Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.01.2010, Az. B 1 KR 119/09 B

1. Senat | REWIS RS 2010, 10622

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Revisionszulassung - Prozesskostenhilfe - Verfahrensmangel - Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit


Tatbestand

1

Der 1953 geborene, bei der beklagten [X.] versicherte Kläger ist bei dem Sozialgericht ua mit seinem Begehren ohne Erfolg geblieben, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer vom 1.8. bis [X.] zu Lasten der damaligen [X.] (heute: [X.]) durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zu tragen. Das [X.] ([X.]) hat ua den im Berufungsverfahren gestellten Antrag festzustellen, dass die Beklagte für die im Jahre 2005 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme zuständig war, zurückgewiesen: Die Feststellungsklage sei unzulässig. Eigentliches Ziel des [X.] sei es, gegenüber dem Rentenversicherungsträger einen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge nach § 26 Abs 2 SGB IV durchzusetzen und den Gegeneinwand erbrachter Leistungen wegen der Rehabilitationsmaßnahme zu entkräften. Eine Unzuständigkeit des Rentenversicherungsträgers dafür sei jedoch im Rahmen des Verfahrens auf Erstattung der Beiträge zu prüfen (Urteil vom 4.6.2009).

2

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil und begehrt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten.

Entscheidungsgründe

3

1. Der Antrag des [X.] auf Gewährung von PKH unter Beiordnung des Rechtsanwalts [X.] ist abzulehnen.

4

Der Anspruch darauf setzt nach § 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 114 Satz 1 ZPO ua voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es, weil der Kläger aller Voraussicht nach in dem Beschwerdeverfahren nicht mit seinem Begehren durchdringen kann. Das [X.] ([X.]) darf auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin die Revision nur zulassen, wenn einer der in § 160 Abs 2 [X.] bis 3 [X.] abschließend genannten Zulassungsgründe vorliegt.

5

a) Das Vorbringen des [X.] und die Durchsicht der Akten geben keinen Anhaltspunkt dafür her, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) oder das [X.]-Urteil von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]). Insbesondere ist entgegen der Ansicht des [X.] eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht erkennbar. Die Frage nach der Zuständigkeit für die dem Kläger gewährte Rehabilitationsmaßnahme hat bei summarischer Prüfung keine über den Einzelfall des [X.] hinausgehende, allgemeine Bedeutung.

6

b) Auch liegt ein zum Erfolg des Beschwerdeverfahrens führender Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) voraussichtlich nicht vor. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ergibt sich nicht etwa aus einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des [X.] in der mündlichen Verhandlung am 4.6.2009 (§ 547 [X.] ZPO iVm § 202 [X.]). Allerdings ergibt die Durchsicht der Akten, dass das [X.] nicht formell über das gegen den Senat gerichtete Befangenheitsgesuch des [X.] vom 19.2.2009 entschieden hat. Dieser Verfahrensfehler könnte aber die Zulassung der Revision nicht begründen, weil bei der gebotenen eigenen Überprüfung durch den erkennenden Senat (vgl [X.] SozR 4-1500 § 60 [X.] 4) voraussichtlich keine ernsthaften Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit bestehen.

7

Auch wenn man davon ausgeht, dass nach dem Vorbringen des [X.] zur [X.]ablehnung eine Entscheidung des [X.] darüber geboten war, fehlt nach derzeitiger Aktenlage jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass das Gesuch des [X.] auf Ablehnung der [X.] begründet war. Eine Besorgnis der Befangenheit (§ 60 [X.] iVm § 42 ZPO) ist nur dann gegeben, wenn der Beteiligte von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des [X.]s haben kann ([X.] in: [X.]/[X.]/[X.], [X.]. 9. Aufl 2008, § 60 Rd[X.] 7 ff mwN). Die Zweifel an der Unparteilichkeit müssen ihren Grund in eigenem Verhalten des [X.]s haben. Ein im Rahmen gebotener richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kann keine Ablehnung begründen (vgl [X.], aaO, § 60 Rd[X.] 8g mwN) . Ebenso wenig begründen Fehler des [X.]s - sofern nicht besondere weitere Umstände hinzutreten - eine Besorgnis der Befangenheit. Es müssen mit dem Ablehnungsgesuch Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des [X.]s gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl [X.] SozR 4-1500 § 60 [X.] 4 Rd[X.]3 mwN) . Danach ist hier mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von einer Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten [X.] auszugehen.

8

Der angeblichen Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärung, dem Fehlen eines "gerichtlichen Hinweises zur Erhebung der Restitutionsklage" und der unterbliebenen Aussetzung des Verfahrens wegen der anhängigen Verfassungsbeschwerde allein können keine objektiv vernünftigen Gründe für die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten [X.] darstellen. Ein Befangenheitsgesuch ist nicht das vorgesehene Mittel, Ermittlungen oder ein sonstiges erwünschtes prozessuales Vorgehen des Gerichts zu erzwingen. Aus dem Vorbringen des [X.] ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, in der von ihm beanstandeten Verfahrensweise komme eine unsachliche Einstellung oder Willkür der abgelehnten [X.] zum Ausdruck.

9

Das Vorbringen des [X.] und die Durchsicht der Akten enthalten auch keine weiteren Anhaltspunkte für einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Das gilt entgegen der Ansicht des [X.] sowohl in Bezug darauf, dass er rügt, § 103 [X.] (Aufklärungspflicht) und § 62 [X.] (Gewährung rechtlichen Gehörs) seien verletzt worden.

Ein möglicherweise unzutreffender Inhalt des [X.]-Urteils kann den voraussichtlichen Erfolg im Beschwerdeverfahren nicht begründen. Das bloße Beanstanden der inhaltlichen Richtigkeit des angegriffenen Urteils stellt keinen Revisionszulassungsgrund dar (vgl [X.] SozR 1500 § 160a [X.] 7 ).

2. Die bereits durch den Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht von einem gemäß § 73 Abs 4 [X.] vor dem [X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten begründet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 1 [X.]). Sie ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] iVm § 169 [X.] zu verwerfen.

3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 1 KR 119/09 B

08.01.2010

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Speyer, 5. Dezember 2008, Az: S 11 KR 315/08, Gerichtsbescheid

§ 60 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 42 ZPO, § 114 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.01.2010, Az. B 1 KR 119/09 B (REWIS RS 2010, 10622)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10622

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