Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.06.2012, Az. 2 B 123/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 5895

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Gegenstand

Zur Bedeutung einer unangemessen langen Dauer des Disziplinarverfahrens


Gründe

1

[X.]ie auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache sowie auf einen Verfahrensmangel gestützte [X.]eschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G) hat keinen Erfolg.

2

1. [X.]er [X.] stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Ende April 2006 als Professor an einer Kunsthochschule im [X.]ienst des [X.]. [X.]as Verwaltungsgericht hat dem [X.]n das Ruhegehalt aberkannt. [X.]as Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung des [X.]n zurückgewiesen. Es hat festgestellt, dass der [X.] im Wintersemester 2002/2003 sowie im Mai 2002 bei seiner dienstlichen Tätigkeit zwei Studentinnen seiner [X.] sowie eine Verwaltungsangestellte sexuell belästigt hat. Wäre der [X.] noch im aktiven [X.]ienst, wäre er wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens seines [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit aus dem [X.]ienst zu entfernen gewesen.

3

2. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche, noch ungeklärte Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G obliegt es dem [X.]eschwerdeführer, diese Voraussetzungen darzulegen ([X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> = [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). [X.]iese Voraussetzungen sind hinsichtlich der vom [X.]n aufgeworfenen Rechtsfragen zur [X.]edeutung der unangemessen langen [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens nicht erfüllt.

4

In der Rechtsprechung des [X.] ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] geklärt, dass es die unangemessene [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens nicht rechtfertigt, von der Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme disziplinarrechtlich geboten ist (stRspr; zuletzt Urteil vom 29. März 2012 - [X.]VerwG 2 A 11.10 - und [X.]eschluss vom 16. Mai 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 - jeweils zur [X.] in der Entscheidungssammlung [X.] vorgesehen).

5

[X.]ie Maßnahmebemessung nach § 11 Thür[X.]G hat sich an dem Zweck der [X.]isziplinarbefugnis zu orientieren, die Integrität des [X.]erufsbeamtentums und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes zu gewährleisten. [X.]aher ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen [X.]etrachtung und Wertung die Frage, ob ein [X.]eamter nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im [X.]eamtenverhältnis tragbar ist und falls dies zu bejahen ist, ob durch eine [X.]isziplinarmaßnahme auf ihn eingewirkt werden muss, um zu verhindern, dass der [X.]eamte das für die [X.]ienstausübung unabdingbare Vertrauen dauerhaft verliert. Allerdings sind bei der Ausübung der [X.]isziplinarbefugnis das Schuldprinzip und das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. [X.]araus folgt, dass die [X.]isziplinarmaßnahme nach einer Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände unter [X.]erücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des [X.]eamten zu bestimmen ist, wobei der Schwere des [X.]ienstvergehens richtungweisende [X.]edeutung zukommt. [X.]ie Entfernung des [X.]eamten aus dem [X.]eamtenverhältnis ist geboten, wenn der [X.]eamte das Vertrauen des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. [X.]ies ist der Fall, wenn die Gesamtwürdigung unter [X.]erücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergibt, der [X.]eamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen [X.]ienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des [X.]erufsbeamtentums sei bei Fortführung des [X.]eamtenverhältnisses irreparabel (stRspr; vgl. nur Urteil vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.][X.]G Nr. 3 Rn. 16 ff.).

6

Ist der [X.]eamte nach diesen [X.]ewertungsmaßstäben wegen eines schwerwiegenden [X.]ienstvergehens im öffentlichen [X.]ienst untragbar geworden, so kann er nicht deshalb [X.]eamter bleiben, weil das [X.]isziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. In diesem Fall lässt sich die Anerkennung eines Milderungsgrundes der überlangen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck der [X.]isziplinarbefugnis vereinbaren. [X.]ie Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes wäre nicht mehr gewährleistet, wenn [X.]eamte, deren berufliche Integrität dauerhaft beschädigt ist, weiterhin [X.]ienst leisten würden. [X.]as verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden. Ergibt die Gesamtwürdigung dagegen, dass eine pflichtenmahnende [X.]isziplinarmaßnahme notwendig, aber auch ausreichend ist, steht fest, dass der [X.]eamte im öffentlichen [X.]ienst noch tragbar ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der [X.]estimmung der [X.]isziplinarmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 [X.]vR 80/77 - [X.]VerfGE 46, 17 <28 f.>; Kammerbeschluss vom 9. August 2006 - 2 [X.]vR 1003/05 - [X.]V[X.]l 2006, 1372 <1373>; [X.]VerwG, Urteile vom 22. Februar 2005 - [X.]VerwG 1 [X.] 30.03 - juris Rn. 80, vom 8. Juni 2005 - [X.]VerwG 1 [X.] 3.04 - juris Rn. 27 und vom 7. Februar 2008 - [X.]VerwG 1 [X.] 4.07 - [X.] 235 § 77 [X.][X.]O Nr. 13; [X.]eschlüsse vom 13. Oktober 2005 - [X.]VerwG 2 [X.] 19.05 - [X.] 235.1 § 15 [X.][X.]G Nr. 2 Rn. 8 und vom 26. August 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 66.09 - Rn. 11).

