Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.03.2021, Az. 30 W (pat) 37/20

30. Senat | REWIS RS 2021, 7971

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Lindberg" – geographische Herkunftsangabe - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 010 296.0

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 11. März 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

2

[X.]

3

ist am 20. April 2018 für die folgenden Waren der [X.]:

4

"Molkereiprodukte und deren Ersatzprodukte; Blauschimmelkäse; Butter; Cheddar-Käse; Desserts auf Milchbasis; Desserts aus Milchprodukten; Frischkäse; Geräucherter Käse; Hartkäse; Joghurt; Käse; Käse mit Gewürzen; Käseersatz; Käse mit Kräutern; Kochkäse; Magerkäse; Milch; Milchersatz; Milchgetränke auf Milchbasis; Milchpulver; Molke; Rahmkäse; Sahne [Rahm]; Sahnepulver [Milchprodukte]; Schafskäse; Streichkäse; Trockenmilch; Trockenmolke; Weichkäse; Ziegenmilchkäse"

5

zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] geführte Register angemeldet worden.

6

Mit Beschlüssen vom 27. September 2018 und vom 24. Juli 2020, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für [X.] des [X.]s die Anmeldung zurückgewiesen.

7

Zur Begründung ist ausgeführt, bei [X.] handele es sich um eine geographische Herkunftsangabe, deren Eintragung die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegenstehe. Das Wortzeichen sei der Name einer [X.] im [X.]n [X.] mit etwa 2300 Einwohnern und einer Fläche von etwa 108 Quadratkilometern, davon etwa 340 Hektar Wiesen und Weiden. Im Jahre 2016 seien in [X.] 109 Milchkühe gehalten worden. Vor diesem Hintergrund sei es nicht ausgeschlossen, dass in [X.] zukünftig [X.] betrieben werden könnten. Ferner sei das Interesse der beteiligten inländischen Verkehrskreise an regionalen Nahrungsmitteln aus ökonomischen und ökologischen Gründen in den letzten Jahren deutlich gestiegen, so dass vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten sei, dass sich [X.] in [X.] ansiedelten. Dafür spreche insbesondere der aufgrund der derzeitigen Wirtschaftsschwäche der Region – im Vergleich beispielsweise zu [X.] – relativ geringe Preis von landwirtschaftlichen Flächen sowie die unmittelbare Nähe zum [X.], die den beanspruchten Waren "ein Flair besonderer Natürlichkeit und Nachhaltigkeit" verleihen könnten.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

9

Sie trägt vor, der angesprochene Verkehr entnehme dem Anmeldezeichen keine geographische Angabe, da die [X.] [X.] [X.] weithin unbekannt sei. Der Verkehr werde das Zeichen bei markenmäßiger Verwendung folglich als Phantasiewort wahrnehmen.

Grundsätzlich seien geographische Bezeichnungen eintragungsfähig, die – wie hier – den beteiligten Verkehrskreisen als solche nicht bekannt seien oder bei denen es wegen der Eigenschaften des bezeichneten Orts wenig wahrscheinlich sei, dass die Verkehrskreise annehmen könnten, die Waren stammten von dort.

Dass die Namen kleinerer, unbekannter Orte und/oder [X.]n regelmäßig nicht für eine Vielzahl von Waren freihaltebedürftig sein könnten, sei in der Rechtsprechung anerkannt (unter Hinweis auf [X.] (pat) 155/99 – [X.] und [X.] 26 W (pat) 19/11 – [X.]). Eine beschreibende geographische Angabe liege bei kleineren Orten daher nur vor, wenn die beanspruchten Waren im betreffenden Ort und/oder in der betreffenden [X.] bereits hergestellt würden oder dies zumindest vernünftigerweise, d.h. nicht nur theoretisch, zu erwarten sei oder der Verkehr mit dem Zeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren positiv besetzte Vorstellungen verbinde.

Vorliegend bestünden jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die beanspruchten Waren gegenwärtig in der [X.] [X.] hergestellt würden. Das bloße Halten von Milchkühen sage nichts über die Verarbeitung der Milch zu Molkereiprodukten und zu Verkaufszwecken aus.

