Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.07.2017, Az. 26 W (pat) 576/16

26. Senat | REWIS RS 2017, 7552

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "DelmeStrom" – Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 216 486.0

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 24. Juli 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Dr. von Hartz

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]Strom

3

ist am 6. Juni 2016 unter der Nummer 30 2016 216 486.0 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 35, 39 und 40.

4

Mit Beschluss vom 13. September 2016 hat die Markenstelle für Klasse 39 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen der

5

Klasse 4: Elektrizität;

6

Klasse 39: Distribution [Verteilung] von Energie; Stromversorgung durch Verteilung von Elektrizität; Verteilung durch Leitungen und Kabel; Verteilung von Elektrizität zur Stromversorgung; Verteilung von Energie; Verteilung von Energie an Haushalte;

7

Klasse 40: Dienstleistungen der Stromerzeugung; Energieerzeugungsdienste; Erzeugen von Strom; Erzeugung von elektrischem Strom; Erzeugung von Energie; Gas- und Stromerzeugung; Stromerzeugung; Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen; Stromerzeugung aus Solarenergie; Stromerzeugung aus Windenergie; Stromerzeugung durch Kraftwerke; Stromerzeugung durch Wasserkraft; Stromerzeugungsdienstleistungen.

8

Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei sprach- und branchenüblich gebildet und setze sich aus der geographischen Angabe „[X.]“, die einen 46 km langen Fluss in [X.] bezeichne, und dem gebräuchlichen Begriff „Strom“ zusammen, der für elektrischen Strom, elektrische Energie oder Leistung stehe. In Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen eines Energieversorgers sei das Anmeldezeichen unmittelbar geeignet, als geographischer Hinweis im Sinne von „Strom bzw. elektrische Energie von der [X.]“ oder als Bestimmungsangabe im Sinne von „elektrische Energie für die [X.] bzw. im geographischen Bereich des [X.]“ zu dienen. Die angesprochenen Verkehrskreise würden dem Zeichen daher keinen individualisierenden Herkunftshinweis entnehmen, sondern dieses als bloße Sachangabe verstehen. Auch die Binnengroßschreibung führe nicht zur Schutzfähigkeit, da diese Gestaltung dem heutigen werbegraphischen Standard entspreche. Da es Mitbewerbern der Anmelderin möglich sein müsse, ihre gleichen oder ähnlichen Produkte und Dienstleistungen auch mit dieser sachbeschreibenden Angabe bezeichnen zu können, bestehe zudem ein Freihaltebedürfnis. Die Anmelderin könne sich auch nicht auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen berufen, da die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Markenanmeldung keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage darstelle. Die Anmeldungen „[X.]“, „Spreewaldstrom“, „PaderStrom“, „[X.]“, „Pader-Energie“, „ohra Energie“, „elbenergie“, „[X.]“, „[X.]“, „[X.]“ und „[X.]“ seien ebenfalls zurückgewiesen worden.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des [X.] vom 13. September 2016 aufzuheben.

[X.]gleich mit der Beschwerdeeinlegung hat sie bezüglich der nicht zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klasse 35 die Teilung der Anmeldung erklärt.

“ (399 52 074), „[X.]“ (396 12 227), „[X.]“ (701 414), „[X.]“ (398 39 237), „[X.]“ (398 63 293) (vgl. auch [X.] W 106/03 [X.]). Insofern bestehe auch eine Selbstbindung der Verwaltung. Das Anmeldezeichen sei auch deshalb keine geographische Herkunftsbezeichnung, weil Stromanbieter kein eigenes Netz betrieben, der Strom auch an anderen Orten erzeugt werden könne und die Versorger ihre Produkte heutzutage bundesweit anböten. Die „[X.]“ sei eher ein langer Bach als ein die Region prägender Fluss, außerhalb der Region unbekannt (vgl. [X.] W (pat) 114/72 – [X.]) und werde nicht für die Erzeugung von elektrischer Energie aus Wasserkraft genutzt. Dies sei aus Umweltschutzgründen auch für die Zukunft nicht geplant. Die [X.] [X.]nhorst sei mit 74.500 Einwohnern als Markt für eine Regionalmarke eines überregionalen Stromvertriebs zu klein. Sie sei als [X.]werk in [X.]nhorst der einzige lokale Energieversorger. Kein anderer örtlicher Versorger habe ein vernünftiges Interesse an der Verwendung des Flussnamens. Auch die künftige Gründung eines neuen [X.]werks am Verlauf der [X.] sei unwahrscheinlich. Außer dem Namen der [X.] [X.]nhorst leiteten sich keine weiteren geographischen Angaben von dem Flussnamen ab. Ähnliche Wortkombinationen mit ihm seien im [X.] allenfalls vereinzelt und nicht für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen gebräuchlich.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 10. April 2017 ist die Anmelderin unter Beifügung von [X.] (Anlagen 1 bis 4, [X.]. 34 – 46 [X.]) darauf hingewiesen worden, dass das angemeldete Wortzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

