Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2023, Az. IV ZB 7/22

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 353

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Gegenstand

Wiedereinsetzung: Auslegung des Begriffs der "technischen Gründe" bei der Übermittlung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument


Leitsatz

Technische Gründe im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegen nur bei einer Störung der für die Übermittlung erforderlichen technischen Einrichtungen vor, nicht dagegen bei in der Person des Einreichers liegenden Gründen (hier: Erkrankung).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des [X.] - 6. Zivilsenat - vom 25. Februar 2022 wird auf seine Kosten verworfen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf bis zu 470.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger nimmt die [X.]eklagte auf Leistungen aus einer Unfallversicherung in Anspruch. Seine Klage hat in erster Instanz keinen Erfolg gehabt.

2

Das Urteil des [X.] ist dem [X.]rozessbevollmächtigten des [X.] am 4. Oktober 2021 zugestellt worden. Nach rechtzeitiger [X.]erufungseinlegung ist die [X.]erufungsbegründungsfrist bis zum 4. Januar 2022 verlängert worden. An diesem Tag ist die [X.]erufungsbegründung per Telefax und im Original beim [X.]erufungsgericht eingereicht worden.

3

Das [X.]erufungsgericht hat den Kläger mit Verfügung vom 7. Januar 2022 darauf hingewiesen, dass die [X.]erufung unzulässig sei, weil die [X.]erufungsbegründung nicht in der seit dem 1. Januar 2022 vorgeschriebenen Form des § 130d Z[X.]O eingegangen sei. Hierauf hat der [X.]rozessbevollmächtigte des [X.] mit Schriftsatz vom 7. Januar 2022 vorgetragen, dass er am 4. Januar 2022 gehindert gewesen sei, die [X.]erufungsbegründung als elektronisches Dokument zu übermitteln. Er sei am 1. Januar 2022 im Urlaub in [X.] erkrankt. Um eine Coronainfektion auszuschließen, habe er am 2. Januar 2022 [X.] durchgeführt, die wiederholt kein eindeutiges Ergebnis gezeigt hätten. Deshalb habe er am 3. Januar 2022 an seinem Wohnort in [X.]      einen [X.]CR-Test durchführen lassen, dessen negatives Ergebnis ihm erst am 6. Januar 2022 vorgelegen habe. Die [X.]erufungsbegründung habe er am 3. und 4. Januar 2022 zu Hause in [X.]       gefertigt, ausgedruckt und unterschrieben. Eine elektronische Übermittlung sei ihm von dort nicht möglich gewesen, da die beA-Hardware und -Software an seinem Arbeitsplatz im [X.]üro in [X.]    installiert seien. Er habe, da ihm auch ein Faxgerät zu Hause nicht zur Verfügung gestanden habe, die [X.]erufungsbegründung am Nachmittag des 4. Januar 2022 von einem [X.]oten in sein [X.]üro in [X.]    bringen lassen, in dem er mit einer Steuerberatungs-GmbH in [X.]ürogemeinschaft zusammenarbeite. Über den Faxanschluss der GmbH sei die [X.]erufungsbegründung dann an das [X.]erufungsgericht versandt worden.

4

Auf einen Hinweis des [X.]erufungsgerichts vom 11. Januar 2022 hat der [X.]rozessbevollmächtigte des [X.] die [X.]erufungsbegründung am 24. Januar 2022 als elektronisches Dokument übermittelt und mit einem am selben Tag eingegangenen weiteren Schriftsatz vorgebracht, ihm sei die elektronische Übermittlung der [X.]erufungsbegründung am 4. Januar 2022 aus technischen Gründen nicht möglich gewesen. Zudem hat er anwaltlich versichert, für den Fall seiner Verhinderung Vorkehrungen getroffen zu haben. Er arbeite in [X.]ürogemeinschaft mit einem anderen Rechtsanwalt zusammen, der wie er als Einzelanwalt ohne [X.]üropersonal tätig sei. Es bestehe die Absprache, dass bei Abwesenheit des einen Rechtsanwalts der andere als [X.] tätig werde. Er selbst habe am 2. Januar 2022 wieder im [X.]üro sein wollen. Da sich der andere Rechtsanwalt im [X.] daran seinerseits im Urlaub befunden habe, sei er am 4. Januar 2022 für ihn nicht erreichbar gewesen.

