Asylverfahren. Weshalb er von seinem Rückkehrrecht keinen Gebrauch machen sollte, dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Dass der Betroffene eine Rückkehr nach [X.] abgelehnt hätte, ist den Akten und den angefochtenen Entscheidungen nicht zu entnehmen. Das reichte unter den hier gegebenen Umständen zur Glaubhaftmachung aus.

dd) Die Zurückweisung der Beschwerde war schließlich auch deshalb fehlerhaft, weil die weitere Fortdauer der Haft jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] nicht mehr verhältnismäßig war. Der Betroffene hatte gültige Papiere, die ihn zum Aufenthalt in [X.] berechtigten und ihm die jederzeitige Rückkehr dorthin sicherten. Anhaltspunkte dafür, dass er nicht mit dem nächst erreichbaren Flugzeug nach [X.] zurückkehren würde, sind nicht festgestellt. Der Rückkehr des Betroffenen stand auch die Bitte um Unterstützung bei der Rückführung an das [X.] nicht entgegen. Denn dieses hatte das dazu Erforderliche spätestens am 14. Dezember 2009 unternommen. Einen sachlichen Grund dafür, die Rückkehr des Betroffenen nach [X.] erst für den 11. Januar 2010 vorzusehen und die Haft solange fortdauern zu lassen, gab es nicht.

3. Auch die Entscheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.

a) Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Beteiligte zu 2 dem Amtsgericht die Ausländerakte nicht vorgelegt hat. Die beteiligte Behörde soll dem Haftrichter nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG die (vollständige) Akte vorlegen. Der Haftrichter selbst wird die Ausländerakte regelmäßig schon nach § 26 FamFG von sich aus beizuziehen haben, weil sie notwendige Grundlage der Entscheidung über die Anordnung der [X.] ist (vgl. [X.] NVwZ 2008, 304, 305; [X.] 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659, 2660; Senat, [X.]. v. 4. März 2010, [X.], [X.] 2010, 246 = juris Rdn. 19; [X.]ussempfehlung zum FamFG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). Etwas anderes gilt nicht nur, wenn sich der unter Beiziehung der Ausländerakte festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, [X.]. v. 4. März 2010, [X.] aaO), sondern auch dann, wenn die Verfahrensakte - wie hier - nur aus der dem [X.] zugrunde liegenden Verfügung besteht und dieser den Inhalt der Akten wiedergibt.

b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Amtsgericht auch nicht die nach § 420 Abs. 1 FamFG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen versäumt. Diese hat ausweislich des Protokolls vom 13. November 2009 im Beisein eines Vertreters der Beteiligten zu 2 und einer Dolmetscherin für die [X.] Sprache stattgefunden. Das stellt die Rechtsbeschwerde auch nicht in Abrede. Sie leitet den Verstoß gegen § 420 Abs. 1 FamFG vielmehr aus der aus ihrer Sicht unzureichenden Durchdringungstiefe ab, die die Anhörung nach dem Inhalt des Protokolls gehabt habe. Eine im Einzelfall nicht ausreichende Durchdringungstiefe führt aber nicht dazu, dass die durchgeführte Anhörung gewissermaßen als "Nichtanhörung" anzusehen und § 420 Abs. 1 FamFG verletzt wäre. § 420 Abs. 1 FamFG begründet kein besonderes, neben § 26 FamFG tretendes Sachaufklärungsgebot. Die Vorschrift legt vielmehr fest, dass der [X.] den Betroffenen persönlich anhören muss, aber nicht, in welchem Umfang das zu geschehen hat. Das ließe sich auch nicht allgemein festlegen. Der Umfang der Anhörung bestimmt sich vielmehr wie bei allen anderen Maßnahmen der Sachaufklärung gemäß § 26 FamFG danach, was nach den Umständen des Einzelfalls geboten ist, um den Sachverhalt sachgerecht von Amts wegen aufzuklären. Das bedeutet nicht, dass Unzulänglichkeiten bei der Anhörung folgenlos blieben. Eine inhaltlich unzureichende persönliche Anhörung des Betroffenen führt im Gegenteil dazu, dass der Sachverhalt nicht in dem gebotenen Umfang aufgeklärt ist, die Haftanordnung deshalb nicht ergehen darf und gegebenenfalls aufgehoben werden muss.

c) Dieser Fall ist hier eingetreten. Das Amtsgericht hat, was die Rechtsbeschwerde inhaltlich auch gerügt hat, den Sachverhalt nicht ansatzweise aufgeklärt. Seine Feststellungen tragen die Haftanordnung nicht.

aa) Die Angaben in dem [X.] der Beteiligten zu 2 boten keine taugliche Grundlage für den Erlass der beantragten [X.]. Daraus ergab sich zwar, dass der Betroffene bei seiner Festnahme keine Papiere bei sich führte. Die Beteiligte zu 2 hatte in dem [X.] aber auch dargelegt, dass der Betroffene behauptete, eine [X.] Identitätskarte zu haben, die sich bei einem Freund befinde. Das konnte nach dem [X.] richtig sein, weil über den Betroffenen in [X.] ein Eintrag für [X.] zu finden war. Damit blieben alle für die Haftanordnung wesentlichen Fragen offen.

bb) Das hatte zur Folge, dass das Amtsgericht dem [X.] nur entsprechen konnte, wenn es selbst die von der Beteiligten zu 2 unterlassene Sachaufklärung vornahm und feststellte, ob der Betroffene tatsächlich unerlaubt eingereist, der - zudem in dem [X.] nicht spezifizierte - Haftgrund gegeben und die Anordnung der Haft verhältnismäßig war. Dazu war eine eingehende Befragung des Betroffenen zu den Umständen seiner Einreise und zu seinem aufenthaltsrechtlichen Status in [X.] unerlässlich. Zusätzliche Veranlassung hierzu ergab die Erklärung des Betroffenen, er habe in [X.] Asyl beantragt. Das entsprach den Angaben der Beteiligten zu 2 in dem [X.]. Die gebotene Sachaufklärung hat das Amtsgericht nicht vorgenommen. Es hat die persönliche Anhörung des Betroffenen schon nach dessen Hinweis auf das Asylverfahren in [X.] abgebrochen, obwohl ihm dieser Hinweis erst recht Veranlassung gab, den Betroffenen eingehend zu den Umständen seiner Einreise, dem Vorhandensein von Papieren und dem aufenthaltsrechtlichen Status in [X.] zu befragen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128c [X.] und § 83 Abs. 2, § 81 und § 430 FamFG (vgl. Senat, [X.]. v. 29. April 2010, [X.] 218/09, juris).

Krüger     

        

Klein     

        

Lemke

        

Schmidt-Räntsch     

        

[X.]     

        

Meta

V ZB 3/10

17.06.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Hamburg, 29. Dezember 2009, Az: 329 T 72/09, Beschluss

§ 26 FamFG, § 37 Abs 2 FamFG, § 68 Abs 3 S 2 FamFG, § 420 Abs 1 FamFG, § 62 Abs 2 AufenthG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.06.2010, Az. V ZB 3/10 (REWIS RS 2010, 5776)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5776

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