7

[X.]iesen Unterschied hat der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 12 Thür[X.]G die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis im Gegensatz zu allen anderen [X.]isziplinarmaßnahmen vom [X.] wegen Zeitablaufs ausgenommen hat.

8

[X.]iese Ausführungen gelten gleichermaßen für die Aberkennung des Ruhegehalts. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Thür[X.]G kommt bei einem Ruhestandsbeamten die hier ausgesprochene Aberkennung des Ruhegehalts nur in [X.]etracht, wenn er als noch im [X.]ienst befindlicher [X.]eamter wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit aus dem [X.]ienst entfernt werden müsste.

9

Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]. [X.]anach hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in [X.]ezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem Gericht innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. [X.]er [X.] geht davon aus, dass Art. 6 [X.] in seiner zivilrechtlichen [X.]edeutung auf ein [X.]isziplinarverfahren, in dem der [X.]eamte wegen eines [X.]ienstvergehens aus dem [X.]ienst entfernt worden ist, anwendbar ist ([X.], Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - Rn. 39 m.w.N. = NVwZ 2010, 1015 ff.). [X.]anach liegt ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn das [X.]isziplinarverfahren von seiner Einleitung durch den [X.]ienstherrn bis zum rechtskräftigen Abschluss unangemessen lang gedauert hat. [X.]ie Angemessenheit ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter [X.]erücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens des [X.]eamten, der Vorgehensweise der [X.]ehörden und Gerichte sowie der [X.]edeutung des Verfahrens für den [X.]eamten zu beantworten ([X.], Urteil vom 16. Juli 2009 a.a.O.).

Eine unangemessen lange Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat jedoch nicht zur Folge, dass dem [X.]etroffenen aus diesem Grund eine Rechtsstellung eingeräumt werden muss, die im Widerspruch zu dem entscheidungserheblichen innerstaatlichen materiellen Recht steht. Vielmehr kann die unangemessene Verfahrensdauer für den Ausgang des zu lange dauernden Rechtsstreits nur dann zugunsten des [X.]etroffenen berücksichtigt werden, wenn das innerstaatliche Recht dies vorsieht oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der einschlägigen materiellrechtlichen [X.]estimmungen zu ermitteln.

[X.]ies wird durch die zur [X.] ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt. Sein Urteil hat, wie sich aus Art. 41 [X.] ergibt, lediglich Feststellungswirkung. Auch Art. 46 Abs. 1 [X.], wonach der Vertragsstaat verpflichtet ist, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen, führt nicht dazu, dass der Vertragsstaat dem [X.]etroffenen allein wegen der überlangen [X.]auer des Verfahrens eine Rechtsstellung einräumen muss, die diesem nach dem maßgeblichen innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht; der Gerichtshof spricht vielmehr eine gerechte Entschädigung als Ersatz für materielle wie immaterielle Schäden zu ([X.], [X.], 3. Aufl., Art. 41, Rn. 21).

Im Übrigen hat der [X.]undesgesetzgeber die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] wegen unangemessen langer Verfahrensdauer inzwischen durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 ([X.]G[X.]l I S. 2302) eigenständig geregelt. [X.]iese [X.]estimmungen gelten nach § 173 Satz 2 VwGO und § 21 Thür[X.]G auch für das gerichtliche [X.]isziplinarverfahren. [X.]er Gesetzgeber hat dem betroffenen Verfahrensbeteiligten für den Fall der gerügten unangemessenen [X.]auer eines Gerichtsverfahrens für dadurch verursachte Vermögensnachteile und immaterielle Folgen grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung eingeräumt. Nach § 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 [X.] geht die Wiedergutmachung des Verstoßes gegen das Gebot des gerichtlichen Rechtsschutzes in angemessener Zeit auf andere Weise dem Entschädigungsanspruch vor, der die durch die verzögerte gerichtliche Entscheidung bestimmte Rechtslage unberührt lässt.