5

Das [X.] hat die [X.]erufung unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

6

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 Z[X.]O statthafte Rechtsbeschwerde ist im Übrigen nicht zulässig, denn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Z[X.]O, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die [X.]erufung als unzulässig verwerfenden [X.]eschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschluss vom 30. Juni 2021 - IV Z[X.] 5/21, juris Rn. 5 m.w.N.), sind nicht erfüllt. Eine Entscheidung des [X.] ist insbesondere weder zur Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 Z[X.]O) noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Z[X.]O) erforderlich. Der angefochtene [X.]eschluss verletzt den Kläger insbesondere nicht in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

7

1. Das [X.]erufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 1220 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die [X.]erufung sei unzulässig, weil die am 4. Januar 2022 eingegangene [X.]erufungsbegründung die Form des § 130d Satz 1 Z[X.]O nicht gewahrt habe und ein Ausnahmefall, in dem die Übermittlung eines Schriftsatzes nach den allgemeinen Vorschriften zulässig sei, nicht vorliege. Der Umstand, dass der [X.]rozessbevollmächtigte des [X.] sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gesehen habe, seine Kanzleiräume in [X.]    aufzusuchen und die [X.]erufungsbegründung von dort als elektronisches Dokument zu übermitteln, stelle keine vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen dar. Die Anforderungen des § 130d Satz 3 Z[X.]O seien ebenfalls nicht erfüllt.

8

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht erfolgen, weil die Fristversäumung nicht unverschuldet gewesen sei. Der krankheitsbedingte Ausfall des Rechtsanwalts am letzten [X.] rechtfertige für sich genommen eine Wiedereinsetzung noch nicht. Vielmehr fehle es an einem Verschulden des Rechtsanwalts nur dann, wenn infolge der Erkrankung weder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden könne. Sei der Rechtsanwalt - wie hier - als Einzelanwalt ohne eigenes [X.]ersonal tätig, müsse er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall treffen, zum [X.]eispiel durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen. Werde der Einzelanwalt unvorhergesehen krank, müssten allgemeine Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass die dem erkrankten Rechtsanwalt konkret noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen fristwahrende Wirkung entfalten könnten. Deshalb begründe es regelmäßig ein Verschulden des Rechtsanwalts, wenn er aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, einen vertretungsbereiten Kollegen zu suchen oder die Suche aufgrund der Kürze der nur noch zur Verfügung stehenden [X.] erfolglos sei. Hier habe die Erkrankung des [X.]rozessbevollmächtigten diesen nicht daran gehindert, die [X.]erufungsbegründung fristgerecht so fertigzustellen, dass eine Übermittlung per Telefax bereits um 15:25 Uhr an das [X.]erufungsgericht habe erfolgen können. Damit habe für den [X.]rozessbevollmächtigten des [X.] im Laufe des 4. Januar 2022 auch genügend [X.] bestanden, einen vertretungsbereiten Kollegen zu suchen, der für ihn in [X.] die am Nachmittag fertiggestellte [X.]erufungsbegründung als elektronisches Dokument an das [X.]erufungsgericht übermittele. Alternativ habe für den Klägervertreter die Möglichkeit bestanden, bei der [X.]eklagten um Zustimmung zu einer erneuten Fristverlängerung nachzufragen und - im Falle der Zustimmung - einen vertretungsbereiten Kollegen einen weiteren Fristverlängerungsantrag als elektronisches Dokument übermitteln zu lassen. [X.]eide Möglichkeiten habe der [X.]rozessbevollmächtigte des [X.] nicht ergriffen.

9

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das [X.]erufungsgericht hat zu Recht die [X.]erufung des [X.] als unzulässig verworfen, weil es ohne Rechtsfehler die Frist zur [X.]egründung des Rechtsmittels als versäumt erachtet und das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht als ausreichend dargelegt angesehen hat. [X.] Zulassungsgründe liegen nicht vor und werden auch von der [X.]eschwerde nicht aufgezeigt.

a) Zutreffend ist das [X.]erufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht innerhalb der Frist zur [X.]egründung des Rechtsmittels formgerecht [X.]erufung eingelegt hat.

aa) Als bestimmender Schriftsatz eines Rechtsanwalts ist die [X.]erufungsbegründung seit Inkrafttreten des § 130d Satz 1 Z[X.]O am 1. Januar 2022 als elektronisches Dokument zu übermitteln. Lediglich dann, wenn eine Übermittlung des Schriftsatzes aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 130d Satz 2 Z[X.]O). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist mit der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 130d Satz 3 Z[X.]O).

bb) Der [X.]rozessbevollmächtigte des [X.] hat die [X.]erufungsbegründung nicht innerhalb der Frist zur [X.]egründung des Rechtsmittels als elektronisches Dokument übermittelt. Auch war nicht ausnahmsweise die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften in Schriftform oder per Telefax zulässig, denn der Kläger hat jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass die Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war.