[X.]Strom“ das Eintragungshindernis der Freihaltebedürftigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung insoweit zu Recht nach § 37 Abs. 1 [X.] zurückgewiesen hat.

1. a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Die Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die eines oder mehrere Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können (vgl. [X.] [X.] 2011, 1035 [X.]. 37 – 1000; [X.] 1999, 723 [X.]. 25 – [X.]; [X.] 2017, 186 [X.]. 38 – [X.]; [X.]Z 167, 278 [X.]. 35 - [X.]). Bei einer geographischen Herkunftsangabe besteht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass sie vom Verkehr als solche und nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrgenommen wird (vgl. [X.] a. a. O. [X.]. 31 - 34 – [X.]). Ob ein Zeichen oder eine Angabe beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der [X.], die als Abnehmer oder Interessenten der Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen, für die die Marke geschützt ist (vgl. [X.] a. a. O. [X.]. 29 – [X.]; [X.] a. a. O. – [X.]).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die angemeldete Wortkombination „[X.]Strom“ freihaltebedürftig.

aa) Die hier verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen richten sich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ([X.] [X.] 2006, 411 [X.]. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] 1999, 723 [X.]. 29 – [X.]) als auch an Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene sowie die [X.] im Energiebereich.

bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Bestandteilen „[X.]“ und „Strom“ zusammen.

aaa) Dem Wort „[X.]“ kommen verschiedene Bedeutungen zu.

(1) Die [X.] ist ein 46 km langes Fließgewässer in [X.] südwestlich von [X.]. Der Fluss entspringt in der [X.]stadt [X.] mit 12.200 Einwohnern, verläuft durch das [X.]gebiet der Mittelstadt [X.]nhorst mit 76.000 Einwohnern und mündet am Rande von [X.] in die [X.], einen Nebenfluss der [X.]. Sie fließt außerdem durch die Gemeinden [X.], [X.], [X.], [X.] Köhren, [X.] und [X.] ([X.], s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).

(2) [X.] ist aber auch eine [X.] Gemeinde mit 1.098 Einwohnern im [X.] [X.] in der Region [X.] (https://de.wikipedia.org/wiki/ [X.]_([X.]).

lokale Abkürzung für die [X.] [X.]nhorst oder das Gebiet entlang der [X.] dar, wie eine [X.]recherche des Senats ergeben hat: „[X.]News.de“ und „[X.] Report“ weisen auf Medien für die [X.] [X.]nhorst hin. „[X.]-Werkstätten“ bezieht sich auf an der [X.] angesiedelte Behindertenwerkstätten. Die [X.]seite „[X.]“ wirbt für handgefertigte Produkte aus den Manufakturen der [X.] und zwei Vereinigungen nennen sich „[X.] [X.] [X.] [X.]NHORST E. V.“ und „[X.] SHANTY [X.]“ (s. [X.] 3 zum gerichtlichen Hinweis).

(4) Da die kleine [X.] Gemeinde und die lokale Abkürzung bundesweit noch weniger bekannt sind, steht vorliegend die Bedeutung als [X.] Fluss im Vordergrund.

