Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28.11.2011, Az. 2 BvR 1181/11

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2011, 1032

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs (Art 33 Abs 2 GG iVm Art 19 Abs 4 GG) bei Stellenbesetzung nach Abbruch eines ersten Auswahlverfahrens ohne hinreichende Dokumentation des Abbruchgrundes


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 1. März 2011 - 1 [X.]/11 - und der Beschluss des [X.] vom 13. Dezember 2010 - 1 L 1148/10.DA - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 33 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des [X.] vom 1. März 2011 - 1 [X.]/11 - wird aufgehoben. Die Sache wird an den [X.] zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des [X.] vom 28. April 2011 - 1 [X.]/11.R - gegenstandslos.

...

Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen verwaltungsgerichtliche Eilentscheidungen in einem Konkurrentenstreit.

I.

2

Der Beschwerdeführer ist Studiendirektor im Dienste des [X.].

3

Er bewarb sich zunächst auf eine 2009 vom [X.] unter der Nummer 10316 ausgeschriebene Stelle einer Direktorin beziehungsweise eines Direktors der [X.] F.

4

2010 wurde die Stelle unter der [X.] 13603 erneut ausgeschrieben. Wiederum bewarb sich der Beschwerdeführer. Nach einem Überprüfungsverfahren wurde ein - im Ausgangsverfahren beigeladener - Mitbewerber des Beschwerdeführers ausgewählt. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Widerspruch.

5

Gleichzeitig beantragte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag, dem [X.] die Besetzung der Stelle mit einem anderen Bewerber zu untersagen, bevor nicht über seine Bewerbungen bestandskräftig entschieden worden sei. Er berief sich unter anderem darauf, ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass das frühere Auswahlverfahren abgebrochen worden sei. Der Abbruch sei mangels sachlichen Grundes rechtswidrig. Allein die Zahl der verbliebenen Bewerber rechtfertige keinen Abbruch, zumindest hätte die mögliche Eignung des verbliebenen Bewerbers in Erwägung gezogen werden müssen. Das [X.] teilte mit, dass im ersten Auswahlverfahren von ursprünglich fünf Bewerbern drei ihre Bewerbungen wieder zurückgezogen hätten. Der Beschwerdeführer habe ausdrücklich die Aufrechterhaltung seiner Bewerbung erklärt. Daher sei beabsichtigt gewesen, das Besetzungsverfahren mit den restlichen zwei Bewerbern durchzuführen. Nachdem unerwartet auch der Mitbewerber seine Bewerbung zurückgezogen und nur noch die Bewerbung des Beschwerdeführers vorgelegen habe, sei entschieden worden, das Verfahren abzubrechen und zur Erweiterung des [X.] neu auszuschreiben. Schriftliche Aufzeichnungen seien nicht auffindbar. Der Beschwerdeführer sei jedoch fernmündlich über die Neuausschreibung informiert worden.

6

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2010 lehnte das [X.] den Antrag des Beschwerdeführers ab. Der Beschwerdeführer wolle die Besetzung des Dienstpostens unterbinden, weil er aus dem unter Nummer 10316 eingeleiteten Auswahlverfahren für sich einen Anspruch auf Auswahl reklamiere. Ansprüche aus dem - möglicherweise rechtswidrig abgebrochenen - ursprünglichen Auswahlverfahren könnten sich jedoch nicht mehr ergeben, da der Beschwerdeführer in das neue Auswahlverfahren einbezogen worden sei. Ergänzend merkte das Verwaltungsgericht an, der Beschwerdeführer habe die Auswahl des Mitbewerbers in materieller Hinsicht nicht substantiiert beanstandet.

7

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers wies der [X.] mit Beschluss vom 1. März 2011 zurück. Wenn der Abbruch eines Auswahlverfahrens mangels sachlichen Grundes den Bewerbungsverfahrensanspruch verletze, dürfe keine Neuausschreibung erfolgen. Entgegen der Ansicht des [X.] würde die Einbeziehung des Bewerbers in das neue Verfahren daran nichts ändern. Vorliegend sei der Bewerbungsverfahrensanspruch des Beschwerdeführers durch den Abbruch aber letztlich nicht verletzt. Nach Nr. 1.12 des Erlasses vom 22. November 2001 (Amtsblatt 2002, [X.] könne ein Auswahlverfahren zugunsten einer Neuausschreibung abgebrochen werden, wenn - wie hier - nur eine Bewerbung vorliege und zu erwarten sei, dass sich das [X.] erweitern werde. Die Gründe für den Abbruch seien dem Beschwerdeführer in der erforderlichen schriftlichen Weise jedenfalls im erstinstanzlichen Verfahren mit einem Schriftsatz mitgeteilt worden. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Beschwerdeführers sei auch nicht im Rahmen des zweiten Auswahlverfahrens verletzt worden. Diskrepanzen zwischen den im Auswahlvermerk niedergelegten Tatsachen über das Überprüfungsverfahren und dessen tatsächlichem Ablauf habe der Beschwerdeführer nicht konkret dargelegt. Der Umstand, dass die während des [X.] von einer Mitarbeiterin des [X.]angefertigten Notizen nicht in der Akte enthalten seien, sei unschädlich. Ein schriftliches Wortprotokoll der [X.] Überprüfung sei nicht erforderlich.

