Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2010, Az. VII ZR 176/09

7. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4479

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) SCHADENSERSATZ UMSATZSTEUER BAU- UND ARCHITEKTENRECHT BAUMÄNGEL

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Gegenstand

Werkvertrag: Berücksichtigung der Umsatzsteuer bei einem vor der Mängelbeseitigung geltend gemachten Schadensersatzanspruch


Leitsatz

Ein vor der Mängelbeseitigung geltend gemachter Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen der Mängel an einem Bauwerk umfasst nicht die auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten entfallende Umsatzsteuer .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 28. Zivilsenats des [X.] vom 29. September 2009 aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. April 2009 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Beklagten 1.186,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 3. Juli 2008 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Beklagte 82 % und die Kläger als Gesamtschuldner 18 %.

Der Beklagte trägt die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens des [X.] - ...

Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten einen Betrag für Umsatzsteuer umfasst.

2

Die Kläger erwarben von dem Beklagten ein von diesem zu errichtendes Einfamilienhaus. Abnahme und Übergabe erfolgten am 14. Dezember 2002. Zuletzt stand ein [X.] des Beklagten in Höhe von 10.591 € offen. Die Kläger erklärten gegenüber diesem Anspruch die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen baulicher Mängel des Hauses. Diese sind im Verlauf des Rechtsstreits unstreitig geworden; ihre bisher nicht erfolgte Beseitigung erfordert einen Betrag von 9.405 € netto.

3

Die Kläger sind der Auffassung, ihr Schadensersatzanspruch betrage insgesamt unter Berücksichtigung der auf die für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten zu zahlenden Umsatzsteuer von 19 % 11.191,95 € (9.405 € + 1.786,95 €), so dass der [X.] insgesamt, also nicht nur in Höhe von 9.405 €, durch die Aufrechnung erloschen sei.

4

Das [X.] hat antragsgemäß festgestellt, dass dem Beklagten gegen die Kläger keine einredefreien "Kaufpreisansprüche aus dem Kaufvertrag" der Parteien mehr zustehen. Die Widerklage des Beklagten auf Zahlung eines Restwerklohns in Höhe von 6.686 € nebst Zinsen hat es abgewiesen. Die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Feststellungsklage und die Verurteilung der Kläger zur Zahlung von noch 1.186 € nebst Zinsen begehrt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte dieses Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet.

I.

6

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Kläger zu dem Nettobetrag der Mängelbeseitigungskosten vom Beklagten als Schadensersatz auch die gesetzliche Umsatzsteuer in Höhe von 19 % verlangen könnten, auch wenn sie die Nachbesserungsarbeiten bisher nicht durchgeführt hätten. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB sei im Werkvertragsrecht für Schadensersatzansprüche gemäß § 634 Nr. 4 BGB nicht anwendbar. Der Gesetzgeber habe mit der Reform des § 249 BGB mit Wirkung ab 1. August 2002 durch das [X.] zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften eine Einschränkung der [X.] durch einen Ausschluss fiktiver Umsatzsteuer nur für die Restitutionsfälle des § 249 BGB einführen wollen. Demgegenüber handele es sich bei dem werkvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz nicht um den Ausgleich eines Integritätsschadens wegen Beschädigung einer Sache, sondern um den Ausgleich eines Vermögensschadens aufgrund der Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung. Dieser Anspruch sei auf eine Geldzahlung gerichtet und die Umsatzsteuer gehöre dabei zu den erforderlichen Kosten, die der Geschädigte für die Schadensbeseitigung aufwenden müsse.

II.

7

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der [X.] hat in der Sache selbst zu entscheiden, da sie zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO.

8

1. Dem Restwerklohnanspruch des Beklagten in Höhe von 10.591 € gemäß § 631 Abs. 1 BGB steht ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch der Kläger wegen der Mängel an dem Bauwerk gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB nur in Höhe von 9.405 € gegenüber, so dass ein Zahlungsanspruch des Beklagten in Höhe von noch 1.186 € verbleibt und die Hauptforderung der Widerklage in der zuletzt verfolgten Höhe begründet ist.

9

Bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruches der Kläger ist die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen, die die Kläger aufwenden müssten, wenn sie die Mängel durch Dritte beseitigen ließen.

a) Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Mängeln eines Werkes ist abweichend von § 249 Satz 1 BGB nicht auf Naturalrestitution in Form der Mängelbeseitigung, sondern auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet. Das folgt daraus, dass nach § 281 Abs. 4 BGB der Anspruch auf die Leistung, der hier in der Herstellung der Mangelfreiheit besteht, ausgeschlossen ist. Die Rechtslage unterscheidet sich insofern nicht von derjenigen, die bis zum 31. Dezember 2001 galt (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 28. Juni 2007 - [X.] [X.]. 10 ff., [X.], 1567 = NZBau 2007, 580 = [X.] 2007, 677 m.w.[X.]).

b) Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann dieser auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtete Schadensersatzanspruch nach Wahl des Bestellers entweder nach dem mangelbedingten Minderwert des Werkes oder nach den Kosten berechnet werden, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung erforderlich sind ([X.], Urteil vom 11. Juli 1991 - [X.], [X.], 744 = [X.] 1991, 265 m.w.[X.]). Letzteres gilt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Besteller den Mangel tatsächlich beseitigen lässt (vgl. [X.], Urteil vom 28. Juni 2007 - [X.] [X.]. 10, 13 aaO zur bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Rechtslage). Nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s, von der das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, gehört zu den Kosten, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung in diesem Sinne erforderlich sind, auch die von einem nicht vorsteuerabzugsberechtigten Besteller an dritte Unternehmer zu zahlende Umsatzsteuer (vgl. [X.], Urteil vom 18. Januar 1990 - [X.], [X.], 360, 361 = [X.] 1990, 171, 172 unter [X.]). Hieran hält der [X.] nicht mehr uneingeschränkt fest.