[X.]er Gesetzgeber hat aber davon abgesehen, in §§ 198 ff. [X.] die Formen einer solchen Wiedergutmachung abschließend festzulegen ([X.]T[X.]rucks 17/3802, [X.] und 19). Er hat aber auch nicht vorgesehen, dass die Wiedergutmachung in der Weise zu erfolgen hat, dass dem [X.]etroffenen als Ausgleich für die Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens die den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Rechtsposition einzuräumen ist, deren materiell-rechtliche Voraussetzungen der [X.]etroffene nicht erfüllt. Für andere als strafgerichtliche Verfahren (§ 199 Abs. 3 [X.]) hat der Gesetzgeber in den §§ 198 ff. [X.] als Form der Wiedergutmachung auf andere Weise lediglich die Möglichkeit einer Feststellung der überlangen Verfahrensdauer durch das Entschädigungsgericht bei gleichzeitiger Freistellung des [X.] von den Kosten des [X.] geregelt ([X.]T[X.]rucks 17/3802, [X.]). Ob im Übrigen eine dem Entschädigungsanspruch vorgehende Wiedergutmachung auf andere Weise möglich ist, richtet sich nach den jeweiligen formellen und materiell-rechtlichen [X.]estimmungen. [X.]ie für die [X.]emessung der [X.]isziplinarmaßnahme maßgeblichen Vorschriften schließen aber, wie dargelegt, die Wiederherstellung des verlorenen Vertrauens des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit allein durch eine unangemessene [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens aus.

3. [X.]ie Zulassung der Revision kommt auch nicht wegen des geltend gemachten [X.] in [X.]etracht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G).

[X.]ie [X.]eschwerde rügt die unangemessen lange Verfahrensdauer in Verbindung mit der deshalb fehlenden Unmittelbarkeit und Verwertbarkeit der [X.]eweiserhebung. Auf dem Verfahrensmangel der unangemessen langen Verfahrensdauer könne die [X.]erufungsentscheidung auch beruhen. Sie stütze sich allein auf die Aussagen der Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 14. Mai 2007. [X.]ei deren Vernehmung im behördlichen Verfahren seien die Rechte des [X.]n auf [X.]eweisteilhabe verletzt worden, weil weder er selbst noch sein [X.]evollmächtigter anwesend gewesen seien. [X.]ieser Verfahrensfehler habe im gerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden können. [X.]er zeitliche Abstand zwischen den zu bezeugenden Ereignissen und der gerichtlichen Vernehmung der Zeuginnen von ca. 4 1/2 Jahren habe bei diesen zu Erinnerungslücken und Erinnerungsschwierigkeiten geführt. Zwangsläufig habe sich die Verfahrensverzögerung auf das Erinnerungsvermögen der Zeuginnen und den Inhalt ihrer Aussagen ausgewirkt. [X.]eshalb könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine ordnungsgemäße Zeugenvernehmung zu einem früheren Zeitpunkt ein anderes Ergebnis und damit eine andere gerichtliche Entscheidung zur Folge gehabt hätte.

[X.]iese Rüge ist nicht begründet. [X.]er Revisionszulassungsgrund des [X.] gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfasst nur Mängel des gerichtlichen Verfahrens, d.h. Verstöße des Gerichts gegen verwaltungsprozessrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze. Ein Mangel des behördlichen [X.]isziplinarverfahrens zieht einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nach sich, wenn das Verwaltungsgericht die sich aus § 51 Thür[X.]G ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die [X.]eseitigung eines solchen Mangels durch den [X.]ienstherrn hinzuwirken ([X.]eschluss vom 26. Februar 2008 - [X.]VerwG 2 [X.] 122.07 - [X.] 235.1 § 55 [X.][X.]G Nr. 2 Rn. 3).

