Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.2015, Az. RiZ (R) 5/14

Dienstgericht des Bundes | REWIS RS 2015, 14548

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Prüfungsverfahren wegen Feststellung der Zulässigkeit der Versetzung eines Richters in den Ruhestand ohne dessen Zustimmung: Voraussetzungen und Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit eines Richters in Sachsen-Anhalt wegen einer psychischen Erkrankung


Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ohne Zustimmung des Richters nach dem Landesrichtergesetz Sachsen-Anhalt.

Tenor

Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des [X.] für [X.] bei dem Oberverwaltungsgericht des [X.] vom 29. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller berechtigt ist, den Antragsgegner wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen.

2

Der Antragsgegner ist [X.] am [X.] im Dienste des [X.]. [X.] wurde gegen ihn wegen Maßnahmen, die er als Vorsitzender des Jugendschöffengerichts getroffen hatte, ein Strafverfahren wegen Rechtsbeugung eingeleitet, das im Jahr 2009 mit einem rechtskräftigen Freispruch endete. Während dieser [X.] war der Antragsgegner durchgängig wegen einer bei ihm diagnostizierten Depression arbeitsunfähig erkrankt.

3

[X.] leitete der Antragsteller gegen den Antragsgegner ein (erstes) Verfahren mit dem Ziel der Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ein. Dieses Verfahren wurde im Oktober 2009 eingestellt. Unter dem 14. Juni 2010 erstellte [X.], [X.] der Landesbereitschaftspolizei, eine weitere Stellungnahme. Sie hielt den Antragsgegner für dienstfähig.

4

Nachdem erneut Zweifel an der Dienstfähigkeit des Antragsgegners aufgekommen waren, beauftragte der Präsident des [X.]s H.   nach Anhörung des Antragsgegners mit [X.]reiben vom 5. Mai 2011 Prof. Dr. S.        (künftig: Sachverständiger) mit der Erstellung eines psychiatrischen Fachgutachtens. Der Sachverständige kam unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden Gutachten und ärztlichen Bescheinigungen und nach Durchführung eigener Untersuchungen (Familienanamnese, Erhebung psychischer Befunde, testpsychologische Zusatzuntersuchungen) unter dem 14. September 2011 zu dem Ergebnis, der Antragsgegner leide unter einer "bipolare[n] affektive[n] Störung, derzeit gemischte Episode ([X.]: F31.6)". Aufgrund dieser Erkrankung sei "zum jetzigen [X.]punkt […] die Fähigkeit […] [des Antragsgegners] zur Berufsausübung eines Berufsrichters nicht mehr gegeben". Der Antragsgegner erhielt Kenntnis von dem Gutachten und Gelegenheit zur Stellungnahme.

5

Mit [X.]reiben vom 17. November 2011 teilte der Präsident des [X.]s H.   dem Antragsgegner unter Verweis auf § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit, aufgrund der im Gutachten mitgeteilten Befunde sei beabsichtigt, den Antragsgegner wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen. Zugleich gab er dem Antragsgegner Gelegenheit zur Äußerung und Zustimmung zu einer Versetzung in den Ruhestand. Der Antragsgegner entgegnete unter dem 13. Dezember 2011, er halte die vom Sachverständigen gestellte Diagnose für falsch. Er leide an einer durch die Einleitung des Strafverfahrens ausgelösten und bisher nicht ausgeheilten mittelgradigen Depression. Er stimme der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht zu.

6

Am 26. Januar 2012 hat der Antragsteller das [X.] für [X.] bei dem [X.] (künftig: [X.]) angerufen und unter Verweis auf § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.] beantragt, die Zulässigkeit der Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand festzustellen.

7

Das [X.] hat nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen dem Antrag entsprochen.

8

Die dagegen gerichtete Berufung des Antragsgegners hat der [X.]shof für [X.] bei dem Oberverwaltungsgericht des [X.] (künftig: [X.]shof), der dem Antragsgegner mit Beschluss vom 16. Oktober 2013 die Führung der Amtsgeschäfte vorläufig untersagt hat, nach schriftlicher und mündlicher Vernehmung der früher mit der Behandlung des Antragsgegners befassten Ärzte [X.].    und [X.]     als sachverständiger Zeugen und mündlicher Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen.