Abgesehen von der Tourismusbranche sei [X.] eine [X.] ohne Entwicklungsmöglichkeiten und auch von nur geringer politischer, wirtschaftlicher und historischer Bedeutung. Es handele sich vielmehr um einen Erholungs- und Urlaubsort, der zwischen den [X.] eingebettet liege und sich nicht als Sitz von Herstellungs-, Vertriebs- und [X.] anbiete. [X.] seien ca. zwei Drittel der [X.]fläche zum [X.] des [X.] erklärt und somit unter strengen Schutz gestellt worden. Ferner seien im Jahr 2017 lediglich 17 Hektar Industrie- und Gewerbeflächen in [X.] vorhanden gewesen, wobei dies insgesamt 0,1 % der Gesamtfläche ausmache. [X.] sei schließlich seit 1976 staatlich anerkannter Erholungsort und dürfe als solcher nach dem bayrischen Kommunalabgabengesetz einen Kurbeitrag von Gästen erheben. Nicht zuletzt deshalb sei der Tourismus die wichtigste Einnahmequelle [X.]s.

Vor diesem Hintergrund sei die Annahme der Markenstelle, in [X.] könnten sich künftig [X.] ansiedeln, nicht überzeugend. Die Markenstelle trage keine Anhaltspunkte für eine solche Prognose vor. Dagegen spreche auch die seit 1999 stetig sinkende Anzahl an Milchkühen, wobei sich ein klarer Abwärtstrend abzeichne. Die von der Markenstelle – insoweit richtig – erkannte Wirtschaftsschwäche der Region lasse auch nicht vermuten, dass sich das Interesse der Verkehrskreise an regionalen Nahrungsmitteln in der Herstellung von Molkereiprodukten in [X.] selbst niederschlagen werde. Die [X.] umgebenden [X.]n [X.], [X.] und [X.] seien – wie auch [X.] selbst – allesamt primär Erholungs- und Urlaubsorte. Eine solches Prädikat erhielten nach § 10 [X.] nur solche Ortschaften, deren Luft, Klima und Ortshygiene besonders gesundheitsfördernde Eigenschaften aufwiesen. Vor diesem Hintergrund sei eine wirtschaftliche Entwicklung [X.]s hin zu mehr Landwirtschaft – und insbesondere zur mehr Nutztierhaltung und den damit verbundenen Emissionen – nicht zu erwarten, denn sie würde dem gegenwärtigen Zustand der Region als idyllischer Erholungsort zuwiderlaufen. Somit sei die Ansiedlung von Unternehmen, die die mit der Markenanmeldung beanspruchten Waren der [X.] herstellen oder anbieten, vernünftigerweise gerade nicht zu erwarten.

Ein Schutzhindernis könne sich auch nicht daraus ergeben, dass der angesprochene Verkehr konkrete Eigenschaften mit der Angabe [X.] verbinde und dadurch eine ideelle Verbindung herstelle. Die [X.] stehe wie dargelegt nicht für eine besondere Tradition in der Herstellung von Molkereiprodukten, die – wie die Markenstelle behaupte – für besondere Natürlichkeit und Nachhaltigkeit stünden. Es sei zudem fraglich, inwieweit mit Nachhaltigkeit geworben werden könne, wenn in unmittelbarer Nähe zu einem Nationalpark (der Ökosysteme schützen solle) Kühe zur Milchproduktion gehalten würden.

Ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] stehe der Eintragung somit nicht entgegen. Ferner besitze das Wort [X.] Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], da es vom Verkehr als Phantasiewort aufgefasst werde.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für [X.] des [X.]s vom 27. September 2018 und vom 24. Juli 2020 aufzuheben.