(1) [X.]ereits der Wortlaut des § 130d Satz 2 Z[X.]O spricht dagegen, in Fallgestaltungen, in denen die technischen Einrichtungen zur Übermittlung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument funktionsfähig vorhanden sind und dem Einreichenden lediglich der tatsächliche Zugriff auf sie versperrt ist, von einer vorübergehenden Unmöglichkeit zur Übermittlung aus "technischen Gründen" auszugehen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch, der grundsätzlich auch das Verständnis von Gesetzesbestimmungen prägt, liegen technische Gründe bei einer Störung der für die Übermittlung des Schriftsatzes in elektronischer Form erforderlichen technischen Einrichtungen, nicht aber bei in der [X.]erson des Einreichers liegenden Gründen vor. Dass der Gesetzgeber abweichend davon mit dem [X.]egriff der "technischen Gründe" auch Fälle erfassen wollte, in denen der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen - oder sonstigen in seiner [X.]erson liegenden - Gründen vorübergehend an der [X.]edienung der funktionsfähigen Technik gehindert ist, ist nicht ersichtlich (vgl. [X.]ayVGH NJW 2022, 3169 Rn. 14 zu § 55d VwGO; Anders in [X.], Z[X.]O 81. Aufl. § 130d Rn. 7; juris[X.]K-ERV/[X.]iallaß, 2. Aufl. § 130d Z[X.]O Rn. 61 [Stand: 23. November 2022]; dies., NJW 2023, 25, 26; juris[X.]K-ERV/[X.], § 55d VwGO Rn. 31 [Stand: 15. Dezember 2022]; [X.] in [X.]/Schneider, Verwaltungsrecht § 55d VwGO Rn. 29 [43. EL August 2022]; [X.], [X.], 1441 Rn. 45; [X.]/[X.], NJW 2022, 815 Rn. 7; [X.], [X.]RAK-Mitt. 2019, 2, 7; [X.], [X.], 1004, 1005; [X.], [X.], 201 Rn. 6). Dies führte - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung zu Recht hervorhebt - am Gesetzeswortlaut vorbei zu einer erheblichen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift in § 130d Satz 2 Z[X.]O, die als Ausnahmebestimmung eng auszulegen ist ([X.]ayVGH NJW 2022, 3169 Rn. 14, zu § 55d VwGO; Anders in [X.], Z[X.]O 81. Aufl. § 130d Rn. 6; [X.]üttel, juris[X.]R-ITR 25/2022 [X.]; [X.], [X.]RAK-Mitt. 2019, 2, 7).

(2) Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass eine Ausnahme von der zwingenden [X.]enutzung eines elektronischen Übermittlungsweges nur dann gelten soll, wenn die Justiz aus technischen Gründen nicht auf elektronischem Wege erreichbar ist, gleichviel ob die Ursache dafür in der Sphäre des Gerichts oder des Einreichenden zu suchen ist. Die beispielhafte [X.]enennung eines Ausfalls des Servers oder der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts in der [X.]egründung des Gesetzentwurfs ([X.]T-Drucks. 17/12634, S. 27 re. [X.]) deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber nur Fälle erfassen wollte, in denen einer Übermittlung des Schriftsatzes in elektronischer Form rein technische Gesichtspunkte entgegenstehen. Hätte der Gesetzgeber eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften bereits bei jeglicher vorübergehenden Unmöglichkeit des Zugriffs auf die an sich funktionsfähigen technischen Einrichtungen als zulässig ansehen wollen, so hätte er dies in der Neuregelung deutlich machen müssen. Gegen einen solchen Willen des Gesetzgebers spricht der im Entwurf dargelegte Zweck des § 130d Satz 2 Z[X.]O, dem Rechtsuchenden auch bei technischen Ausfällen eine wirksame Einreichung von Schriftsätzen zu ermöglichen ([X.]T-Drucks. 17/12634, S. 27 re. [X.]).

(3) Die Rechtsbeschwerde zeigt auch nicht auf, dass über die Auslegung des [X.]egriffs der "technischen Gründe" im Sinne von § 130d Satz 2 Z[X.]O in Fällen wie dem vorliegenden Meinungsverschiedenheiten in Rechtsprechung und Literatur bestehen. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 Z[X.]O ist somit nicht dargelegt. Die Darlegung des Zulassungsgrundes erfordert eine [X.]egründung, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die zur [X.]rüfung gestellte Rechtsfrage umstritten ist ([X.]GH, [X.]eschluss vom 16. September 2013 - [X.], juris Rn. 4 m.w.N.). Der bloße Hinweis darauf, dass es im Hinblick auf die Frage, ob unter "technische Gründe" im Sinne von § 130d Satz 2 Z[X.]O auch der fehlende Zugriff auf die technischen Einrichtungen zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen zu fassen sei, bislang an einer Leitentscheidung fehle, genügt nicht.