9

Zur Begründung hat der [X.]shof unter anderem ausgeführt, das [X.] habe zu Recht festgestellt, dass das Verfahren bis zum Antrag des Antragstellers beim [X.] fehlerfrei geführt worden sei. Die Voraussetzungen einer Zurruhesetzung nach § 28 [X.] lägen vor. Zwar unterliege die Annahme des [X.]s Zweifeln, die Feststellung der Dienstunfähigkeit könne auf § 26 Abs. 1 Satz 2 LRiG gestützt werden. Der [X.]shof sei indessen überzeugt, dass der Antragsgegner im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufgrund seines Gesundheitszustandes seine Dienstpflichten dauerhaft nicht erfüllen könne.

Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen leide der Antragsgegner an einer bipolaren Störung. Diese Feststellung habe der Sachverständige aufgrund einer ausreichenden Untersuchung, die im Verlauf von drei Sitzungen geschätzt insgesamt fünf Stunden umfasst habe, treffen können. Insbesondere habe er ausreichend Anhaltspunkte für manische oder hypomanische Episoden gefunden, die er nicht allein mit der Sprechdauer des Antragsgegners über bis zu 30 Minuten anlässlich einer Sitzung und einem erhöhten Sprechtempo begründet, sondern in einen Kontext mit der diagnostizierten Antriebssteigerung und der assoziativen Lockerung gebracht habe. Auch wenn der Sachverständige nur manische Phasen habe beobachten können, habe er richtig eine bipolare Störung diagnostiziert. Dass der Antragsgegner unter depressiven Phasen leide, stelle keiner der Beteiligten in Frage und hätten die behandelnden Ärzte [X.].   und [X.]      bestätigt, die im Übrigen das Vorhandensein [X.] und hypo[X.] Phasen zwar nicht festgestellt hätten, aber solche Phasen auch nicht hätten ausschließen können.

Dass es sich bei einer bipolaren Störung um eine endogene Erkrankung handele, stehe der Richtigkeit der Diagnose nicht entgegen. Die Ursache der Erkrankung liege in Veränderungen bei den Neurotransmittern und in den neuronalen Netzwerken. Eine genetische Prädisposition sei nicht vonnöten, so dass das Fehlen von Vorerkrankungen in der Familie des Antragsgegners kein Beleg für die Fehlerhaftigkeit der Diagnose sei.

Der Sachverständige sei, was der [X.]shof näher mit seiner Tätigkeit begründet hat, "ein ausgewiesener Fachmann für den Bereich ‚bipolare Störung‘". Der ergänzenden Anhörung weiterer Ärzte bedürfe es nicht. Es könne als wahr unterstellt werden, dass sie eine bipolare Störung nicht erkannt hätten, weil sich dies ohne weiteres damit erklären lasse, sie hätten eine manische oder hypomanische Phase nicht beobachtet.

Aufgrund seiner Erkrankung sei der Antragsgegner nicht in der Lage, seine Dienstpflichten zu erfüllen. Auch insoweit sei dem gerichtlichen Sachverständigen zu folgen, der die Dienstunfähigkeit nach dem Krankheitsbild des Antragsgegners aus einer formalen Denkstörung, nämlich einer Denkbeschleunigung und assoziativen Lockerung, abgeleitet habe. Diese Denkstörung führe zur Unaufmerksamkeit. Die assoziative Lockerung führe dazu, dass der Antragsgegner Details unangemessen bewerte. Dadurch sei bei dem Antragsgegner eine Leistungsminderung vorhanden, die ihn hindere, die richterliche Tätigkeit auszuüben. Dem folge der [X.]shof. Die [X.], die eine Konzentration auf das Wesentliche verhindere, mache dem Antragsgegner die richterliche Tätigkeit schlechthin unmöglich. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass der Antragsgegner Sachverhalte nicht richtig aufnehme und verarbeite und vom [X.] eines rechtlichen Problems abschweife.

Die Symptome deckten sich mit dem, was der Antragsgegner verschiedenen Ärzten berichtet habe. So habe er gegenüber Prof. [X.]im Jahr 2011 von Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen und wechselnden Sprachstörungen bei der Ausübung seiner Arbeit gesprochen. Diese subjektive Einschätzung habe zwar nicht uneingeschränkt objektiviert werden können. Der Antragsgegner sei aber in erhöhtem Maße ablenkbar gewesen. Dem Sachverständigen gegenüber habe er von Wortverwechslungen gesprochen.