Der Senat hat der Anmelderin Rechercheergebnisse übersandt. Die Anmelderin hat mit [X.] vom 26. Februar 2021 beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. März 2021, welcher auf den von ihr hilfsweise gestellten Antrag anberaumt worden war, aufzuheben und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenlage Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Entgegen der Auffassung der Anmelderin stellt die angemeldete Bezeichnung [X.] im Hinblick auf die beanspruchten Waren eine beschreibende geographische Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] kommt dabei bereits dann in Betracht, wenn die fragliche Angabe zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen "dienen kann". Es kommt insofern also allein auf die objektive Eignung der Bezeichnung an, als geographische Herkunftsangabe dienen zu können (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Rn. 25, 30 – [X.]; [X.], 146 Rn. 31 f. – [X.]; [X.], 30 W (pat) 549/17 – [X.]). Ist die Eignung für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Produkte festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] keinen weiteren Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Rn. 30 – [X.]; [X.], 16 Rn. 32 – [X.], [X.], 674 Rn. 98 – Postkantoor). Daher kommt es für die Bejahung eines entsprechenden Schutzhindernisses weder darauf an, ob entsprechende Gewerbebetriebe in dem fraglichen Ort vorhanden sind oder der Verkehr die Bezeichnung [X.] derzeit als Ortsnamen kennt und ob er diesen Ort mit den beanspruchten Waren in Verbindung bringt (vgl. dazu [X.] 25 W (pat) 98/14 v. 1. August 2016 – [X.], veröffentlich auf [X.] PROMA sowie der Internetseite des [X.]). Dessen unbeschadet ist im Rahmen einer realitätsbezogenen Prognose unter Berücksichtigung zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklungen zu untersuchen, ob eine beschreibende Verwendung vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten ist, also bei realitätsbezogener Betrachtungsweise ernsthaft in Betracht kommt ([X.], a. a. [X.] Rn. 31-34 – [X.]; [X.], [X.], 882, 883 – [X.]; [X.] GRUR 2009, 491, 494 f. – [X.]; GRUR 2011 918, 919 – STUBENGASSE MÜNSTER). Insoweit ist maßgeblich, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung solcher Betriebe im Zuge der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung vernünftigerweise zu erwarten oder auszuschließen ist ([X.] a. a. [X.] – [X.]; [X.] GRUR 2018, 1146, [X.] – [X.]; Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 13. Aufl. 2021, § 8 Rn. 426-428 sowie 516 mwN).

Während nach früherer [X.] Spruchpraxis besondere Feststellungen erforderlich waren, um von einer künftigen Verwendbarkeit als geographische Herkunftsangabe ausgehen zu können, bedarf es nunmehr nach der Rechtsprechung des [X.] umgekehrt besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine Ortsbezeichnung ausnahmsweise nicht geeignet ist, im Verkehr als Angabe über die geographische Herkunft der betroffenen Waren und Dienstleistungen zu dienen ([X.] a. a. [X.] Rn. 33, 37 – [X.]; [X.] a. a. [X.] – [X.]). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 scheidet somit mit nur dann aus, wenn auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren oder Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise in Verbindung gebracht werden können ([X.] GRUR 2006, 509, 510 – PORTLAND).

2. Danach kann [X.] eine Eignung als geographische Angabe im Sinne eines Herkunftsorts in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht abgesprochen werden.

a) Die Anmelderin beansprucht in [X.] ausschließlich Milch- und Molkerei-Produkte, u.a. Butter, Sahne, Käse sowie weitere Produkte auf Milchbasis.

b) Wie bereits die Markenstelle festgestellt hat, ist [X.] eine [X.] im [X.]n [X.] mit etwa 2300 Einwohnern und einer Fläche von etwa 108 Quadratkilometern mit etwa 340 Hektar Wiesen und Weiden.

[X.] ist ein Ort mit bäuerlicher Tradition, wie unter anderem durch die Ansiedlung des Bauernhausmuseums in [X.] belegt wird (vgl. die Anlage "[X.]"). Unstreitig werden in [X.] seit langem Milchkühe und Schafe gehalten (in 2016 waren es 109 Milchkühe sowie 70 Schafe, vgl. die "Statistik kommunal 2018, [X.] [X.]", Amtsakte).

