Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.09.2023, Az. B 8 SO 61/22 BH

8. Senat | REWIS RS 2023, 10217

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Prozesskostenhilfe für Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - hinreichende Erfolgsaussicht - Verfahrensrüge - Ablehnungsgesuch - offensichtliche Unzulässigkeit - Entscheidung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters - Entscheidung über rechtsmissbräuchliches Befangenheitsgesuch


Tenor

Der Antrag der klagenden Person, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 6. Juli 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der klagenden Person gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die klagende Person begehrt von der Beklagten die Übernahme von Unterkunfts- und Fahrtkosten in Höhe von 398,65 [X.], die ihr im Rahmen eines Vorstellungsgespräches bei der [X.] entstanden sind, und stützt sich insoweit auf eine Verpflichtung der Beklagten aus der Ausgleichsabgabe. Die Beklagte leitete den Antrag am 5.1.2016 an das Jobcenter als den aus ihrer Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weiter. Die klagende Person erhob hiergegen Widerspruch. Die Beklagte teilte der klagenden Person darauf mit, der Widerspruch sei unzulässig. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) [X.] durch Gerichtsbescheid vom [X.] zurückgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die klagende Person im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6.7.2022 einen Antrag auf Besorgnis der Befangenheit gegen alle Mitglieder des [X.] gestellt, den das [X.] ([X.]) [X.] als unzulässig zurückgewiesen hat. Es hat die Berufung sodann als unzulässig verworfen, weil der [X.] von 750 [X.] nach § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 des Sozialgerichtsgesetzes ([X.]) nicht erreicht sei (Urteil vom 6.7.2022).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wendet sich die klagende Person mit ihrer Beschwerde und beantragt zugleich Prozesskostenhilfe ([X.]) zur Durchführung dieses Verfahrens und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.

3

II. [X.] kann der klagenden Person nicht bewilligt werden. [X.] ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. [X.] Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 [X.] abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 [X.]) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

4

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 [X.]). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Klärungsbedürftige Rechtsfragen auf die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht (siehe nur [X.] <BSG> vom 22.8.1990 - 10 [X.] 29/88 - [X.], 194 = [X.] 3-5870 § 27 [X.] 1; BSG vom [X.] [X.]/16 B - Rd[X.] 11; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 144 Rd[X.] 14a).

5

Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] 2 [X.]) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 1 [X.]) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Das [X.] durfte in der Besetzung der Berichterstatterin als Vorsitzende mit zwei ehrenamtlichen [X.]n entscheiden. Gemäß § 153 Abs 5 [X.] kann der Senat in den Fällen, in denen - wie hier - erstinstanzlich durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, durch Beschluss dem berufenen Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen [X.]n entscheidet. Dies ist vorliegend durch Beschluss vom 18.10.2021 geschehen.

6

Das [X.] durfte auch unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] über das Ablehnungsgesuch entscheiden und anschließend weiter verhandeln und zur Sache entscheiden, ohne gegen das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen [X.] zu verstoßen (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG). Denn das [X.] durfte vorliegend ohne Verstoß gegen § 60 [X.] iVm § 45 Abs 1 ZPO das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] als unbeachtlich werten, weil es in nicht zu beanstandender Weise einen Rechtsmissbrauch angenommen hat (vgl hierzu BSG vom 23.10.2017 - [X.] [X.] 28/17 BH - Rd[X.] 6; BSG vom 13.8.2009 - [X.] [X.] 13/09 B - Rd[X.] 10 mwN). Ein Ablehnungsgesuch, das keine Begründung oder lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist unzulässig. Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten [X.]s; dieser ist auch bei der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl [X.] <Kammer> vom 2.5.2006 - 1 BvR 698/06 - [X.]K 8, 59, 60). So liegt der Fall hier. Die klagende Person hat ihr Ablehnungsgesuch gegen die abgelehnten [X.] damit begründet, dass "das gesamte [X.] [X.] (…) im verfassungswidrigen und für die [X.] als Hermaphrodit diskriminierenden Zweigeschlechtersystem verhaftet (ist) und (…) der [X.] als einem intergeschlechtlichen Menschen nicht unbefangen gegenübertreten (kann), da die einzelnen rechtsprechenden Menschen als Teil des [X.]s [X.] die Verfassungswidrigkeit des Systems repräsentieren", ohne dies näher zu substantiieren. Vielmehr macht die klagende Person nur Ausführungen zu Broschüren, die im Eingangsbereich des [X.] ausliegen sollen und stellt insoweit nicht näher substantiierte Vergleiche mit "[X.]" an. Ein Bezug zu einem der abgelehnten [X.] oder dem vorliegenden Verfahren ist nicht erkennbar. Diese Begründung des Befangenheitsgesuchs ist - worauf das [X.] zu Recht verweist - gänzlich ungeeignet, den Ausschluss der abgelehnten [X.] zu rechtfertigen.

7

Erweist sich ein Befangenheitsgesuch als rechtsmissbräuchlich, begründet es nicht notwendig einen Verfahrensfehler, wenn ohne förmliche Entscheidung darüber eine abschließende Sachentscheidung getroffen wird (vgl BSG vom [X.] - B 9a SB 18/06 B - [X.] 4-1500 § 60 [X.] 4 Rd[X.] 8; [X.] vom 15.12.1986 - 2 [X.] - [X.]E 74, 96, 100; [X.] vom 31.8.2005 - [X.] 159/05 - FamRZ 2005, 1826; [X.] vom [X.] - NJW-RR 2008, 216 Rd[X.] 7).

8

Mit der Ablehnung von [X.] entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der [X.] (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

9

Die von der klagenden Person selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Die klagende Person musste sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 [X.] durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Sie kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 [X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde die klagende Person in der Rechtsmittelbelehrung des [X.] ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 3 [X.] ohne Beteiligung der ehrenamtlichen [X.] als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

                          

Krauß 

Bieresborn

Scholz

Meta

B 8 SO 61/22 BH

08.09.2023

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Hamburg, 21. Juni 2021, Az: S 52 SO 126/16

§ 60 SGG, § 73a SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a SGG, § 45 Abs 1 ZPO, § 114 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.09.2023, Az. B 8 SO 61/22 BH (REWIS RS 2023, 10217)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10217

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