Im Übrigen sei der Antragsgegner auch ohne Diagnose einer bipolaren Störung selbst bei [X.] (nur) an einer mittelgradigen Depression dienstunfähig. Nach den sachverständigen Angaben des [X.]     könne ein Mensch mit einer mittelgradigen Depression kaum einen deutlich längeren [X.]raum als drei Stunden ohne kognitive Einschränkungen durchstehen. Vor dem Hintergrund der vom Antragsgegner selbst geschilderten kognitiven Einschränkungen sei ihm auch unter dieser Prämisse eine rechtsprechende Tätigkeit nicht mehr möglich.

Die Dienstunfähigkeit sei eine dauerhafte. Es sei nicht zu erwarten, dass sie innerhalb der nächsten sechs Monate beseitigt werde. Dafür, dass sie länger anhalten werde, spreche der bisherige Verlauf der bipolaren Störung des Antragsgegners, der bereits seit neun Jahren krank sei. Der gerichtliche Sachverständige habe angegeben, dass die Behandlung der Erkrankung nicht aufgenommen sei. Er habe dies auf die mangelnde Krankheitseinsicht und fehlende Behandlungsbereitschaft des Antragsgegners zurückgeführt. Auch nach Maßgabe der vom Sachverständigen benannten Behandlungszeiten sei mit einer Wiederherstellung des Gesundheitszustandes innerhalb der nächsten sechs Monate nicht zu rechnen. Selbst dann, wenn das Leiden des Antragsgegners nur an einer Depression unterstellt werde, sei nach den sachverständigen Ausführungen des [X.]     nicht mit einer Wiederherstellung der Gesundheit innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen, zumal sich der Antragsgegner jeglicher Medikamention verweigere.

Der Einholung eines weiteren gerichtlichen Gutachtens bedürfe es nicht. Die Entscheidung darüber, ob ein weiteres Gutachten einzuholen sei, stehe gemäß § 96 Satz 3 [X.], § 98 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1 und 2, § 412 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Die Voraussetzungen, unter denen ein weiteres Gutachten einzuholen sei, lägen nicht vor. Der Sachverständige habe vermeintliche Widersprüche zu anderen ärztlichen Stellungnahmen ausgeräumt.

Die Stellungnahme der [X.]vom 14. Juni 2010 sei nicht in dem Verfahren eingeholt worden, das sich in dem Prüfungsverfahren vor dem [X.]shof fortsetze. Sie sei in diesem Verfahren nicht ärztliche Untersuchung im Sinne des § 27 [X.]. Der [X.]shof habe sie gleichwohl in die mündliche Verhandlung eingeführt und in seine Entscheidung miteinbezogen. Sie biete, was der [X.]shof näher ausgeführt hat, keine Grundlage, um das Gutachten des Sachverständigen zu erschüttern.

Einer Stellungnahme oder Vernehmung des Präsidenten oder Vizepräsidenten des [X.]s, an dem der Antragsgegner tätig sei, bzw. des Vorsitzenden des Spruchkörpers, dem der Antragsgegner zugeordnet sei, sei nicht erforderlich. Die manischen oder hypomanischen Phasen träten unvorhergesehen auf und müssten nicht beobachtet worden sein. Da der Antragsgegner nur phasenweise nicht in der Lage sei, Dienstgeschäfte ordnungsgemäß auszuführen, verspreche die Vernehmung keinen weiteren Erkenntnisgewinn.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsgegner mit der vom [X.]shof zugelassenen Revision, mit der er im Wesentlichen die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens rügt.

Der Antragsgegner beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des [X.]shofes für [X.] bei dem Oberverwaltungsgericht des [X.], Aktenzeichen: [X.] 3/12, wird das Urteil des [X.]es bei dem [X.] mit dem Geschäftszeichen [X.] und dem dazugehörigen Verfahren abgeändert und der Antrag des [X.] des [X.] vom 24. Januar 2012, wiederholt im Termin am 24. Oktober 2012, die Zulässigkeit der Versetzung des Antragsgegners (jetzt: [X.]) in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit festzustellen, zurückgewiesen und das Verfahren eingestellt.