Somit wird Milch als Rohstoff der beanspruchten Waren in [X.] hergestellt, was nach der Rechtsprechung bereits für sich als Anknüpfungspunkt für die Annahme einer beschreibenden Ortsangabe ausreichen kann (vgl. etwa [X.] [X.] PROMA 32 W (pat) 102/07 – [X.]: Anbaugebiet für Kakao stellt auch beschreibende Ortsangabe für Schokolade dar; [X.] GRUR 2000, 149, 150 – [X.]: für Kosmetika beschreibende Ortsangabe wegen dort gewonnener Inhaltsstoffe; vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, 13. Aufl. 2021, § 8 Rn. 509).

Der Hinweis der Anmelderin, dass sich der Bestand der Milchkühe im Laufe der Jahre reduziert habe (von 149 im Jahr 1999 bis auf 109 im [X.], vgl. erneut die o. g. "Statistik kommunal 2018"), steht dem nicht entgegen. Es bestehen jedenfalls unstreitig landwirtschaftliche Betriebe mit entsprechender Viehhaltung, die auf die Milchproduktion ausgerichtet sind, und [X.] ist somit nachweislich ein geeigneter Standort für die Milchwirtschaft.

c) Nach den der Anmelderin übermittelten Rechercheergebnissen des Senats ist belegt, dass in unmittelbarer und näherer Umgebung von [X.] tatsächlich Käse und sonstige Milchprodukte hergestellt werden:

So befinden sich im Umkreis von wenigen Kilometern ein Bauernmarkt sowie auch einige Hofläden (vgl. die Anlage "[X.]"). Ferner scheint in der Region die Haltung von Ziegen und die Herstellung von Produkten aus Ziegenmilch verbreitet zu sein, da allein im nahegelegenen Umkreis von [X.] zwei Ziegenhöfe existieren (vgl. die Anlage "[X.] Beck").

Im Umland von [X.] unterhält die bekannte Käserei "G… GmbH" mehrere Standorte (vgl. die Anlage "[X.] MAPS goldsteig käserei"). Die G… GmbH stellt unter anderem die bekannten Käsesorten Mozzarella, Emmentaler und Almdammer, aber auch Ricotta und Butter her, beschäftigt ca. 720 Mitarbeiter und erzielt einen Umsatz von ca. … [X.] jährlich (vgl. den Wikipedia-Eintrag "Goldsteig Käsereien Bayerwald"). Die Milch für die Produktion (ca. 890 Mio. kg pro Jahr) bezieht das Unternehmen von rund 3.100 in Genossenschaften zusammengeschlossenen Erzeugerbetrieben, dich sich überwiegend in [X.] befinden (Wikipedia-Eintrag "Goldsteig Käsereien Bayerwald"). Ausweislich der Webseite des Unternehmens (vgl. die Anlage "www.goldsteig.de") liegt auch [X.] im "Einzugsgebiet" der Milch der G… GmbH.

d) In der Gesamtschau wird in [X.] selbst Milchvieh gehalten und folglich Milch als Rohprodukt hergestellt, und zudem findet im nahen Umkreis des Ortes eine ausgeprägte Produktion von Käse- und sonstigen Milchprodukten statt. Unter diesen Umständen erscheint es aber ohne weiteres möglich und plausibel, dass sich in [X.] selbst ein Hersteller von Milch- und Molkereiprodukten (Käse, Butter, Sahne, Milchdesserts etc.) niederlässt, so dass das Anmeldezeichen zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der beanspruchten Waren gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dienen kann.

e) Die hiergegen gerichtete Argumentation der Anmelderin greift insgesamt nicht durch.

aa) Die Anmelderin trägt im Wesentlichen vor, dass in der kleinen, wirtschaftlich unbedeutenden [X.] [X.] eine größere Industrieansiedlung von vorneherein unmöglich, jedenfalls aber unrealistisch sei, da u.a. nur geringe Gewerbeflächen vorhanden seien und der Ort zudem zu 2/3 seiner Fläche unter strengen Schutzauflagen stehe (als Teil des [X.]es des [X.]). Der touristische Charakter der Ortschaft stehe einer solchen Ansiedlung entgegen.

Hierzu ist zunächst anzumerken, dass der gesamte Vortrag der Anmelderin es jedenfalls nicht zwingend ausschließt, dass sich ein größeres Gewerbe in [X.] ansiedeln ließe.

Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Denn die Annahme einer beschreibenden geographischen Herkunftsangabe setzt im vorliegenden [X.] nicht die Möglichkeit der Ansiedlung eines Großunternehmens der Milchindustrie in [X.] voraus. Vielmehr kommt gerade bei Milch- und Käseprodukten häufig auch eine nur regional begrenzte Verwendung geographischer Herkunftsangaben in Betracht (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 520), und in ganz [X.] wie auch im Gebiet "[X.]" existiert eine Vielzahl von kleineren, oft familiengeführten Käsereien (Landkäsereien, Bio-Käsereien, Käse-Almen), die regionale Käsespezialitäten produzieren (vgl. hierzu die [X.] zu "regionale Käsereien [X.]" und "regionale Käsereien [X.]"; vgl. auch die Anlage "[X.]": "Besondere Käseschätze wieder gesucht (…) [X.], oft familiengeführten Käsereien in ganz [X.] produzieren so viele regionale Spezialitäten (…)"). Diese Käsereien sind dabei durchaus in touristischen Gebieten angesiedelt und können hier sogar eine besondere Attraktion darstellen.

Die Möglichkeit der Eröffnung solcher regionaler Käserei-Betriebe in [X.] ist, auch unter Berücksichtigung des gesamten Vortrags der Anmelderin, im Zuge der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung daher vernünftigerweise zu erwarten bzw. kann keinesfalls ausgeschlossen werden.

bb) Auch das Argument der Anmelderin, dass der Ort [X.] nahezu unbekannt sei und insofern kein Freihaltebedürfnis bestehe, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Zwar kann die geringe Bekanntheit eines Ortes im Einzelfall als Indiz für die Schutzfähigkeit gewertet werden ([X.] vom 11.11.2009, 29 W (pat) 68/07 Nr. 27 – [X.]). [X.] ist für das [X.] Publikum jedoch unmittelbar als Ortsname erkennbar. Es handelt sich um einen typischen [X.]n Ortsnamen. Zahlreiche weitere [X.] Orte enden auf "–berg" (beispielsweise [X.], [X.], [X.], [X.], Nürnberg, [X.]), wobei das Wort als zweiter Bestandteil eines Ortsnamens zumeist darauf hinweist, dass der Ort an einem Hang (zwischen Talort und Gipfel) liegt (vgl. den Wikipedia-Eintrag zu [X.] (Ortsname)").

Daher werden die angesprochenen Verkehrskreise das Anmeldezeichen auch dann als Ortsnamen und somit als beschreibend verstehen, wenn sie über den Ort [X.] im [X.] keine weiteren Kenntnisse haben (vgl. [X.] 33 W (pat) 62/10 – [X.]; 25 W (pat) 549/14 – [X.]; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 520).

Hinzu tritt sodann noch, dass bei den hier relevanten Milch- und Käseprodukten wie dargelegt häufig eine nur regional begrenzte Verwendung geographischer Herkunftsangaben in Betracht kommt. In solchen Fällen reicht es aus, wenn der in Frage stehende Ort regional bekannt ist ([X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 520). Wenn ein Hersteller die in Frage stehenden Milchwaren aus [X.] oder mit Bezug auf [X.] anbieten will, so wird er sich damit vorrangig an Personen wenden, denen der Ort bekannt ist. Jedenfalls diese Personen werden den Ortsnamen mit Bezug auf die relevanten Dienstleistungen als beschreibend verstehen.

cc) Ob das Publikum die von der Anmelderin unter dem Zeichen [X.] angebotenen Milch- und Molkereiprodukte tatsächlich mit dem Ort [X.] im [X.] in Verbindung bringt, ist wie dargelegt unerheblich, da es allein auf die objektive Eignung der Bezeichnung ankommt, als geographische Herkunftsangabe für die relevanten Waren dienen zu können. Dies kann aber aus den vorgenannten Gründen nicht in Abrede gestellt werden.

3. Die angemeldete Marke ist daher nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] hinsichtlich der beanspruchten Waren von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Meta

30 W (pat) 37/20

11.03.2021

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.03.2021, Az. 30 W (pat) 37/20 (REWIS RS 2021, 7971)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7971

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