(www.duden.de, s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis). Da es sich bei der [X.] nur um einen kleines Fließgewässer handelt, das in einen Nebenfluss der [X.] mündet, kommt vorliegend nur die Bedeutung „elektrische Energie“ in Betracht.

ccc) In seiner Gesamtheit bedeutet das Wortzeichen daher „elektrische Energie an der [X.], von der [X.] oder für die [X.](region)“.

ddd) In Bezug auf die zurückgewiesene Ware „Elektrizität“ und die versagten Dienstleistungen eines Energieversorgers ist die angemeldete Bezeichnung aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise geeignet, als geographische Herkunftsangabe im Sinne von „elektrische Energie an oder von der [X.]“ oder als Bestimmungsangabe im Sinne von „elektrische Energie für das Gebiet an der [X.] bzw. die [X.]region“ zu dienen.

(1) Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht um eine grammatikalisch ungewöhnliche Wortverbindung, sondern diese Verknüpfung einer geografischen Bezeichnung mit einem Substantiv entspricht den grammatikalischen Regeln der [X.], wie die Beispiele „Frankenwein“, „[X.]“, „[X.]“, „Elbfischer“, „[X.]“, „Schwabenstrom“ ([X.] W (pat) 38/12), „[X.]“ ([X.] W (pat) 156/01), „Schwabenwasser“ ([X.] W (pat) 153/01) und „niederrheinStrom“ ([X.] W (pat) 549/11) zeigen.

(2) Selbst wenn der beanspruchten Wortkombination auch die Bedeutungen „Strom aus oder für [X.]nhorst“, „elektrische Energie aus oder für die [X.] Gemeinde [X.]“ zukämen, oder sie auf die schönen, besonderen Seiten der in [X.] bekannten Region im [X.] hinweisen oder eine Assoziation mit dem Unternehmensnamen der Anmelderin herstellen würde, könnte diese Mehrdeutigkeit keine Schutzfähigkeit begründen. Denn ein Zeichen kann bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der betreffenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. [X.] [X.] 2004, 146 [X.]. 32 - [X.]). Die Annahme einer beschreibenden Bedeutung eines Begriffs setzt zudem nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann auszugehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt ([X.] 2014, 872 [X.]. 25 - [X.]; [X.] 2014, 569 [X.]. 18 – [X.]; [X.] 2013, 522 [X.]. 13 - [X.] schönste Seiten). Der allein durch die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand der angesprochenen Verkehrskreise reicht für die Bejahung der Schutzfähigkeit nicht aus ([X.], a. a. O., [X.]. 24 – [X.]). Eine gewisse Allgemeinheit oder Unschärfe ist sogar unvermeidbar, um den gewünschten möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften beschreibend erfassen zu können.

[X.]Strom“ enthält keine über den Sinngehalt „elektrische Energie von der [X.] bzw. für die [X.]region“ hinausgehende Aussage.

(4) Auch die Binnengroßschreibung kann keine Schutzfähigkeit bewirken. Denn ein Wortzeichen kann Schutz in jeder üblichen Schreibweise beanspruchen. Die Binnenmajuskel kann daher nur in einer Wort-/Bildmarke als graphische Ausgestaltung Berücksichtigung finden ([X.] W (pat) 95/12 – [X.]). Ungeachtet dessen ist die Binnengroßschreibung ein einfaches und werbeübliches Gestaltungsmittel, das nicht geeignet ist, Eintragungsfähigkeit zu vermitteln ([X.] 2003, 963, 965 – [X.]/[X.]; [X.] W (pat) 23/14 – [X.]; 29 W (pat) 550/12 – GoldHouSe24).

fff) Die angemeldete Bezeichnung eignet sich zur unmittelbaren Beschreibung der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen.

(1) Bei dem Produkt der Klasse 4 „

(2) Bei den Dienstleistungen der Klasse 39 „

(3) Bei den Dienstleistungen der Klasse 40 „

ggg) Der von der Anmelderin vorgetragene Umstand, dass die „[X.]“ außerhalb der Region unbekannt sei und nicht für die Erzeugung elektrischer Energie aus Wasserkraft genutzt werde, ist unerheblich. Auch wenn der Fluss „[X.]“ nicht überregional bekannt sein sollte, spricht für die Schutzunfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung, dass das Gebiet an diesem Flusslauf zur Herstellung der zurückgewiesenen Ware bzw. zum Anbieten der versagten Dienstleistungen geeignet ist.