Hilfsweise beantragt er,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des [X.]shofes für [X.] bei dem Oberverwaltungsgericht des [X.], Aktenzeichen: [X.] 3/12, wird das Urteil des [X.]es bei dem [X.] mit dem Geschäftszeichen [X.] und dem dazugehörigen Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das zuständige [X.] für [X.] zurückverwiesen.

Der Antragsteller beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige [X.]evision ist unbegründet. Der [X.] hat die Entscheidung des [X.]s, die Zulässigkeit der Versetzung des Antragsgegners in den [X.]uhestand wegen Dienstunfähigkeit festzustellen, rechtsfehlerfrei bestätigt.

I.

Das Berufungsurteil unterliegt entgegen der Auffassung der [X.]evision nicht der Aufhebung, weil der [X.] [X.] entschieden hätte.

1. Die von der [X.]evision erhobene Verfahrensrüge einer unzureichenden Gewährung rechtlichen Gehörs greift nicht durch.

a) Das gilt zunächst, soweit die [X.]evision der Sache nach beanstandet, der [X.] habe seine aus § 86 Abs. 3 VwGO folgenden Hinweispflichten verletzt und damit zugleich gegen § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, weil er dem Antragsgegner nicht vor Augen geführt habe, es bestehe Anlass, zur Frage seiner Krankheitseinsicht bei unterstellt bipolarer Störung weiter vorzutragen. Die Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen ([X.]E 36, 264, 266 f.; [X.], Beschluss vom 14. Oktober 2014 - 4 [X.]/14, juris [X.]n. 11). Ein hiergegen verstoßendes Verhalten des Gerichts liegt nur vor, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem [X.]echtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Das trifft hier nicht zu. Die Frage, ob der Antragsgegner krankheitseinsichtig ist, war vielmehr aufgrund der vom Sachverständigen gestellten Diagnose schon Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und der Entscheidung des [X.]s, so dass der Antragsgegner ohne ausdrücklichen Hinweis um die Entscheidungserheblichkeit dieses Gesichtspunkts wissen musste.

b) Weiter erfolglos rügt die [X.]evision eine Gehörsverletzung mit der Begründung, der [X.] habe den Bericht vom 5. August 2011 einbezogen, obgleich er zuvor nicht erörtert worden sei. Diesen Bericht, der Prof. Dr. L.  als Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der [X.]nennt, als Verfasser aber [X.]bezeichnet, hat der Antragsgegner selbst in das Verfahren eingeführt, indem er ihn dem [X.] und nochmals dem [X.] vorgelegt hat. Die [X.]evision zitiert entsprechende Erklärungen des Antragsgegners. Der Bericht war außerdem Teil der vom Antragsteller auf Wunsch des Antragsgegners vorgelegten Unterlagen. Ausweislich der Protokolle der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] vom 11. September 2013, 1. April 2014 und 27. Mai 2014 waren diese Unterlagen Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Der [X.] hat den Bericht in seinem Beschluss vom 16. Oktober 2013 zitiert und damit zu erkennen gegeben, ihn für verfahrensrelevant zu erachten. Damit setzt sich die [X.]evision nicht in einer § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise auseinander. Dass der [X.] Prof. Dr. L.  und nicht [X.]     als Adressaten eigenanamnestischer Angaben des Antragsgegners bezeichnet hat, mag auf einer Verwechslung beruhen, begründet aber keinen Gehörsverstoß.

c) Die Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO verfehlt die [X.]evision auch, soweit sie rügt, der [X.] habe "in spekulativer Weise und damit […] [den] Anspruch [des Antragsgegners] auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzend dem sachverständigen Zeugen [X.]unterstellt, dieser habe ausgeführt, dass eine bipolare Störung endogen sein müsse, weil deren Ursache in hirnorganischen Synapsenstörungen liege". Damit ist über die bloße Behauptung der fehlerhaften Interpretation der Aussage nichts für einen Gehörsverstoß dargetan. Im Übrigen entsprechen die Ausführungen des [X.]s, [X.]     habe "als Sachverständiger ausgesagt, dass man bei der Frage einer bipolaren Störung heute nicht einmal mehr von endogenen oder exogenen Gründen ausgehe, sondern vielmehr davon, dass die Ursachen in Veränderungen bei den Neurotransmittern und in den neuronalen Netzwerken lägen", fast wörtlich der am 27. Mai 2014 protokollierten Aussage.