8

Eine Gehörsrüge des Beschwerdeführers wies der [X.] mit Beschluss vom 28. April 2011 zurück.

II.

9

Mit seiner [X.]beschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 33 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 GG sowie seiner Menschenwürde.

Er sei weder telefonisch noch in sonstiger Weise vom Abbruch des Auswahlverfahrens unterrichtet oder über die Gründe informiert worden. Nur durch Zufall habe er von der Neuausschreibung erfahren. Schriftliche Unterlagen zu beiden Auswahlverfahren seien verschwunden, so dass die Entscheidungen des [X.] nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Bei Einsicht in die nach dem zweiten Verfahren verfassten Auswahlberichte habe er festgestellt, dass seine eigenen Leistungen ersichtlich abqualifiziert worden seien. Seine Einwände hätten anhand des Protokolls der Überprüfung leicht belegt werden können, dieses sei jedoch nicht auffindbar.

Im ersten Auswahlverfahren hätten drei Mitbewerber ihre Bewerbung auf Anraten des [X.] zurückgezogen. Er selbst habe seine Bewerbung trotz Drängens des [X.] aufrechterhalten. Als der wohl für die Stelle favorisierte Mitbewerber überraschend ebenfalls seine Bewerbung zurückgezogen habe, sei das Verfahren zur Erweiterung des [X.] abgebrochen worden. Dies sei nicht nachvollziehbar, da das [X.] selbst für die Verkleinerung des [X.] gesorgt habe. Die Entscheidung habe sich gegen ihn als noch verbliebenem Bewerber gerichtet, der nicht in die Planung gepasst habe. Mangels Information über den Abbruch habe man provoziert, dass er eine Neuausschreibung verpassen würde.

Nach seinen dienstlichen Beurteilungen hätte er, der Beschwerdeführer, zum Zuge kommen müssen. Die beiden Auswahlverfahren basierten auf unterschiedlichen Anforderungsprofilen. Ein Punkt im ersten Anforderungsprofil, der aufgrund seiner Tätigkeit an einer integrierten Gesamtschule besonders gut auf ihn passe, sei für die zweite Stellenausschreibung abgeändert worden.

Das [X.] hat dem [X.] und dem Beigeladenen des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die [X.] trägt vor, die Entscheidung über den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens sei nach der Rechtsprechung rechtzeitig zu dokumentieren. Wie weit dies im ersten Stellenbesetzungsverfahren geschehen sei, lasse sich den Unterlagen nicht entnehmen. Indes werde davon ausgegangen, dass der Dienstherr dieser Verpflichtung nachgekommen sei. Die Verwaltungsakten und die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.

B.

Die [X.]beschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Der [X.]beschwerde ist von der Kammer stattzugeben, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen vom [X.] bereits entschieden sind und die [X.]beschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]).

I.

Die [X.]beschwerde ist zulässig.

1. Insbesondere ist sie innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.] erhoben worden. Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers (§ 152a VwGO), die der [X.]hof zum Anlass für eingehende ergänzende Ausführungen nahm, war nicht offensichtlich aussichtslos und konnte daher die [X.]beschwerdefrist offenhalten (vgl. [X.] 5, 17 <19 f.>; 16, 1 <2 f.>; 19, 323 <330>).