(1) Ein Freihaltebedürfnis setzt nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht voraus, dass das fragliche Zeichen nach dem zum [X.]punkt der Anmeldung bestehenden Verkehrsverständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet wird. Es reicht vielmehr aus, dass es entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung für eine solche Verwendung geeignet ist (vgl. [X.] a. a. O. [X.]. 42 – [X.]). Für die Annahme einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. [X.] [X.] 2010, 534 [X.]. 53 – [X.]; [X.] 2004, 674 [X.]. 56 – Postkantoor; [X.] 1999, 723 [X.]. 31, 37 – [X.]; [X.] a. a. O. [X.]. 43 – [X.]). Die damit verbundene Prognoseentscheidung darf nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen, sondern muss anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen ([X.] a. a. O. [X.]. 43 – [X.]).

(2) Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Eignung der Angabe „[X.]Strom“ zur Beschreibung der geographischen Herkunft der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen ist der Umstand, dass die Anmelderin bereits als Stromanbieterin in der [X.]region tätig ist (vgl. [X.] W (pat) 549/14 – [X.]; 26 W (pat) 517/13 – Laucala). Ferner besteht angesichts der Liberalisierung des Energiemarktes die nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende, zukünftige vernünftigerweise nicht ausschließbare Möglichkeit, dass sich weitere Anbieter von Strom oder Gas in dieser Gegend niederlassen. Der [X.] Gesetzgeber hat den Strommarkt bereits 1998 auf der Grundlage des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung ([X.] – [X.]) liberalisiert und den Stromanbietern ermöglicht, ihre Leistungen auch überregional, also unabhängig von ihrem Standort, anzubieten. Damit stellte die regionale Herkunft eines Anbieters, der Strom erzeugt und verteilt, schon im Jahre 1998 einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor dar, der mit einem Bedürfnis der Allgemeinheit einhergeht, Zeichen freizuhalten, die geeignet sind, auf derartige Faktoren hinzuweisen (vgl. [X.] W (pat) 38/12 – Schwabenstrom).

(2.1) Im Anmeldezeitpunkt existierten in [X.] knapp 1.100 Stromanbieter, darunter eine Vielzahl an privaten Unternehmen. Es ist auch nicht unrealistisch, dass sich in einer verhältnismäßig kleinen Region wie dem Gebiet entlang der [X.] neue Versorgungsunternehmen etablieren. In dem flächenmäßig in etwa vergleichbaren Gebiet des [X.] existierten im Anmeldezeitpunkt mindestens 13 Stromversorger ([X.]/ stromanbieter/ ?vxcp_SearchString=all).

(2.2) Zudem stellen die zurückgewiesene Ware „Elektrizität“ und die versagten [X.] und -verteilungsdienstleistungen keine besonderen Ansprüche im Hinblick auf die geographische Herkunft. Sie lassen sich von überall her vertreiben und erbringen. Auch die Erzeugung von Strom ist im [X.]gebiet denkbar. Dieses ist von Landwirtschaft geprägt und nahe der [X.] im nord[X.]n Tiefland gelegen, so dass eine Stromerzeugung nicht nur in konventionellen Kraftwerken, sondern auch aus Biomasse und Windenergie möglich ist.

(2.3) Eine rechtlich und tatsächlich bestehende Monopollage der Anmelderin vermag zwar der Annahme eines Freihaltebedürfnisses entgegenstehen ([X.] W (pat) 209/04 – [X.]; [X.] 34, 154, 158 = [X.] 1994, 627 – [X.]), aber zu einer rechtlich abgesicherten Monopolstellung hat die Anmelderin nichts vorgetragen.

hhh) Entgegen der Ansicht der Anmelderin kann auch nicht festgestellt werden, dass es in der Energiebranche üblich sei, aus einer geographischen Angabe und einem Sachbegriff betriebliche Herkunftshinweise zu bilden.