2. Die von der [X.]evision unter verschiedenen Aspekten erhobene [X.]üge einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.

a) Der [X.] war nach § 86 VwGO nicht gehalten, ein weiteres gerichtliches Gutachten zum Gesundheitszustand des Antragsgegners einzuholen.

aa) Das [X.] bestimmt die Art der Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im [X.]ahmen seiner nach § 86 VwGO bestehenden Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen nach seinem Ermessen. Das gilt auch für die Frage, ob es die Einholung eines weiteren Gutachtens oder die Ergänzung vorhandener Gutachten für erforderlich hält. Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens kann deshalb nur dann [X.] sein, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängt oder aufdrängen muss, weil die vorliegenden Gutachten den ihnen obliegenden Zweck nicht erfüllen können, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Dies kann der Fall sein, wenn die dem Gericht vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 2010 - [X.]([X.]) 2/10, NJW-[X.][X.] 2011, 373 [X.]n. 33, insoweit nicht abgedruckt in [X.]Z 188, 20).

bb) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der [X.] von der Einholung eines weiteren gerichtlichen Gutachtens abgesehen hat. Es ist nicht ersichtlich und vom Antragsgegner auch nicht dargelegt, dass das Gutachten des Sachverständigen grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist. Die Ausführung des Antragsgegners, der Sachverständige habe fälschlich unterstellt, die den Antragsgegner behandelnde Ärztin [X.].    habe mangels Kenntnis der Anamnese eine bipolare Störung nicht festgestellt, obwohl sie (nur) eine Depression in Kenntnis "alle[r] notwendigen Unterlagen" diagnostiziert habe, ergibt keinen groben Mangel. Gleiches gilt für die vom Antragsgegner als Fehleinschätzung beanstandete Annahme des Sachverständigen, [X.]habe den Antragsgegner nicht untersucht. Diese von der [X.]evision behaupteten Irrtümer bezogen sich nicht auf das Beweisthema. Den allein entscheidungsrelevanten vermeintlichen Widerspruch zwischen dem Befund des Sachverständigen und der sachverständigen Zeugen hat der [X.] überzeugend auf andere Weise - im Gegensatz zum Sachverständigen keine Beobachtung einer manischen oder hypomanischen Episode durch die sachverständigen Zeugen - ausgeräumt. Mit dieser Feststellung hat der [X.] zugleich rechtsfehlerfrei die besseren Erkenntnismöglichkeiten des Sachverständigen belegt. Die Annahme des [X.]s, Kennzeichen der bipolaren Störung seien neben manischen und hypomanischen auch depressive Phasen, wird von den Bekundungen des Sachverständigen getragen. Dass der Sachverständige die Anzahl der Untersuchungstermine - nur zunächst, später konnte er sich festlegen - nicht genau angeben konnte, aber immerhin auf "zumindest drei" schätzte und keine klinischen Erkenntnisse besaß, belegt einen groben Mangel des Gutachtens nicht.

b) Soweit die [X.]evision im Übrigen eine Verletzung des § 86 VwGO geltend macht, genügt ihre Begründung nicht den durch § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO an die [X.]üge eines [X.] gestellten Darlegungsanforderungen.

aa) Nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO müssen innerhalb der Frist zur Begründung der [X.]evision (§ 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO) die verletzte [X.]echtsnorm bezeichnet und substantiiert die Tatsachen vorgetragen werden, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Mit einer Aufklärungsrüge muss substantiiert dargelegt werden, dass und hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände aufgrund der maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des [X.]s Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das angefochtene Urteil auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Weiterhin muss dargelegt werden, dass im Verfahren vor dem [X.], insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der nunmehr vermissten Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht von seiner materiellen [X.]echtsauffassung aus die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen ([X.], Urteil vom 10. August 2001 - [X.]([X.]) 5/00, juris [X.]n. 26 mwN).