2. a) Allerdings ist die Rüge der Verletzung des Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG unzulässig, soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass die auf die erneute Stellenausschreibung hin getroffene Auswahlentscheidung inhaltlich fehlerhaft sei. Es fehlt insoweit an einer hinreichenden Begründung im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.], da der Beschwerdeführer die für eine sachgerechte verfassungsrechtliche Beurteilung erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt hat (vgl. [X.], 261 <263 f.>; 13, 557 <559>). Der Beschwerdeführer legt den Bericht über das Auswahlverfahren, in welchem der Dienstherr seine Auswahlerwägungen niedergelegt hat, nicht mit vor. Der Inhalt des Auswahlberichts ergibt sich auch nicht genau genug aus den vorgelegten Gerichtsentscheidungen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über den Auswahlbericht verfügt oder sich im Rahmen von Akteneinsicht eine Kopie hätte verschaffen können. [X.] und damit unzulässig ist auch die Rüge der Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG.

b) [X.] substantiiert ist die Rüge der Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG, soweit der Beschwerdeführer den Abbruch des ersten Auswahlverfahrens rügt.

II.

Die [X.]beschwerde ist auch offensichtlich begründet. Die Entscheidungen der Fachgerichte verkennen bei der Prüfung, ob der Abbruch des ersten Auswahlverfahrens der nunmehrigen Besetzung der Stelle entgegensteht, den Gehalt des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beschwerdeführers. Die Ablehnung des Antrags und die Zurückweisung der Beschwerde verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

1. a) Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem [X.] ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen [X.]nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus folgt der Anspruch eines Beförderungsbewerbers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung. Nach Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG kann der unterlegene Bewerber in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen, ob er durch die Auswahlentscheidung in seinem subjektiv-öffentlichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt worden ist (stRspr; vgl. [X.]K 12, 265 <268 f.>).

b) Die konkrete Stellenausschreibung und das daran anschließende Auswahlverfahren dienen der verfahrensmäßigen Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Bewerber (vgl. [X.], 355 <357>). Um eine Durchsetzung der in Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechte sicherstellen zu können, erfordert der Bewerbungsverfahrensanspruch eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens (vgl. [X.], 355 <357>; zu Art. 12 Abs. 1 GG vgl. [X.] 73, 280 <296>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. September 2002 - 1 BvR 819/01 u. a. -, DVBl 2002, S. 1629; [X.]K 5, 205 <215>).

c) Dem Bewerbungsverfahrensanspruch ist auch bei der Entscheidung über den Abbruch eines laufenden Auswahlverfahrens Rechnung zu tragen (vgl. [X.]K 5, 205 <215>, zu Art. 12 Abs. 1 GG). Nach der vom [X.] gebilligten Rechtsprechung des [X.] kommt dem Dienstherrn hinsichtlich der Beendigung eines eingeleiteten Bewerbungs- und Auswahlverfahrens ein weites [X.] und verwaltungspolitisches Ermessen zu (vgl. [X.], 112 <115>; BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14/98 -, NVwZ-RR 2000, [X.] <173>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2008 - 2 BvR 627/08 -, NVwZ-RR 2009, S. 344 <345>). Der Abbruch des Auswahlverfahrens, durch welchen sich die Zusammensetzung des [X.] steuern lässt (vgl. zu Art. 12 Abs. 1 GG [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. September 2002 - 1 BvR 819/01 u. a. -, DVBl 2002, S. 1629; [X.]K 5, 205 <215>), erfordert jedoch einen sachlichen Grund (vgl. [X.]K 10, 355 <358>; zu den Rechten von Notarbewerbern aus Art. 12 Abs. 1 GG vgl. auch [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. September 2002 - 1 BvR 819/01 u. a. -, DVBl 2002, S. 1629 <1630>; [X.]K 5, 205 <215>; s. auch [X.], 112 <115>; BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14/98 -, NVwZ-RR 2000, [X.] <173>). Wird der Abbruch eines Auswahlverfahrens dieser Anforderung nicht gerecht, so darf von [X.] wegen keine Neuausschreibung erfolgen. Durch eine Auswahlentscheidung in einem neuen Auswahlverfahren werden die Bewerber des ursprünglichen Auswahlverfahrens in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt.

d) Der maßgebliche Grund für den Abbruch muss jedenfalls dann, wenn er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 12. Juli 2011 - 1 BvR 1616/11 -, juris, Rn. 26; zu Dokumentationspflichten bei der Auswahlentscheidung vgl. [X.]K 11, 398 <402 f.>). Die Bewerber werden grundsätzlich nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Erwägungen in die Lage versetzt, etwa anhand von Akteneinsicht sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn ihren Bewerbungsverfahrensanspruch berührt und ob Rechtsschutz in Anspruch genommen werden sollte (vgl. zur Auswahlentscheidung [X.]K 11, 398 <403>). Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation des sachlichen Grundes für den Abbruch des Auswahlverfahrens dem Gericht die Möglichkeit, die Beweggründe für den Abbruch nachzuvollziehen (vgl. zur Auswahlentscheidung [X.]K 11, 398 <403>). Die Annahme, die maßgeblichen Erwägungen könnten auch erstmals im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens über die Besetzung der betroffenen Stelle dargelegt werden, mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bewerber in unzumutbarer Weise (vgl. zur Auswahlentscheidung [X.]K 11, 398 <403>).

