Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 28.01.2013, Az. 2 BvR 1912/12

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2013, 8634

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Rspr des BVerwG zur Berücksichtigung einer überlangen Verfahrensdauer im Disziplinarverfahren - Erfordernis einer Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde


Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich insbesondere gegen die erneute Ablehnung der Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung durch das [X.].

2

Nachdem ein erster Beschluss des [X.]s in der gleichen Sache vom [X.] wegen fehlender Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] aufgehoben worden war (siehe [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 19. Oktober 2011 - 2 BvR 754/10 -, juris) und das [X.] zwischenzeitlich in zwei anderen Verfahren entschieden hat, dass Art. 6 Abs. 1 [X.] auch unter Berücksichtigung der genannten Rechtsprechung kein Absehen von einer gebotenen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen könne (BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 -, juris, Rn. 84 ff. und Beschluss vom 16. Mai 2012 - 2 B 3.12 -, juris, Rn. 10 ff.), wies es die Revisionszulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers mit dem hier angegriffenen Beschluss erneut zurück.

3

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 [X.]G) nicht erfüllt sind. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist - ohne grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen aufzuwerfen - teilweise bereits unzulässig und im Übrigen - jedenfalls unbegründet.

4

Soweit die Verfassungsbeschwerde - was nicht zweifelsfrei auszuschließen ist - dahin zu verstehen sein sollte, dass der Beschwerdeführer unabhängig von der beanstandeten Nichtzulassung der Revision einen Grundrechtsverstoß durch die überlange Dauer des Disziplinarverfahrens begründet sieht, ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig. Denn der Beschwerdeführer hat es versäumt, beim zuständigen Oberverwaltungsgericht eine Klage auf angemessene Entschädigung für infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens erlittene Nachteile gemäß § 198 Abs. 1, § 201 [X.] zu erheben (vgl. hierzu [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. Juni 2012 - 2 BvR 1565/11 -, juris, Rn. 11 ff.; Beschluss der [X.] des [X.] vom 30. Mai 2012 - 1 BvR 2292/11, juris, Rn. 8 f.). Dem stand nicht entgegen, dass gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 [X.] eine Entschädigung grundsätzlich nur erlangt werden kann, wenn zuvor bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt wird (Verzögerungsrüge). Denn der vorherigen Erhebung einer Verzögerungsrüge bedarf es gemäß Art. 23 Satz 4 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 ([X.]) nicht, wenn - wie hier - in einem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits anhängigen Verfahren die Verzögerung in einer schon abgeschlossenen Instanz erfolgt ist.

5

Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Der angegriffene Beschluss ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil er keine Auslegungs- oder Anwendungsfehler der Vorschriften über die Revisionszulassung erkennen lässt, die die Annahme objektiver Willkür rechtfertigen oder die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereiches, beruhen (vgl. hierzu [X.]E 18, 85 <93>; 42, 143 <149>).

6

So erscheint es insbesondere vertretbar, wenn das [X.] angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des [X.] zur Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 [X.] auf das [X.] Disziplinarverfahren davon ausgeht, dass die Rechtsfrage der Möglichkeit einer mildernden Berücksichtigung einer überlangen Verfahrensdauer in Fällen einer gebotenen Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis mittlerweile geklärt ist, und diese Rechtsauffassung auf die Aberkennung des Ruhegehalts erstreckt.

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1912/12

28.01.2013

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BVerwG, 1. Juni 2012, Az: 2 B 123/11, Beschluss

§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 198 Abs 1 GVG, § 201 GVG, Art 6 Abs 1 MRK, Art 23 Abs 4 ÜberlVfRSchG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 28.01.2013, Az. 2 BvR 1912/12 (REWIS RS 2013, 8634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8634


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 1912/12

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1912/12, 28.01.2013.


Az. 2 B 123/11

Bundesverwaltungsgericht, 2 B 123/11, 01.06.2012.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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