bb) Daran fehlt es hier. Soweit die [X.]evision dem [X.] unter Verweis auf § 86 Abs. 1 VwGO vorwirft, nicht aufgeklärt zu haben, ob der Antragsgegner tatsächlich im Berufungsurteil referierte erhebliche Symptome genannt habe, übersieht sie, dass der [X.]hof an der von ihr bezeichneten Stelle lediglich den Vortrag des Antragstellers in seinem [X.]riftsatz vom 10. April 2014 (dort [X.] f.) wiedergegeben hat. Soweit die [X.]evision dem [X.] zum Vorwurf macht, der Ursache angeblicher "Wortverwechslungsstörungen" des Antragsgegners nicht nachgegangen zu sein, nicht untersucht zu haben, ob die Eloquenz des Antragsgegners nicht berufstypisch (statt krankheitsinduziert) sei, Angaben aus dem Bericht des Prof. [X.](richtig: des [X.]     ) verwendet zu haben, ohne Prof. [X.] zu einer Untersuchung des Antragsgegners befragt zu haben, und [X.]und Kollegen des Antragsgegners nicht als Zeugen vernommen zu haben, beschränkt sie sich auf diese Vorwürfe, ohne sie in der nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO gebotenen Weise näher auszuführen und sich insbesondere mit dem Beschluss des [X.]s zur Frage der weiteren Beweiserhebung vom 29. Juli 2014 auseinanderzusetzen.

II.

Das Urteil des [X.]s hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.

1. Der Antrag des Antragstellers ist zulässig. Der Antragsteller hat das in §§ 27 f. L[X.]iG LSA für die Versetzung in den [X.]uhestand ohne Antrag des [X.]s bestimmte Verfahren eingehalten.

2. Der Antrag ist auch begründet. Der [X.] hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Antragsgegner dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 L[X.]iG LSA ist, weil er seine Dienstpflichten aus gesundheitlichen Gründen wegen einer bipolaren Störung dauernd nicht erfüllen kann.

a) Der [X.] hat bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 L[X.]iG LSA ausdrücklich und richtig auf die Sach- und [X.]echtslage bei [X.]luss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, die dem [X.]punkt seiner Entscheidung entsprach, abgestellt. Die [X.]dienstgerichte entscheiden - anders als die Verwaltungsgerichte bei der Versetzung eines Beamten in den [X.]uhestand (vgl. [X.]E 105, 267, 269 ff.) - nicht über die Frage, ob eine bereits erfolgte Zurruhesetzung rechtmäßig ist, sondern darüber, ob eine vom Dienstherrn beabsichtigte Versetzung in den [X.]uhestand vorgenommen werden darf ([X.], Urteil vom 16. Dezember 2010 - [X.]([X.]) 2/10, [X.]Z 188, 20 [X.]n. 18). Denn der [X.] darf nach § 34 D[X.]iG gegen seinen Willen nur aufgrund rechtskräftiger richterlicher Entscheidung wegen Dienstunfähigkeit in den [X.]uhestand versetzt werden. Deshalb müssen zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die gesetzlichen Voraussetzungen für die Versetzung in den [X.]uhestand erfüllt sein.

b) Der [X.] hat ohne [X.]echtsfehler angenommen, dass der Antragsgegner dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 L[X.]iG LSA ist.

aa) Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 L[X.]iG LSA ist ein [X.] auf Lebenszeit dienstunfähig, wenn er seine Dienstpflichten wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht erfüllen kann. Dabei stellt der Begriff der Dienstunfähigkeit nicht allein auf die Person des [X.]s ab. Vielmehr sind die Auswirkungen seiner Erkrankung auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend. Es kommt nicht allein und ausschlaggebend auf Art und Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung, den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der [X.] aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist ([X.], Urteil vom 16. Dezember 2010 - [X.]([X.]) 2/10, [X.]Z 188, 20 [X.]n. 22).

bb) Diese Grundsätze hat der [X.] rechtsfehlerfrei angewandt.

(1) Der [X.] hat sich unter Berücksichtigung von Art und Dauer der Erkrankung des Antragsgegners, des Krankheitsverlaufs sowie der Angaben des Sachverständigen und der sachverständigen Zeugen davon überzeugt, dass bei dem Antragsgegner aufgrund der vom Sachverständigen diagnostizierten bipolaren Störung, im Besonderen aufgrund der mit dieser Erkrankung verbundenen manischen und hypomanischen Phasen, Denkstörungen vorliegen, deren Auftreten nicht vorhersehbar ist und die ihn an der Ausübung des [X.]amtes hindern. Zu diesem Beweisergebnis ist er aufgrund einer sorgfältigen Würdigung des gesamten Prozessstoffs gelangt. Seine [X.]lussfolgerung, der Antragsgegner sei aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig, ist nicht zu beanstanden.