(1) Die Marken „[X.]“ (701 414), „[X.]“ (396 12 227), „[X.]“ (398 39 237) und „[X.]“ (398 63 293) stammen aus der [X.] vor der Veröffentlichung des „[X.]“-Urteils des [X.] vom 4. Mai 1999 ([X.] 1999, 723), das Grundsätze aufgestellt hat, die wesentlich von der früheren [X.]n Rechtsprechung abweichen. Während früher besondere Feststellungen erforderlich waren, um von einem Freihaltungsbedürfnis ausgehen zu können, besteht seit dieser Entscheidung eine Vermutung dafür, dass eine Ortsbezeichnung als schutzunfähige Herkunftsangabe und damit nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen in Betracht kommt. Deshalb bedarf es seitdem besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine Ortsangabe ausnahmsweise nicht geeignet ist, im Verkehr als Hinweis auf die geographische Herkunft der betroffenen Waren bzw. Dienstleistungen zu dienen. Durch diese Grundsätze ist eine Verschärfung der Eintragungsvoraussetzungen für geografische Angaben erfolgt, weshalb die Eintragung dieser alten Marken nicht als Vergleichsmaßstab dienen kann. Eine durch sie etwaig entstandene Kennzeichnungsgewohnheit auf dem Energiemarkt ist durch die Rechtsprechungsänderung hinfällig geworden (vgl. [X.] W (pat) 541/16 – [X.]). Deshalb ist auch die von der Anmelderin angeführte Entscheidung des [X.] vom 16. Oktober 1973 ([X.] 15, 214 = 26 W (pat) 114/72 – [X.]) überholt und unmaßgeblich.

(2) Die Marke „[X.]“ (399 52 074) ist zwar nach der [X.]-Entscheidung, nämlich im Jahre 2002, aufgrund einer Entscheidung des [X.] vom 7. November 2001 (26 W (pat) 114/00) eingetragen worden. Dies geschah aber noch unter Berücksichtigung der früheren, strengeren vom [X.] aufgestellten Schutzversagungskriterien, wonach noch eine eindeutig beschreibende Sachaussage erforderlich war und die Schutzfähigkeit begründet werden konnte, wenn ein weiterer möglicher Sinngehalt denkbar war. Diese Rechtsprechung hat der [X.] in den Entscheidungen zu [X.] ([X.] 2004, 146 [X.]. 32) aufgegeben (vgl. [X.] W (pat) 549/11 – niederrheinStrom).

(3) Obwohl der Beschluss des [X.] vom 29. Juni 2005 zu „[X.]“ (29 W (pat) 106/03), also nach der Veröffentlichung der [X.]-Entscheidung ergangen ist, bejaht das [X.] entgegen der neuen [X.]-Rechtsprechung die Schutzfähigkeit wegen des Vorliegens mehrerer beschreibender Bedeutungen. Daher ist auch diese Markeneintragung nicht berücksichtigungsfähig.

(4) Die verbleibende, am 13. August 2013 u. a. für Dienstleistungen im Energiebereich eingetragene Marke „UckerStrom“ (30 2013 021096) kann allein weder eine Kennzeichnungsgewohnheit noch eine Verwaltungspraxis begründen, zumal nach den Ausführungen der Markenstelle im angefochtenen Beschluss eine deutlich größere Zahl vergleichbarer Anmeldungen zurückgewiesen worden ist. Es kann sich vielmehr um eine rechtswidrig vorgenommene Eintragung handeln. Niemand kann sich jedoch auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen ([X.] [X.] 2009, 667, 668 [X.]. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und [X.]). Für die erforderliche Bereinigung des Markenregisters sieht das Gesetz das Löschungsverfahren vor, das von jedermann eingeleitet werden kann.

2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vorliegt, kann dahinstehen, ob es dem angemeldeten Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an der nötigen Unterscheidungskraft fehlt.

Meta

26 W (pat) 576/16

24.07.2017

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.07.2017, Az. 26 W (pat) 576/16 (REWIS RS 2017, 7552)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7552

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