Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 17.12.2014, Az. 1 BvR 3340/14

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2014, 275

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Rechtsschutz gegen die Nennung eines e.V. im Verfassungsschutzbericht eines Landes - hier: Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bei noch ausstehendem Hauptsacheverfahren - zudem Rechtsschutzziel nicht mehr erreichbar, nachdem Verfassungsschutzbericht bei Beschwerdeerhebung bereits öffentlich war


Gründe

1

Der Beschwerdeführer ist ein eingetragener Verein, der im [X.] erwähnt wird. Er wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, mit denen sein Antrag abgelehnt wurde, dem Land bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, den [X.] 2013 zu verbreiten, ohne zuvor alle Passagen über den Beschwerdeführer zu entfernen oder unleserlich zu machen.

2

1. Der Beschwerdeführer beantragte im Juli 2014 beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO und machte das Hauptsacheverfahren anhängig. Es müsse insbesondere eine Veröffentlichung des gedruckten Werkes verhindert werden, da sich diese nach einer regelmäßig zeitnah erfolgenden Verbreitung nicht rückgängig machen lasse.

3

Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sei die Berichterstattung, soweit sie in Rechte des Beschwerdeführers eingreife, von § 5 Abs. 7 in Verbindung mit § 3 VSG NRW gedeckt. Der Beschwerdeführer habe keine Tatsachen glaubhaft gemacht, die Zweifel daran begründeten, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Berichterstattung vorlägen, das Land die Grenzen seines Ermessens überschritten habe oder die Berichterstattung in ihrer konkreten Art und Weise unverhältnismäßig in seine Rechte eingreife.

4

Das Oberverwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Beschwerde zurück.

5

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und 3 und Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG. Er verliere die Gemeinnützigkeit und werde durch die Nennung im [X.] stigmatisiert und herabgesetzt, könne keine neuen Mitglieder gewinnen oder Spenden einwerben. Der [X.] stütze sich nicht auf Positionen, die er selbst vertrete, sondern nur auf die [X.] und darauf, dass er mit dieser zusammenarbeite und sich nicht von ihr distanziere, was die Nennung mit ihren weitreichenden Folgen nicht rechtfertige.

6

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, denn Gründe für die Annahme im Sinne von § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt. Sie bietet keine Aussicht auf Erfolg, denn ihrer Zulässigkeit steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.

7

1. Eine Verfassungsbeschwerde genügt nicht schon dann den Anforderungen von § 90 Abs. 2 [X.], wenn der Rechtsweg formell erschöpft ist. Es müssen vielmehr alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen werden, um die jeweils geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. [X.] 68, 384 <388 f.>; 77, 381 <401>; 81, 97 <102>; 107, 395 <414>; stRspr). Dies folgt aus dem Grundsatz der Subsidiarität, der in § 90 Abs. 2 [X.] seine gesetzliche Ausformung erhalten hat (vgl. [X.] 107, 395 <414>). [X.], die sich gegen Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wenden, können daher grundsätzlich auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Ausnahmsweise gilt dies nur dann nicht, wenn gerade die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes gerügt wird (vgl. [X.] 59, 63 <84>), das Hauptsacheverfahren keine ausreichende Möglichkeit bietet, einer Rechtsverletzung abzuhelfen (vgl. [X.] 79, 275 <279>; 104, 65 <71>) oder die Beschreitung des Rechtswegs in der Hauptsache unzumutbar ist (vgl. [X.] 86, 46 <49>).

8

2. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer rügt bereits nicht, die Verwaltungsgerichte hätten ihm effektiven Rechtsschutz versagt. Seine [X.] betreffen vielmehr die Rechtmäßigkeit der Erwähnung im [X.] und damit Grundrechtsverletzungen, die sich auf die Hauptsache beziehen.

9

Der Beschwerdeführer konnte im Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde am 14. Dezember 2014 sein Ziel, eine Veröffentlichung der Druckfassung zu verhindern, mit dem Eilverfahren zudem nicht mehr erreichen. Die Druckversion des Berichts ist zwischenzeitlich veröffentlicht worden. Der Bericht wurde im Mai 2014 vorgestellt und auf der Internetseite des [X.] veröffentlicht; er kann dort in der gedruckten Fassung bestellt werden. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 (veröffentlicht von der Fraktion der Piraten im [X.] unter [X.]) hat der Innenminister zudem 60 Druckfassungen des [X.]s an die [X.]spräsidentin zur Information der Mitglieder des Hauptausschusses übersandt. Auch insofern ist eine Verweisung auf die Hauptsache zumutbar, das eine hinreichende Möglichkeit bietet, die hinsichtlich der Nennung im [X.] aufgeworfenen Rechtsfragen zu beantworten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Abwarten auf die Hauptsache aus anderen Gründen unzumutbar wäre.

Die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 [X.] liegen im Übrigen nicht vor.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 3340/14

17.12.2014

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 12. November 2014, Az: 5 B 1104/14, Beschluss

Art 9 Abs 1 GG, § 90 Abs 2 BVerfGG, § 3 VerfSchutzG NW 1994, § 5 Abs 7 VerfSchutzG NW 1994, § 123 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 17.12.2014, Az. 1 BvR 3340/14 (REWIS RS 2014, 275)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 275

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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