2. Diesen Anforderungen des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beschwerdeführers werden die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht.

a) Zwar entspricht der Ausgangspunkt des Hessischen [X.]hofs, dass die in einem weiteren Auswahlverfahren getroffene Auswahl bei Unwirksamkeit des Abbruchs eines vorherigen Auswahlverfahrens den Bewerbungsverfahrensanspruch des Beschwerdeführers verletzt, im Gegensatz zu den Ausführungen des [X.] Darmstadt den verfassungsrechtlichen Maßstäben. Bei der Prüfung, ob der Abbruch des ersten Auswahlverfahrens auf einem sachlichen Grund basierte, hat der [X.]hof jedoch nicht beachtet, dass die maßgeblichen Gründe zumindest dann, wenn sie nicht evident sind, in den Akten dokumentiert sein müssen. Er hat vielmehr die erstmalige Darlegung der Gründe im gerichtlichen Eilverfahren für ausreichend gehalten. Damit entfernt sich der [X.] nicht nur stillschweigend von der - in der Entscheidung zitierten - eigenen Rechtsprechung, wonach die relevanten Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens zumindest ansatzweise schriftlich festzuhalten und Argumente, die erst im anhängigen Verfahren vorgetragen würden, nicht zu berücksichtigen seien ([X.], Beschluss vom 15. Mai 1992 - 1 TG 2485/91 -, [X.] 1993, S. 337 <338>). Er wird auch dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht gerecht, wonach Bewerber die Möglichkeit haben müssen, das Fehlen eines sachlichen Grundes für den Abbruch eines Auswahlverfahrens in zumutbarer Weise zu rügen.

b) Darauf, ob die Gerichte in [X.] davon absehen können, die fehlende Dokumentation des sachlichen Grundes zu beanstanden, kommt es nicht an. Denn der vom [X.]hof angenommene sachliche Grund stellt keinen solchen Evidenzfall dar. Der in Nr. 1.12 des Erlasses vom 22. November 2001 geregelte Fall, dass nach der Ausschreibung nur eine Bewerbung vorliegt und zu erwarten ist, dass sich das [X.] erweitern könnte, erfasst nicht die - nach dem unbestrittenen Vorbringen des Beschwerdeführers im Eilverfahren vorliegende - Konstellation der auf Anregung des Dienstherrn erfolgten Rücknahme von Bewerbungen und damit der künstlichen Verknappung des [X.]s. Dass der Abbruch etwa mit dem Ziel erfolgt wäre, nach der zurückgezogenen Bewerbung des aussichtsreichsten Kandidaten den ursprünglichen [X.] unter Einbeziehung derjenigen, denen vorher eine Rücknahme ihrer Bewerbungen nahegelegt worden war, wiederherzustellen, ist weder vorgetragen noch gerichtlich geprüft worden. Eine solche Zielsetzung ist auch deshalb nicht evident, weil ungeklärt ist, ob der Beschwerdeführer vom Abbruch und der Neuausschreibung überhaupt benachrichtigt wurde.

III.

Die Annahme der zulässigen und begründeten [X.]beschwerde erscheint zur Durchsetzung von Rechten des Beschwerdeführers angezeigt, § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]. Die Verkürzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beschwerdeführers stellt für diesen einen besonders schweren Nachteil dar. Es ist auch nicht sicher, dass der Beschwerdeführer bei der Konkurrenz um die ausgeschriebene Stelle im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. [X.]K 6, 273 <275 f.>). Der Beschwerdeführer hat bei Fortsetzung des ersten Auswahlverfahrens zwar keinen Anspruch darauf, dass dieses zu Ende geführt wird. Der Behörde steht es offen, das Auswahlverfahren für die Zukunft aus sachlichen Gründen zu beenden. Selbst in diesem Fall müsste es jedoch zu einem neuen Auswahlverfahren kommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer in diesem - etwa aufgrund eines veränderten Anforderungsprofils oder [X.] - bessere Chancen hat als in dem bisher durchgeführten zweiten Auswahlverfahren.

Meta

2 BvR 1181/11

28.11.2011

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 28. April 2011, Az: 1 B 508/11.R, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, Art 33 Abs 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28.11.2011, Az. 2 BvR 1181/11 (REWIS RS 2011, 1032)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1032

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