aa) Zwar ist, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend annimmt, die Berücksichtigung der Umsatzsteuer nicht nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn und soweit sie tatsächlich (noch) nicht angefallen ist. Diese Vorschrift findet auf den werkvertraglichen Schadensersatzanspruch keine Anwendung. Sie gilt nach Wortlaut und systematischer Stellung nur in den Fällen, in denen wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist. Dies ist bei dem Schadensersatzanspruch, der wegen Mängeln und damit wegen nicht ordnungsgemäßer Herstellung des geschuldeten Werkes besteht, nicht der Fall. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB bezieht sich zudem ausdrücklich nur auf den nach Satz 1 erforderlichen Geldbetrag. Dieser kann statt der nach § 249 Abs. 1 BGB auch geschuldeten Herstellung verlangt werden. Bei dem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln eines Werkes schuldet der Unternehmer den Schadensersatz jedoch nicht wegen der Vorschrift des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in Geld, sondern ausschließlich deshalb, weil er an die Stelle des [X.] tritt (vgl. oben unter a).

bb) Nach Auffassung des [X.]s ist die Bemessung des Vermögensschadens des Bestellers in Fällen, in denen er den Mangel nicht hat beseitigen lassen, nach den erforderlichen Mängelbeseitigungskosten unter Einschluss einer zu zahlenden Umsatzsteuer jedoch nicht gerechtfertigt.

Im Lichte der Erwägungen, die den Gesetzgeber bei Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung einer Sache bewogen haben, die Umsatzsteuer aus der Berechnung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrages herauszunehmen, sofern sie nicht tatsächlich angefallen ist (vgl. BT-Drucks. 14/7752 S. 13), hält es der [X.] auch bei einem werkvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 281 BGB für eine Überkompensation des Schadens des Bestellers, wenn die nicht angefallene Umsatzsteuer berücksichtigt wird.

(1) Die Bemessung eines bereits durch den Mangel des Werkes und nicht erst durch dessen Beseitigung entstandenen Schadens kann nicht ohne eine Wertung vorgenommen werden. Diese muss zum einen die berechtigte Erwartung des Bestellers berücksichtigen, den Schaden - nach seiner Wahl - an den Kosten bemessen zu können, die eine Mängelbeseitigung erfordern, weil der Anspruch an die Stelle des geschuldeten Erfüllungsanspruchs tritt. Gerade die Erfahrungen im Bauvertragsrecht zeigen jedoch, dass die Schadensberechnung nach geschätzten Mängelbeseitigungskosten häufig insoweit zu einer Überkompensation führt, als dem Geschädigten rechnerische Schadensposten ersetzt werden, die nach dem von ihm selbst gewählten Weg zur Schadensbeseitigung gar nicht anfallen. Der [X.] hält es deshalb für gerechtfertigt, den Umfang des Schadensersatzes stärker als bisher auch daran auszurichten, welche Dispositionen der Geschädigte tatsächlich zur Schadensbeseitigung trifft. Dies gilt jedenfalls für den Anteil, der wie die Umsatzsteuer einen durchlaufenden Posten darstellt, der keinem der an einer Mängelbeseitigung Beteiligten zugutekommt und der in seiner Entstehung von steuerrechtlichen Vorgaben abhängt. Es ist gerechtfertigt, gerade bei der Umsatzsteuer eine derartige Einschränkung zu machen, weil dieser Anteil eindeutig und leicht feststellbar und abgrenzbar ist und den größten preisbildenden Faktor unter den durchlaufenden Posten der Mängelbeseitigungskosten darstellt (vgl. BT-Drucks. 14/7752 S. 13).

(2) Schutzwürdige Interessen des Bestellers werden durch diese Einschränkung nicht beeinträchtigt. Unbeschadet bleibt die [X.] in Höhe der Umsatzsteuer, wenn der Besteller diese tatsächlich aufgewendet hat und nicht im Rahmen eines Vorsteuerabzugs erstattet bekommt. Einer Vorleistungspflicht in dieser Höhe kann der Besteller entgehen, indem er einen Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB geltend macht. Beabsichtigt er zunächst keine Mängelbeseitigung, ist es ihm zumutbar, einer drohenden Verjährung durch Erhebung einer Feststellungsklage zu begegnen, falls er sich die Möglichkeit einer späteren Mängelbeseitigung auf Kosten des Unternehmers erhalten will.

2. Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

3. Die Klage ist bereits unzulässig. Eine Leistungsklage lässt, soweit sich die Streitgegenstände decken, die Sachurteilsvoraussetzung des Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) grundsätzlich entfallen, sobald die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (vgl. im Einzelnen [X.], Urteil vom 21. Dezember 2005 - [X.], [X.]Z 165, 305, [X.]. 12 m.w.[X.]). So liegt der Fall hier seit der Erhebung der Widerklage und der Verhandlung über sie. Aus den unter 1. erläuterten Gründen war die Klage darüber hinaus von Anfang an unbegründet. Dem Beklagten steht noch ein Restwerklohnanspruch zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 96 ZPO.

Kniffka                                    Bauner                                 Safari Chabestari

                    Halfmeier                                 [X.]

Meta

VII ZR 176/09

22.07.2010

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 29. September 2009, Az: 28 U 3123/09, Urteil

§ 280 Abs 3 BGB, § 281 Abs 1 S 1 BGB, § 634 Nr 4 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2010, Az. VII ZR 176/09 (REWIS RS 2010, 4479)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4479

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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