(2) Anhand des von ihm zutreffend ermittelten rechtlichen Maßstabs hat der [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weiter festgestellt, dass der Antragsgegner seine Dienstpflichten aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht erfüllen kann.

Ein [X.] ist dauernd dienstunfähig, wenn die Dienstunfähigkeit nicht absehbar länger andauert (vgl. [X.], [X.] 232 § 42 [X.] Nr. 10). Die Würdigung des [X.]s, dass auf absehbare [X.] keine Aussicht auf Wiedererlangung der Dienstfähigkeit besteht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Beurteilung erfordert eine anhand konkreter tatsächlicher Umstände zu treffende Prognose. Der [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 26 Abs. 1 Satz 1 L[X.]iG LSA im maßgeblichen [X.]punkt nicht mit absoluter Gewissheit feststehen muss, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit unmöglich ist. Dass eine absolute Gewissheit der dauerhaften Dienstunfähigkeit i.[X.]. § 26 Abs. 1 Satz 1 L[X.]iG LSA nicht erforderlich ist, ergibt sich bereits aus der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der späteren [X.]eaktivierung bei Wiedererlangung der Dienstfähigkeit. Es genügt vielmehr, dass die dauernde Dienstunfähigkeit aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, d.h. eine Wiedererlangung der Dienstfähigkeit in absehbarer [X.] unwahrscheinlich ist ([X.], Urteil vom 16. Dezember 2010 - [X.]([X.]) 2/10, [X.]Z 188, 20 [X.]n. 26).

Der [X.] hat seine entsprechende Einschätzung schlüssig mit der mangelnden Krankheitseinsicht und der Weigerung des Antragsgegners, sich medikamentös behandeln zu lassen, auch in Anbetracht des Umstands belegt, dass die [X.]emission bei bipolaren Störungen (unter besseren Bedingungen) nach wenigen Monaten möglich ist. Damit hat er den gesetzlichen Anforderungen an die Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit genügt.

c) Dafür, es lägen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 L[X.]iG LSA vor, so dass von der Versetzung des Antragsgegners in den [X.]uhestand abzusehen sei, ist nichts ersichtlich. Soweit die [X.]evision anführt, das "Krankheitsbild" der bipolaren Störung liege nach den Angaben der sachverständigen Zeugin [X.].    "nur bis maximal 5 – 10 % der Lebenszeit" vor, sind damit Anhaltspunkte für ein Absehen von der Versetzung in den [X.]uhestand nach § 26 Abs. 3 Nr. 2 L[X.]iG LSA nicht dargetan. Der Sachverständige hat ausgeführt, das Auftreten [X.] oder hypo[X.] Episoden sei nicht vorhersehbar. Wegen der ständig latent vorhandenen geistigen Erkrankung des Antragsgegners, deren Manifestation ex ante nicht vorausgesagt werden kann, ist ausgeschlossen, dass er seine Dienstpflichten noch mindestens im Umfang der Hälfte des regelmäßigen Dienstes erfüllen kann (vgl. [X.], [X.], 318, 328 ff.).

d) Die Versetzung des Antragsgegners in den [X.]uhestand ist schließlich, was bei der Entscheidung mit in [X.]echnung zu stellen ist (vgl. § 27 Abs. 4 Satz 2 L[X.]iG LSA), nicht unverhältnismäßig. Dem Antragsteller stehen mildere Mittel nicht zur Verfügung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 1 Satz 1 D[X.]iG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Bergmann                    Drescher                      Menges

                   Koch                        [X.]

Meta

RiZ (R) 5/14

04.03.2015

Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 29. Juli 2014, Az: DGH 3/12

§ 26 Abs 1 S 1 RiG ST, §§ 26ff RiG ST, § 34 DRiG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.2015, Az. RiZ (R) 5/14 (REWIS RS 2015, 14548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14548

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

RiZ (R) 5/14 (Bundesgerichtshof)


RiZ (R) 5/13 (Bundesgerichtshof)

Richterliche Dienstaufsicht: Verfahrensfehler bei der Entscheidung über die Anfechtung einer Dienstaufsichtsmaßnahme im Wege des Gerichtsbescheides; …


RiZ (B) 7/13 (Bundesgerichtshof)


RiZ (B) 6/14 (Bundesgerichtshof)


RiZ (B) 3/09 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.