Verstöße gegen das Recht auf [X.]eweisteilhabe im behördlichen Verfahren können jedoch durch die Verwaltungsgerichte selbst geheilt werden. Sie ziehen keine prozessualen Konsequenzen nach sich, wenn die [X.]eweiserhebung vom Gericht im gerichtlichen [X.]isziplinarverfahren fehlerfrei durchgeführt worden ist. [X.]ies ergibt sich aus der Pflicht der Gerichte zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung, die unabhängig von der Tätigkeit der [X.]ehörden besteht. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Thür[X.]G erhebt das Gericht die erforderlichen [X.]eweise. Es hat selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis des [X.]ienstvergehens und die [X.]emessung der [X.]isziplinarmaßnahme von [X.]edeutung sind (Urteil vom 15. [X.]ezember 2005 - [X.]VerwG 2 A 4.04 - [X.] 235.1 § 24 [X.][X.]G Nr. 1 Rn. 26; [X.]eschlüsse vom 14. Juni 2005 - [X.]VerwG 2 [X.] 108.04 - [X.] 235.1 § 58 [X.][X.]G Nr. 1 S. 2, vom 4. September 2008 - [X.]VerwG 2 [X.] 61.07 - [X.] 235.1 § 58 [X.][X.]G Nr. 4 Rn. 7 und vom 11. Januar 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 78.11 - juris Rn. 4). [X.]as Gericht hat die erhobenen [X.]eweise nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens folgenden Überzeugung zu würdigen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). [X.]ies umfasst die [X.]eurteilung des Erinnerungsvermögens von Zeugen und folglich der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. [X.]ies gilt unabhängig davon, ob die Zeugen bereits im behördlichen Verfahren vernommen worden sind (Urteil vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 30.05 - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16). [X.]araus folgt, dass Zeugenaussagen nicht deshalb von vornherein unverwertbar sind, weil das Geschehen, zu dem die Zeugen vernommen werden, lange zurückliegt. Ein derartiges Verwertungsverbot besteht nicht.

Soweit die [X.]eschwerde die Verwertbarkeit der Aussagen der Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Frage stellt, legt sie keinen Verfahrensmangel dar, sondern greift die für den [X.]n nachteilige Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung des [X.]erufungsgerichts an. [X.]enn der Sache nach beanstandet der [X.], dass das [X.]erufungsgericht im [X.] an die [X.]eweiswürdigung des [X.], das die Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vernommen hatte, seiner Urteilsfindung den für den [X.]n nachteiligen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, wonach dieser im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit in den Jahren 2002 und 2003 drei Frauen sexuell belästigt hat. Ein Fehler in der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung - wenn er denn vorläge - ist aber revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen ([X.]eschlüsse vom 2. November 1995 - [X.]VerwG 9 [X.] 710.94 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 266; vom 24. Mai 1996 - [X.]VerwG 8 [X.] 98.96 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 270 und vom 18. April 2012 - [X.]VerwG 8 [X.] 94.11 - juris Rn. 2 f.).

[X.]ie tatrichterliche [X.]eweiswürdigung ist aufgrund des § 137 Abs. 2 VwGO revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob [X.]eweiswürdigungsgrundsätze wie etwa Auslegungsregeln, [X.]enkgesetze und allgemein Erfahrungssätze verletzt sind (stRspr, vgl. [X.]eschlüsse vom 26. Februar 2008 - [X.]VerwG 2 [X.] 122.07 - Z[X.]R 2008, 257 <260>, insoweit nicht in [X.] abgedruckt, und vom 29. März 2012 - [X.]VerwG 9 [X.] 88.11 - juris Rn. 3).

[X.]ie [X.]eschwerde legt nicht dar, dass das angefochtene Urteil derartige Mängel aufweist. Ein Verstoß gegen die [X.]enkgesetze liegt nur vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann. [X.]ie Annahme eines Gerichts, der Aussage einer Zeugin vor Gericht sei auch nach 4 1/2 Jahren seit dem zu bekundenden Ereignis Glauben zu schenken, widerspricht nicht der Logik. Auch besteht gerade kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Aussagen von Zeugen über sie besonders berührende Ereignisse unglaubhaft und deshalb einer gerichtlichen Entscheidungsfindung nicht zugrunde zu legen sind, wenn das betreffende Ereignis mehr als vier Jahre zurückliegt.

Meta

2 B 123/11

01.06.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 6. November 2008, Az: 8 DO 584/07, Urteil

§ 173 S 2 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 11 DG TH, § 12 DG TH, § 21 DG TH, Art 6 Abs 1 S 1 MRK, Art 41 MRK, §§ 198ff GVG, § 198 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.06.2012, Az. 2 B 123/11 (REWIS RS 2012, 5895)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5895


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 1912/12

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1912/12, 28.01.2013.


Az. 2 B 123/11

Bundesverwaltungsgericht, 2 B 123/11, 01.06.2012.


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