cc) Die Übermittlung als elektronisches Dokument ist eine unverzichtbare (§ 295 Abs. 2 Z[X.]O), von Amts wegen zu prüfende Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. [X.]T-Drucks. 17/12634, S. 27 re. [X.]). Ein entgegen § 130d Z[X.]O nicht als elektronisches Dokument übermittelter Schriftsatz ist nicht formgerecht. Der [X.] führt zur Unwirksamkeit der [X.]rozesserklärung (vgl. aaO; [X.]GH, [X.]eschlüsse vom 20. September 2022 - [X.], [X.], 2579 Rn. 14; vom 17. November 2022 - IX Z[X.] 17/22, juris Rn. 6; jeweils m.w.N.; vom 15. Dezember 2022 - III Z[X.] 18/22, juris Rn. 8).

b) Zu Recht hat das [X.]erufungsgericht auch das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht als ausreichend dargelegt angesehen. Der Kläger war nicht ohne Verschulden im Sinne von § 233 Satz 1 Z[X.]O verhindert, die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung einzuhalten; er muss sich insoweit das Verschulden seines [X.]rozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 Z[X.]O).

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]undesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass die zur Wahrung von Fristen erforderlichen Handlungen auch dann unternommen werden, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem [X.]ersonal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes [X.]ersonal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall treffen, zum [X.]eispiel durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen. Konkrete Maßnahmen muss der Rechtsanwalt erst dann ergreifen, wenn er den Ausfall vorhersehen kann. Wird er unvorhergesehen krank, muss er deshalb konkret nur das unternehmen, was ihm dann noch möglich und zumutbar ist. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Rechtsanwalt die Frist zur Einlegung oder [X.]egründung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft und daher wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (vgl. [X.]GH, [X.]eschlüsse vom 28. Mai 2020 - IX Z[X.] 8/18, NJW 2020, 2413 Rn. 10; vom 8. August 2019 - VII Z[X.] 35/17, NJW 2020, 157 Rn. 12; jeweils m.w.N.).

bb) Gemessen hieran konnte das [X.]erufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass der [X.]rozessbevollmächtigte des [X.] nicht ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung einzuhalten. Zwar mag sich die allgemeine Vorkehrung, dass der in [X.]ürogemeinschaft mit ihm tätige Rechtsanwalt im Falle einer Verhinderung die Vertretung übernimmt, unvorhersehbar als nicht ausreichend erwiesen haben, weil sich der Vertreter seinerseits in der ersten [X.] 2022 im Urlaub befand. Daraus ergibt sich aber nicht, dass es dem [X.]rozessbevollmächtigten des [X.] unmöglich und unzumutbar war, sich vor Ablauf der Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung auf die Suche nach einem anderen vertretungsbereiten Rechtsanwalt zu machen, um diesen mit der formgerechten Einreichung der am Nachmittag des 4. Januar 2022 fertiggestellten [X.]erufungsbegründung oder - nach Einholung der Zustimmung der [X.]eklagten zu einer weiteren Verlängerung der [X.]erufungsbegründungsfrist - eines Fristverlängerungsantrags zu beauftragen. Angesichts des Auftretens von Symptomen bereits am 1. Januar 2022 und der Ungewissheit des Ergebnisses des am 3. Januar 2022 veranlassten [X.]CR-Tests war der [X.]rozessbevollmächtigte des [X.] verpflichtet, sich hierauf vorzubereiten, indem er dafür Sorge trug, dass für die Erledigung fristgebundener Arbeiten ein Vertreter eingeschaltet werden kann, zumal er wusste, dass der mit ihm in [X.]ürogemeinschaft tätige Rechtsanwalt nicht erreichbar war. Seiner anwaltlichen Versicherung ist nicht zu entnehmen, dass er solche Maßnahmen, die ihm möglich und zumutbar waren, ergriffen hat.

[X.]rof. Dr. Karczewski     

      

[X.]     

      

Dr. Götz

      

Rust     

      

[X.]iontek     

      

Meta

IV ZB 7/22

25.01.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 25. Februar 2022, Az: 6 U 218/21, Beschluss

§ 85 Abs 2 ZPO, § 130d S 2 ZPO, § 233 S 1 ZPO, § 574 Abs 2 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2023, Az. IV ZB 7/22 (REWIS RS 2023, 353)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 353 MDR 2023, 380-381 REWIS RS 2023, 353 NJW 2023, 1062 REWIS RS 2023, 353

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